H2O hat geschrieben:(28 May 2020, 13:56)
Nie hat es innerhalb der EU eine in allen Partnerstaaten gemeinsam und nur für die Gemeinschaft angelegte Volksbefragung gegeben. Stets wurden innenpolitische "Denkzettel" verteilt. Ich habe überhaupt nichts gegen eine Volksbefragung nur darüber, ob das Land in der EU bleiben möchte, oder doch lieber in eine ungeschmälerte Unabhängigkeit übergehen möchte... so wie beim Brexit durchgeführt.
Ich gehe sogar noch weiter: Wer nicht mit 2/3 seiner Wählerstimmen in der EU bleiben möchte, der soll die EU verlassen. Auch das kann man vor der Abstimmung festlegen.
Warum wird diese "Nagelprobe" nicht durchgeführt? Immer nur Abstimmungen über Einzelheiten, nie über das Konzept EU. Das ist überfällig.
Ich wüßte nicht, wer unser Land daran hindern würde, die EU zu verlassen. Allerdings wäre es damit verdammt schlecht beraten. Mehr friedliche und freie Entfaltung seiner Kräfte dürfte es in einer einsamen Zukunft nie geben. Eine Frage der wirtschaftlichen und politischen Vernunft, die schon entschieden ist, bevor sie überhaupt gestellt wird.
Zunächst einmal Gratulation zu der Erkenntnis, dass bisher schlicht die demokratische Legitimation der "ever closer union" fehlt. Dieses top-down überstülpen funktioniert nicht und ist anti-demokratisch.
Allerdings offenbaren Sie gerade wieder eine Arroganz, welche sich häufig bei United States of Europe Anhängern wiederfindet. In Ihrer Gedankenwelt kann es gar nicht sein, dass die Bevölkerungsmehrheiten diese ach so tolle "ever closer union" ablehnen. Daher schreiben Sie die Ausgänge der Referenda einfach als "innenpolitische Denkzettel" ab, ohne zu reflektieren und anzuerkennen, dass nicht jeder so Feuer und Flamme von Ihren Visionen ist. Dies ist genau das Vorgehen der Politik. Verfassung von den Bürgern abgelehnt? Sche**** egal, wir schwächen soweit ab, dass wir neue Referenda umgehen können, nennen es nicht mehr Verfassung sondern Verträge von Lissabon und ratifizieren durch die Parlamente. Der Bürger ist eh so blöd, dass er das nicht checkt...
Die "Nagelprobe" wird nicht durchgeführt, da der hohen Politik sehr wohl bewusst ist, dass ihr eingeschlagener Weg vermutlich keine Mehrheiten in den Bevölkerungen hat. Zudem kommt hinzu, dass die Mehrheit der Mitgliedsländer eben nicht davon träumt, die Nationalstaaten zu "überwinden" und in einem Großeuropäischen Reich aufzugehen. Dieser Träumerei existiert nur in der Deutschen Politik (Leider von CDU/CSU bis zu den Linken), hat aber vermutlich (abgesehen von ein paar Gruenen und Linken Zirkeln) nicht einmal einen mehrheitlichen Rückhalt in der Deutschen Bevölkerung. Ein Referendum müsste daher nicht abgehalten werden über EU vs. Austritt, sondern viel mehr darüber, was die EU überhaupt sein soll. Angelehnt an das Weißbuch der letzten EU Komission:
1. United States of Europe
2. Engerer Staatenbund als Vertragsgemeinschaft mit gegenseitiger Haftung
3. Loser Staatenbund ohne gegenseitige Haftung, aber mit ausgewählten Feldern der Kooperation (z.B. Verteidigung, Forschung, etc.)
4. Reine Wirtschaftliche Kooperation
Ihr Vorgehen, aus der Zustimmung für die derzeitige EU als Vertragsgemeinschaft eine Zustimmung für die weitere Integration zu einem integrierten Bundesstaat mit gegenseitiger Haftung etc. abzuleiten, ist mit Verlaub Mumpitz, da zwischen beiden Sachen Welten liegen.
Was wir aber derzeit erleben ist, dass die Politik die EU genau in diese Richtung weiterentwickelt und das ohne jegliche Befragung der Bevölkerung. Nur mal zum Grössen Vergleich: Griechenland "1. Rettungspaket" €110bn und jetzt reden wir ueber €750bn
Ausgehend von Ihren Posts sind Sie bereits in Rente und Ihnen kann das egal sein. Ich hingegen zahle jeden Monat vermutlich mit die höchsten Steuer- und Abgabensätze zwischen Lissabon und Bukarest und das noch c. 40 Jahre. Und nein, ich sehe das nicht als gerecht an. Aber ich erkenne an, dass die Länder unterschiedlich sind. Es ist und bleibt utopisch allen europäischen Ländern das gleiche System überzustülpen, was Sie als "harmonisieren" bezeichnen. Dafür sind die Unterschiede viel zu massiv. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass es aus Gerechtigkeitsgründen eben keine gemeinsame Haftung und massive Transferzahlungen geben sollte.
Und noch ein Nachtrag bzgl. wer Deutschland daran hindern würde, Art. 50 in Kraft zu setzen. Gäbe es Tendenzen in die Richtung würde wohl Folgendees passieren:
1. Sämtliche europäische Botschafter angefuehrt von dem französischen laufen Sturm und erinnern Deutschland freundlich an die "historische Verantwortung"
2. Erneut wird die Reparationskarte gezogen
3. Zu guter letzt wird wieder freundlich daran erinnert, dass Deutschland nur unter der Praemisse der Einbettung in den Europäischen Rahmen seine Souveränität zurueck erlangte, welche sogleich durch eben jene Einbettung wieder teilweise beschnitten wurde. (zur deutschen Souveränität siehe u.a. Schöllgen Deutsche Außenpolitik von 1945 bis zur Gegenwart) Sollte die Erinnerung nicht fruchten, würde wohl ein Drohung daraus, die Souveränität Deutschlands nach einem Austritt wieder in Frage zu stellen, da die Prämisse der europäischen Einbettung nicht mehr gegeben wäre.