Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet VerfG

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Atheist

Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet VerfG

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Der nationalkonservative Angriff auf die Gewaltenteilung in Polen (inkl. der Medien) geht blitzkriegartig in die nächste Runde. Nach verfassungswidrigen personellen Umstrukturierungsversuchen des polnischen Verfassungsgerichtes durch die PiS-Regierung ist nun auch dessen Arbeitsweise erheblich erschwert worden und seine Unabhängigkeit wird nicht mehr durch die Verfassung garantiert. Im EU-Ausland werden derweil ungewohnt scharfe Stimmen laut, die Polen den Entzug des Stimmrechts androhen, sollte es seine Angriffe auf Struktur und Werte einer modernen freiheitlichen Demokratie (Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Pluralismus etc.) fortsetzen.

Meint ihr, dass die EU im Falle Polens endlich zur Anwendung des Art 7 EU-Vertrag übergeht, nachdem die Appeasement-Politik gegenüber Orban gescheitert ist und sich nun eine Art "postsowjetisch-nationalistische" Restauration in den neuen östlichen EU-Mitgliedern auszubreiten droht? Oder soll auch gegenüber der PiS Zurückhaltung geübt und auf die starke Opposition vertraut werden? Sollte man es u.U. sogar dem Markt überlassen? Polen konnte bisher hauptsächlich aufgrund der liberalen Politik wirtschaftlich (und gesellschaftlich) erstarken, und die Wirtschaft reagiert auf die aktuellen Umtriebe sehr nervös...
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat erneut vor einem Zusammenbruch der Europäischen Union (EU) gewarnt. "Die Gefahr besteht", sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Ungarn handle seit Jahren "nicht europäisch", der Rechtskurs der nationalkonservativen Regierung in Polen sei "furchterregend", so der Politiker.

Die Angriffe der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf Justiz und Medien erinnerten ihn an die Sowjetunion, sagte er im Südwestrundfunk (SWR). Polens neue Führung trete fundamentale europäische Prinzipien mit Füßen und müsse damit rechnen, dass die EU "viel schärfer" als bisher reagieren werde.

Die PiS war bei der Parlamentswahl im Oktober mit 38 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden und hatte eine absolute Mehrheit der Sitze gewonnen. Seit ihrem Amtsantritt nutzt die Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo ihre neugewonnene Macht, um kritische Medien und das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle zu bringen. In der Bevölkerung stößt diese Politik aber auf starken Widerstand. Am Samstag gingen das zweite Wochenende in Folge zehntausende Bürger gegen die neue Regierung auf die Straße.

Regierungschefin Szydlo warf ihren Kritikern indes vor, sie würden nur ihre bisherige Macht und ihren Einfluss verteidigen. "Wir brechen das Recht nicht. Alles geschieht in Übereinstimmung mit dem Recht und auf eine Weise, die uns aus dieser Pattsituation bringt", sagte die 52-Jährige im Fernsehsender TVN24. Die polnischen Bürger würden erwarten, "dass sich die Politiker wieder ihren Anliegen zuwenden", argumentierte Szydlo.

Warschau Stimmrecht entziehen

Asselborn sagte, falls die "Nacht-und-Nebel-Aktionen" anhielten, die Presse nicht mehr frei und die Justiz nicht mehr unabhängig arbeiten könnten, werde ein Punkt erreicht, an dem Warschau das Stimmrecht auf europäischer Ebene entzogen werden solle. Erfreulich sei, dass, anders als in Ungarn, die Bevölkerung in Polen den Angriffen auf die Gewaltenteilung die Stirn biete, sagte Asselborn.
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... egend.html
Artikel 7
(ex-Artikel 7 EUV)

(1) Auf begründeten Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments oder der Europäischen Kommission kann der Rat mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner Mitglieder nach Zustimmung des Europäischen Parlaments feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Der Rat hört, bevor er eine solche Feststellung trifft, den betroffenen Mitgliedstaat und kann Empfehlungen an ihn richten, die er nach demselben Verfahren beschließt.

Der Rat überprüft regelmäßig, ob die Gründe, die zu dieser Feststellung geführt haben, noch zutreffen.

(2) Auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments kann der Europäische Rat einstimmig feststellen, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt, nachdem er den betroffenen Mitgliedstaat zu einer Stellungnahme aufgefordert hat.

(3) Wurde die Feststellung nach Absatz 2 getroffen, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, bestimmte Rechte auszusetzen, die sich aus der Anwendung der Verträge auf den betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich der Stimmrechte des Vertreters der Regierung dieses Mitgliedstaats im Rat. Dabei berücksichtigt er die möglichen Auswirkungen einer solchen Aussetzung auf die Rechte und Pflichten natürlicher und juristischer Personen.

Die sich aus den Verträgen ergebenden Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaats sind für diesen auf jeden Fall weiterhin verbindlich.
https://dejure.org/gesetze/EU/7.html
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Bielefeld09
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Bielefeld09 »

Die Dummheit schreitet voran,
bei denen die Angst haben.
Alles gut, es reicht.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Bielefeld09 » Mi 23. Dez 2015, 03:39 hat geschrieben:Die Dummheit schreitet voran,
bei denen die Angst haben.
Alles gut, es reicht.
Deshalb soll hier in aller Ruhe und Sachlichkeit über mögliches Vorgehen gegen die Umstrukturierungsmaßnahmen der polnischen Regierung diskutiert werden.
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bakunicus
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von bakunicus »

Atheist » Mi 23. Dez 2015, 04:00 hat geschrieben:
Deshalb soll hier in aller Ruhe und Sachlichkeit über mögliches Vorgehen gegen die Umstrukturierungsmaßnahmen der polnischen Regierung diskutiert werden.
da gibt es leider nur eine möglichkeit; die polen müßen bei der nächsten wahl die PiS auf die oppositionsbank schicken.
alle maßnahmen der EU werden nur trotzreaktionen auslösen.
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Fadamo
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Fadamo »

Atheist » Mi 23. Dez 2015, 03:00 hat geschrieben:
Deshalb soll hier in aller Ruhe und Sachlichkeit über mögliches Vorgehen gegen die Umstrukturierungsmaßnahmen der polnischen Regierung diskutiert werden.
Das ist eine innerstaatliche Angelegenheit, die wir akzeptieren sollten.
Oder wollen wir uns mit Polen auch noch anlegen ?
Politik ist wie eine Hure,die kann man nehmen wie man will
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Cloudfox »

"[...]Denn als Geister
ruft euch nur zu seinem Zwecke,
erst hervor der alte Meister." Zauberlehrling, Goethe

Der polnische Wähler (alte Meister) muss dafür sorgen,
dass bestimmte Parteien (Geister) nicht das "undemokratische
Zepter" (Macht) behalten...
Aufbau

Überheblichkeit und Wichtigtuerei
Umsetzung des Vorhabens
Machtrausch
Angst und Verzweiflung
Hilfloses Schimpfen
Verzweiflungstat
Hilferuf
Rettung
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberlehrling
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

bakunicus » Mi 23. Dez 2015, 03:29 hat geschrieben:da gibt es leider nur eine möglichkeit; die polen müßen bei der nächsten wahl die PiS auf die oppositionsbank schicken.
und die initiatoren aller illegalen maßnahmen müssen vors gericht gebracht werden.
damit andere politiker wieder die lehre bekommen »das gesetz mißachten ist auch für regierungen und präsidenten verboten«..
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von bakunicus »

Nomen Nescio » Mi 23. Dez 2015, 08:22 hat geschrieben: und die initiatoren aller illegalen maßnahmen müssen vors gericht gebracht werden.
damit andere politiker wieder die lehre bekommen »das gesetz mißachten ist auch für regierungen und präsidenten verboten«..
das wird wohl ein frommer wunsch bleiben, auch wenn ich dem prinzipiell zustimme
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schokoschendrezki
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Bevor die EU als Ganzes gegen Polen als Mitgliedsstaat vorgeht, gäbe es ja noch Instanzen gewissermaßen auf niedrigerer Eskalationsstufe. Zum Beispiel die Fraktionen des EU-Parlaments. Orbáns Fidesz ist zusammen mit Merkels CDU und anderen größeren Parteien in der EVP. Die PiS bildet zusammen mit den britischen Konservativen und einigen kleineren Parteien die Fraktion Europäische Konservative. Da tut sich jedoch nix, und das zeigt das ganze Dilemma. Polen und Ungarn machen nur das etwas offener und unverhohlener, was in anderen Teilen der EU nur verbrämter und etwas zivilisierter abläuft. Solange die Regierungsparteien in EU-Parlamentsfraktionen eingebunden bleiben, glaube ich nicht, dass man wirklich etwas gegen diese Entwicklungen unternehmen möchte.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat erneut vor einem Zusammenbruch der Europäischen Union (EU) gewarnt. "Die Gefahr besteht", sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Ungarn handle seit Jahren "nicht europäisch", der Rechtskurs der nationalkonservativen Regierung in Polen sei "furchterregend", so der Politiker.

Die Angriffe der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf Justiz und Medien erinnerten ihn an die Sowjetunion, sagte er im Südwestrundfunk (SWR). Polens neue Führung trete fundamentale europäische Prinzipien mit Füßen und müsse damit rechnen, dass die EU "viel schärfer" als bisher reagieren werde.
Mehr noch als an die verflossene Sowjetunion erinnert das heutige Polen an das Russland der Nuller Dekade. Dass beide Staaten sich gegenseitig ziemlich verfeindet geben, verstärkt diesen Eindruck eher noch. Ich weiß, dass eine Reihe von Usern hier diesen Vergleich vehement ablehnen wird. Er wurde aber nicht nur in der polnischen Gazeta Wyborcza unmittelbar nach der Wahl gezogen. Kein geringerer als der Chefredakteur des (eigentlich seriösen) Tagesspiegel, Stephan Casdorff überschreibt eine Kolumne mit "Der polnische Putinismus" (http://www.tagesspiegel.de/politik/casd ... 66866.html)

Ich gehe da sogar noch weiter und sehe auch den russischen Kontrahenten Ukraine in dieser Richtung. Um nur eines der gemeinsamen Merkmale zu nennen: Die unkritische und größtenteils ahistorische Berufung auf höchst zweifelhafte Gestalten der jeweiligen nationalen Geschichte: Kaczynski auf den polnischen de-facto-Diktator Pilsudski, Putin auf den slawophil-religiösen fanatisch antibolschewistischen Philosophen Iwan Iljin, große Teile der ukrainischen Eliten auf den Nationalisten Stepan Bandera, Orbán auf den "Reichsverweser" und Hitler-Verbündeten Horthy usw. usf.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

Nomen Nescio » Mi 23. Dez 2015, 07:22 hat geschrieben: und die initiatoren aller illegalen maßnahmen müssen vors gericht gebracht werden.
damit andere politiker wieder die lehre bekommen »das gesetz mißachten ist auch für regierungen und präsidenten verboten«..
Das Gesetz missachten ist illegal, dass Gesetz zu ändern, um es hinterher zu achten ist legal. :D Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt, wenn sie einem Gesetzgeber nicht passen, dann kann dieser sie ändern. Das nur grundsätzlich zum Thema, ansonsten zählt für mich nur, wie es der Deutschen Minderheit unter den jeweiligen polnischen Regierungen geht.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

Die Polen demonstrieren, die Popularität der frisch gewählten Regierung sinkt im Minutentakt.
Noch ist Polen nicht verloren. Gegen eine robuste Gesellschaft ist ein "stiller Staatsstreich" nur sehr bedingt durchführbar, wenn überhaupt.
Und auf der Straße demonstrieren jetzt nicht etwa Linke gegen Rechte, sondern einfach der erschreckte Teil der Mitte.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer » Mi 23. Dez 2015, 21:22 hat geschrieben:Die Polen demonstrieren, die Popularität der frisch gewählten Regierung sinkt im Minutentakt.
Noch ist Polen nicht verloren. Gegen eine robuste Gesellschaft ist ein "stiller Staatsstreich" nur sehr bedingt durchführbar, wenn überhaupt.
Und auf der Straße demonstrieren jetzt nicht etwa Linke gegen Rechte, sondern einfach der erschreckte Teil der Mitte.
Nein DL, das ist nicht richtig. Es finden (jedenfalls in Warschau) abwechselnde Demonstrationen des einen Teils der Gesellschaft gegen den anderen statt. Samstags die einen und sonntags die ganz anderen. In welche politische Richtung der jeweilige Teil einzuordnen ist, ist noch nicht ganz klar.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von palulu »

Geht den Rest der EU warum genau etwas an?
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Helmuth_123 » Mi 23. Dez 2015, 20:20 hat geschrieben:Das Gesetz missachten ist illegal, dass Gesetz zu ändern, um es hinterher zu achten ist legal. :D
das taten die nazis öfter. AH himself hat mindestens dreimal das damalige GG gebrochen.
wenn man später etwas legalisiert und es gut redet, ist es darum noch nicht legal noch korrekt. auch nicht wenn dabei rückwirkend erklärt wird, daß es schon eher galt. denke an lex van der lubbe und die todesstrafe.
Zuletzt geändert von Nomen Nescio am Mi 23. Dez 2015, 21:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki » Mittwoch 23. Dezember 2015, 20:52 hat geschrieben: Nein DL, das ist nicht richtig. Es finden (jedenfalls in Warschau) abwechselnde Demonstrationen des einen Teils der Gesellschaft gegen den anderen statt. Samstags die einen und sonntags die ganz anderen. In welche politische Richtung der jeweilige Teil einzuordnen ist, ist noch nicht ganz klar.
Wie du meinst. Ein Kommentator sagt es so:
Erstens ist der Widerstand gegen diese Regierung viel kraftvoller als der vor etwas mehr als zehn Jahren gegen die Politik des damaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski.
Und zweitens ist dieser Widerstand spontan viel breiter: Hier demonstriert nicht Links gegen Rechts, hier demonstriert ein Gutteil des alten und neuen Bürgertums sowie der Linken ohne Anleitung durch Parteien aus eigenem Antrieb gegen die Vermuffung der polnischen Gesellschaft.
http://www.welt.de/debatte/kommentare/a ... itern.html

Er kann sich natürlich irren.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

palulu » Mi 23. Dez 2015, 22:50 hat geschrieben:Geht den Rest der EU warum genau etwas an?
Weil nicht nur Europa sondern die Welt als Ganzes radikal nicht mehr aus isolierten Bausteinen sondern aus global vernetzten Komponenten besteht. Nur um diese allgemeingültige politische Phrase aufs Thema zu beschränken: Die jetzt regierende polnische PiS bildet zusammen mit den regierenden britischen Konservativen (und einigen kleineren Parteien) eine Fraktion im europäischen Parlament: Die Fraktion der EU-AUflöser. Kann es sein, dass du Polen oder UK bedeutungsmäßig nicht von Estland und Slowenien unterscheiden kannst?
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Laertes
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Laertes »

Helmuth_123 » Mi 23. Dez 2015, 20:20 hat geschrieben:Das Gesetz missachten ist illegal, dass Gesetz zu ändern, um es hinterher zu achten ist legal. :D Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt, wenn sie einem Gesetzgeber nicht passen, dann kann dieser sie ändern.
Sehe ich grundsätzlich auch so. Das Konstrukt EU krankt auch daran, dass es keine gemeinsame Verfassung und keinen europäischen Verfassungsgerichtshof gibt, die den demokratisch zulässigen Rahmen abstecken. Die Vereinbarkeit der aktuellen Umgestaltung in Polen mit EU Maßgaben zu bewerten ist Sache von EU Kommission, EUGH und EUGMR. Jedenfalls nicht die Aufgabe nationaler Regierungsvertreter aus Luxemburg oder Deutschland. Und ändern können es allein die polnischen Bürger.

Grundmotivation der EU-Mitglieder sind eben nicht gemeinsame verbindliche demokratische Standards (die werden bestenfalls zähneknirschend als Mitgliedsbeitrag akzeptiert), sondern Freihandel, Freizügigkeit und die Verhinderung von Hegemonialmächten und kriegerischen Konflikten in Europa.

Was mich wundert: Warum ist ein für die Gewaltenteilung so unverzichtbares Organ wie das Verfassungsgericht überhaupt so einfach durch parlamentarisch verabschiedete Gesetze zu knebeln (Zweidrittelmehrheit, Anwesenheitsquote, chronologische Verhandlung der Fälle)? Besteht da ein Konstruktionsfehler in der polnischen Verfassung oder wäre das bei uns ebenso einfach möglich?

Mal abwarten was das geplante Mediengesetz dann beinhaltet. Und ob man dann noch von einer rechts-national-konservativen Demokratie (völlig i. O. innerhalb der EU) sprechen kann, oder Polen konsequent zu einem weiteren autoritären Staat (nicht i. O. innerhalb der EU) umgestaltet wird.
"Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."
(Ernst-Wolfgang Böckenförde)
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Laertes » 2015-12-24, 09:46 hat geschrieben: ...

Was mich wundert: Warum ist ein für die Gewaltenteilung so
unverzichtbares Organ wie das Verfassungsgericht überhaupt
so einfach durch parlamentarisch verabschiedete Gesetze zu
knebeln (Zweidrittelmehrheit, Anwesenheitsquote, chronologische
Verhandlung der Fälle)? Besteht da ein Konstruktionsfehler in der
polnischen Verfassung oder wäre das bei uns ebenso einfach
...
Nun ja, ganz einfach sind Verfassungsänderungen weder in Polen
noch in Deutschland. Aber wenn eine 2/3-Mehrheit im Bundestag
und im Bundesrat eine Änderung durchsetzen will, dann gibt es auch
in Deutschland kein Halten mehr.

Im Grundgesetz gibt es Artikel, die unantastbar sind; im wesentlichen
sind das Menschenrechte. Nur möchte ich denjenigen sehen, der
sich erfolgreich einer so großen Mehrheit widersetzen kann, wenn
die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, der Staat mit dieser Macht im Rücken
seine Machtmittel einsetzt. Sehr theoretisch, aber doch vorstellbar!

Alles andere wäre doch die Herrschaft einer wohlmeinenden und im
Fall so großer Mehrheiten unantastbaren selbsternannten Elite. Das
ist doch wohl sehr künstlich konstruiert, daß die Justiz und die Polizei
und die Streitkräfte dann dieser wohlmeinenden Elite dienen könnten.

Wenn die Gemeinschaft oder eine Mehrheit in der Gemeinschaft mit
den Vorgängen in Polen fremdelt (wohl zu Recht), dann muß sie eben
prüfen, wie sie das Mitglied ins Abseits stellt und von Segnungen der
Gemeinschaft ausschließt... Geld, offene Grenzen, Niederlassungfreiheit...

Und wenn ein Mitglied sich sehr am vorherrschenden Wertesystem oder
anderen wesentlichen Dingen stört, etwa die ihm auferlegten Belastungen
unangemessen empfindet, dann könnte es ja auch seinerseits der Gemein-
schaft den Rücken kehren. Wieder sehr theoretisch, aber doch möglich,
wenn man den "Euro-Skeptikern" folgt.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Laertes » Do 24. Dez 2015, 10:46 hat geschrieben: Was mich wundert: Warum ist ein für die Gewaltenteilung so unverzichtbares Organ wie das Verfassungsgericht überhaupt so einfach durch parlamentarisch verabschiedete Gesetze zu knebeln (Zweidrittelmehrheit, Anwesenheitsquote, chronologische Verhandlung der Fälle)? Besteht da ein Konstruktionsfehler in der polnischen Verfassung oder wäre das bei uns ebenso einfach möglich?
Der einfachgesetzlichen Ausfüllung der in der Verfassung genannten und geschützten Staatsfundamentalprinzipien sind durch die eben gleiche Verfassung Grenzen gesetzt. Es bringt nämlich nichts, in der Verfassung Rechtsstaatlichkeit zu garantieren, das Verfahren der Gerichte aber einfachgsetzlich bis hin zur vollständigen Lähmung zur verkomplizieren. Das ist wie mit dem Demokratieprinzip: wer nur aller 20 Jahre wählen lässt, kann sich selbst nicht mit der Demokratie in der Verfassung schmücken. Der Witz ist aber, dass es in aller Regel einem Verfassungsgericht obliegen wird, über derlei Verfassungsstreitigkeiten zu entscheiden. Hehe... :D Wie gut, dass da einige Volksherrscher sich selbst zu helfen wissen, indem sie für jeden Pups-Fall die qualifizierte Mehrheit vorsehen. Und das alles wird natürlich auch eingebettet in ein größeres politisches Konzept, das z.B. solche Absurditäten wie das erzwungene Erzählen von Heldenmärchen beinhaltet, damit Polen sich wieder von den Knien erheben könne. :? Faschos aller Zeiten hatten ein ähnliches Verhältnis zum Kultur- und Medienbetrieb, und er war neben bestimmten Verfassungsorganen auch einer der ersten Bereiche, die vereinnahmt wurden.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von DarkLightbringer »

Viele Polen setzen jetzt auf das "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD), die bewußt an die Keimzelle KOR und die Kraft der Solidarnosc erinnert.
"Ich schäme mich", sagte Arbeiterlegende Lech Walesa.

Ich bin zuversichtlich, dass die polnische Demokratie gewinnen wird.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

schokoschendrezki » Mi 23. Dez 2015, 09:35 hat geschrieben:
Mehr noch als an die verflossene Sowjetunion erinnert das heutige Polen an das Russland der Nuller Dekade. Dass beide Staaten sich gegenseitig ziemlich verfeindet geben, verstärkt diesen Eindruck eher noch. Ich weiß, dass eine Reihe von Usern hier diesen Vergleich vehement ablehnen wird. Er wurde aber nicht nur in der polnischen Gazeta Wyborcza unmittelbar nach der Wahl gezogen. Kein geringerer als der Chefredakteur des (eigentlich seriösen) Tagesspiegel, Stephan Casdorff überschreibt eine Kolumne mit "Der polnische Putinismus" (http://www.tagesspiegel.de/politik/casd ... 66866.html)

Ich gehe da sogar noch weiter und sehe auch den russischen Kontrahenten Ukraine in dieser Richtung. Um nur eines der gemeinsamen Merkmale zu nennen: Die unkritische und größtenteils ahistorische Berufung auf höchst zweifelhafte Gestalten der jeweiligen nationalen Geschichte: Kaczynski auf den polnischen de-facto-Diktator Pilsudski, Putin auf den slawophil-religiösen fanatisch antibolschewistischen Philosophen Iwan Iljin, große Teile der ukrainischen Eliten auf den Nationalisten Stepan Bandera, Orbán auf den "Reichsverweser" und Hitler-Verbündeten Horthy usw. usf.
Diese Ähnlichkeiten zu slawischen Staaten sind in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Ich habe ja prnzipiell nichts gegen Putin und werde sogar andernorts oft als Putinist geschmäht, allerdings wird man von mir keinen einzigen Beitrag finden, in dem ich Putins Innenpolitik gut heiße und sie auch in Deutschland oder in der EU umgesetzt sehen will. Putins autoritären Charakter und Russlands System der gelenkten Demokratie werden die wenigsten verklären können, die Ausbreitung selbigen Systems innerhalb der EU gilt es aber zu bekämpfen und zu verhindern. Auch auf ein Polen der 80er Jahre kann die EU sehr gut verzichten.
Zuletzt geändert von Atheist am Do 24. Dez 2015, 14:15, insgesamt 1-mal geändert.
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

DarkLightbringer » Do 24. Dez 2015, 15:04 hat geschrieben:
Ich bin zuversichtlich, dass die polnische Demokratie gewinnen wird.
Das kann man sein. Allerdings haben sich die EU-Mitgliedstaaten zu nachfolgendem vertraglich verpflichtet:
Artikel 1
(ex-Artikel 1 EUV)

Durch diesen Vertrag gründen die hohen Vertragsparteien untereinander eine Europäische Union (im Folgenden "Union"), der die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen.

Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden.

Grundlage der Union sind dieser Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden "Verträge"). Beide Verträge sind rechtlich gleichrangig. Die Union tritt an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft, deren Rechtsnachfolgerin sie ist.
Artikel 2

Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.
https://dejure.org/gesetze/EU/2.html

Das müssen sie auch einhalten - ganz gleich, welche gesellschaftliche Fraktion im Parlament die Macht inne hält und wie die außerparlamentarische Opposition agiert.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Do 24. Dez 2015, 11:24 hat geschrieben: Und wenn ein Mitglied sich sehr am vorherrschenden Wertesystem oder
anderen wesentlichen Dingen stört, etwa die ihm auferlegten Belastungen
unangemessen empfindet, dann könnte es ja auch seinerseits der Gemein-
schaft den Rücken kehren. Wieder sehr theoretisch, aber doch möglich,
wenn man den "Euro-Skeptikern" folgt.
Theoretisch ist auch möglich, dass die Rest-EU geschlossen austritt und sich ohne Störenfriede neu gründet. :D Allerdings wäre das weder im eigentlichen Sinne der Europäer, die sich als Mitglieder einer Schicksalsgemeinschaft verstehen, noch der Euro-Skeptiker, die einfach nur viel zu gierig sind und noch mehr abgreifen wollen - sowohl an Mitteln aus dem EU-Ausland als auch an Macht im Inland.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-24, 14:21 hat geschrieben:
Theoretisch ist auch möglich, dass die Rest-EU geschlossen austritt und sich ohne Störenfriede neu gründet. :D Allerdings wäre das weder im eigentlichen Sinne der Europäer, die sich als Mitglieder einer Schicksalsgemeinschaft verstehen, noch der Euro-Skeptiker, die einfach nur viel zu gierig sind und noch mehr abgreifen wollen - sowohl an Mitteln aus dem EU-Ausland als auch an Macht im Inland.
Vermutlich könnte man aus der "Gemeinschaft der 11 Willigen"
etwas machen, was über den Gleichklang in der Aufnahme von
asylberechtigten Flüchtlingen hinaus geht. Aber es ist auch wichtig,
den Hartherzigen eine Zeit der Besinnung ein zu räumen.

Genau genommen feiern wir gerade einige Flüchtlinge vor langer,
langer Zeit. Vielleicht fällt unseren polnischen Nachbarn dazu etwas
für die Neuzeit ein, oder sind die am Ende gottlos trotz der vielen
Marienstandbilder am Wege?
Atheist

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Do 24. Dez 2015, 15:30 hat geschrieben:
Vermutlich könnte man aus der "Gemeinschaft der 11 Willigen"
etwas machen, was über den Gleichklang in der Aufnahme von
asylberechtigten Flüchtlingen hinaus geht. Aber es ist auch wichtig,
den Hartherzigen eine Zeit der Besinnung ein zu räumen.
Kerneuropa ist zwar ökonomisch nicht sinnvoll, wäre aber schon längst ein Bundesstaat, wenn dessen Harmonisierungsbemühungen nicht durch eine Hand voll eigenwilliger Nationalregierungen sowie durch schwer harmonisierbare bis gänzlich inkompatible Teile der Rechtsordnungen selbiger behindert worden wären.
Genau genommen feiern wir gerade einige Flüchtlinge vor langer,
langer Zeit. Vielleicht fällt unseren polnischen Nachbarn dazu etwas
für die Neuzeit ein, oder sind die am Ende gottlos trotz der vielen
Marienstandbilder am Wege?
Das ist leider zu bezweifeln. Faschos interessieren sich für die Erlangung und die Erhaltung von Macht, nicht für deren Beschränkung. Die christliche Lehre könnte da also allenfalls als Mittel zu Zwecken der beiden erstgenannten Alternativen dienen.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Atheist » 2015-12-24, 14:51 hat geschrieben:
Kerneuropa ist zwar ökonomisch nicht sinnvoll, wäre aber schon längst ein Bundesstaat, wenn dessen Harmonisierungsbemühungen nicht durch eine Hand voll eigenwilliger Nationalregierungen sowie durch schwer harmonisierbare bis gänzlich inkompatible Teile der Rechtsordnungen selbiger behindert worden wären.



Das ist leider zu bezweifeln. Faschos interessieren sich für die Erlangung und die Erhaltung von Macht, nicht für deren Beschränkung. Die christliche Lehre könnte da also allenfalls als Mittel zu Zwecken der beiden erstgenannten Alternativen dienen.
Das Mögliche errreichen wollen, das scheint mir
Vorrang zu haben vor dem Unmöglichen. Ein Kern-
europa der 11 Willigen wird immer offen sein für
Neuzugänge, die sich auf den bestehenden Fahrplan
verpflichten und das Endziel bestätigen.

Das Endziel der Union gehört aus meiner Sicht in
die Verfassungen der Mitgliedsstaaten, möglichst
nach einer Volksabstimmung über diese künftige
Gemeinschaft. Die Abstimmung sollte mit 2/3-Mehr-
heit gültig werden, damit es keine Wackelkandidaten
gibt, die das nur ein wenig möchten, aber nicht so
ganz.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

Nomen Nescio » Mi 23. Dez 2015, 21:57 hat geschrieben:das taten die nazis öfter. AH himself hat mindestens dreimal das damalige GG gebrochen.
wenn man später etwas legalisiert und es gut redet, ist es darum noch nicht legal noch korrekt. auch nicht wenn dabei rückwirkend erklärt wird, daß es schon eher galt. denke an lex van der lubbe und die todesstrafe.
Hat denn die neue polnische Regierung Gesetze gebrochen oder gar gegen die Verfassung verstoßen? Ich glaube ja, dass diese Frage am besten ein polnischer Staats- oder Verfassungsrechtler, Jurist, Politikwissenschaftler o.ä. beantworten könnte. Die kennen ja ihre Gesetze und wie diese umgesetzt werden.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

H2O » Do 24. Dez 2015, 10:24 hat geschrieben:
Nun ja, ganz einfach sind Verfassungsänderungen weder in Polen
noch in Deutschland. Aber wenn eine 2/3-Mehrheit im Bundestag
und im Bundesrat eine Änderung durchsetzen will, dann gibt es auch
in Deutschland kein Halten mehr.

Im Grundgesetz gibt es Artikel, die unantastbar sind; im wesentlichen
sind das Menschenrechte. Nur möchte ich denjenigen sehen, der
sich erfolgreich einer so großen Mehrheit widersetzen kann, wenn
die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, der Staat mit dieser Macht im Rücken
seine Machtmittel einsetzt. Sehr theoretisch, aber doch vorstellbar!

Alles andere wäre doch die Herrschaft einer wohlmeinenden und im
Fall so großer Mehrheiten unantastbaren selbsternannten Elite. Das
ist doch wohl sehr künstlich konstruiert, daß die Justiz und die Polizei
und die Streitkräfte dann dieser wohlmeinenden Elite dienen könnten.

Wenn die Gemeinschaft oder eine Mehrheit in der Gemeinschaft mit
den Vorgängen in Polen fremdelt (wohl zu Recht), dann muß sie eben
prüfen, wie sie das Mitglied ins Abseits stellt und von Segnungen der
Gemeinschaft ausschließt... Geld, offene Grenzen, Niederlassungfreiheit...

Und wenn ein Mitglied sich sehr am vorherrschenden Wertesystem oder
anderen wesentlichen Dingen stört, etwa die ihm auferlegten Belastungen
unangemessen empfindet, dann könnte es ja auch seinerseits der Gemein-
schaft den Rücken kehren. Wieder sehr theoretisch, aber doch möglich,
wenn man den "Euro-Skeptikern" folgt.
Richtig, das Prinzip der Volkssouveränität beinhaltet nun einmal grundlegend die Tatsache, dass der Verfassungsgeber das Volk ist. Wenn nun eine genügend große Mehrheit dieses Souveräns direkt oder indirekt die Verfassung ändern oder gar durch eine neue ersetzen möchte, dann darf er (der Souverän, also das Volk) das ganz legal. Wen jetzt die EU bestimmte Vorgaben zu den Verfassungen der Mitgliedsstaaten machen würde, dann wäre das ein ziemlicher Eingriff in die Souveränität dieser Staaten und ein Eingriff in die Volkssouveränität des betreffenden Volkes. Ob das die derzeitige EU überhaupt darf, immerhin ist sie ja kein Bundesstaat wie die Bundesrepublik, die ihren Gliedstaaten schon Vorgaben in Bezug auf die Landesverfassungen machen darf, ist eine interessante Frage. Aber ich bin kein Staatsrechtler, deswegen wären alle meine Äußerungen dazu nur schlechte Spekulationen. :p
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Helmuth_123 » 2015-12-24, 17:12 hat geschrieben: ...
Wenn jetzt die EU bestimmte Vorgaben zu den Verfassungen
der Mitgliedsstaaten machen würde, dann wäre das ein ziemlicher
Eingriff in die Souveränität dieser Staaten und ein Eingriff in die
Volkssouveränität des betreffenden Volkes. ...
Aber ich bin kein Staatsrechtler, deswegen wären alle meine
Äußerungen dazu nur schlechte Spekulationen.
Solche "Spekulationen" sind doch aber erlaubt, denn auch in einer
Volksabstimmung oder Wahl gelten Mehrheiten als das Maß der
Dinge, ohne daß deshalb Staatsrechtler mehr Stimmrecht hätten
als der in diesem Sinne unbedarfte Mitbürger.

Deshalb schlage ich ja immer wieder 2/3-Mehrheiten in Volksab-
stimmungen vor, die mit einer neuen Staatenbildung in Ver-
bindung stehen. Denn irgendwann muß ja einmal der Groschen
fallen, welcher Schicksalsgemeinschaft man angehören will. Dann muß
diese Willenserklärung ein-eindeutig sein und unwiderruflich. Und daß
auch dort dann künftig Mehrheiten entscheiden, das ist doch selbstver-
ständlich, wenn wir den Volkswillen des neu gebildeten Volkes gelten
lassen wollen.

Wenn wir da Bedenken hätten, dann könnten wir unsere Staaten im
Umkehrschluß in einzelne Provinzen bis herab in einzelne Familien
zerlegen, die den Willen anderer Provinzen bis Familien nicht gelten
lassen wollen. Denn die allermeisten großen Staaten sind doch nicht
aus einer einmütigen Willenserklärung heraus entstanden, sondern
nach mehr oder weniger offenen Gewalttaten der bei der Reichsbildung
Herrschenden.
Doktor Schiwago

Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Doktor Schiwago »

Und was ist da in Polen jetzt eigentlich so undemokratisches passiert?
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

H2O » Do 24. Dez 2015, 17:46 hat geschrieben:
Solche "Spekulationen" sind doch aber erlaubt, denn auch in einer
Volksabstimmung oder Wahl gelten Mehrheiten als das Maß der
Dinge, ohne daß deshalb Staatsrechtler mehr Stimmrecht hätten
als der in diesem Sinne unbedarfte Mitbürger.

Deshalb schlage ich ja immer wieder 2/3-Mehrheiten in Volksab-
stimmungen vor, die mit einer neuen Staatenbildung in Ver-
bindung stehen. Denn irgendwann muß ja einmal der Groschen
fallen, welcher Schicksalsgemeinschaft man angehören will. Dann muß
diese Willenserklärung ein-eindeutig sein und unwiderruflich. Und daß
auch dort dann künftig Mehrheiten entscheiden, das ist doch selbstver-
ständlich, wenn wir den Volkswillen des neu gebildeten Volkes gelten
lassen wollen.

Wenn wir da Bedenken hätten, dann könnten wir unsere Staaten im
Umkehrschluß in einzelne Provinzen bis herab in einzelne Familien
zerlegen, die den Willen anderer Provinzen bis Familien nicht gelten
lassen wollen. Denn die allermeisten großen Staaten sind doch nicht
aus einer einmütigen Willenserklärung heraus entstanden, sondern
nach mehr oder weniger offenen Gewalttaten der bei der Reichsbildung
Herrschenden.
Das vorab: Ich bin da ehrlich gesagt eigentlich komplett außen vor, da ich kein Anhänger des Prinzips der Volkssouveränität bin. Und ein Freund der europäischen Integration bin ich auch nicht. Deswegen ist es mir ziemlich egal, wie die EU sich in Zukunft entwickelt.
Aber jetzt zum Thema. Wenn eine nach dem Prinzip der Volkssouveränität gebildete EU-Verfassung, z.B. über den Weg einer europäischen Verfassungsversammlung mit anschließender EU-weiter Volksabstimmung, begründet wurde, in der drin steht, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Verfassungsgrundsätze erfüllen müssen und die Mitgliedstaaten dieser Verfassung einstimmig zustimmen, dann könnte ich mir vorstellen , dass diese EU auch legal eingreifen kann, wenn ein Mitgliedstaat, diese Verfassungsgrundsätze missachtet.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Helmuth_123 » 2015-12-24, 18:08 hat geschrieben:
Das vorab: Ich bin da ehrlich gesagt eigentlich komplett außen vor, da ich kein Anhänger des Prinzips der Volkssouveränität bin. Und ein Freund der europäischen Integration bin ich auch nicht. Deswegen ist es mir ziemlich egal, wie die EU sich in Zukunft entwickelt.
Aber jetzt zum Thema. Wenn eine nach dem Prinzip der Volkssouveränität gebildete EU-Verfassung, z.B. über den Weg einer europäischen Verfassungsversammlung mit anschließender EU-weiter Volksabstimmung, begründet wurde, in der drin steht, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Verfassungsgrundsätze erfüllen müssen und die Mitgliedstaaten dieser Verfassung einstimmig zustimmen, dann könnte ich mir vorstellen , dass diese EU auch legal eingreifen kann, wenn ein Mitgliedstaat, diese Verfassungsgrundsätze missachtet.
Einen Mitgliedsstaat in dem Sinne gäbe es nach einer
solchen Willenserklärung gar nicht mehr, sondern "nur"
Verwaltungseinheiten, die aus ehemaligen Staaten her-
vorgegangen sind.

Nein, eine EU-weite Volksabstimmung muß vor der
Gemeinschaftsbildung schon noch Land für Land ent-
scheiden, ob es dieser angebotenen Gemeinschaft
angehören will. Erst danach kann es keine Extrawurst
mehr geben, sondern nur noch Mehrheiten innerhalb
der großen Gemeinschaft. Wenn daran gedreht werden
soll, dann muß auch das zuvor öffentlich geklärt und
verkündet worden sein, weil solche Fragen sicher auch
in die Willensbildung einfließen müssen.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Helmuth_123 » Do 24. Dez 2015, 16:57 hat geschrieben:Hat denn die neue polnische Regierung Gesetze gebrochen oder gar gegen die Verfassung verstoßen? Ich glaube ja, dass diese Frage am besten ein polnischer Staats- oder Verfassungsrechtler, Jurist, Politikwissenschaftler o.ä. beantworten könnte. Die kennen ja ihre Gesetze und wie diese umgesetzt werden.
nirgendwo ist es erlaubt, was der neue polnische präsident tat: eingreifen in einem rechtsverfahren.
da hat er einen minister(?) ernannt, der aber in einer strafprozedur verwickelt war. der präsident sagte ungefähr, daß s.e. die beschuldigung falsch war und begnadigte deshalb diese person. um sie danach die neue stelle zu geben.
begnadigen darf aber erst wenn eine verurteilung statt gefunden hat !!
und was, falls der mann freigesprochen war ?? :D
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

H2O » Do 24. Dez 2015, 18:34 hat geschrieben:
Einen Mitgliedsstaat in dem Sinne gäbe es nach einer
solchen Willenserklärung gar nicht mehr, sondern "nur"
Verwaltungseinheiten, die aus ehemaligen Staaten her-
vorgegangen sind.

Nein, eine EU-weite Volksabstimmung muß vor der
Gemeinschaftsbildung schon noch Land für Land ent-
scheiden, ob es dieser angebotenen Gemeinschaft
angehören will. Erst danach kann es keine Extrawurst
mehr geben, sondern nur noch Mehrheiten innerhalb
der großen Gemeinschaft. Wenn daran gedreht werden
soll, dann muß auch das zuvor öffentlich geklärt und
verkündet worden sein, weil solche Fragen sicher auch
in die Willensbildung einfließen müssen.
In einem zentralistischen EU-Staat wären es tatsächlich nur noch Verwaltungseinheiten, so wie in Frankreich. In einen föderalistischen EU-Staat, wären die Gliedstaaten auch tatsächliche Gliedstaaten, wie in der Bundesrepublik die Bundesländer.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

Nomen Nescio » Do 24. Dez 2015, 20:07 hat geschrieben: nirgendwo ist es erlaubt, was der neue polnische präsident tat: eingreifen in einem rechtsverfahren.
da hat er einen minister(?) ernannt, der aber in einer strafprozedur verwickelt war. der präsident sagte ungefähr, daß s.e. die beschuldigung falsch war und begnadigte deshalb diese person. um sie danach die neue stelle zu geben.
begnadigen darf aber erst wenn eine verurteilung statt gefunden hat !!
und was, falls der mann freigesprochen war ?? :D
"Nirgendwo ist es erlaubt, ..." ist kein valides Argument. In Polen gilt die polnische Verfassung und polnische Gesetze, an diese hat sich eine polnische Regierung zu halten, was irgendwo anders gilt oder nicht gilt, ist dabei völlig unerheblich. Deswegen ja meine Frage, hat die neue polnische Regierung polnische Gesetze gebrochen oder gar die Verfassung. Wenn dem so ist, dann sollte auch klar dargelegt werden, welche(s) Gesetz(e) bzw. welche(r) Verfassungsartikel gebrochen wurden sind. Argumente á la: "Solches Verhalten sei undemokratisch." sind nicht wirklich stichhaltig. Da Demokratie kein fester Begriff ist, sondern etwas was interpretiert und gestalltet werden kann. Es gibt nicht die Demokratie, es gibt verschiedene Formen der Demokratie.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Helmuth_123 » 2015-12-24, 20:10 hat geschrieben:
In einem zentralistischen EU-Staat wären es tatsächlich nur noch Verwaltungseinheiten, so wie in Frankreich. In einen föderalistischen EU-Staat, wären die Gliedstaaten auch tatsächliche Gliedstaaten, wie in der Bundesrepublik die Bundesländer.
Dieser Unterschied spielt aber in der Mehrheitsbildung
keine entscheidende Rolle; bei Bundestagswahlen wird
letztlich auch die Mehrheit auf Bundesebene wirksam.
Natürlich kann eine EU der Willigen auch nur eine Föde-
ration sein; das erzwingt schon unsere sprachliche Vielfalt
in Europa und das gewachsene kulturelle Bewußtsein
unserer einzelnen Völker.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Helmuth_123 » 2015-12-24, 20:20 hat geschrieben:
"Nirgendwo ist es erlaubt, ..." ist kein valides Argument. In Polen gilt die polnische Verfassung und polnische Gesetze, an diese hat sich eine polnische Regierung zu halten, was irgendwo anders gilt oder nicht gilt, ist dabei völlig unerheblich. Deswegen ja meine Frage, hat die neue polnische Regierung polnische Gesetze gebrochen oder gar die Verfassung. Wenn dem so ist, dann sollte auch klar dargelegt werden, welche(s) Gesetz(e) bzw. welche(r) Verfassungsartikel gebrochen wurden sind. Argumente á la: "Solches Verhalten sei undemokratisch." sind nicht wirklich stichhaltig. Da Demokratie kein fester Begriff ist, sondern etwas was interpretiert und gestalltet werden kann. Es gibt nicht die Demokratie, es gibt verschiedene Formen der Demokratie.
Na ja, sicher gibt es ein berechtigtes Befremden
über Besonderheiten in Nachbarländern, denn
das Konzept der Rechtsstaatlichkeit sollte in der
EU so unterschiedlich nicht sein. Aber ich meine
auch nach wie vor, daß diese Empörung Sache
der Polen bleiben sollte. Die müssen ihren Staat
so mögen, wie er gerade ist, oder den Regierenden
dann Beine machen, wenn sie davon gar nichts
mehr halten.

Die EU muß dann prüfen, wie weit in Polen der
Boden der Gemeinsamkeit verlassen wurde, sich
also ein Warnschuß oder mehr lohnt. Dazu muß
man die EU-Verträge gegen die Abläufe in Polen
halten und bewerten, ob sich die Aufregung wirk-
lich lohnt. In den Beitrittsverhandlungen werden
die Anforderungen an die Gewaltenteilung und
Rechtstaatlichkeit eines demokratischen Staats
doch ausführlich behandelt. Wenn daran gedreht
wird, dann ist Alarm angesagt!
Zuletzt geändert von H2O am Do 24. Dez 2015, 20:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Helmuth_123 » Do 24. Dez 2015, 20:20 hat geschrieben:"Nirgendwo ist es erlaubt, ..." ist kein valides Argument. In Polen gilt die polnische Verfassung und polnische Gesetze, an diese hat sich eine polnische Regierung zu halten, was irgendwo anders gilt oder nicht gilt, ist dabei völlig unerheblich. Deswegen ja meine Frage, hat die neue polnische Regierung polnische Gesetze gebrochen oder gar die Verfassung.
ja, das hat sie. das sagte der ehemalige vorsitzender des polnischen höchsten gerichts.
sowohl die regierung als der präsident haben sowohl gesetze als das grundgesetz öfter verletzt, so behauptete er. und nicht nur er !!

der präsident weigerte sich fünf neu ernannte richter (durch die alte regierung übrigens) zu anerkennen und ernannte stattdessen fünf seiner anhänger. er sagte, daß das bewußt durch die a,lte regierung getan war, um über ihr grab noch bestimmen zu können. interessant ist dab ei, das er sich auch negativ ausließ über die zahl fünf, denn da wurden nur zwei richter gesucht. selbst hat er aber auch diese zahl hantiert.
na ja, such mal im netz. da wirst du fündig.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O » Do 24. Dez 2015, 20:41 hat geschrieben:Na ja, sicher gibt es ein berechtigtes Befremden
über Besonderheiten in Nachbarländern, denn
das Konzept der Rechtsstaatlichkeit sollte in der
EU so unterschiedlich nicht sein. Aber ich meine
auch nach wie vor, daß diese Empörung Sache
der Polen bleiben sollte.
nein, denn WIR (rest-europa) sind dann damit fünf (oder vier?) jahre damit aufgesattelt. und was obstruktion bedeutet... ich muß nicht daran denken, daß wir eine wiederholung von thatcher bekommen. ungarn und tschechien sind ja auch nicht sauber!

ich sage euch »es kostet uns allen - besonders aber den deutschen - GELD«.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Helmuth_123 » Do 24. Dez 2015, 17:57 hat geschrieben:
Hat denn die neue polnische Regierung Gesetze gebrochen oder gar gegen die Verfassung verstoßen? Ich glaube ja, dass diese Frage am besten ein polnischer Staats- oder Verfassungsrechtler, Jurist, Politikwissenschaftler o.ä. beantworten könnte. Die kennen ja ihre Gesetze und wie diese umgesetzt werden.
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, um zu erkennen, dass ein handlungsunfähiges Verfassungsgericht seiner Funktion nicht nachkommen kann.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

H2O » Do 24. Dez 2015, 16:10 hat geschrieben:
Das Mögliche errreichen wollen, das scheint mir
Vorrang zu haben vor dem Unmöglichen. Ein Kern-
europa der 11 Willigen wird immer offen sein für
Neuzugänge, die sich auf den bestehenden Fahrplan
verpflichten und das Endziel bestätigen.

Das Endziel der Union gehört aus meiner Sicht in
die Verfassungen der Mitgliedsstaaten, möglichst
nach einer Volksabstimmung über diese künftige
Gemeinschaft. Die Abstimmung sollte mit 2/3-Mehr-
heit gültig werden, damit es keine Wackelkandidaten
gibt, die das nur ein wenig möchten, aber nicht so
ganz.
Ein solches verbindliches Bekenntnis aller Bevölkerungen Europas würde in der Tat eine ausbaufähige Grundlage für den weiteren Integrations- (und für manche Mitglieder wohl Desintegrations-)prozess schaffen.
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Beitrag von schokoschendrezki »

schokoschendrezki » Mi 23. Dez 2015, 09:35 hat geschrieben:
Mehr noch als an die verflossene Sowjetunion erinnert das heutige Polen an das Russland der Nuller Dekade. Dass beide Staaten sich gegenseitig ziemlich verfeindet geben, verstärkt diesen Eindruck eher noch. Ich weiß, dass eine Reihe von Usern hier diesen Vergleich vehement ablehnen wird. Er wurde aber nicht nur in der polnischen Gazeta Wyborcza unmittelbar nach der Wahl gezogen. Kein geringerer als der Chefredakteur des (eigentlich seriösen) Tagesspiegel, Stephan Casdorff überschreibt eine Kolumne mit "Der polnische Putinismus" (http://www.tagesspiegel.de/politik/casd ... 66866.html)

Ich gehe da sogar noch weiter und sehe auch den russischen Kontrahenten Ukraine in dieser Richtung. Um nur eines der gemeinsamen Merkmale zu nennen: Die unkritische und größtenteils ahistorische Berufung auf höchst zweifelhafte Gestalten der jeweiligen nationalen Geschichte: Kaczynski auf den polnischen de-facto-Diktator Pilsudski, Putin auf den slawophil-religiösen fanatisch antibolschewistischen Philosophen Iwan Iljin, große Teile der ukrainischen Eliten auf den Nationalisten Stepan Bandera, Orbán auf den "Reichsverweser" und Hitler-Verbündeten Horthy usw. usf.
Atheist » Do 24. Dez 2015, 15:07 hat geschrieben: Diese Ähnlichkeiten zu slawischen Staaten sind in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Ich habe ja prnzipiell nichts gegen Putin und werde sogar andernorts oft als Putinist geschmäht, allerdings wird man von mir keinen einzigen Beitrag finden, in dem ich Putins Innenpolitik gut heiße und sie auch in Deutschland oder in der EU umgesetzt sehen will. Putins autoritären Charakter und Russlands System der gelenkten Demokratie werden die wenigsten verklären können, die Ausbreitung selbigen Systems innerhalb der EU gilt es aber zu bekämpfen und zu verhindern. Auch auf ein Polen der 80er Jahre kann die EU sehr gut verzichten.
Witzbold. Als wenn die polnische Sprache nicht auch eine slawische Sprache wäre ... Was soll nun ein "slawischer Staat" eigentlich sein? Ein Staat ist im wesentlichen entweder demokratisch/autoritär/diktatorisch, zentralistisch/föderal usw, Die Gemeinsamkeit Russland/Polen/Ukraine besteht (abgesehen von der gemeinsamen Sprachfamilie) im Rückgriff auf historische Erzählungen zur Verschleierung real machtpolitisch laufender Vorgänge, in der Forderung nach einem "sakralen Verständnis" für die Nation.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Atheist »

Jetzt, nachdem du es bemerkt hast, fällt es mir auch auf. :D Und auch dem Rest deines Beitrages stimme ich zu.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

Atheist » Do 24. Dez 2015, 23:53 hat geschrieben:Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, um zu erkennen, dass ein handlungsunfähiges Verfassungsgericht seiner Funktion nicht nachkommen kann.
ach, dies ist natürlich auch legal
Dies führt laut Experten dazu, dass aktuell wegen Verfassungszweifeln eingereichte Gesetze der neuen PiS-Regierung jahrelang auf ihre Prüfung warten müssten. Käme es dennoch dazu, so will sich die PiS durch eine Reihe weiterer Regeln die parteipolitische Gefolgschaft der Verfassungsrichter sichern. So können unbotmäßige Verfassungsrichter neuerdings auf Antrag der Parlamentsmehrheit, des Justizministeriums oder des Staatspräsidenten abgesetzt werden – und bis mindestens zu den 2019 fälligen Wahlen sind alle drei Gremien fest in PiS-Hand.
woran erinnert dies mich doch?? ach ja, war es nicht um 1942-1943 das AH auch etwas sagte über richter absetzen? und stand er nicht über alle gesetze.

menschen die nicht einsehen wollen/können zu was das führt, sind genau so gutgläubig wie chamberlain damals. oder wie bewunderer von putin heute.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

Die EU selbst muß sich mit diesem Thema befassen;
ich rate uns Deutschen zur Zurückhaltung, weil ein
Streit unter Nachbarn schnell vom Zaun gebrochen
ist und fast nicht mehr zu heilen sein wird.

Als Ausweg aus der Lähmung der EU bleibt immer
noch der Zusammenschluß der "11 Willigen" zu
einer sehr engen Gemeinschaft. Dieser Lösungsweg
sollte nun gründlich vorüberlegt werden und umgesetzt
werden, bevor der Überdruß sich in allen EU-Staaten
breit macht, die sich von ihren übrigen Partnern ausge-
nutzt fühlen. Dieser Überdruß hat schon längst Wurzeln
geschlagen.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O » Fr 25. Dez 2015, 10:20 hat geschrieben:Die EU selbst muß sich mit diesem Thema befassen;
ich rate uns Deutschen zur Zurückhaltung, weil ein
Streit unter Nachbarn schnell vom Zaun gebrochen
ist und fast nicht mehr zu heilen sein wird.

Als Ausweg aus der Lähmung der EU bleibt immer
noch der Zusammenschluß der "11 Willigen" zu
einer sehr engen Gemeinschaft. Dieser Lösungsweg
sollte nun gründlich vorüberlegt werden und umgesetzt
werden, bevor der Überdruß sich in allen EU-Staaten
breit macht, die sich von ihren übrigen Partnern ausge-
nutzt fühlen. Dieser Überdruß hat schon längst Wurzeln
geschlagen.
Der Punkt für mich ist: Die Regierungsparteien in UK und Polen sind gleichzeitig der Kern einer "(national)-konservativen, EU-kritischen und rechtspopulistischen Fraktion" im EU-Parlament. Das ist ein ziemlich bedeutsamer Teil der EU. Frankreichdriftet ebenfalls nach rechts. An sich müsste für den Erhalt der Europa-Idee etwas so starkes wie das Weimarer Dreieck (Frankreich, Deutschland, Polen) eintreten. Es sieht nicht gut aus dafür.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki » Fr 25. Dez 2015, 10:39 hat geschrieben:Es sieht nicht gut aus dafür.
das fürchte ich auch. und ich fühle mich wie Kassandra.

@H2O: was du willst bedeutet nur noch mehr reden. bei deiner meinung könnte das schreckliche geschehen: aufgehoben wird zu aufgeschoben.
hinter dem vorhang könnte D z.b. mit gleichgestimmten ländern sich beraten was zu tun.

daneben frage ich mich ob hier nicht irgendein vertrag verletzt wurde. ich bin mich fast sicher. etwas über rechtssicherheit.
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von H2O »

In Polen fehlt es inzwischen auch nicht mehr an
mahnenden Hinweisen, sich nicht unnötig mit seinem
westlichen Nachbarn an zu legen, wenn dort Kritik
und Bedenken zum Umgang der neuen Regierung
mit der Gewaltenteilung in Polen laut werden.
(Jerzy Talaga. Dmuchać na Niemcy; das ist ein
Wortspiel, das im Grunde sagt: Gaaaanz vorsichtig
mit den Deutschen umgehen).

Ich meine, daß dieser Grundsatz auch in der Gegen-
richtung gelten sollte. Man sollte seine Streitereien über
den Filter der EU-Verträge dämpfen.

Parallel dazu sollte Deutschland seine Wünsche an
die "Gemeinschaft der 11 Willigen" öffentlich besprechen,
um im Gegenzug die Erwartungen unserer Partner
zu Kerneuropa zu erfahren. Dann wird man wissen, mit
wem ernsthaft über die vertiefte Gemeinschaft gesprochen
werden sollte, und wo das nur Zeitverschwendung wäre.
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Helmuth_123
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Re: Ungarisierung Polens schreitet voran: PiS entmachtet Ver

Beitrag von Helmuth_123 »

Nomen Nescio » Fr 25. Dez 2015, 04:39 hat geschrieben:ach, dies ist natürlich auch legal
woran erinnert dies mich doch?? ach ja, war es nicht um 1942-1943 das AH auch etwas sagte über richter absetzen? und stand er nicht über alle gesetze.

menschen die nicht einsehen wollen/können zu was das führt, sind genau so gutgläubig wie chamberlain damals. oder wie bewunderer von putin heute.
Jetzt fahr mal einen Gang zurück. Das klingt ja so, als wölle Polen morgen Deutschland und übermorgen Russland überfallen. In Polen gehts halt jetzt ein wenig konservativer zu, die Welt wird sich schon weiter drehen.
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