Senexx hat geschrieben:(15 Mar 2019, 19:15)
Ich wage mal eine Prognose (aufgrund von neuen Entwicklungen an der politischen Front): Mays Deal geht am Mittwoch durch. Aus technischen Gründen wird der Brexit um ein paar Wochen verschoben.
Könnte sein. Aber rundum den Brexit und besonders im Vorfeld der Prognosen wussten auch alle Auguren und Experten, wie das Referendum ausgehen würde...
Die Frage ist, wieweit und wie verhasst May - zumindest in der eigenen Partei - ist?. Besonders bei den Brexiteers, die ja May schon per parteiinternem Misstrauensvotum absägen wollten, und wohl immer noch daran knabbern, dass sie das nicht schafften.
Ich glaube, dass diese hardcore-Fraktion auch beim dritten Anlauf diesen Vertrag ablehnt. Zumal dann, wenn es faktisch keine kurzfristige und für diese hardliner substanzielle Änderung am Austrittsabkommen zu Gunsten GBs gibt.
Auch deshalb, weil sie May mit Sicherheit nicht den Gefallen tun wollen, dann als große Siegerin und Zuchtmeisterin ihrer ungezogenen Thories - dastehen zu lassen. May dürfte dann nämlich vor allem auch als Premierministerin in der britischen Öffentlichkeit als neue "Übermutti" oder Jeanne d'Arc of Westminster dastehen. Die ihr Versprechen für GB hält: Die Entscheidung des Referendums und den demokratischen Mehrheitswillen des britischen Volkes zu erfüllen. Mit dem bestmöglichen Austrittsvertrag, den sie maßgeblich ins Werk setzte, um "Schaden" vom britischen Volk abzuhalten. Wie im Falle eines "no deals" oder einem klammheimlichen Exit vom Brexit, der sich durch eine unabsehbare, lange Verschiebung des Austrittsdatums ergeben könnte, vielleicht sogar zu einem Verbleib in der EU führen würde und zur endgültigen Missachtung des brit. Volkswillens.
Das wären Beweggründe jenes Teils an Stimmen, die innerhalb der eigenen Partei May - nach meiner Einschätzung - NICHT folgen werden, und erneut gegen den Austrittsvertrag stimmen werden. Ebenso wird die DUP - falls es im back-stop keine Bewegung mehr gibt, wovon nicht auszugehen ist - ebenfalls weiterhin dagegen stimmen. Wieviele Abgeordnete das also aus dem eigenen Regierungslager sein werden, ist
schwer abzuschätzen, ich nehme aber an, dass es mindestens an die 100 Abgeordneten und -innen sind.
Alles wird also davon abhängen, wieviele Stimmen der oppositionellen Labour-Partei für May stimmen und gegen Corbyns bisherige Ablehnungslinie. Corbyn selbst ist ja von je her ein Brexiteer gewesen und geblieben. Aber wenn er May mit einer Zustimmung von Labour doch noch zum Sieg verhilft, war's das mit seinen Ambitionen, je Premierminister zu werden. An May wird der alte, linke Verstaatlichungs- und Antisemitensack jedenfalls nicht vorbeikommen und als Labour-Loser früher oder später seinen Hut nehmen (dürfen).
Rein taktisch ist Mays Strategie ja folgende:
Sollte sie wieder scheitern, droht sie ja neuerdings damit, den Austritt längerfristig zu verschieben, wie ja von Tusk erhofft oder im Sinne des EU-Rats ja bevorzugt. Mit der klammheimlichen Hoffnung, dass sich in GB irgendwann sogar die Dinge soweit wandeln könnten, dass man gar nicht mehr austreten will.
Das würde natürlich Corbyn in die Hände spielen, der zwar auch einen Brexit will, aber mit einer engeren Anbindung an die EU.
Er könnte sich dann politisch als der "wahre" Erfüller des Brexit-Volkswillens aufblasen, der im Falle von Neuwahlen als neuer Premierminister
die Sache für GB regelt, den Volkswillen erfüllt und nicht versagt wie Theresa May.
Berücksichtigt man all diese Aspekte diverser Interessengruppen/-lagen, die natürlich vor allem von innenbritischen Machtkalkülen gesteuert sind, und weniger von einer vernunftbegabten Brexit-Austritts- bzw. Übergangslösung, sehe ich hier keine wesentlich veränderten bzw. verbesserten Bedingungen für die Annahme des Austrittsvertrags. Der sowohl für GB als auch die EU die beste, weil sowohl ökonomischen als auch politischen Schaden weitestgehend begrenzende Trennung bedeutet. Und zudem eine positive Beziehungssituation erbrächte, die für die künftigen Verhandlungen ausserdem nicht total verhärtete Fronten zurücklässt, sondern ein zügiges Zustandekommen des tatsächlichen Beziehungsvertrags zwischen GB und EU möglich macht. Und nicht etwa noch längere und zähere Verhandlungen ergibt wie bei der ÜBERGANGSLÖSUNG dieses Austrittsvertrags. Mit zunehmend einander nicht mehr verstehen wollende Verhandlungsseiten, bei denen es dann ja um die endgültige Vertragswurst gehen wird.
Aus vorstehenden Erwägungen heraus glaube ich eher nicht, dass May bei der dritten Abstimmung den Austrittsvertrag durchbekommen wird.
Und wie dann der EU-Rat reagieren wird und was May - im Falle des erneuten Scheiterns - diesem dann ggf. ins Ohr flüstern will, sprich realistisch verklickern kann, dass eine dreimonatige Verschiebung reicht, bis sie in der vierten oder fünften Abstimmung den Vertrag doch noch durchbekommt, ist auch mehr als offen.
Ich würde ihr sagen:"What a nice day. You took back control. Great!! - Sie sind eine großartige Premierministerin, ich vertraue ihnen und ihren Zusicherungen vollkommen, Mrs. May". - "Das Problem ist nur, dass ich damit zu den Aussenseitern meiner Kollegen und -innen gehöre. Und gewiss nicht zur übergroßen Mehrheit der Menschen innerhalb der gesamten EU-Staaten, die eine Fristverlängerung verstehen würden, weil sie drei ablehnende Abstimmungen im brit. Unterhaus nur für ein einmaliges Versehen halten,.. und glauben, dass Sie das in den nächsten drei Monaten locker korrigieren werden. Die werden das nicht glauben, und uns dann anläßlich der Europawahl fragen, ob wir wirklich noch alle Tassen im Schrank haben bzw. noch fähig sind, die Realität wirklich zu sehen, statt vor uns hinzupfuschen?
Eine Realität, die deutlich sagt, dass es in GB auch nicht in 10 Jahren eine Mehrheit für das Austrittsabkommen geben wird.
Was soll also eine Fristverlängerung bringen? - Eben. Nichts."
Sollte der EU-Rat trotz einer erneuten Ablehnung des brit. Parlaments, die ich nach wie vor für sehr wahrscheinlich halte, dennoch eine dreimonatige Austrittsfrist - in diesem Fall ohne wirklich handfeste Begründung oder Erfolgsoption für ein Zustandekommen des Austrittsabkommens - zugestehen, und der Brexit-Unterhauszirkus bis zur Europawahl so weitergehen, dann propphezeite ich, werden die Regierungsparteien der 27 - EU-Regierungen (des EU-Rats) eine derbe Quittung dafür bekommen, die ihnen nicht gefallen kann, und nur die beiden Ränder noch stärker macht. Die Seite, die ein gesamtschuldenhaftendes, zentralistisches und gleichmacherisches Frankreich-sozialistisches Macroneuropa will und die andere Seite der Anti-EU Europäer, die zurück zu Nationalstaaten wollen, und möglichst auch zu D-Mark, Lira und Franc.
Ganz nach dem Motto der Briten, we want our D-Mark back...und vor allem Geld zurück von der EU. Sonst machen wir mal zur Abwechslung Dexit, oder Itaxit oder Franzit ...oder zuwanderungsfreie Polka... usw.
Ich sehe schon das fiese Grinsen von Trump und Waldemir I. ... und dem Chinesen-Häuptling: "Blavo, sehl gut. Die Eulopäel zellegen sich immel mehl".