Maikel hat geschrieben:(19 Mar 2019, 08:13)
Man kann die Entscheidung des Speakers also auch als Hinweis in Richtung Brüssel interpretieren,
daß man so nicht mit dem britischen Parlament umspringen kann.
Eine sehr steile und einseitige Interpretation. Immerhin könnte der Mr. Speaker auch gemeint haben, dass das Unterhaus seinerseits endlich einen
substanziellen Änderungsvorschlag vorlegen sollte, der
a) eine Mehrheit in diesem Kasperltheater bekommt
und
b) soviel berechenbare Bewegung seitens der britischen Seite (und Mays starrköpfig verteidigten) roten Linien bedeutet und damit der EU
etwas Handfestes in die Hand gibt, diesen Änderungen dann durch Fristverlängerung usw. zuzustimmen. Sprich damit ein beidseitig
zustimmendes Zustandekommen eines geregelten Austritts doch noch möglich zu machen.
Die EU hat fast schon murmeltierartig betont, dass ohne einen neuen Plan Londons und des Parlaments, also tatsächlich einmal zu erklären, was man will,
statt immerzu nur alles abzulehnen, essentielle Grundvoraussetzung sei, um einer Verschiebung des Austrittstermins zuzustimmen.
Aber von britischer Seite kommt nichts. Nada. Niente.
Maikel hat geschrieben:Es bleiben natürlich die Möglichkeiten eines No-Deal-Brexits und des Exits vom Brexit.
Ja, ersteres ist am Wahrscheinlichsten, sofern die EU auch nur einen Vetostaat im EU-Rat hat, ist der Fall gegessen. Und mögliche Kandidaten dafür gibt es reichlich. Von Spanien über ITA bis hin zu FRA. Gerade Macrons Regierung hat eindeutig erklärt, man erwarte substanzielle Angebote seitens GB,
und werde sich dann nicht einer Fristverlängerung versperren.
Aber genau das würde eine Bewegung der britischen Seite und die Vorlage eines konkreten Plans von May bzw. dem Unterhaus voraussetzen.
Und genau das fehlt bis heute.
Wenn May einen Rückzieher vom Brexit macht, was GB ja machen kann, ohne auf die Zustimmung der EU angewiesen zu sein, ist sie in meinen Augen politisch tot. Als absolute Lachnummer, die zuerst unter allen Umständen den Brexit als unumstößliche Pflichterfüllung gegenüber dem brit. Mehrheitswillen über mehr als zweieinhalb Jahre mit einer sehr starren Position betrieb, die an der Frage des Austritts und auch des Austrittsdatums
festhielt ... und dann plötzlich 180° - Wende mit Nichtaustritt? - Never. So doof ist selbst May nicht, sich politisch vollkommen unglaubwürdig zu machen und gegen den mehrheitlichen Willen der Referendumsentscheidung zu stellen.
Wie auch immer, der EU-Rat wird sich am Donnerstag sehr sorgfältig und grundlegend mit der Frage befassen müssen, wieweit eine - wie lange auch immer - verschobene Verschiebung des Austritts Sinn macht. Vor allem auch, wenn dies bedeuten würde, dass GB als klarer antieuropäischer Spaltpilz
die EU schreddern will, weil dieses Land diese EU (sehr tiergehend) mehrheitlich schon immer ablehnte.
Wenn GB also nicht austreten sollte, den Austrittsantrag zurückzieht und in der EU bleibt, muss die EU damit leben und möglicherweise auch mit einem Land, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit offene Rechnungen begleichen wird, die der gescheiterte Austritt verursachte. GB also blockieren und
bremsen wird, wo es nur geht. Vielleicht auch mit dem zynischen Kalkül, innerhalb der EU soviel Chaos, nationalistische Egoismen und Destruktion zu erzeugen, die einen späteren Austritt GBs zu besseren Konditionen ermöglicht, weil die EU selbst ein dermaßen antieuropäischen Land wie GB als zerstörenden Virus, loswerden muss, um voranzukommen mit dringenden Reformen und vor allem, um die Gefahr zu bannen, dass sich diese EU durch Stillstand und Rückwärtsentwicklung selbst langsam aber sicher zerstört.
Es steht Stand jetzt eines fest: GB will aus der EU raus, die Bedingungen zum Austritt allein diktieren, zum alleinigen Vorteil GBs.
Und ebenso steht die tiefe mehrheitliche Abneigung und Ablehnung innerhalb der politischen Eliten dieses Landes fest. Sowohl innerhalb Corbyns
Labour-Partie als auch bei den Thories.
Die vormaligen Gründe des einst ökonomisch schwer dahinsiechenden Patienten GB sind Geschichte. Das Land hat sich durch den EU- bzw. EWG-Beitritt saniert. Die wirtschaftliche Zukunft des Landes sieht man nunmehr als besser an, wenn man nicht mehr in der EU ist. Und eine politische, gemeinsame Werteunion wollte man ohnehin nie. Sondern nur einen rein ökonomischen Selbstbedienungsladen mit der Möglichkeit ungehemmter, eigener Rosinenpickerei.
Insofern muss man sich seitens der EU grundsätzlich fragen und auch ehrlich machen in der Frage, was man mit diesem Land in der EU noch soll?
Und für eine positive Weiterentwicklung der EU realistisch erwarten kann: Nichts. Sondern das Gegenteil. EU-Zersetzungspolitik.
Denn neben der ohnehin seit dem damaligen Beitritt aus ausschließlich ökonomischen Motiven hatte man mit der EU noch nie etwas am Hut, sondern
stand ihr in jahrzehntelanger herzlicher Ablehnung gegenüber.
Die ökonomischen Vorteilserwägungen haben sich nun - wie bereits erwähnt - verändert. Das Land braucht die EU nicht mehr, um seine Ökonomie
erfolgreich zu gestalten. Meint man...Ansonsten gibt es ohnehin keinen Grund für die Politiker des Landes, EU-Mitglied zu bleiben.
Eine Austrittsverschiebung ist sowieso nur dadurch motiviert, möglichst viele ökonomische Vorteile auf die eigene Seite zu zerren, die man aktuell im Vorteilssinne GBs, der Regierung May und dem Unterhaus als nicht den eigenen Vorteilsansprüchen genügend ansieht und deshalb blockiert und ablehnt.
Großbritannien will sein eigenes Europa in Europa sein und bleiben. Ernsthaftes Interesse an einem wirklich einigen Europa hatte dieses Land der EU-spaltenden Separtismusinsel noch nie. Das muss man erkennen (wollen) und irgendwann auch die Konsequenzen ziehen innerhalb der EU.
GBs Haltung zur EU ist in etwa mit einer Mann-Frau Beziehung zu vergleichen, in der der Mann (GB) die Frau (EU) als willkommene Putze, Haussklavin und Schlafzimmerdienerin ansieht und sich großartig dabei fühlt, ihr sogar die Verwaltung des eigenen Taschengeldes zuzugestehen. Der Rest der Frau interessiert ihn einen feuchten Kehricht. Schon gar nicht deren Bedürfnisse oder Ansichten für ein gemeinsames Leben auf respektierender - gleichrangiger - Augenhöhe.