Wähler » So 27. Dez 2015, 17:56 hat geschrieben:http://www.sueddeutsche.de/politik/philosoph-slavoj-iek-ueber-asylpolitik-merkel-hat-zu-lange-geblufft-1.2699853
SZ 20. Oktober 2015
Philosoph Slavoj Žižek über Asylpolitik
Sie fordern, dass diese Werte von einer neuen Leitkultur verteidigt werden sollen.
Genau! Angesichts der wachsenden Bedrohung durch rechte Populisten ist die blinde Toleranz von einigen Linken die falsche Strategie. Wir können intoleranten Menschen wie muslimischen Fundamentalisten doch nicht mit Toleranz begegnen!
Es ist immer leicht zu sagen: Das ist eben deren Kultur, das müssen wir tolerieren. Aber was machen wir, wenn ein Mädchen von seinen Eltern gezwungen wird, Kopftuch zu tragen, obwohl es das nicht möchte? Ich sage: Wenn das in Europa passiert, müssen wir einschreiten für die Freiheit dieses Mädchens und unsere Gesetze durchsetzen. Muslime können nicht zu uns kommen und nur am angenehmen Teil Europas teilhaben.

Žižek rechnet allerdings in seinem jüngsten Buch "Ärger im Paradies – Vom Ende der Geschichte zum Ende des Kapitalismus" nicht mit der Linken ab sondern eben nur mit dem toleranten Teil der Linken, indem er eine "thatcheristische Linke" und einen Sturz des "liberaldemokratischen Kapitalismus" fordert:
Um die Individuen wirklich aus ihrem dogmatischen, demokratischen Schlummer zu wecken, aus ihrem blinden Vertrauen auf institutionalisierte Formen repräsentativer Demokratie, sind Appelle an direkte Selbstorganisation nicht ausreichend: Eine neue Herrenfigur ist nötig.
(Originalzitat).
Klar, Nordkorea hat kein Problem mit Islamisten ....
Wie die meisten "Sprachspiele mit statistischen Werten" ist auch diese 80-Prozent-Aussage in (fast) jede Richtung interpretierbar: Wenn man möchte, kann man die Migration aus solchen Ländern ja auch als individuellen Bruch (ob nun selbstgewählt oder erzwungen) mit "mittelalterlichen Gesellschaften" interpretieren. Im übrigen - wenn auch dies nur eine schlaglichtartige Aussage ist, die nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann: Zumindest allen syrischen Flüchtlingen, denen ich begegnet bin, ist mindestens eines gemeinsam: Sie können besser englisch sprechen als der Durchschnitt in Deutschland.
Eine taugliche soziologische Analyse der Strukturen, die dann zu solchen Ereignissen wie denen in Köln führen, sieht schon etwas anspruchsvoller aus. Sie hat zu berücksichtigen, dass traditionelle Geschlechterrollen Männern nicht nur (unberechtigte) Macht zuweist, sondern dass sie diese Männer bei gleichzeitig nicht vorhandener produktiver Sektoren massenweise zu vergammelnden, leerlaufenden Energiezentren degradiert (was keine Entschuldigung sein soll). Die ökonomischen Strukturen im Großraum Europa, Naher Osten, Nordafrika sind extrem ungleich verteilt. Was immer das für Ursachen hat. Auf der einen Seite Rentier-Gesellschaften, die Rohstoffe verkaufen und in denen produktive menschliche Energie u.a. in religiöse Aufladung abgeführt wird. Auf der anderen Seite hochindustrialisierte Produktionszentren, in denen alle überschüssigen Energien wieder in Produktion zurückgeführt wird. Eine langfristige Befriedung dieser Großregion müsste diese Polarisierung wenigstens entschärfen, wenn schon nicht aufheben.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)