Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

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Dark Angel
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(24 May 2020, 18:53)

Hintergrundwissen? Ja. Schuldkult? Nein. Das ist neurechte Terminologie, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Zitat:

Seit je dreht sich das Denken und Fühlen der Neuen Rechten um den sogenannten Schuldkult. Der Vorwurf lautet: Die Deutschen würden sich masochistisch in der NS-Schuld wälzen. Leute wie Björn Höcke verachten die Bundesrepublik dafür, dass sie auf eine negative Ursprungserzählung gegründet ist: Nie wieder Auschwitz! Und es stimmt ja: Statt an die siegreiche Schlacht bei Leuthen oder die Kaiserkrönung Karls des Großen am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 800 zu erinnern, kennt der deutsche Staatskalender den 27. Januar als Gedenktag der Befreiung von Auschwitz.

Deutschland ist das erste Land, das sein Selbstverständnis nicht auf ruhmreiche Taten der Vergangenheit gründet, sondern auf ein reuevolles Schuldeingeständnis. Seit Gründung der Bundesrepublik werfen Rechtsradikale ihr deshalb vor, in Sack und Asche zu gehen. Aus ihrer Sicht haben Nationen ein Anrecht auf ein gutes Gewissen – selbst um den Preis, die geschichtliche Wahrheit zu beugen. Vor einem Jahr gab es einen Skandal um das Buch des Historikers Rolf Peter Sieferle, Finis Germania. Der blies in dasselbe Horn: Der "Auschwitz-Mythos" verdamme die Deutschen zu "absoluten Tätern".

Wollte Alexander Gauland mit seiner Bemerkung, "Hitler und die Nazis" seien nur ein "Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", provozieren, um die AfD im Gespräch zu halten? Nein, das kam von Herzen. Beziehungsweise von jenem Ort der Psychomotorik, wo die Zwangsneurosen sitzen: Wer nämlich wirklich fixiert auf die deutsche Schuld ist, das sind die Rechten. Wie kindliche Narzissten ertragen sie kein gebrochenes Selbstbild. Das führt zu der Paradoxie, dass der Holocaust die Rechten mehr um den Schlaf zu bringen scheint als die geübten bundesrepublikanischen Vergangenheitsbewältiger, die doch einen Modus Vivendi zwischen Scham, Schreck und Weiterleben gefunden haben.

Wer sich dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse bei rechten Verlagen umschaute, um zu sehen, mit welchen frischen Reizwörtern sie sich stimulieren, durfte feststellen: Auch 70 Jahre nach dem Vernichtungskrieg im Osten geht es immer noch darum, die Wehrmacht reinzuwaschen.

Es ist offenbar unmöglich, in Deutschland eine Partei am rechten Rand zu platzieren, ohne auf die schiefe Ebene der Vergangenheitsrevision zu geraten.


https://www.zeit.de/2018/24/alexander-g ... populismus
Kannst du mir bitte mal erklären, was ein Zeitungszitat aus der "die Zeit" zu Höcke und Gauland mit meinen Aussagen, dass keine Lehren aus der Geschichte gezogen werden, dass keine Verantwortung übernommen wird, weil nur Emotionen angesprochen werden und dass "die allermeisten Eltern ihren Kindern [nicht]sehr genau erzählen, was damals geschah und mit ihnen darüber reden, ihnen entsprechende Bücher und Filme empfehlen", weil es sie schlicht nicht inetessiert, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt, zu tun haben soll?

AfD, Höcke und Gauland haben mit dem, was ich geschrieben habe, nicht das Geringste zu tun!
Statt permanent in deine "räächts-Paranoia" zu erfallen, solltest du dich mal konkret zu getätigten Aussagen äußern.
Ständige Verwendung von Strohmannargumenten, Argumenten der Schuld durch Zugehörigkeit und/oder Argumentum ad hominem sind einer sachlichen Diskussion, in höchstem Maße abträglich!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
Findulin

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Findulin »

Quatschki hat geschrieben:(25 May 2020, 21:12)

Wobei, obwohl das britische Imperium über die Ressourcen der halben Welt gebot, der Arbeiter in London, Liverpool oder Wales in bitterer Armut lebte.
Die Aristokratie hat von jeher Paläste, Sommerresidenzen, Landsitze, Jagdschloß-Anwesen und was weiß ich noch alles und man schaue sich das alles mal von innen und außen an, dann weiß man, wo das abgepresste Vermögen bleibt.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa, also der Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten auf die Sowjetunion.

Nachdem zwar auch schon davor zahlreiche Kriegsverbrechen und Massenmorde an Zivilisten verübt wurden, ist mit dem dem Angriff auf die Sowjetunion eine Steigerung ins Unermessliche festzustellen. Auch der Mord an den Juden eskalierte erst mit diesem Angriff zu einem nicht fassbaren Ausmass.

Zunächst wurden vor allem Männer im wehrfähigen Alter erschossen, aber noch im Sommer ging man dazu über, auch Ältere, Frauen und Kinder zu erschiessen. Die Anzahl der in diesen Massakern Getöteten steigerte sich ebenfalls, bis mit den Massenmorden in Kamenez Podolsk Ende August mit über 20.000 ein erster, und mit Babi Jar Ende September und über 30.000 Ermordeten (in nur zwei Tagen!) ein zweiter Höhepunkt erreicht wurde.

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.

Gerade das Massaker von Kamenez Podolsk, aber auch Babi Jar wären nicht möglich gewesen ohne das Einverständnis und die Unterstützung der Wehrmacht. Und so wurde eben Dorf um Dorf, Stadt um Stadt, nach Juden durchkämmt, Gruben ausgehoben, und die Leute unterschiedslos erschossen, häufig unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung.

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
Adam Smith
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Heute ist der 22. Juni 2021. Vor 80 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa,

...

Für mich ist es immer noch unglaublich, wie solch ein Verbrechen in Gang gesetzt werden konnte. Nicht, dass es nicht Verrückte wie Hitler oder Himmler gäbe; das ist mir eingängig. Dass aber viele Soldaten, darunter gestandene Generale, Polizisten und allerlei andere "normale" Menschen dabei mitmachten, ist mir unbegreiflich. Dass es in der Wehrmacht nur so wenig Widerstand gegeben hat, ist verwunderlich, da man doch so viel auf soldatische Ehre hielt.
Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reserve ... aillon_101
Angehörige dieses Verbandes waren an der Ermordung von mindestens 38.000 Juden direkt beteiligt. Sie wirkten zudem an der Deportation von mindestens 45.000 Juden in die Vernichtungslager mit.

Am 13. Juli 1942 rückte das Bataillon in Józefów ein. Es deportierte alle arbeitsfähigen Juden nach Lublin, während alle anderen Juden, darunter überwiegend Frauen, Kinder und Kleinstkinder, in einem nahegelegenen Wald erschossen wurden (→ Massaker von Józefów). 1500 Menschen fielen der Polizeieinheit zum Opfer.[9] Das Besondere an diesem Massaker, das es von allen anderen der NS-Zeit unterscheidet, ist die minutiöse Dokumentation der Freistellung vom bzw. der Freiwilligkeit des Mordens. So trat Major Trapp mit tränenerfüllten Augen vor seine Truppe, erklärte den Auftrag, sprach weiter, dass ihm dieser missfalle, es aber ein Befehl sei. Schließlich bot er an, dass diejenigen, die meinten, diesen Auftrag nicht erfüllen zu können, vortreten könnten und dann straflos nicht daran teilnehmen müssten. Es traten ein Dutzend Männer vor, die nicht am Massaker teilnahmen und ebenfalls nicht bestraft wurden.
Es gibt dazu auch einen eigenen Wikipedia Eintrag.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Massake ... zef%C3%B3w

Eine Erklärung dafür gibt es schon.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Historikerstreit
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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:35)

Die moderne Technologie macht es möglich, Zugang zu allen möglichen Quellen zu erhalten, Augenzeugenberichte anzuhören und Vorlesungen von Experten (etwa Peter Hayes oder Christopher Browning) zu hören. Man weiss inzwischen sehr viel zu dem Thema - viel mehr also noch vor einer Generation.
Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Quatschki hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:56)

Ich habe z.B. bis vor kurzem nichts über die sowjetischen Massendeportationen aus Litauen gewußt, die 1 Woche (!) vor dem deutschen Angriff starteten und in Litauen als nationaler Gedenktag begangen werden.
Die baltischen Staaten sind wie die Osthälfte Polens und die westliche Ukraine sehr interessant, was die psychologische Reaktion auf die Vorkommnisse von 1917 bis 1945 angeht. Hier wüteten gleich zwei totalitäre Systeme, und es blühte der Hass auf die jeweiligen angeblichen oder tatsächlichen Kollaborateure und Schuldigen. Noch heute ist dieser Teil der Geschichte in jenen Ländern äusserst umstritten.

Neben den Deportationen brachte der NKWD unmittelbar vor dem Einrücken der Wehrmacht auch viele tausende politische Gefangene in den lokalen Gefängnissen und Polizeistationen um. Die Deutschen machten sich dies natürlich zunutze, indem sie dies öffentlich machten und behaupteten: Seht, was jüdische Bolschewisten getan haben! Jetzt rächt euch an ihnen zusammen mit uns!. So konnten sie den vorbestehenden Antisemitismus für ihre Zwecke ausnutzen. Auch psychologisch war es sehr geschickt, einen Sündenbock zu benennen, weil viele Einheimische, die vielleicht auch mit den Sowjets kollaboriert hatten, sich durch Beteiligung an Pogromen quasi von jedem Verdacht reinwaschen konnten - vielleicht auch gegenüber sich selbst.

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 19:43)

Die systematische Erschiessung der Juden in Litauen und Lettland im Jahre 1941 hätte aber ohne die Deutschen nicht stattgefunden. Sie hatte auch erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht begonnen und wurde von Deutschen orchestriert. Mir ist im übrigen auch nicht bekannt, dass die Sowjets in diesem Ausmass und so systematisch ganze Familien einschliesslich der Kinder ermordeten und eine regelrechte Hetzjagd veranstalteten, bis auch der Letzte gefunden war.
Der NKWD hat Kinder von Mitgliedern der obersten Führung vergewaltigt, damit Stalin stolz erklären konnte, dass die Person zugegeben hat ein Spion zu sein. Die Person hat sich unter Folter bis dahin verweigert. Die Person hat sich verdächtig gemacht, weil sie zwar Listen von Todesurteilen unterschrieben hat, aber auch mal gnädig war.
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Teeernte
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Adam Smith hat geschrieben:(22 Jun 2021, 18:54)

Auch reserve Polizisten haben Menschen direkt umgebracht.
Der Gewinner schreibt die Geschichte..
Holocaust im stalinistischen Regime
Davon wollen die Russen bis Heute nichts wissen.
Das sowjetische System hat den Faschismus dem Zionismus gleichgestellt. Die Anhänger des Zionismus wollten einen eigenen Staat in Palästina gründen.....
Lesenswert..>>

https://www.grin.com/document/135854

Ja,
„ Die Einsatzgruppen von Reichsseite setzten den Mordauftrag sogleich gemeinsam mit der örtlichen ukrainischen, weißrussischen oder litauischen Miliz um. Während für die SS und die NS-Führung beim Angriff auf die Sowjetunion die endgültige Vernichtung der Juden Priorität besaß, orientierte sich die Wehrmacht stärker auf den Antibolschewismus als auf den Antisemitismus.“


Der Einmarsch der Roten Armee hat den Juden Hoffnung gegeben, denn sie hatten sowjetische Truppen als Befreier betrachtet.


Ganz umgekehrt war das in Polen, baltischen Staaten und Rumänien. Diese Staaten betrachteten die Rotarmisten als Eindringlinge.

Man nannte Juden in diesen Ländern Verräter des Landes.

In diesen Ländern hat man die deutsche Armee als Befreier angesehen, die die einheimische Bevölkerung von der sowjetischen Unterdrückung retten wird. In den ersten Tagen der deutschen Besatzung wurden z.B. durch eine litauische Gruppe 5000 Juden getötet.


Im Lauf der fünf Monate des Krieges vornehmlich im Baltikum und Bessarabien wurden durch 3000 Mann starke Spezialeinheiten der SS und der Polizei mit Unterstützung von 170 mobilen Polizeibataillonen, die mehrheitlich aus einheimischen Freiwilligen, Balten, Ukrainern, Russen, Kosaken, Belorussen, Tataren und anderen Nationalitäten bestand, eine halbe Million Juden vernichtet.
Die Stalinistische Verfolgung der Juden nahm im Land der Sieger kein Ende...
Vor 65 Jahren wurden die sowjetischen Juden in Todesangst versetzt, denn der KGB „enttarnte“ ein angebliches Komplott jüdischer Ärzte. Die Mediziner hätten die Sowjetführung ausschalten wollen, so Stalins Propaganda.

Die Folge war eine landesweite antisemitische Hetzkampagne.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/an ... _id=407175
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Ein wenig scheint mir da schon der Wunsch da zu sein, zu zeigen, dass andere ja auch Verbrechen begingen. Und dass die Deutschen bei ihren Verbrechen Hilfe von lokalen Handlangern hatten.

Während dies nicht unbedingt falsch ist und solche Reaktionen psychologisch verständlich sind, erklärt es dennoch nicht, wie die Deutschen selbst, die 1941 zu jeder Zeit die Kontrolle und die Initiative hatten, systematisch zu morden begangen, und spätestens im August dazu übergingen, auch Frauen und Kinder in grosser Zahl zu ermorden.

Wer den Judenmord verstehen möchte, muss wohl hier ansetzen. Auschwitz kommt ja sehr viel später. Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein. Ob die Täter selbst an die Rechtfertigungen geglaubt haben, als sie Kinder mit Genickschuss ermordeten?

Auch sowjetische Kriegsgefangene hat man systematisch und von Anfang in Massen verhungern lassen. Es war offenbar nie wirklich geplant, hier irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, die es den Leuten ermöglicht hätten zu überleben. Mit soldatischer Ehre ist ein solches Verhalten nicht vereinbar.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)
Dass das Unternehmen Barbarossa anders als andere Feldzüge verlaufen sollte, hatte sich ja schon früher abgezeichnet, spätestens im März 1941. Aus dieser Vermischung von radikaler Ideologie, totalem Krieg, Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Kommissare (später: Partisanen) scheint dann tatsächlich der Massenmord an den Juden hervorgegangen zu sein.
Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Für die Meinung September1939 spricht das bereits alle Methoden systematischer Judenvernichtung angewendet wurden in Polen: Massenexekutionen, Hunger, Ersticken durch Abgase oder Gas. Dagegen spricht das es bis 1940 noch die Flucht deutscher Juden möglich war, das "Auswanderungsverbot" wurde im Oktober 1941 erlassen.
Der Kutscher

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Teeernte hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:16)
Davon wollen die Russen bis Heute nichts wissen.
Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:06)

Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion.
Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 20:37)

Ein wenig scheint mir da schon der Wunsch da zu sein, zu zeigen, dass andere ja auch Verbrechen begingen..
Man sollte die Geschehnisse in die historische Situation einorden.

Für die Zeit - würde der Film - Das weiße Band helfen..... und die Kinder hatten schon Schuhe im Sommer - das war in den deutschen Ostprovincien noch nicht so.
Das jahrzehntelange Schweigen über polnisches Mitwirken am Holocaust hat im Jahr 2000 der Historiker Jan Tomasz Gross mit seinem Buch "Nachbarn" gebrochen. Er beschreibt den Judenpogrom im ostpolnischen Dorf Jedwabne von 1941, an dem polnische Dorfbewohner beteiligt waren. 2012 berichtet Zaremba in seinem Buch "Große Angst" über Plünderungen jüdischer Häuser durch Polen, über Denunziationen der Juden durch polnische Kollaborateure und über andere Pogrome während des Holocausts. Zu Pogromversuchen sei es bereits 1940 im besetzten Warschau gekommen. Zaremba erinnert zudem an die Tatsache, dass bei der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto auch die polnische Polizei beteiligt war.
https://www.mdr.de/nachrichten/welt/ost ... o-100.html
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:06)

Historisch nicht unumstritten, es gibt im wesentlichen 2 Meinungen zum Beginn des Holocaust: September1939 nach dem Überfall auf Polen oder eben 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Für die Meinung September1939 spricht das bereits alle Methoden systematischer Judenvernichtung angewendet wurden in Polen: Massenexekutionen, Hunger, Ersticken durch Abgase oder Gas. Dagegen spricht das es bis 1940 noch die Flucht deutscher Juden möglich war, das "Auswanderungsverbot" wurde im Oktober 1941 erlassen.
Ich bin da kein Experte. Ich finde auf jeden Fall Ansätze, die von einer Eskalation über mehrere Stufen ausgehen, überzeugender als Ansätze, die davon ausgehen, dass alles von vorn herein geplant war.

Es gibt viele Hinweise, die die These unterstützen, dass der Entschluss um den Juli/ August 1941 herum gefallen sein könnte. So hat Heydrich ja schon Ende Juli den Befehl von Göring erhalten, sich um die Endlösung zu kümmern. Dass die Wannseekonferenz erst im Januar 1942 stattfand, hatte organisatorische Gründe.

1939/40 würde ich als zu früh ansehen. Ja, man hatte Erfahrungen mit Vergasungen gesammelt; diese betrafen aber vor allem psychisch Kranke im Rahmen der Aktion T4. Ja, man hatte bereits tausende Juden in Polen ermordet, aber bisher wenig systematisch. Erst später macht man sich die Expertise, die man aus T4 gewonnen hatte, für andere Zwecke zunutze.

So begannen die Arbeiten für Belzec im November 1941 (Inbetriebnahme März 1942). Als erstes Vernichtungslager ging allerdings Chelmno, das auf dem Einsatz von Gaswagen beruhte, im Dezember 1941 in Betrieb.

Auf jeden Fall scheint die These, der Entschluss zur Vernichtung wäre nach den ersten deutschen Niederlagen (etwa vor Moskau im Dezember 1941) gefasst worden, falsch zu sein. Ja, es ist sogar so, dass eine Mehrheit der Opfer bereits vor der ersten grossen deutschen Niederlage Anfang 1943 in Stalingrad tot war. 1942 ist der eigentliche Höhepunkt des Massenmordes, insbesondere die Zeit von Ende Juli 1942 bis Oktober/ November 1942. Dies wird manchmal verdunkelt durch die hohe symbolische Bedeutung von Auschwitz, das aber eigentlich erst ab 1943 einen grossen Beitrag zum Massenmord leistet (und dann natürlich noch einmal ab Mai 1944 im Rahmen der Vernichtung der ungarischen Juden).

Um auf das Unternehmen Barbarossa zurückzukommen, so glaube ich, dass die Erfahrungen mit den Massentötungen ab dem 22. Juni 1941 entscheidend dazu beigetragen haben, den Verantwortlichen zu zeigen, dass eine umfassende Vernichtung im Bereich des Möglichen lag.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Adam Smith »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:08)

Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
Kurios ist, dass es am Ende sogar Molotow selber erwischt haben könnte. Den Mann mit den Stalin ganz privat am Rande den Holodomor besprochen hat. Menschen starben an Hunger, weil es wichtig für das Wirtschaftswachstum war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:18)

Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
Deine erste Aussage hängt davon ab, wie man den Begriff der Shoah definiert. Deine zweite Aussage halte ich für falsch, denn die Wannseekonferenz war eine sehr kurze Zusammenkunft, auf der vor allem über organisatorische Aspekte diskutiert wurde.

Die Beschlüsse waren im Januar 1942 längst schon gefasst: Die drei Vernichtungslager der Aktion Reinhardt waren schon seit November 1941 in Bau, und Chelmno war sogar schon seit Dezember 1941 in Betrieb. Ausserdem würde ich persönlich keinen bedeutenden Unterschied machen zwischen der Vernichtung durch Massenerschiessungen spätestens ab August 1941 und der Vernichtung in Lagern ab Dezember 1941/ März 1942.

Man kann natürlich sagen, dass man mit "industriellem" Massenmord nur die Vergasungen, nicht aber die Erschiessungen meint, würde damit aber meiner Meinung nach wesentliche Aspekte des frühen Massenmordes übersehen. Erschiessungen waren ein bedeutender Teil des Massenmordes, vor allem, aber nicht nur, in der Frühphase. Auch später wurden bei Aktionen und Deportationen immer auch bedeutende Anteile der Menschen erschossen.

Die Erschiessungen waren auch systematisch und erforderten Organisationsaufwand. Vor allem aber glaube ich, dass man nur durch sie den Übergang zum systematischen Massenmord ab Juni 1941 versteht.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:40)

Ich bin da kein Experte. Ich finde auf jeden Fall Ansätze, die von einer Eskalation über mehrere Stufen ausgehen, überzeugender als Ansätze, die davon ausgehen, dass alles von vorn herein geplant war.

.
Die "unterste "Schicht" der Toten waren Deutsche...Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten...
Während der Novemberpogrome 1938 wurden 26.000 Juden inhaftiert, um sie zur Emigration zu zwingen und ihr Vermögen zu arisieren.[15] Ende 1938 wurden fast 60.000 Menschen in Konzentrationslagern festgehalten.[16]

1939 bis 1941
Zur weiteren Entwicklung der Konzentrationslager in der dritten Phase, die nach Beginn des Überfalls auf Polen bis Mitte 1941 bzw. Anfang 1942 andauerte, trugen mehrere Faktoren bei. Die Häftlinge wurden in SS-Produktionsstätten wie Steinbrüchen und Ziegeleien eingesetzt. Nach einer Inhaftierungswelle in Deutschland stiegen die Häftlingszahlen, die vor Kriegsbeginn auf 21.000 gesunken waren,[16] rapide an und verdoppelten sich binnen kürzester Zeit. Ende 1940 befanden sich 53.000 Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern.[17] Zudem veränderte sich wieder die Zusammensetzung der Häftlinge. Waren es am Anfang vor allem noch Deutsche, so kamen mit Beginn des Krieges vor allem Menschen aus den von Deutschland eroberten Gebieten, also Zivilpersonen aus Polen, Frankreich, Tschechien, Jugoslawien, den Niederlanden, Belgien und Soldaten der Sowjetunion. Unter diesen Häftlingen waren viele Juden, Roma und Sinti.
https://de.wikipedia.org/wiki/Konzentrationslager
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:08)

Der Antisemitismus ist keine rein deutsche Erfindung und kein rein deutsches Problem, er war in der Sowjetunion vor 1933 vorhanden, während des Krieges und auch noch nach 1945. Bin mir nicht mal sicher wie das heute dort aussieht. :|
Hätte man um 1900 jemanden gefragt, welches Land er am ehesten einen Massenmord an den Juden zugetraut hätte, so hätte derjenige wohl Russland genannt. Es gab viele Länder, in denen der Antisemitismus vor dem Ersten Weltkrieg stärker ausgeprägt war als in Deutschland.

Deswegen glaube ich, dass man sich die Geschichte ab 1933 ansehen muss, um den Massenmord an den Juden zu verstehen. Es war davor keine Notwendigkeit, dass es so gekommen ist, und dass es so in Deutschland gekommen ist. Ich halte nichts von Leuten, die auf mittelalterliche Pogrome und Luther verweisen und meinen, der Massenmord an den Juden sei den Deutschen durch ihre Kultur in die Wiege gelegt worden. Pogrome und Ausweisungen von Juden gab es auch anderswo, ob das nun England ist, Spanien, die Schweiz, Frankreich oder Russland.

Genau deswegen ist es aber auch kein Argument, den Massenmord dadurch einordnen zu wollen, dass es Antisemitismus ja auch ausserhalb Deutschlands gab. Das ist natürlich richtig, dennoch glaube ich nicht, dass Polen, die Sowjetunion, Litauen, Lettland oder die Ukraine jemals zu einer systematischen Ermordung ihrer jüdischen Bevölkerung übergegangen wären. Selbst Ungarn hat sich dagegen gewehrt, seine Juden den deutschen Häschern auszuliefern.

Ein interessanter Fall ist jedoch Rumänien. Es ist das einzige Land, das ohne deutsche Besatzung mit dem Völkermord begonnen hat.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 22:03)

Hätte man um 1900 jemanden gefragt, welches Land er am ehesten einen Massenmord ....

... Völkermord begonnen hat.
Die Motive sind unterschiedlich .... (Der Völkermord an den Herero und Nama 1904..1908) und nicht nur in deutscher Geschichte.

Motiv Hitler unterschiedlich Motiv Goebbels unterschiedlich zum SSMann - und unterschiedlich zum mittätigem Nachbarn.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:53)
Die Beschlüsse waren im Januar 1942 längst schon gefasst: Die drei Vernichtungslager der Aktion Reinhardt waren schon seit November 1941 in Bau, und Chelmno war sogar schon seit Dezember 1941 in Betrieb. Ausserdem würde ich persönlich keinen bedeutenden Unterschied machen zwischen der Vernichtung durch Massenerschiessungen spätestens ab August 1941 und der Vernichtung in Lagern ab Dezember 1941/ März 1942.

Man kann natürlich sagen, dass man mit "industriellem" Massenmord nur die Vergasungen, nicht aber die Erschiessungen meint, würde damit aber meiner Meinung nach wesentliche Aspekte des frühen Massenmordes übersehen. Erschiessungen waren ein bedeutender Teil des Massenmordes, vor allem, aber nicht nur, in der Frühphase. Auch später wurden bei Aktionen und Deportationen immer auch bedeutende Anteile der Menschen erschossen.

Die Erschiessungen waren auch systematisch und erforderten Organisationsaufwand. Vor allem aber glaube ich, dass man nur durch sie den Übergang zum systematischen Massenmord ab Juni 1941 versteht.
Das sehe ich aber auch so, das Massaker von Babyn Jar fand am 29./30.09.1941 statt und kostete mindestens 33.000 Juden das Leben, sehr viele Frauen und Kinder darunter. "Industriell" war diese Vernichtungsaktion noch nicht, aber systematisch und gut vorbereitet. Gerade bei diesem Massaker zeigte sich die sehr enge Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und SS.
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Kritikaster
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Kritikaster »

Tom Bombadil hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:18)

Die Shoah begann mMn. spätestens im April 1933: https://www.dw.com/de/wie-die-verfolgun ... a-16700399 Die industrielle Vernichtung der Juden, die "Endlösung der Judenfrage", begann am 20. Januar 1942.
Korrekt.

Zu behaupten, die Shoah begänne erst mit dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion, ist Geschichtsklitterung. Wem die Aussagen aus "Mein Kampf" nicht genügen, die Absichten Hitlers zu erkennen, die er, entsprechende Möglichkeiten vorausgesetzt, auch umzusetzen gedachte, sei an seine Reichstagsrede vom Januar 1939 anlässlich des 6. Jahrestages der Machtergreifung erinnert, in der er seine Vernichtungspläne bezüglich der europäischen Juden für den Fall eines neuerlichen (von ihm angestrebten) Weltkriegs so deutlich verkündete, wie es nur möglich war.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Aber in dem Zeitraum Dreißiger Jahre ungefähr bis Sommer 1941 hatte Stalin mehr Juden umgebracht als Hitler,
natürlich nicht, weil sie Juden waren, sondern nach Artikel 58 Absatz 4,5,6 oder 7 usw. des sowjetischen Strafgesetzbuches als Konterrevolutionäre, Agenten, Schädlinge usw.
und das zu Friedenszeiten!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Kritikaster hat geschrieben:(23 Jun 2021, 18:13)

Korrekt.

Zu behaupten, die Shoah begänne erst mit dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion, ist Geschichtsklitterung. Wem die Aussagen aus "Mein Kampf" nicht genügen, die Absichten Hitlers zu erkennen, die er, entsprechende Möglichkeiten vorausgesetzt, auch umzusetzen gedachte, sei an seine Reichstagsrede vom Januar 1939 anlässlich des 6. Jahrestages der Machtergreifung erinnert, in der er seine Vernichtungspläne bezüglich der europäischen Juden für den Fall eines neuerlichen (von ihm angestrebten) Weltkriegs so deutlich verkündete, wie es nur möglich war.
Es hat nichts mit Geschichtsklitterung zu tun, die Frage zu stellen, wann der Entschluss zum Massenmord gefallen ist und wann er durchgeführt worden ist. Das sehen auch namhafte Historiker so, unabhängig davon, was in Deutschland derzeit als politisch korrekt angesehen wird.

Historiker sind vorsichtig genug, nicht jedes Wort einer historischen Figur auf die Goldwaage zu legen, sondern es stattdessen in einen Kontext zu bringen. Was wollte der Mann damit aussagen? Meinte er auch, was er sagte? Wer war der Adressat, was war das Motiv?

Es gibt einen Unterschied zwischen Drohungen, vagen Vorstellungen und konkreten Plänen. Es wäre beispielsweise eher unlogisch, im Januar 1939 zur Vernichtung der Juden entschlossen zu sein, gleichzeitig aber die Ausreise von Juden noch bis Oktober 1941 zu erlauben. Auch bei der Entwicklung des Massenmordes gab es so viele Improvisationen und Zufälle, dass man davon ausgehen muss, dass die Methoden nicht von vornherein geplant waren, sondern sich Schritt für Schritt entwickelt haben.

Die geistige Einstellung der Mörder musste auch erst hergestellt werden. 1933 haben viele noch ganz anders gedacht als 1941.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Quatschki hat geschrieben:(23 Jun 2021, 18:45)

Aber in dem Zeitraum Dreißiger Jahre ungefähr bis Sommer 1941 hatte Stalin mehr Juden umgebracht als Hitler,
natürlich nicht, weil sie Juden waren, sondern nach Artikel 58 Absatz 4,5,6 oder 7 usw. des sowjetischen Strafgesetzbuches als Konterrevolutionäre, Agenten, Schädlinge usw.
und das zu Friedenszeiten!
Die Nationalsozialisten haben von 1933 bis Kriegsbeginn 1939 relativ wenige Menschen getötet, viel weniger als in der Zeit danach, und auch viel weniger als die Kommunisten in der Sowjetunion in den Dreissigerjahren töteten. Stalin war da schon mit seinen grossen Säuberungen, denen hunderttausende zum Opfer fielen, beschäftigt. Schon zuvor waren Millionen in durch die Zwangskollektivierung ausgelösten Hungersnöten umgekommen.

Ich glaube, dass viele die Entwicklung, die der Nationalsozialismus brauchte, unterschätzen. Es war 1933/34 noch lange nicht klar, dass die Nationalsozialisten sich ihrer Macht sicher sein konnten. Noch bei der Nacht der langen Messer im Sommer 1934 hatten Hitler und seine Kumpane Angst, dass sie mit ihren Morden nicht durchkommen würden, und dass es etwa Kritik in der Öffentlichkeit oder Widerstand bei der Reichswehr geben würde.

Man hat viel experimentiert und geschaut, was geht und was nicht, und hat sich so langsam vorgetastet. Viele mussten vielleicht auch erst einmal herausfinden, wozu sie selbst in der Lage waren.

Selbstverständlich ging dann im Krieg sehr viel mehr als im Frieden. Aber auch hier gibt es Abstufungen; der Polenfeldzug und die nachfolgende Besatzung waren zwar blutig, aber immer noch auf einer ganz anderen Stufe als das, was am 22. Juni 1941 begann.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Vongole »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:08)
(..)

Die geistige Einstellung der Mörder musste auch erst hergestellt werden. 1933 haben viele noch ganz anders gedacht als 1941.
Die geistige Einstellung der Mörder wurde bereits nach dem 1.Weltkrieg "hergestellt", indem man den Juden die Schuld am verlorenen Krieg zuschob und sie beschuldigte,
Anhänger des Kommunismus zu sein, um mittels dieser Ideologie die Weltmacht anzustreben.
Viel mussten die Nazis da nicht machen, derJudenhass war ja schon immer da, und fand von 1933 bis zur Kapitulation willige Vollstrecker nicht nur in SS und SA, sondern auch durch Otto Normalbürger.

Auch wenn Hitler anfangs wohl an Vertreibung dachte, siehe der Madagaskar-Plan, wurde er spätestens am 30.Jan. 1939 sehr deutlich.
Für die Juden der Welt macht es jedenfalls keinen Unterschied, wann der Plan gefasst wurde, sondern dass er gefasst und durchgeführt wurde!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Hitler in einer Rede am 6. April 1920: „Wir wollen keine Gefühlsantisemiten sein, die Pogromstimmung erzeugen wollen, sondern es beseelt uns die unerbittliche Entschlossenheit, das Übel an der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stiel auszurotten. Um unser Ziel zu erreichen, muss uns jedes Mittel recht sein, selbst wenn wir uns mit dem Teufel verbinden müßten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Endl%C3%B ... Judenfrage
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Vongole hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:43)

Die geistige Einstellung der Mörder wurde bereits nach dem 1.Weltkrieg "hergestellt", indem man den Juden die Schuld am verlorenen Krieg zuschob und sie beschuldigte,
Anhänger des Kommunismus zu sein, um mittels dieser Ideologie die Weltmacht anzustreben.
Viel mussten die Nazis da nicht machen, derJudenhass war ja schon immer da, und fand von 1933 bis zur Kapitulation willige Vollstrecker nicht nur in SS und SA, sondern auch durch Otto Normalbürger.
Antisemitismus gab es vor 1933 auch in anderen Ländern, und ich würde sagen, sogar mehr als in Deutschland. Deswegen glaube ich, dass man sehr wohl die Jahre nach 1933 anschauen muss, um zu verstehen, was aus welchen Gründen passiert ist. Der Nationalsozialismus war kein fertiger Film, der ab 1933 einfach abgelaufen ist, sondern er hat sich dynamisch entwickelt. Dazu gehörte auch eine gewisse Dynamik des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, das eher chaotisch und ungeregelt war und Raum für Eigeninitiative liess.

Es ist ein Unterschied, ob man seinen Hass nur denkt, ihn ausspricht, einem anderen ins Gesicht schlägt, einen anderen schwer verletzt oder umbringt, oder ob man im Blut watet, weil man gerade hunderte von Menschen erschossen hat. Ich halte den Gedanken, dass die Deutschen dazu 1933 willens und in der Lage gewesen wären, für falsch. 1941 aber waren sie es (oder zumindest eine ausreichend grosse Zahl).

Im übrigen gehe ich davon aus, dass es erstens schlimme Antisemiten gab, die einem Juden nie auch nur ein Haar gekrümmt haben - einfach, weil sie psychisch nicht dazu in der Lage waren. Zweitens gab es sicher auch viele Mörder unter den Einsatzgruppen, die gar nicht antisemitisch eingestellt waren, sondern einfach taten, was man ihnen befohlen hat, und es als lästige Arbeit empfunden haben. Aber auch diese Abstumpfung muss man erst einmal herstellen.
Vongole hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:43)
Auch wenn Hitler anfangs wohl an Vertreibung dachte, siehe der Madagaskar-Plan, wurde er spätestens am 30.Jan. 1939 sehr deutlich.
Für die Juden der Welt macht es jedenfalls keinen Unterschied, wann der Plan gefasst wurde, sondern dass er gefasst und durchgeführt wurde!
Die Rede im Januar 1939 ist ein wichtiger Beleg auf einer Treppe von Eskalationsstufen. Aber das ist ja genau das, was ich sage: Es war nicht 1933 alles schon bestellt, sondern es hat sich entwickelt. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass die frühen Pläne der Nationalsozialisten für eine Aussiedlung der Juden - zunächst nach Madagaskar, dann nach Osten - Lügen waren. Später waren sie es freilich, und Aussiedlung wurde zu einem Codewort für das Töten.

Die Verkürzung auf Hitler finde ich auch immer problematisch. Verständlich, denn sie kann der Entlastung anderer Deutscher dienen. Nicht Hitler selbst hat aber Millionen Leute ermordet, zumindest nicht direkt. Es mussten sich erst Bürokraten, Organisatoren und Schlächter finden, die hier die Initiative ergreifen und mitmachen wollten. Man musste auch erst die Methoden entwickeln, man musste schauen, wen man einbinden kann und wen nicht, und wie die Öffentlichkeit reagiert. Viele mussten sich wohl auch erst selbst darüber klar werden, was sie können und was nicht.

Für mich sind dies alles interessante Fragen. Man kann natürlich auch sagen: Alles egal, es ist halt passiert und lässt sich nicht ändern. Und wie es genau passiert ist, interessiert nicht. Das finde ich eine erstaunliche Ansicht, die mir persönlich fremd ist.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Jun 2021, 20:00)

Hitler in einer Rede am 6. April 1920: „Wir wollen keine Gefühlsantisemiten sein, die Pogromstimmung erzeugen wollen, sondern es beseelt uns die unerbittliche Entschlossenheit, das Übel an der Wurzel zu packen und mit Stumpf und Stiel auszurotten. Um unser Ziel zu erreichen, muss uns jedes Mittel recht sein, selbst wenn wir uns mit dem Teufel verbinden müßten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Endl%C3%B ... Judenfrage
Tja, warum haben die Nationalsozialisten dann nicht am 31. Januar 1933 gleich alle 500.000 Juden in Deutschland umgebracht, wenn das doch der Plan war? Warum haben sie hunderttausende ausreisen lassen? Warum hat Hitler erst 1939 öffentlich von der Vernichtung gesprochen?

So einfach ist es eben nicht. Es mag sein, dass Hitler schon immer motiviert war, Juden umbringen zu lassen. Davon zu fantasieren; es für möglich zu halten; es umzusetzen sind aber unterschiedliche Dinge. Ausserdem musste Hitler erst einen Staatsapparat und grosse Teile der Gesellschaft dafür gewinnen; das wird in Deutschland immer gerne vergessen. Oder hat Hitler alle eigenhändig ermordet?

Auch alle psychisch Kranken wollte Hitler umbringen lassen. Warum hat er das aber erst 1939/39 in Angriff genommen? Warum wurde das Programm später stark zurückgefahren, ja, teilweise sogar eingestellt?

Man sieht: Es geht nicht nur um Fantasien und Drohungen, sondern auch darum, was tatsächlich machbar und umsetzbar ist. Deswegen haben Massenmorde eine Geschichte. Mich wundert es, dass gerade in Deutschland das Interesse an diesen Fragen eher begrenzt zu sein scheint. Hitler war schon immer antisemitisch und wollte alle Juden umbringen, das wurde umgesetzt, fertig. Keine weiteren Fragen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Kritikaster »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 19:08)

... Was wollte der Mann damit aussagen? Meinte er auch, was er sagte? Wer war der Adressat, was war das Motiv? ...
Wer nicht an Relativierungsversuchen interessiert ist und ganz einfach lesen und hören kann, bei dem gibt es da nicht die geringsten Zweifel.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von sünnerklaas »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 20:29)

Tja, warum haben die Nationalsozialisten dann nicht am 31. Januar 1933 gleich alle 500.000 Juden in Deutschland umgebracht, wenn das doch der Plan war? Warum haben sie hunderttausende ausreisen lassen? Warum hat Hitler erst 1939 öffentlich von der Vernichtung gesprochen?

So einfach ist es eben nicht. Es mag sein, dass Hitler schon immer motiviert war, Juden umbringen zu lassen. Davon zu fantasieren; es für möglich zu halten; es umzusetzen sind aber unterschiedliche Dinge. Ausserdem musste Hitler erst einen Staatsapparat und grosse Teile der Gesellschaft dafür gewinnen; das wird in Deutschland immer gerne vergessen. Oder hat Hitler alle eigenhändig ermordet?

Auch alle psychisch Kranken wollte Hitler umbringen lassen. Warum hat er das aber erst 1939/39 in Angriff genommen? Warum wurde das Programm später stark zurückgefahren, ja, teilweise sogar eingestellt?

Man sieht: Es geht nicht nur um Fantasien und Drohungen, sondern auch darum, was tatsächlich machbar und umsetzbar ist. Deswegen haben Massenmorde eine Geschichte. Mich wundert es, dass gerade in Deutschland das Interesse an diesen Fragen eher begrenzt zu sein scheint. Hitler war schon immer antisemitisch und wollte alle Juden umbringen, das wurde umgesetzt, fertig. Keine weiteren Fragen.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: zum einen galt es nach der Machtergreifung zuallererst, den Machterhalt abzusichern und auszubauen. Dazu mussten sowohl äußere, als auch innerparteiliche Gegner ausgeschaltet werden. Im eigenen Lager war das der sozialistische Strasser-Flügel, aber auch die aristokratische Rechte um General Schleicher. Als dann auch noch der im Exil in Doorn sitzende Willem Zwo abgelehnt hat, als Kaiser von Hitlers Gnaden zurück zu kommen, war der Weg für Hitler frei.
Dazu galt es, den Rückhalt in der Bevölkerung zu stärken: Hitler und seine Kumpane mussten sich spürbar als Helden und große Wohltäter präsentieren. Dazu gehörte vor allem, die Massenarbeitslosigkeit auf schnellstem Wege zu beseitigen - dabei waren alle Mittel recht, auch Betrug. Hitlers Finanz- und Währungspolitik ist übrigens außerordentlich interessant und liefert den Schlüssel für viele später begangene Verbrechen.
Am Anfang stand ein riesengroßer, vorsätzlich begangener Betrug, danach kamen die immer größer werdenden Raubzüge, danach die Shoah.
Zusammenfassend ist zu konstatieren: die Nazis konnten sich bereichern, sie konnten betrügen, sie konnten rauben und Millionen Menschen industriell töten. Nur eines konnten sie definitiv nicht: mit Geld umgehen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Michael Alexander hat geschrieben:(23 Jun 2021, 20:29)

Keine weiteren Fragen.
Dafür, dass es keine weiteren Fragen geben soll, stellst du aber viele Fragen und formulierst auch reichlich verschwurbelte Thesen wie "Antisemitismus gab es vor 1933 auch in anderen Ländern, und ich würde sagen, sogar mehr als in Deutschland." Antisemitismus war und ist leider Gottes weit verbreitet, es gab auch viele Pogrome, aber nur Deutschland hat so etwas wie die Shoah fertig gebracht.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Dampflok94 »

Michael Alexander hat geschrieben:(22 Jun 2021, 21:40)

Ich bin da kein Experte. Ich finde auf jeden Fall Ansätze, die von einer Eskalation über mehrere Stufen ausgehen, überzeugender als Ansätze, die davon ausgehen, dass alles von vorn herein geplant war.

Es gibt viele Hinweise, die die These unterstützen, dass der Entschluss um den Juli/ August 1941 herum gefallen sein könnte. So hat Heydrich ja schon Ende Juli den Befehl von Göring erhalten, sich um die Endlösung zu kümmern. Dass die Wannseekonferenz erst im Januar 1942 stattfand, hatte organisatorische Gründe.

1939/40 würde ich als zu früh ansehen. Ja, man hatte Erfahrungen mit Vergasungen gesammelt; diese betrafen aber vor allem psychisch Kranke im Rahmen der Aktion T4. Ja, man hatte bereits tausende Juden in Polen ermordet, aber bisher wenig systematisch. Erst später macht man sich die Expertise, die man aus T4 gewonnen hatte, für andere Zwecke zunutze.

So begannen die Arbeiten für Belzec im November 1941 (Inbetriebnahme März 1942). Als erstes Vernichtungslager ging allerdings Chelmno, das auf dem Einsatz von Gaswagen beruhte, im Dezember 1941 in Betrieb.

Auf jeden Fall scheint die These, der Entschluss zur Vernichtung wäre nach den ersten deutschen Niederlagen (etwa vor Moskau im Dezember 1941) gefasst worden, falsch zu sein. Ja, es ist sogar so, dass eine Mehrheit der Opfer bereits vor der ersten grossen deutschen Niederlage Anfang 1943 in Stalingrad tot war. 1942 ist der eigentliche Höhepunkt des Massenmordes, insbesondere die Zeit von Ende Juli 1942 bis Oktober/ November 1942. Dies wird manchmal verdunkelt durch die hohe symbolische Bedeutung von Auschwitz, das aber eigentlich erst ab 1943 einen grossen Beitrag zum Massenmord leistet (und dann natürlich noch einmal ab Mai 1944 im Rahmen der Vernichtung der ungarischen Juden).

Um auf das Unternehmen Barbarossa zurückzukommen, so glaube ich, dass die Erfahrungen mit den Massentötungen ab dem 22. Juni 1941 entscheidend dazu beigetragen haben, den Verantwortlichen zu zeigen, dass eine umfassende Vernichtung im Bereich des Möglichen lag.
Ich empfinde diese Diskussion als eine akademische. M. E. begann die systematische Ermordung der Juden mit der Besetzung Polens. Auch davor gab es schon viele jüdische Opfer innerhalb des Deutschen Reiches. Das war aber eher progromhaft und nur teilweise koordiniert. Ab Oktober 39 wurde es eben systematisch. Wann genau beschlossen wurde möglichst alle Juden derer man habhaft werden konnte zu töten ist unklar. Denn nur ein einziger konnte das letztlich entscheiden. Und bekanntlich gibt es keinen schriftlichen Befehl seitens Hitlers. (Was von interessierter Seite gerne als Begründung für abstruse Theorien genutzt wird.) Ich persönlich gehe davon aus, daß sich Hitler insbesondere nach Gesprächen mit Himmler dazu entschieden hat. Aber wann das war wird wohl im Dunkel der Geschichte bleiben.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Vongole »

Dampflok94 hat geschrieben:(26 Jun 2021, 17:42)

Ich empfinde diese Diskussion als eine akademische. M. E. begann die systematische Ermordung der Juden mit der Besetzung Polens. Auch davor gab es schon viele jüdische Opfer innerhalb des Deutschen Reiches. Das war aber eher progromhaft und nur teilweise koordiniert. Ab Oktober 39 wurde es eben systematisch. Wann genau beschlossen wurde möglichst alle Juden derer man habhaft werden konnte zu töten ist unklar. Denn nur ein einziger konnte das letztlich entscheiden. Und bekanntlich gibt es keinen schriftlichen Befehl seitens Hitlers. (Was von interessierter Seite gerne als Begründung für abstruse Theorien genutzt wird.) Ich persönlich gehe davon aus, daß sich Hitler insbesondere nach Gesprächen mit Himmler dazu entschieden hat. Aber wann das war wird wohl im Dunkel der Geschichte bleiben.
Die Shoah begann ab 1933, und es gab sehr wohl koordiniertes Vorgehen gegen die Juden. Es fing an mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, gefolgt von der Entlassung jüdischer Beamter, dem Zulassungsverbot jüdischer Ärzte,
Auschluss der Juden aus allen kulturellen Bereichen, das alles bereits 1933.
1935 die sog. Rassentrennung in den Schulen sowie die Nürnberger Rassengesetze mit dem Entzug aller bürgerlichen Rechte für Juden.
1938 die Reichsprogromnacht, das rote "J" in allen jüdischen Pässen, die Verordnungen zum "Schutz der deutschen Rasse", der Judenbann in Berlin.
1939 droht Hitler den Juden mit der totalen Vernichtung.

Und nein, es gab keinen direkten (bekannten) Befehl Hitlers zur Vernichtung der Juden weltweit, aber ohne seine Zustimmung hätte die Shoah so vermutlich nicht stattgefunden.
Dass er sie wollte, war bekannt, die Durchführung überließ er seinen willigen Vollstreckern, und die befanden sich nicht nur in der Wehrmacht, bei den KZ-Verwaltern und - beschäftigten, SA und SS,
sondern auch in einer weitgehend antisemitischen Gesellschaft.

Und wie ich bereits hier schon einmal schrieb: für die Juden der Welt macht es keinen Unterschied, wer die Shoah befahl, sondern dass sie ausgeführt wurde, ohne nennenswerten Widerstand der deutschen Gesellschaft.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

Vongole hat geschrieben:(26 Jun 2021, 18:08)

Und wie ich bereits hier schon einmal schrieb: für die Juden der Welt macht es keinen Unterschied, wer die Shoah befahl, sondern dass sie ausgeführt wurde, ohne nennenswerten Widerstand der deutschen Gesellschaft.
...und der europäischen.
In allen besetzten Gebieten war die Gestapo auf die Hilfe der einheimischen Behörden und Bevölkerung angewiesen, wenn es darum ging, Juden ausfindig zu machen.
Man hatte ja nichts. Einwohnermeldedaten, Adressbücher, Registraturen usw.
Und keine Sprachkenntnisse.
Wenn die deutsche Besatzungsmacht das alles selbst hätten erheben müssen, wären sie gescheitert.
[Mod] Für die Juden der Welt macht sehr wohl einen Unterschied, wer die Shoa befahl und in welcher Art und Weise sie durchgeführt wurde.
Etwas anderes zu behaupten, stellt eine eklatante Relativierung dieses Verbrechens UND eine Form von Geschichtsrevisionismus dar.
Der latente und auch offene Antisemitismus, der in allen europäischen Staaten vorhanden war und immer noch ist, kann und darf NICHT als Begründung dafür herangezogen werden, dass es ja schließlich egal sei ...
Sollte mir noch einmal eine derartige Holocaustrelativierung von dir auffallen und/oder gemeldet werden, werden Sanktionen fällig!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Alexyessin »

Quatschki hat geschrieben:(26 Jun 2021, 21:05)

...und der europäischen.
In allen besetzten Gebieten war die Gestapo auf die Hilfe der einheimischen Behörden und Bevölkerung angewiesen, wenn es darum ging, Juden ausfindig zu machen.
Man hatte ja nichts. Einwohnermeldedaten, Adressbücher, Registraturen usw.
Und keine Sprachkenntnisse.
Wenn die deutsche Besatzungsmacht das alles selbst hätten erheben müssen, wären sie gescheitert.
Tja, mach mit oder ich knall dich ab. DAS war das "Hilfegesuchen".
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Vongole »

Alexyessin hat geschrieben:(26 Jun 2021, 21:19)

Tja, mach mit oder ich knall dich ab. DAS war das "Hilfegesuchen".
Nicht immer und nicht nur. Du vergisst, dass es in vielen Ländern durchaus Sympathie für die Nazis gab und teilweise faschistische Führer, Mussolini, Franco oder Quisling z.B..
Die Leute wollten zwar keine deutsche Besatzung, hatten aber durchaus auch judenfeindliche Ansichten, denk nur an Horthy in Ungarn.

Nicht, dass das deutsche Schuld und Verantwortung irgendwie verharmlosen würde.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Ammianus »

Vongole hat geschrieben:(26 Jun 2021, 22:07)

Nicht immer und nicht nur. Du vergisst, dass es in vielen Ländern durchaus Sympathie für die Nazis gab und teilweise faschistische Führer, Mussolini, Franco oder Quisling z.B..
Die Leute wollten zwar keine deutsche Besatzung, hatten aber durchaus auch judenfeindliche Ansichten, denk nur an Horthy in Ungarn.

Nicht, dass das deutsche Schuld und Verantwortung irgendwie verharmlosen würde.
Heute konnte man dazu Bilder im TV sehen. Da ging es um Barbarossa. Man sah wie Zivilisten mit großen Knüppeln auf teilweise am Boden liegende Menschen einprügelten. Das war wohl in der Ukraine - weiss ich jetzt aber nicht so genau. Die hat keiner gezwungen. Judenfeindschaft hat da eine lange Geschichte die, wie in Deutschland auch, damit zusammenhing, dass Juden in bestimmte Berufsfelder hineingezwungen wurden, was dann Hass und Verachtung auf sie zog. In der Sowjetunion kam dann noch dazu, dass Juden teilweise überproportional bei den Bolschewiki aktiv waren.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Teeernte »

Alexyessin hat geschrieben:(26 Jun 2021, 21:19)

Tja, mach mit oder ich knall dich ab. DAS war das "Hilfegesuchen".
Bereicherung am Eigentum der Juden ,bereits vorhandener latenter Antisemitismus, Plünderungen, sexuelle Übergriffe....Waren häufiger als das "Nichterscheinen" zum Dienst unter Besatzung.

Auch ein Dokument >> https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Jedwabne
Zu den in der polnischen Bevölkerung bereits zuvor verbreiteten antisemitischen Vorurteilen, die durch wirtschaftliche, soziale und religiöse Konflikte entstanden waren, kam das Bild der Juden als vermeintliche Nutznießer der sowjetischen Okkupationsherrschaft hinzu.
Katholischer Antisemitismus... (es gibt "härtere" Stellen)
Du schließest auch die Juden, die dir den Glauben verweigern, von Deiner Erbarmung nicht aus.
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von H2O »

Alexyessin hat geschrieben:(26 Jun 2021, 21:19)

Tja, mach mit oder ich knall dich ab. DAS war das "Hilfegesuchen".
Das ist so leider nicht abgelaufen. Wahr ist leider, daß Nazi-Deutschand die Heere seiner Nachbarn geschlagen hatte, diese Länder besetzt hielt, seine Menschen ausbeutete und ausraubte (ins Reich dienstverpflichtete). Das ging mit brutaler Gewalt und Einschüchterung, wo immer sich Widerstand zeigte. Wahr ist aber auch, daß sich Menschen fanden, die den Nazi-Rassenwahn schon wegen der errungenen Siege der Wehrmacht für eine gute Sache hielten und sich zur Zusammenarbeit bereit fanden. Und wahr ist auch, daß es dennoch verzweifelten Widerstand gab, der aber erst Wirkung zeigte, als die Wehrmacht im Osten unter Druck geriet.

In dieser Gemengelage gab es Widerstand, der Juden in den Untergrund und aus unmittelbarer Lebensgefahr brachte, aber eben auch Kollaborateure, die Juden und ihre Verstecke verrieten und diese Menschen dem sicheren Tod auslieferte. Ja, auch das Eigentum dieser Juden raubte oder in ihre Häuser zog. Das alles ist in Polen ein Thema, das immer wieder einmal aufflammt, wenn die national-klerikale Regierungspartei und ihre Gefolgsleute Polen als unbeteiligt an diesen Greueln darstellen wollen, und dann postwendend angesehene polnische Historiker nachweisen, daß das Bild Polens leider nicht diese behauptete Unschuld aufweist. Empörte Zurechtweisung kommt auch aus Israel... und das ist der Grund, daß die politischen Beziehungen Polens zum Staat Israel recht unerfreulich angelegt sind.

Der wesentliche Hintergrund für massenhafte Greueltaten gegen Juden auch in Nachbarländern Deutschlands war unbestritten die deutsche Besatzung und der Verlust jeder nationalen Selbstbestimmung. Ohne Nazi-Herrschaft keine Massenvernichtung von Juden und anderen den Nazis mißliebigen Menschengruppen. Dennoch besteht zur Heiligsprechung der Nachbarn keine Veranlassung... Kollaborateure mit Nazi-Gesinnung und habgierige Mittäter gab es dort auch in ausreichender Anzahl.
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Quatschki
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

[Mod] Edit, weitere Holocaustrelativierung entfernt!
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Michael Alexander
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Michael Alexander »

Dampflok94 hat geschrieben:(26 Jun 2021, 17:42)

Ich empfinde diese Diskussion als eine akademische. M. E. begann die systematische Ermordung der Juden mit der Besetzung Polens. Auch davor gab es schon viele jüdische Opfer innerhalb des Deutschen Reiches. Das war aber eher progromhaft und nur teilweise koordiniert. Ab Oktober 39 wurde es eben systematisch. Wann genau beschlossen wurde möglichst alle Juden derer man habhaft werden konnte zu töten ist unklar. Denn nur ein einziger konnte das letztlich entscheiden. Und bekanntlich gibt es keinen schriftlichen Befehl seitens Hitlers. (Was von interessierter Seite gerne als Begründung für abstruse Theorien genutzt wird.) Ich persönlich gehe davon aus, daß sich Hitler insbesondere nach Gesprächen mit Himmler dazu entschieden hat. Aber wann das war wird wohl im Dunkel der Geschichte bleiben.
Ich würde zustimmen, dass die Diskussion akademisch ist; mich interessant daran ja gerade der wissenschaftliche Aspekt. Wir haben es mit einem Ereignis zu tun, das ich persönlich, menschlich für unfassbar, unergründbar halte, dennoch aber kann man sich mit wissenschaftlichen Methoden der Thematik annähern.

Ich finde erstaunlich, wie viel man heutzutage über den Völkermord weiss, und mir hat es sehr bei meinem Verständnis geholfen. Es mag aber Leute gehen, die eher einen emotionalen Zugang zu dem Thema haben und es vielleicht gar nicht so genau wissen wollen.

Für mich war einer der entscheidenden Punkte zunächst Claude Lanzmanns vielstündiger Dokumentarfilm "Shoah" mit Zeitzeugen wie Richard Glazar, Filip Müller und Rudolf Vrba, und nachfolgend die Beschäftigung mit dem, was dort teilweise nur angerissen wurde. Auch Raul Hilberg ist in dem Film zu sehen, einer der ersten, der sich wissenschaftlich mit dem Judenmord auseinandergesetzt hat (The Destruction of the European Jews, 1954). In "Shoah" sieht man Hilberg, wie er Lanzmann Bahnfahrpläne erklärt; erst da ist mir klar geworden, dass man die Verschleppung der Menschen in die Vernichtungslager heutzutage teilweise minutiös nachvollziehen kann.

An Definitionen möchte ich mich nicht aufhalten; ich selbst benutze Begriffe wie "Holocaust" oder "Shoa" ohnehin selten. Mir ging es in meinen Beiträgen auch vor allem um das, was man die "Endlösung" nennt. Diese, so finde ich, wurde erst ab dem 22. Juni 1941, mit dem Beginn von Barbarossa, umgesetzt. Die polnischen Juden waren davor schon ghettoisiert und einige Zehntausend waren bereits umgebracht oder an den Bedingungen gestorben; die systematische Deportation in die Vernichtungslager begann aber erst 1942, insbesondere ab März und dann natürlich ab Juli mit der Auflösung des Warschauer Ghettos.
Der Kutscher

Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Der Kutscher »

Der Kutscher hat geschrieben:(22 Jun 2021, 23:21)
... das Massaker von Babyn Jar fand am 29./30.09.1941 statt und kostete mindestens 33.000 Juden das Leben, sehr viele Frauen und Kinder darunter.
80. Jahrestag des Massakers von Babyn Jar
80. Jahrestag des Massakers
Das monströse Verbrechen von Babyn Jar
Stand: 29.09.2021 05:36 Uhr

In der Ukraine wird mit Gedenkminuten, Konzerten und Geschichtsstunden der Opfer des in der Schlucht von Babyn Jar verübten Massakers gedacht. 1941 erschossen deutsche Einsatzgruppen dort mehr als 33.000 Juden.
https://www.tagesschau.de/ausland/europ ... r-101.html
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Das war ein herausragendes Ereignis im Meer der vielen deutschen Massaker und Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg. Mir wird regelrecht schlecht, wenn ich Artikel dazu lese, wie grausam und unbarmherzig dort massenhaft unschuldige Menschen massakriert wurden.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von H2O »

Was mich als schon erwachsenen Mann besonders erschüttert hatte, das war die Beteiligung von "einfachen" Wehrmachtssoldaten an diesen Greueln... "wer will noch 'mal, wer hat noch nicht?"

Ich bin damit aufgewachsen, daß der deutsche Soldat nicht nur tapfer für sein Land kämpfte, sondern daß er das auch ohne Furcht und Tadel tat. Und dann gab es die Bilderausstellung mit Begleittexten zu Greueltaten der Deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg... Nix mit "Nur Vernichtungskommandos der fanatisierten SS".

Irgendwie muß diese Schlächterei in Handarbeit aber doch Folgen gehabt haben; denn die Vernichtung von "Untermenschen" in Gaskammern sollte wohl weitere seelische Schäden in der Deutschen Wehrmacht vermeiden.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

Es ist mir auch ein Rätsel, wie man Menschen so sehr verrohen kann, dass sie zu solchen Taten fähig werden. Es gibt zwar Erklärungsansätze, das lässt mich aber immer noch fassungslos zurück.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Quatschki »

[edit Mod.] Relativierung von Kriegsverbrechen!
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von H2O »

Vielleicht bietet der überlieferte Satz eines SS-Führers einen Ansatz, diese Unmenschlichkeit zu fassen. Folgender Satz ist mir sinngemäß in Erinnerung geblieben: "Die SS hat unglaubliche Blutbäder verübt; die Männer haben dabei ihren inneren Anstand bewahrt!" Soll wohl sagen, daß sie in ihrer Gemeinschaft untadelige Kameraden und treue Parteianhänger blieben... jedenfalls aus der Sicht des SS-Führers.

Um der Wahrheit auf den Grund gehen zu können, muß man wohl in der damaligen Zeit Teil der Maschinerie gewesen sein, mit ihren Überzeugungen, Verführungen und Zwängen, und sich nun im zeitlichen Abstand innerlich Rechenschaft über die eigene Beteiligung an diesem Wahnsinn ablegen.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Tom Bombadil »

H2O hat geschrieben:(30 Sep 2021, 11:07)

Um der Wahrheit auf den Grund gehen zu können, muß man wohl in der damaligen Zeit Teil der Maschinerie gewesen sein, mit ihren Überzeugungen, Verführungen und Zwängen, und sich nun im zeitlichen Abstand innerlich Rechenschaft über die eigene Beteiligung an diesem Wahnsinn ablegen.
Ja, aus heutiger Sicht lässt sich das für uns Laien, die nie mit solchen Zuständen konfrontiert waren und die immer im Frieden gelebt haben, wohl nicht erklären.

Ein Anwalt ist aber noch auf der Suche nach den letzten überlebenden Tätern: https://www.spiegel.de/geschichte/massa ... 44e724e349
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von TheManFromDownUnder »

H2O hat geschrieben:(30 Sep 2021, 10:38)

Was mich als schon erwachsenen Mann besonders erschüttert hatte, das war die Beteiligung von "einfachen" Wehrmachtssoldaten an diesen Greueln... "wer will noch 'mal, wer hat noch nicht?"

Ich bin damit aufgewachsen, daß der deutsche Soldat nicht nur tapfer für sein Land kämpfte, sondern daß er das auch ohne Furcht und Tadel tat. Und dann gab es die Bilderausstellung mit Begleittexten zu Greueltaten der Deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg... Nix mit "Nur Vernichtungskommandos der fanatisierten SS".

Irgendwie muß diese Schlächterei in Handarbeit aber doch Folgen gehabt haben; denn die Vernichtung von "Untermenschen" in Gaskammern sollte wohl weitere seelische Schäden in der Deutschen Wehrmacht vermeiden.
Egal von welcher Seite wir das beleuchten wird es fuer uns immer unverstaendlich noch erklaerbar werden.

Die "Schlaechter" tauchen immer wieder in der Geschichte auf. Pol Pot und seine Schergen, die serbischen Schlaechter im Balkan Krieg, usw usw.

Was bewegt Menschen das zu tun? Es ist als haette "Evil" die Menschlichkeit ausgeschaltet und wenn immer man glaubt die Menschehit haette was gelernt, das es niw wieder passiert, dann steigt das Evil wie Phoenix aus der Asche auf.
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Re: Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg

Beitrag von Eiskalt »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(30 Sep 2021, 11:31)

Egal von welcher Seite wir das beleuchten wird es fuer uns immer unverstaendlich noch erklaerbar werden.

Die "Schlaechter" tauchen immer wieder in der Geschichte auf. Pol Pot und seine Schergen, die serbischen Schlaechter im Balkan Krieg, usw usw.

Was bewegt Menschen das zu tun? Es ist als haette "Evil" die Menschlichkeit ausgeschaltet und wenn immer man glaubt die Menschehit haette was gelernt, das es niw wieder passiert, dann steigt das Evil wie Phoenix aus der Asche auf.
Ja. Das ist kein deutsches Phänomen. Es tauchte in der Vergangenheit auf und wird es auch in Zukunft.

Es mag Menschen geben die psychisch so geboren sind.
Aber das ein Großteil normaler Menschen fähig ist, ist psychologisch faszinierend
Si vis pacem para bellum
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