"Der Geist von Ariel Scharon lebt fort"

Moderator: Moderatoren Forum 7

Gesperrt
petronius
Beiträge: 6494
Registriert: Do 5. Jun 2008, 17:42
user title: advocatus diaboli

"Der Geist von Ariel Scharon lebt fort"

Beitrag von petronius »

es mag pietätlos scheinen, von scharon als subjekt der jüngeren geschichte zu sprechen, als wäre er bereits tot. aber folgende analyse scheint mir doch recht stichhaltig

Der Ausbau der Siedlungen im Westjordanland geht weiter, während die Nahost-Verhandlungen auf der Stelle treten. Denn Israel sei noch nicht zu einem Abkommen mit den Palästinensern bereit, meint der Publizist Michael Warschawski

taz: Herr Warschawski, der Nahost-Friedensprozess kommt nicht voran, nur der Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland geht munter weiter. Warum hält Israel so daran fest? Selbst US-Außenministerin Rice hat das kritisiert.

Michael Warschawski: Weil der Ausbau der Siedlungen Teil einer umfassenden Strategie ist. Insbesondere die Regionen, die nahe der "Grünen Linie" liegen, will Israel de facto annektieren. Das geht am besten, indem man vollendete Tatsache schafft.

Offiziell verhandelt Israel über seine künftige Grenze, viele Siedlungen werden ja illegal errichtet. Spricht das nicht gegen eine kohärente Strategie?

Das Siedlungsprojekt setzt sich aus staatlichen und privaten Initiativen zusammen. Und den Siedlern und ihren Baugesellschaften ist es völlig gleichgültig, ob sie eine Genehmigung haben oder nicht, um ihre Siedlungen auszubauen. Sie brauchen keine offizielle Unterstützung der Regierung, denn sie haben ihre politische Unterstützung - das ist viel wichtiger.

Wer hat denn die Macht in den besetzten Gebieten: die Regierung oder die Armee?

Dort regiert de facto die Armee - und die ist strukturell eng mit den Siedlern verbunden. Es gibt meiner Meinung nach einen Masterplan für die Kolonisierung des Westjordanlands, der auf Ariel Scharon zurückgeht. Er hat diese Politik über mehr als 30 Jahre hinweg gestaltet.

Was war Scharons Ziel?

Scharon betrachtete das Westjordanland als einen offenen Raum, der erobert werden kann - die Amerikaner würden "frontier" dazu sagen. In der Zwischenzeit kann es "langfristige provisorische Übereinkünfte" geben, wie Scharon sie nannte - auch Oslo war in seinen Augen so eine provisorische Lösung. Das ist das genaue Gegenteil von Rabin oder Barak, die den Konflikt endgültig beenden wollten - am besten in zehn Minuten.

Wer führt Scharons Politik heute noch fort?

Die Armee - und die Regierung unterstützt sie dabei. Scharon war, wie schon Staatsgründer Ben Gurion, dagegen, dass Israel eine endgültige Grenze definiert. "Unsere Grenze verläuft da, wo wir den letzten Baum pflanzen", lautet ein berühmtes Statement von Ben Gurion, das Scharon immer wiederholt hat. Oder, wie er selbst es ausdrückte: "Der Unabhängigkeitskrieg ist noch nicht zu Ende." Er wollte für die nächsten 50 Jahre kein Friedensabkommen mit den Palästinensern - um in dieser Zeit Tatsachen schaffen zu können.

Welche Zukunft schwebte Scharon in seinen Plänen für die Palästinenser vor?

Scharon war klar, dass sie sich nicht, wie 1948, einfach vertreiben lassen würden. Also war er dafür, die Palästinenser in isolierten Zonen leben zu lassen und ihnen eine begrenzte Form der Souveränität zu geben - einen Kanton in Dschenin, in Nablus oder in Ramallah. Er sagte ihnen: "Das ist euer Land, ihr könnt es Staat, Reich oder Königreich nennen, wie immer ihr wollt. Aber ich, Scharon, baue weiter Siedlungen, pflanze Bäume und israelisiere den übrigen Raum."


es scheint, als sei scharon mehr als nur geschichte - seine strategie wird weitergeführt, wirkt fort. welche aussichten kann sie - auch im vergleich mit früheren beispielen in der geschichte - für einen tatsächlichen friedensschluß im nahen osten bieten? kann es klappen, hat es je geklappt, zu einem ausgleich mit dem "feind" zu kommen, wenn die eine seite sich stets ein hintertürchen offen läßt, durch welches die eigenen (und nur die eigenen) interessen dann doch bedient werden, auch auf kosten des verhandlungspartners?
quamquam ridentem dicere verum
quid vetat?
(horaz)
Benutzeravatar
Talyessin
Beiträge: 24968
Registriert: Mo 2. Jun 2008, 08:36
user title: Wonderland Avenue
Wohnort: Daheim

Re: "Der Geist von Ariel Scharon lebt fort"

Beitrag von Talyessin »

Mod

Lieber petronius,

dieser Thread ist im Geschichtsforum nicht richtig angesiedelt, da er sich ja, wie auch die Überschrift bekundet, mit der aktuellen Politik in Israel beschäftigt.
Sobald das SubForum 35 wieder eröffnet ist, werde ich diesen Thread auch dorthin verschieben

Talyessin
Moderation Geschichte
Gesperrt