Ich möchte mal weg von diesem zugegeben zu nichts führenden Schlagabtausch zwischen PD und mir und konkret auf die Fragen des Threadstarters eingehen, umschrieben mit der Frage: „Welche Möglichkeiten hat der Einzelhandel nun?“
maxbreak2 hat geschrieben:
1. Die Dinge so weiter laufen lassen wie bisher?
Amazon macht keine Anstalten seinen Expansionsdrang aufzugeben. Nicht mal diesen zu drosseln kommt in Frage.
Dann wird es irgendwann nur noch Amazon geben?
Dies ist eine berechtigte Frage. Amazon ist zwar (noch) nicht das weltweit umsatzstärkste Unternehmen (Rang 12). Was den Onlinehandel betrifft belegt Amazon aber eindeutig Platz 1. Das Unternehmen expandiert scheinbar unaufhaltsam und hat längst eine Marktbeherrschende Stellung eingenommen. Ständig ist das Unternehmen auf der Suche nach geeigneten neuen Standorten für neue und immer größere Logistikstandorte um dem stetig zunehmenden Kundenansturm gerecht werden zu können und vor allen Dingen bestellte Waren binnen 24 Stunden dem Kunden zustellen zu können. Aktuell hat gerade der Rat der Stadt Achim (bei Bremen) grünes Licht für den Bau eines bombastischen Logistikzentrums erteilt. Die Zahl von mindestens 2000 menschlichen Ameisen, die dort im Akkord die Kundenbestellungen bearbeiten lässt erahnen, welche Ausmaße dieses Unternehmen bereits hat. 11 solcher gigantischen Logistik-und Versandzentren gibt es bereits in Deutschland. Hinzu kommen noch solche in Polen, Ungarn und anderen EU-Staaten, die ebenfalls deutsche Kunden bedienen. Dagegen sind Otto und früher Quelle oder Neckermann ein Hasenfurz.
Ganz ehrlich: Obwohl auch ich bestimmte Dinge online erwerbe macht mir diese Entwicklung Angst zumal Amazon mit seiner Marktmacht in der Lage ist, beispielsweise Einkaufspreise bei Herstellern zu diktieren („Wenn du uns den Artikel xy nicht für den Preis x verkaufst fliegst du raus“). Diese Möglichkeit hat der kleine Einzelhandel nicht, selbst wenn er sich Einkaufsringen anschließt, die durch Einkäufe in höheren Stückzahlen günstige Preise bei Herstellern und Lieferanten rausschlagen können.
Diese Marktmacht von Amazon und anderen aufstrebenden Onlinehändlern führt zunehmend dazu, dass kleinere familiäre Traditionsbetriebe in den Städten aufgeben. Teils konnten die sich nur so lange halten weil sich die Immobilien im Besitz dieser Kleinunternehmen befanden und viel Herzblut an den oft seit mehreren Generationen existierenden Unternehmen hing. Die Kinder dieser Unternehmen aber sehen häufig keinen Sinn darin, die Geschäfte ihrer Eltern weiter zu führen und beschreiten andere berufliche Wege.
Die Folge: Das Bild in unseren Innenstädten wandelt sich. Traditionshäuser machen dicht bzw. machen Platz für Telefonshops, Fressbuden, Spielhallen oder Butiken. Dabei sind dies häufig Heuschreckenunternehmen, die nicht selten binnen weniger Monate wieder verschwunden sind. Noch schrecklicher finde ich die Tatsache, dass man immer häufiger verbretterte Läden sieht, weil sich für die Immobilien niemand zu interessieren scheint.
Zurzeit ist es ja so, dass sich in unseren Innenstädten bzw. Fußgängerzonen immer mehr Gastronomie ausbreitet und somit die Citys am Leben erhält. Die Frage ist nur, wie lange das gut geht. Siecht der klassische Einzelhandel weiter dahin hat dann auch irgendwann die Gastronomie da keine Gäste mehr.
2. Staatliche Regulierung?
Wie könnte diese Regulierung dann aussehen?
Wann wird diese Regulierung kommen?
Wer soll gefördert werden? Der stationäre Einzelhandel? Oder die anderen Online-Händler?
Wir haben doch die Kartellbehörde dessen Aufgabe u.a. darin besteht, Marktbeherrschende Unternehmen mit Monopolstellung in die Schranken zu weisen, wenn diese ihre Monopolstellung zum Nachteil ihrer Mitbewerber ausnutzen.
Da wäre meine Frage: Ist hier nicht längst ein Tatbestand erfüllt, der geradezu nach dem Kartellamt schreit? Ich erinnere nur an den US-Konzern Walmart, gegen das im Jahr 2000 das Kartellamt mit Erfolg wegen dessen ruinösen Preiskampfes mit Dumpingpreisen vorging und sich infolgedessen das Unternehmen aus dem deutschen Markt zurück zog.
Ist Amazon bereits derart allmächtig, als das da schon im Vorfeld die Kartellbehörde einknickt?
3. Warum versuchen die bestehenden Einzelhändler krampfhaft ihr bestehendes Geschäft zu retten?...
Das sehe ich so eigentlich nicht. Warum sollte ein bestehender Einzelhändler aufgeben, wenn das Geschäft noch läuft und er davon leben kann? Ich sagte es bereits: Häufig sind das Familienbetriebe, die seit mehreren Generationen existieren. So etwas gibt man nicht so leicht auf.
Häufig handelt es sich bei den ums Überleben kämpfenden Unternehmen um alte Firmeninhaber, die einfach nicht mehr Willens und in der Lage sind, sich unternehmerisch umzuorientieren. Nicht seltensind diese über 60 Jahre alt und die Kinder längst außer Haus. Da wird dann der Laden so lange es irgend geht noch nach alter Tradition fortgeführt und wenn nichts mehr geht an eine Fresskette verkauft.
4. Eine andere Möglichkeit gibt es meiner Meinung nicht bzw. wird nicht funktionieren?
Das Internet wieder abschaffen, würde vermutlich auf relativ wenig Gegenliebe stossen?
Unsere Gesellschafft befindet sich in einem steten Wandel. Das ist nichts Neues und ist ein anhaltender Prozess seit Menschengedenken. Nur haben die mit diesem Wandel einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen früher wesentlich länger gedauert und traten nicht im Verlauf einer Lebensperiode spürbar zutage. Dies ist seit Beginn der Industrialisierung anders geworden. Wir sprechen ja auch deshalb von einer schnelllebigen Zeit.
Segen und Fluch liegen nahe beieinander. Eines von beiden (wie z.B. das Internet) ausschalten geht nicht. Wir müssen einfach lernen mit dem Fluch umzugehen. Den „Alten“ fällt das vielleicht schwer. Der jungen Generation aber, die mit dem Fluch aufwächst und diesen vielleicht gar nicht als solchen empfindet wird sich die hier gestellten Fragen vielleicht nie stellen.