FrankP hat geschrieben:(07 Jan 2022, 19:44)
"Wind- und Sonnenstrom" mag sogar heute billiger sein (je nachdem, wie man rechnet) - wenn es aber keinen gibt, wenn er dringend gebraucht wird, ist er nicht billig. Er ist dann vollkommen wertlos.
Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Szenario auftritt wird umso kleiner, je größer das Netz ist (sonst wäre es ja in Frankreich schon jetzt finster und kalt) und je dezentraler die Versorgung aufgebaut ist.
Mehr Anlagen --> weniger Problem, wenn eine (Region) mal nicht liefert.
Größeres Netz --> weniger Problem, wenn eine (Region) mal nicht liefert.
Schon im europäischen Verbundnetz liegt die Wahrscheinlichkeit bei 0,2 Ereignisen pro Jahr, an denen die Erzeugungsleistung über 48h unter 10% der Nennkapazität bleibt.
https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/aktue ... _2018.html
Das heißt: Ein Energiespeichersystem, das nur zwei Tage überbrücken kann würde durchschnittlich nur einmal alle fünf Jahre für jene zwei Tage gebraucht werden.
Noch viel sicherer dürfte es nicht mehr werden. (Und noch sind wir ja von 100% EE-Primärenergie ein ganzes Stück entfernt.)
Atomkraft fällt (siehe Beispiel Frankreich) wesentlich häufiger aus:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 18910.html
Schon jetzt werden wir von den entsprechenden Lobbyisten darauf vorbereitet, dass man die bisherige "bedarfsorientierte" Energieversorgung auf eine "angebotsorientierte" wird umstellen müssen. Schöne Worte, die verbrämen sollen, dass wir absehbar in eine echte Energiekrise laufen.
Oder man sieht es nicht ganz so fatalistisch und merkt, dass es in absehbarer Zeit für die Großverbraucher wirtschaftlich werden könnte Energiedargebotsorientiert zu handeln - also entweder die Produktion so um zu stellen, dass der Verbrauch dem Dargebot folgen kann (z.B. für Gasgeneratoren und Heizwerke sehr wahrscheinlich) oder in Speichertechnologie (z.B. Batterien) zu investieren, um kontinuierlich produzieren zu können und den Netzbezug dennoch am Dargebot aus zu richten. Eine dritte (und mMn. leider sehr wahrscheinliche) Möglichkeit wäre, dass die Netzbetreiber Energiespeicher bauen und diese über den Energiepreis bezahlt werden.
Theoretisch wäre auch Vehicle2Grid eine Option. Wenn man davon Ausgeht, dass der aktuelle PKW-Bestand (ca. 40.000.000 allein in D) in einigen jahren komplett elektrifiziert ist, und diese Fahrzeuge wie bisher ca. 23h/Tag herum stehen wäre es also relativ wahrscheinlich, dass ca. 5% davon jederzeit am Stromnetz angeschlossen sind. Das wären dann etwa 2.000.000PKW. Wenn diese im NOTFALL mit nur 11kW das Netz stützen könnten wäre das eine Notfallreserve von etwa 22.000.000kW bzw. 22GW (das ist mehr als ein Zehntel des aktuell gesamten Kraftwerksparks in D!). Skaliert man das auf ganz Europa und nimmt noch netzgebundene Batteriekraftwerke und schon jetzt vorhandene Notstrom-Diesel in die Rechnung, bleibt ganz ohne jeden P2G-Energiespeicher eine extrem hohe Versorgungssicherheit gewährleistet mit Dingen, die ohnehin da sind bzw. sein werden. Dazu kommen dann noch dynamische Lasten, wie z.B. abschaltbare Ladesäulen und Großverbraucher mit Lastabwurf-Verträgen (wie z.B. Hallenbäder), die ganz problemlos mal einige Stunden ihren Energiebedarf massiv senken können ohne Auswirkung auf den Betrieb, und dafür zusätzlich Geld bekommen.
Eine Möglichkeit, die schon jetzt von einigen Energiefressern genutzt wird ist, in eigene Erzeugungsanlagen zu investieren und so die Belastung des Stromnetzes sowie die eigenen Kosten zu reduzieren.
Wer sollte ein Interesse daran haben in eine ausfallgefährdete und extrem teure Technik wie AKW zu investieren, wenn die Alternativen so viel günstiger sind und gleichzeitig so viel sicherer Strom liefern?
Das hat sogar der ehemalige Atom-Verfechter Lindner inzwischen kapiert:
https://www.welt.de/politik/deutschland ... -mehr.html
Und: aktuell sind die Industriestrompreise in D so niedrig wie kaum woanders auf der Welt (von den übrigen Rahmenbedingungen wie Infrastruktur und politischer Stabilität ganz zu schweigen). Da müssten die Kosten also in diesem Bereich erst noch ordendlich steigen, ehe es für energiefressende Unternehmen WIRKLICH interessant wird den Standort zu verlagern. Momentan halte ich das für "vorbeugendes" Getrommel seitens der Industrie, damit sich an den aktuell unfassbar günstigen Energiepreisen nur ja nichts ändert.