Europa2050 hat geschrieben:(11 Jun 2021, 10:43)
Ich bezweifle aber, dass eine Verschiebung hin von Wahlen zu Abstimmungen demokratischer ist.
Klar ist es demokratischer, wenn Bürgerinnen sich von Fall zu Fall zu einzelnen Sachfragen äussern und immer wieder neu entscheiden können, anstatt aus einer meist recht beschränkten Auswahl von Personen eine als Gesamtpaket wählen zu müssen. Da ist ja mit niemandem in allem übereinstimme und somit immer als Wählerin nachdenken muss, welchen meiner Anliegen ich Priorität gebe und welchen nicht.
Zudem ist sie in Zeiten von Internetprobaganda, Cambridge Anslysis und St. Petersburg auch Risiken ausgesetzt, wie wir ja erleben mussten.
Genau denselben Risiken - und noch zusätzlichen Risiken, wie zB direkter Bestechung, und Ziel von heftigem, geschickt gestalteten Lobbyismus zu sein - sind auch alle Parlamentarier und Berufspolitiker ausgesetzt. Es ist nicht so, dass Parlamentarier und Politikerinnen generell die besseren Menschen sind, private Interessen transzendieren. ganz und gar nicht.
Die Schweiz hat das System seit dem Sonderbundskrieg 1847, die können das. Und sind erfahrungsgemäß generell etwas gelassener als alle ihre Nachbarn.
und du glaubst, die Deutschen seien zu dumm, um es zu lernen?
Wobei natürlich Auswüchse wie das so demokratisch legitimierte Verweigern des Frauenwahlrechts noch 1959 auch nicht unter den Tisch fallen sollte.
Demokratie ist nicht bequem und muss das auch nicht sein. Sie muss auch nicht jedem Läunchen des Zeitgeistes gehorchen.
Wenn dann aber etwas vom Volk angenommen wird, ist es auch gut und breit akzeptiert. Frankreich und USA haben auch seit langem Frauenstimmrecht, aber im Gegensatz zur Schweiz noch nie eine Regierungschefin gehabt...
Volksabstimmungen neigen zu „the winner Takes all“ auf Kosten von Minderheiten. In der Schweiz durch die genannte Konkordanzdemokratie und den Proporz abgefedert. Das fehlt in Deutschland aber…
Dann führt eben auch mehr Konkordanz ein. Wo ein Wille ist, ist ein Weg.
Und ob die Bevölkerung einen Bundeskanzler, der von CDU/CSU/SPD/Grüne/FDP/Linke/AfD im Hinterzimmer ausgemacht wird, und die Bevölkerung nicht gefragt wird, akzeptieren würde, sei auch dahin gestellt.
Wenn es regelmässige verbindliche Volksabstimmungen gibt, und jegliche Amtsinhaber folglich korrigiert werden können, ist es auf einmal viel weniger relevant, wer genau da auf dem Stuhl sitzt.
Aber auch in einer Demokratie ist eine direkte Volkswahl der Bundeskanzelerin denkbar. Warum auch nicht?
Zudem leidet die außenpolitische Verlässlichkeit daran, wenn Verträge nachträglich per Volksabstimmung wieder annulliert werden können,
Die aussenpolitische Verlässlichkeit leidet keineswegs.
Es leiden nur fremde Amtsinhaber gelegentlich darunter, dass hiesige Behörden nicht alles per Federstrich selbst entscheiden können, sondern eben erst durch eine Volksabstimmung von ihrem Chef, dem Volk, den Segen erhalten müssen. tough luck, dann warten sie halt. Drängelei habe ich schon immer gehasst.
ich kenne die Klimmzüge, die Schweizer Politiker oft zwischen Votum von Volksabstimmungen und völkerrechtlichen Verträgen machen müssen (und das betrifft nicht nur, aber wesentlich das Verhältnis zu EU). Auch das wäre für den 27. Kanton ungleich problematischer.
Es hat nie jemand behauptet, Demokratie sei bequem oder komfortabel oder lieblich oder nett. Ganz im Gegenteil, ich würde misstrauisch werden, wenn sie das wäre.