Europa2050 hat geschrieben:(05 Mar 2020, 08:28)
Entschuldige, dass ich da reingrätsche, aber ich finde deine Frage interessanter als das seitenlange Pro und Contra Marktwirtschaft/Kapitalismus.
Der Liberalismus fragt weniger als die anderen Ideologien „Wo bist du?“, sondern „wo willst Du hin?“. Und dann in Folge natürlich „wie kommst Du dahin, wie kann ich deine Motivation stärken und wie kann ich Dir dabei helfen?“
Nach klassischem Kapitalismusverständnis dient als Motivator der schnöde Mammon, auch als Option auf eine gute Zukunft.
Mischt man das ganze noch ein bisschen mit katholischem Weltverständnis á La „gottgefälliges Lebenswerk“ (heute würde man sagen, ein angenehmer, anerkannter Zeitgenosse), dann kommt man dem liberalen Selbstverständnis schon ziemlich nahe.
Natürlich macht sich der Liberale auch (wie auch alle anderen Ideologien) Gedanken, über diejenigen, die in der Gesellschaft nicht zurecht kommen. Er möchte sie aber möglichst wenig alimentieren, sondern daraus befreien, Oberstes Oberziel ist ja das selbstbestimmte Leben.
Und dazu gehört nunmal die Analyse. Zumal gesellschaftliches Scheitern heute nahezu ausschließlich mit Defiziten in der Bildung einhergeht (deren Ursachen vielschichtig sind und nicht immer ausschließlich beim Betroffenen liegen müssen!). Aber diese Erkenntnis muss beim Betroffenen halt erstmal vorliegen, bevor man den beschwerlichen Weg der Lösung gehen kann. Und nicht Gott, die Welt, die Kapitalisten oder Migranten sind für die persönliche Lage verantwortlich.
Der User @realist drückt das m.E. etwas drastisch aus, da sehe ich (total wertneutral gemeint) eine starke Affinität zum Konservativismus, der unterschiedliche Wertigkeiten von Menschen zumindest nicht verneint, aber im Kern hat er recht.
Ich habe auch die Diskussion zum „Vorstellungsgespräch“ mitverfolgt. Ihr redet vom Gleichen und habt doch komplett unterschiedliche Menschen vor eueren geistigen Auge, deshalb werdet ihr auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.
Aber auch das gehört zum liberalen Weltbild - wer nach ein paar Unterstützungsversuchen nicht bereit ist, aus sich etwas zu machen (Kranke und Behinderte natürlich ausgenommen!) der wird dann auch aufgegeben.
Und nochmal in die Bibel: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
Das „wie“ das gemeinhin als Vergleich „genauso wie“ verstanden wird, bekommt beim Liberalen auch die Bedeutung eines „und“:
Fremd- und Selbstliebe als Ergänzung. Selbstverantwortung wird aber auch vom anderen erwartet.
Das ist dann auch der große Unterschied zu sozialistischen Weltbildern.
