Die neuen Schein-Demokraten

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logiCopter
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Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von logiCopter »

Die neuen Schein-Demokraten kommen selbstverständlich mit der Demokratieflagge angewedelt.
Von Wahlen bzw. deren Ergebnissen halten sie in der Regel nicht so viel, sie twittern oder facebooken sich lieber gegenseitig ein paar "Ungeheuerlichkeiten" ihrer Regierung und sobald dann mehr als fünfzig andere eine gleiche oder ähnliche Meinung twittern oder "geliked" haben, halten sie sich für "das Volk".
Ziemlich schnell wird aus diesem zusammengetwitterten "Volk" dann eine Erregungsgemeinschaft, welche gerne einen größeren öffentlichen Platz einer Stadt in Beschlag nimmt und ihre "undemokratische" Regierung anprangert.
"Undemokratisch" bedeutet in diesem Fall meistens, dass die gewählte Regierung eine Entscheidung getroffen hat, die mit der ihrigen nicht übereinstimmt. Das kann der simple Bau eines Provinzbahnhofs sein, oder auch, dass die Regierung ein zweifelhaftes Abkommen nicht unterzeichnen will oder wie in der Türkei einen Park bebauen lassen will.
Nun kommt, neben weiteren Neugierigen, auch die internationale Presse auf den Platz gelaufen und wittert fette Auflagen für ihre Druckerzeugnisse ( die es in diesen Internet-Zeiten ja leider immer schwerer haben).
Oft versucht die gescholtene Regierung daraufhin einzulenken, um eine Eskalation zu verhindern, was ihr dann aber in der Regel als Schuldeingeständnis ausgelegt wird und schnell einen weiteren Beleg darstellt, als undemokratisch und hinterhältig ertappt worden zu sein.
Nun wird es Zeit für unsere Twitter-Demokraten, friedliche Zelte, friedliche Barrikaden und friedliche Transparente auf dem Platz zu errichten und eventuell ein paar friedliche Molotowcocktails vorzubereiten um den Sturz der "undemokratischen" Regierung zu betreiben. Auf dass "die Demokratie" endlich siegen möge.
Spätestens dann wird auch das ursprüngliche Anliegen in der Regel zur Nebensache (also der Bahnhof, das Abkommen oder der Park), spätestens dann geht es ganz offen um das, um was es den Initiatoren dieser Lemmingbewegung von vorne herein ging, nämlich den "Sturz" der Regierung und die eigene Machtergreifung.

Und welche Art "Demokratie" kommt dabei heraus ?
Nun, Beispiele gibt’s ja inzwischen genug, also schaun mer mal.

Beispiel Syrien: Hier muss man sagen, dass ursprünglich eine durchaus legitime Gruppe von Menschen mit ehrlichen Demokratieabsichten auf die Straße ging, um endlich auch für sich und ihr Land demokratische Rechte von der Assad-Diktatur einzufordern. Das war so gerechtfertigt wie verständlich. Leider wurde diesen armen Menschen aber von religiösen Fanatikern und anderen "Kämpfern", die mit Demokratie absolut nichts im Sinn haben, das Heft ruck zuck aus der Hand genommen. Herausgekommen ist ein Krieg jeder gegen jeden, der an Brutalität seinesgleichen sucht und die Menschen, die am Anfang gegen die Assad-Diktatur demonstrierten, haben sich inzwischen fast alle hinter ihrem Diktator versammelt und hoffen inständig, dass er all die Terroristen, die unter der Demokratieflagge eingesickert sind, wieder aus ihrem Land bekommen möge. Der Diktator Assad hätte nun bei Wahlen wohl beste Aussichten auf die absolute Mehrheit in seinem Volk, wären demokratische Wahlen dort inzwischen nicht noch wesentlich utopischer als vorher.


Beispiel Ägypten: Auf dem Tahrir-Platz in Ägypten war eigentlich von vorneherein klar, dass die Schein-Demokraten, die ihn besetzt hatten, keineswegs das ägyptische Volk repräsentierten. Schon lange vor dem Sturz Mubaraks waren dort Schlägereien und Auseinandersetzungen mit den Vielen, die hinter Mubarak standen, an der Tagesordnung, das Militär war voll damit beschäftigt, die beiden Streitparteien auseinander zu halten.
Dass Mubarak doch gestürzt wurde, lag nur daran, dass sich die Platzbesetzer letztendlich mit dem Militär zusammentaten.
Man muss ihnen aber zugestehen, dass sie es da noch ernst meinten mit der Demokratie und faire demokratische Wahlen organisierten.
Allerdings bekamen sie bei den Wahlen dann umgehend die Mehrheitsmeinung des ägyptischen Volkes präsentiert. 70 Prozent für die Islamisten waren eine klare Ansage und ein harter Brocken für die Platzbesetzer und ihr Militär.
Zu hart für Schein-Demokraten, die es dann gerade mal ein Jahr mit der Demokratie bzw. der demokratisch gewählten Regierung aushielten und dann wieder mithilfe des Militärs putschten. Diesmal nicht gegen einen Diktator, sondern gegen eine demokratisch gewählte Regierung.
Inzwischen herrschen in Ägypten statt Demokratie eine Militärdiktatur erster Güte unterstützt von Schein-Demokraten, sowie Bürgerkriegs-ähnliche Zustände.
Vor nichts müssen sich die Schein-Demokraten dort inzwischen mehr fürchten, als vor fairen demokratischen Wahlen. Gäbe es sie nämlich, dann würden sie von einer übergroßen, betrogenen und empörten Mehrheit von Muslimen hinweggefegt auf Nimmerwiedersehen.


Beispiel Thailand: Bei Thailand kann man es kurz machen. Nirgendwo haben die Schein-Demokraten so offen ihre Maske fallen lassen und der Welt ihr totalitäres Gesicht gezeigt.
Um wegen ihrer Proteste den Mehrheitswillen des Volkes zu klären, beraumte die demokratisch gewählte thailändische Ministerpräsidentin Shinawatra Neuwahlen an. Wie das Gesindel der dortigen Schein-Demokraten darauf reagierte, kann man bei Wikipedia so nachlesen:
"Einen Tag vor der Wahl am 2. Februar gab es gewaltsame Zusammenstöße zwischen teilweise bewaffneten Regierungsgegnern, die die Auslieferung der Wahlzettel verhindern wollten, und Anhängern der Regierung, die sich für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl einsetzten, im Bezirk Lak Si. Es kam zu Schusswechseln und Sprengstoffexplosionen. Unter anderem wurde der US-amerikanische Fotojournalist James Nachtwey angeschossen. Am Wahltag störten die Regierungsgegner die Stimmabgabe in 127 der 375 Wahlkreise, in 45 davon konnten gar keine Wahlen stattfinden. In Bangkok mussten 488 der 6673 der Wahllokale geschlossen bleiben."
http://de.wikipedia.org/wiki/Proteste_i ... _2013/2014



Als letztes Beispiel noch die Ukraine: Die klassische scheindemokratische Vorgehensweise: Ein Platz wird besetzt wegen einer angeblichen "Ungeheuerlichkeit" der Regierung. Diesmal war es die Weigerung der Regierung, ein "Assoziierungsabkommen mit der EU" zu unterzeichnen, bei dem selbst westliche Medienberichte bereits kritisiert hatten, dass das Abkommen der Ukraine "Anpassungsleistungen abverlangt, für die das Land kaum gerüstet sei".
Dreimal dürft ihr jetzt raten, wer sich über die Unterzeichnungs-Weigerung ganz besonders geärgert hat.
Das Ukrainische Volk wohl weniger, denn es ist, wie sich langsam immer mehr herausstellt, in der Anpassungs-Richtung gelinde gesagt uneins … besonders - aber nicht nur - auf der Krim.
Die EU (bzw. die paar Politiker, die sich dafür halten) hat sich aber ganz sicher mächtig darüber geärgert. Auch sollte man sich fragen, woher die "Protestbewegung" so schnell teure schusssichere Westen und anderes Kampfgerät auftreiben konnte.
Die EU hier als Brandstifter zu vermuten ist so abwegig nicht und auch nicht besonders weit hergeholt, wähnte man doch seit der orangenen Revolution dort längst seinen Fuß in der Tür.
Das "Assoziierungsabkommen" war natürlich mal wieder schnell vergessen, besonders, als die Regierung diesbezüglich einlenken wollte. Nein, schon bald ging es nur noch um den Sturz der trotzigen Regierung Janukowytsch, weil sie EU und USA bei der "Anpassung" ziemlich hinderlich war. Nach harten Kämpfen und vielen Toten haben EU und USA zusammen mit ein paar Maidan-Hanseln inzwischen längst beschlossen, dass diese Regierung abgesetzt ist. Das Problem ist eigentlich nur noch das ukrainische Volk, das in dieser Frage noch ziemlich uneins ist. Besonders – aber nicht nur - auf der Krim.
Faire demokratische Wahlen könnten für die ukrainischen Scheindemokraten ziemlich übel ausgehen. Deren politische Seriosität wird auch besonders durch einen ihrer politischen Popularitätsträger deutlich, dessen politischer Sachverstand im Wesentlichen darauf beruht, jahrelang Gegnern besonders erfolgreich auf den Kopp gehauen zu haben.

Es gibt natürlich noch einige Beispiele mehr, welche Arten von "Demokratie" durch die Protestbewegungen unserer Scheindemokraten bisher herauskamen.
Aber jetzt ist der Eingangsbeitrag erst mal lang genug, denke ich.


PS: Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Thread überhaupt schreiben soll. Schließlich sind das Demonstrationsrecht, die freie Meinungsäußerung, die öffentliche Kritik an Missständen unverzichtbare Grundpfeiler der Demokratie und es fällt mir schwer, jene zu diskreditieren, die sie benützen. Aber wir müssen im Zeitalter von Twitter und Facebook wohl lernen, Scheindemokraten von richtigen Demokraten zu unterscheiden.
Wir sollten uns in unserem eigenen Friedens-Interesse Gedanken darüber machen, woran man sie unterscheiden kann.
Ich hätte da schon einen Vorschlag und komme vielleicht noch darauf zurück.
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relativ
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von relativ »

logiCopter » Mi 5. Mär 2014, 11:24 hat geschrieben:Die neuen Schein-Demokraten kommen selbstverständlich mit der Demokratieflagge angewedelt.
Von Wahlen bzw. deren Ergebnissen halten sie in der Regel nicht so viel, sie twittern oder facebooken sich lieber gegenseitig ein paar "Ungeheuerlichkeiten" ihrer Regierung und sobald dann mehr als fünfzig andere eine gleiche oder ähnliche Meinung twittern oder "geliked" haben, halten sie sich für "das Volk".
Ziemlich schnell wird aus diesem zusammengetwitterten "Volk" dann eine Erregungsgemeinschaft, welche gerne einen größeren öffentlichen Platz einer Stadt in Beschlag nimmt und ihre "undemokratische" Regierung anprangert.
"Undemokratisch" bedeutet in diesem Fall meistens, dass die gewählte Regierung eine Entscheidung getroffen hat, die mit der ihrigen nicht übereinstimmt. Das kann der simple Bau eines Provinzbahnhofs sein, oder auch, dass die Regierung ein zweifelhaftes Abkommen nicht unterzeichnen will oder wie in der Türkei einen Park bebauen lassen will.
Nun kommt, neben weiteren Neugierigen, auch die internationale Presse auf den Platz gelaufen und wittert fette Auflagen für ihre Druckerzeugnisse ( die es in diesen Internet-Zeiten ja leider immer schwerer haben).
Oft versucht die gescholtene Regierung daraufhin einzulenken, um eine Eskalation zu verhindern, was ihr dann aber in der Regel als Schuldeingeständnis ausgelegt wird und schnell einen weiteren Beleg darstellt, als undemokratisch und hinterhältig ertappt worden zu sein.
Nun wird es Zeit für unsere Twitter-Demokraten, friedliche Zelte, friedliche Barrikaden und friedliche Transparente auf dem Platz zu errichten und eventuell ein paar friedliche Molotowcocktails vorzubereiten um den Sturz der "undemokratischen" Regierung zu betreiben. Auf dass "die Demokratie" endlich siegen möge.
Spätestens dann wird auch das ursprüngliche Anliegen in der Regel zur Nebensache (also der Bahnhof, das Abkommen oder der Park), spätestens dann geht es ganz offen um das, um was es den Initiatoren dieser Lemmingbewegung von vorne herein ging, nämlich den "Sturz" der Regierung und die eigene Machtergreifung.

Und welche Art "Demokratie" kommt dabei heraus ?
Nun, Beispiele gibt’s ja inzwischen genug, also schaun mer mal.

Beispiel Syrien: Hier muss man sagen, dass ursprünglich eine durchaus legitime Gruppe von Menschen mit ehrlichen Demokratieabsichten auf die Straße ging, um endlich auch für sich und ihr Land demokratische Rechte von der Assad-Diktatur einzufordern. Das war so gerechtfertigt wie verständlich. Leider wurde diesen armen Menschen aber von religiösen Fanatikern und anderen "Kämpfern", die mit Demokratie absolut nichts im Sinn haben, das Heft ruck zuck aus der Hand genommen. Herausgekommen ist ein Krieg jeder gegen jeden, der an Brutalität seinesgleichen sucht und die Menschen, die am Anfang gegen die Assad-Diktatur demonstrierten, haben sich inzwischen fast alle hinter ihrem Diktator versammelt und hoffen inständig, dass er all die Terroristen, die unter der Demokratieflagge eingesickert sind, wieder aus ihrem Land bekommen möge. Der Diktator Assad hätte nun bei Wahlen wohl beste Aussichten auf die absolute Mehrheit in seinem Volk, wären demokratische Wahlen dort inzwischen nicht noch wesentlich utopischer als vorher.


Beispiel Ägypten: Auf dem Tahrir-Platz in Ägypten war eigentlich von vorneherein klar, dass die Schein-Demokraten, die ihn besetzt hatten, keineswegs das ägyptische Volk repräsentierten. Schon lange vor dem Sturz Mubaraks waren dort Schlägereien und Auseinandersetzungen mit den Vielen, die hinter Mubarak standen, an der Tagesordnung, das Militär war voll damit beschäftigt, die beiden Streitparteien auseinander zu halten.
Dass Mubarak doch gestürzt wurde, lag nur daran, dass sich die Platzbesetzer letztendlich mit dem Militär zusammentaten.
Man muss ihnen aber zugestehen, dass sie es da noch ernst meinten mit der Demokratie und faire demokratische Wahlen organisierten.
Allerdings bekamen sie bei den Wahlen dann umgehend die Mehrheitsmeinung des ägyptischen Volkes präsentiert. 70 Prozent für die Islamisten waren eine klare Ansage und ein harter Brocken für die Platzbesetzer und ihr Militär.
Zu hart für Schein-Demokraten, die es dann gerade mal ein Jahr mit der Demokratie bzw. der demokratisch gewählten Regierung aushielten und dann wieder mithilfe des Militärs putschten. Diesmal nicht gegen einen Diktator, sondern gegen eine demokratisch gewählte Regierung.
Inzwischen herrschen in Ägypten statt Demokratie eine Militärdiktatur erster Güte unterstützt von Schein-Demokraten, sowie Bürgerkriegs-ähnliche Zustände.
Vor nichts müssen sich die Schein-Demokraten dort inzwischen mehr fürchten, als vor fairen demokratischen Wahlen. Gäbe es sie nämlich, dann würden sie von einer übergroßen, betrogenen und empörten Mehrheit von Muslimen hinweggefegt auf Nimmerwiedersehen.


Beispiel Thailand: Bei Thailand kann man es kurz machen. Nirgendwo haben die Schein-Demokraten so offen ihre Maske fallen lassen und der Welt ihr totalitäres Gesicht gezeigt.
Um wegen ihrer Proteste den Mehrheitswillen des Volkes zu klären, beraumte die demokratisch gewählte thailändische Ministerpräsidentin Shinawatra Neuwahlen an. Wie das Gesindel der dortigen Schein-Demokraten darauf reagierte, kann man bei Wikipedia so nachlesen:
"Einen Tag vor der Wahl am 2. Februar gab es gewaltsame Zusammenstöße zwischen teilweise bewaffneten Regierungsgegnern, die die Auslieferung der Wahlzettel verhindern wollten, und Anhängern der Regierung, die sich für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl einsetzten, im Bezirk Lak Si. Es kam zu Schusswechseln und Sprengstoffexplosionen. Unter anderem wurde der US-amerikanische Fotojournalist James Nachtwey angeschossen. Am Wahltag störten die Regierungsgegner die Stimmabgabe in 127 der 375 Wahlkreise, in 45 davon konnten gar keine Wahlen stattfinden. In Bangkok mussten 488 der 6673 der Wahllokale geschlossen bleiben."
http://de.wikipedia.org/wiki/Proteste_i ... _2013/2014



Als letztes Beispiel noch die Ukraine: Die klassische scheindemokratische Vorgehensweise: Ein Platz wird besetzt wegen einer angeblichen "Ungeheuerlichkeit" der Regierung. Diesmal war es die Weigerung der Regierung, ein "Assoziierungsabkommen mit der EU" zu unterzeichnen, bei dem selbst westliche Medienberichte bereits kritisiert hatten, dass das Abkommen der Ukraine "Anpassungsleistungen abverlangt, für die das Land kaum gerüstet sei".
Dreimal dürft ihr jetzt raten, wer sich über die Unterzeichnungs-Weigerung ganz besonders geärgert hat.
Das Ukrainische Volk wohl weniger, denn es ist, wie sich langsam immer mehr herausstellt, in der Anpassungs-Richtung gelinde gesagt uneins … besonders - aber nicht nur - auf der Krim.
Die EU (bzw. die paar Politiker, die sich dafür halten) hat sich aber ganz sicher mächtig darüber geärgert. Auch sollte man sich fragen, woher die "Protestbewegung" so schnell teure schusssichere Westen und anderes Kampfgerät auftreiben konnte.
Die EU hier als Brandstifter zu vermuten ist so abwegig nicht und auch nicht besonders weit hergeholt, wähnte man doch seit der orangenen Revolution dort längst seinen Fuß in der Tür.
Das "Assoziierungsabkommen" war natürlich mal wieder schnell vergessen, besonders, als die Regierung diesbezüglich einlenken wollte. Nein, schon bald ging es nur noch um den Sturz der trotzigen Regierung Janukowytsch, weil sie EU und USA bei der "Anpassung" ziemlich hinderlich war. Nach harten Kämpfen und vielen Toten haben EU und USA zusammen mit ein paar Maidan-Hanseln inzwischen längst beschlossen, dass diese Regierung abgesetzt ist. Das Problem ist eigentlich nur noch das ukrainische Volk, das in dieser Frage noch ziemlich uneins ist. Besonders – aber nicht nur - auf der Krim.
Faire demokratische Wahlen könnten für die ukrainischen Scheindemokraten ziemlich übel ausgehen. Deren politische Seriosität wird auch besonders durch einen ihrer politischen Popularitätsträger deutlich, dessen politischer Sachverstand im Wesentlichen darauf beruht, jahrelang Gegnern besonders erfolgreich auf den Kopp gehauen zu haben.

Es gibt natürlich noch einige Beispiele mehr, welche Arten von "Demokratie" durch die Protestbewegungen unserer Scheindemokraten bisher herauskamen.
Aber jetzt ist der Eingangsbeitrag erst mal lang genug, denke ich.


PS: Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Thread überhaupt schreiben soll. Schließlich sind das Demonstrationsrecht, die freie Meinungsäußerung, die öffentliche Kritik an Missständen unverzichtbare Grundpfeiler der Demokratie und es fällt mir schwer, jene zu diskreditieren, die sie benützen. Aber wir müssen im Zeitalter von Twitter und Facebook wohl lernen, Scheindemokraten von richtigen Demokraten zu unterscheiden.
Wir sollten uns in unserem eigenen Friedens-Interesse Gedanken darüber machen, woran man sie unterscheiden kann.
Ich hätte da schon einen Vorschlag und komme vielleicht noch darauf zurück.
Naja ich sehe schon worauf dieser thread hinausläuft, aber nur mal kurz.
Nicht jeder Mensch, oder Gruppe die demonstriert muss ein lupenreiner Demokrat sein, dies sieht die Demokratie auch gar nicht expliziet so vor, sondern erlaubt auch angeblichen "Nicht -Demokraten" ihre Meinung frei kundzutun, wenn sie denn ohne Gewalt auskommt.
Das ihre sogenannten "lupenreinen Demokraten" die Volksmeinung hinter sich zu wissen meinen, dürfte ja auch für sie nix neues sein, wo selbst in so einen kleinen Forum wie diesem , es etliche user gibt, die glauben sie hätten die Volksmeinung auf ihrer Seite. :cool:
Deweiteren lassen sie , ohne das ich jetzt näher darauf eingehen möchte, mögliche Argumente und Fakten im Bezug auf einige ihre Beispiele einfach mal unter den Tisch fallen.

Aber woran erkenne ich denn jetzt einen möglichen Scheindemokraten der, welche (ja welche denn?) Demokratie gar nicht möchte?
Zuletzt geändert von relativ am Mi 5. Mär 2014, 13:04, insgesamt 2-mal geändert.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Ach Gott
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von Ach Gott »

Gerade in den exponierten Staaten spielt allerlei Ausland mit verschiedenen Interessen mit rein, sobald sich irgendeine Opposition regt. Syrien ist ein gutes Beispiel. Der Assadclan ist sicher nicht das, was man sich unter einer demokratischen Herrschaft vorstellt. Die ursprüngliche Opposition hatte mit den späteren waffenschwingenden Revoluzzern und den islamistischen Mördertrupps wenig gemein.

Welche Lehre kann man daraus ziehen? Schwer zu sagen. Auch den russischen liberal-demokratischen Parteien der Jelzinzeit ist die allzu große Nähe zu ausländischen Politikvorstellungen und Stiftungen nicht gut bekommen. Gewonnen hat das Eigengewächs Putin und neben ihm existieren noch die betont patriotischen, jeglichem Auslandskontakt unverdächtigen Parteien: Die "Kommunistische Partei" und die Ultranationalisten.
Gute Menschen sind keine Gutmenschen. Wer gutes tut, hat keine Zeigefinger frei.
Diese Benutzer lese oder beantworte ich nur sporadisch: Alexyessin Bakelit Darklightbringer IndianRunner Joker Marmelada Parchuchel Postix pikant dampflok99 hardliner capejazz tantis und der Stalker in blau.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von wintermute »

Gerade diese ideologische Verbohrtheit ist es doch, die Unruhen zu Revolten eskalieren lässt. Demokratie ist kein Selbstzweck. Gilt für dich genauso wie für die Interessengruppen, denen du Legitimität und Mitspracherecht verweigern willst.

Deine Einstellung erinnert mich an die Paradedemokraten in der Deutschen Demokratischen Republik. Denen war diese Unterscheidung auch eminent wichtig. Und auch ihnen war Volkswille immer gerade das, was ihr Regime an Interessen vertrat. Sonst nichts.
Zuletzt geändert von wintermute am Sa 8. Mär 2014, 08:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von ToughDaddy »

relativ » Mi 5. Mär 2014, 11:39 hat geschrieben: Aber woran erkenne ich denn jetzt einen möglichen Scheindemokraten der, welche (ja welche denn?) Demokratie gar nicht möchte?
Das ist relativ einfach. Sind Nazis Demokraten? Sind Islamisten und Terroristen an Demokratie und Menschenrechte interessiert? usw. usf.


@logicopter

Im großen und ganzen kann ich Dir nur zustimmen. Was schon für eine Magenverstimmung sorgt.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von logiCopter »

wintermute » Sa 8. Mär 2014, 09:54 hat geschrieben:
Gerade diese ideologische Verbohrtheit ist es doch, die Unruhen zu Revolten eskalieren lässt. Demokratie ist kein Selbstzweck. Gilt für dich genauso wie für die Interessengruppen, denen du Legitimität und Mitspracherecht verweigern willst.

Deine Einstellung erinnert mich an die Paradedemokraten in der Deutschen Demokratischen Republik. Denen war diese Unterscheidung auch eminent wichtig. Und auch ihnen war Volkswille immer gerade das, was ihr Regime an Interessen vertrat. Sonst nichts.
Da hast du mich ziemlich falsch verstanden.
Die Deutsche "Demokratische" Republik (DDR) machte ihre Demokratie von der "richtigen" ideologischen Ausrichtung abhängig ... und war deshalb keine.
Denn Demokratie ist keine Ideologie. Das kann sie gar nicht sein, denn schließlich muss ja jedwede Ideologie demokratisch wählbar sein. Das schließt eine "richtige Ideologie" als Bedingung für Demokratie logischerweise aus.
Demokratie stellt nur sicher, dass eine (auf Zeit) gewählte Regierung dem Mehrheitswillen des Volkes entspricht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ich kritisiere nicht die ideologischen Ausrichtungen der neuen Scheindemokraten, sondern ihre Vorgehensweise und das, was dabei zwangsläufig herauskommt.
Und damit meine ich auch keineswegs, dass ihre Demos oder Protestkundgebungen auf Straßen oder Plätzen undemokratisch wären. Die stellen ein unverzichtbares demokratisches Grundrecht (freie Meinungsäußerung) dar.
Vielleicht wird es etwas transparenter, wenn ich meinen angekündigten Vorschlag, wie man Demokraten von Scheindemokraten vielleicht am besten unterscheiden kann, gleich in einem weiteren Beitrag zur Diskussion stelle.
Moment noch.
***
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von logiCopter »

Mein Vorschlag, wie Demokraten von Scheindemokraten zu unterscheiden wären, kommt auch im Eingangsbeitrag immer wieder durch.
Ich fange mal mit einer simplen Überlegung an:
Wozu ist die demokratische Grundbedingung Meinungsfreiheit (freie Meinung / Pressefreiheit / Demonstrationsrecht / Reisefreiheit usw.) eigentlich da ?
Ist sie da, um eine Regierung zu stürzen ?
Oder ist sie da, um Regierungen zu veranlassen, Entscheidungen zu überdenken ?
Oder ist sie da, um das Wissen im Volk auszubilden, damit es bei der nächsten Wahl Kriterien für seine Wiederwahl- oder Abwahl-Entscheidung der Regierung hat ?
Ich denke, hier können nur die beiden letzteren Punkte in Frage kommen.

Bei demokratischen Protesten fällt eines auf: Sie entstehen fast immer wegen einer momentanen Regierungsentscheidung, die vielen (berechtigt oder nicht) missfällt: Eine Regierung will ein EU-Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnen oder hat z.B. ein Gesetz gegen Homosexuelle (Russland) oder für Homosexuelle (Frankreich) erlassen, was gleichermaßen Proteste ausgelöst hat.
Auf solche Dinge laut aufmerksam zu machen ist ja durchaus richtig, es kann ja nicht schaden, wenn der Wähler bei der nächsten Wahl weiß, warum er wo sein Kreuz hin macht oder nicht mehr hin macht.

Bei Scheindemokraten entpuppt sich dieses ursprüngliche Anliegen aber schnell als Vorwand. Das wirkliche Anliegen, nämlich die Regierung zu stürzen (und das möglichst schnell so lange die Gemüter noch erhitzt sind) wird sichtbar.
Besonders deutlich wurde dies mal wieder in der Ukraine: Das eigentliche Anliegen (Assoziierungsabkommen) war schnell vergessen, es ging schnell nur noch darum "Janukowitsch muss weg" und als der sich dann sogar zu Neuwahlen bereit erklärte, ging die Gewalt erst richtig los und Julia Timoschenko wurde aus dem Gefängnis geholt um zu verkünden, dass man mit Janukowitsch "nie mehr" verhandeln dürfe sondern er "umgehend" abzusetzen sei.
Deutlicher noch in Thailand, als es die Ministerpräsidentin sogar schaffte, Neuwahlen anzuberaumen, und wie die Wahl dann verlief kann man im Eingangsbeitrag nachlesen.
Ist es ein Wunder, dass diese Scheindemokraten dann immer schnell in großer Angst vor dem demokratischen Mehrheitswillen des Volkes enden ? (Ägypten, Syrien, Thailand, in der Ukraine geht's gerade los mit dem Streit um "illegale" Volksbefragungen)

Also kurz und einfach: Demonstrierenden Demokraten geht es bis zum Schluss um ihr Anliegen, entweder sie bringen die Regierung zum Einlenken damit oder sie sorgen zumindest für eine große, diesbezügliche Aufklärung/Diskussion im Wähler-Volk.
Scheindemokraten vergessen schnell ihr ursprüngliches Anliegen, ihre Proteste haben schon nach kurzer Zeit nur noch den Sturz einer Regierung zum Ziel.

So sind sie doch eigentlich recht einfach auseinanderzuhalten, die Demokraten und Scheindemokraten.
Was meint ihr ?
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von MG-42 »

Es ist lustig das der Strangersteller in Aegypten und Thailand jeweils die Leute unterstützt die offen für eine Abschaffung der Demokratie werben unter dem Deckmantel der Stabilität.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von paradoxx »

logiCopter » Sa 8. Mär 2014, 15:58 hat geschrieben:Bei demokratischen Protesten fällt eines auf: Sie entstehen fast immer wegen einer momentanen Regierungsentscheidung, die vielen (berechtigt oder nicht) missfällt: Eine Regierung will ein EU-Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnen oder hat z.B. ein Gesetz gegen Homosexuelle (Russland) oder für Homosexuelle (Frankreich) erlassen, was gleichermaßen Proteste ausgelöst hat.

Auf solche Dinge laut aufmerksam zu machen ist ja durchaus richtig, es kann ja nicht schaden, wenn der Wähler bei der nächsten Wahl weiß, warum er wo sein Kreuz hin macht oder nicht mehr hin macht.
Eurokratur mit einem Scheinparlament als Feigenblatt?

Man muss nicht unterstellen, dass deren Protagonisten etwa aus lauter Freude
  • an der der flächendeckenden Massenvergiftung durch Quecksilber
  • oder aus staatstragender Wichtigkeit exakter Gurkenkrümmung
  • oder der Staubsaugerleistung
  • o.ä.
handeln. Es sind fraglos Esatzhandlungen, und das nicht zur eigenen Beschäftigung, das auch aber nicht so sehr wie es scheint. Aber was ist es dann? Regulierungen & Gesetze sind nun mal der Bahşişhoheit unterworfen, was denn sonst?

... und es mindert das Bahşişaufkommen, wenn man sich für eine parlamentarische Regulierung der Regulierung stark machte im Sinne von gebremstem Schaum, und wer soll das tun?

... und warum die Verfassungsrichter die Sperrklausel nicht so wichtig nehmen, wenn das die Willensbildung nicht einmal marginal tangiert ...

... und Parteien sind hier kaum glaubwürdig. px
Willensbildung ist demokratisch-repräsentativ oder totalitär, eins schließt das andere aus (s. Art. 137 GG)
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von logiCopter »

MG-42 » Sa 8. Mär 2014, 17:30 hat geschrieben:Es ist lustig das der Strangersteller in Aegypten und Thailand jeweils die Leute unterstützt die offen für eine Abschaffung der Demokratie werben unter dem Deckmantel der Stabilität.
Oh je .... :rolleyes:
... da hat ja mal wieder einer gar nix verstanden.

Erstens ist es in Thailand die Protestbewegung, die offen für eine Abschaffung der Demokratie wirbt:

Opposition will "Volksrat" einsetzen ... Zu dem "finalen Showdown" hatte Protestführer Suthep Thaugsuban aufgerufen. Zunächst war unklar, ob die Ankündigung von Neuwahlen die Demonstranten beschwichtigen würde. Die Protestler fordern die Einsetzung eines nicht gewählten "Volksrats", der die Regierungsgeschäfte übernehmen und einen neuen Ministerpräsidenten bestimmen soll.
http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Polit ... etzen.html

und zweitens müsstest du bei Ägypten erst mal belegen, wo die Regierung Mursi offen für die Abschaffung der Demokratie geworben haben soll.
"Lustige" Einbildungen von einem, der nicht mal einfache Zusammenhänge versteht, reichen nicht.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von Gregorius I »

logiCopter » Sa 8. Mär 2014, 16:58 hat geschrieben:Mein Vorschlag, wie Demokraten von Scheindemokraten zu unterscheiden wären, kommt auch im Eingangsbeitrag immer wieder durch.
Ich fange mal mit einer simplen Überlegung an:
Wozu ist die demokratische Grundbedingung Meinungsfreiheit (freie Meinung / Pressefreiheit / Demonstrationsrecht / Reisefreiheit usw.) eigentlich da ?
Ist sie da, um eine Regierung zu stürzen ?
Oder ist sie da, um Regierungen zu veranlassen, Entscheidungen zu überdenken ?
Oder ist sie da, um das Wissen im Volk auszubilden, damit es bei der nächsten Wahl Kriterien für seine Wiederwahl- oder Abwahl-Entscheidung der Regierung hat ?
Ich denke, hier können nur die beiden letzteren Punkte in Frage kommen.

Über das Wesen einer Opposition - sei sie parlamentarisch oder außerparlamentarisch - hat sich ein kluger Mann geäußert: "Opposition ist Bestandteil des Staatslebens, nicht eine zweitrangige Hilfestellung für die Regierung. Die Opposition ist Begrenzung der Regierungsmacht und die Verhütung der Totalherrschaft. Das Wesen der Opposition ist der Versuch, an konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen." (Quelle: Kurt Schumacher, Bundestagsrede vom 21.09.1949) Was Schumacher als selbstverständlich vorraussetzt, aber nicht näher ausführt, ist das Recht der Opposition, die Regierung abzulösen, und zwar nicht nur nach Neuwahlen! Das sieht die Demokratie - und unsere Verfassung, das Grundgesetz - vor. Grundsätzlich hat also auch eine außerparlamentarische Opposition nicht nur das Recht, mit "konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen", sondern in bestimmten Situationen sogar die Ablösung der Regierung zu fordern, ohne gleich als undemokratisch gelten zu müssen. Kurz: alle drei (!) Punkte kommen in Frage und sind grundsätzlich demokratisch.

Bei demokratischen Protesten fällt eines auf: Sie entstehen fast immer wegen einer momentanen Regierungsentscheidung, die vielen (berechtigt oder nicht) missfällt: (...)

Das scheint nicht unrichtig beobachtet zu sein und liegt wohl daran, dass ein großer Teil des Volkes nicht in der Lage oder interessiert daran ist, langfristige Entwicklungen zu übersehen und zu durchdenken. Wahlentscheidungen beruhen meist auf nicht sehr lange zurückliegenden politischen Entscheidungen oder Ereignissen; weniger Menschen bedenken die gesamte Legislaturperiode - oder gar noch länger zurückliegende Zeitabschnitte.

Bei Scheindemokraten entpuppt sich dieses ursprüngliche Anliegen aber schnell als Vorwand. Das wirkliche Anliegen, nämlich die Regierung zu stürzen (und das möglichst schnell so lange die Gemüter noch erhitzt sind) wird sichtbar.

Das kommt gewiss vor. Aber eine Regel sollte man daraus nicht ableiten. Wie ich oben ausgeführt habe, kann die Forderung nach Sturz der Regierung unter Umständen durchaus auch berechtigt sein.

Besonders deutlich wurde dies mal wieder in der Ukraine: Das eigentliche Anliegen (Assoziierungsabkommen) war schnell vergessen, es ging schnell nur noch darum "Janukowitsch muss weg" und als der sich dann sogar zu Neuwahlen bereit erklärte, ging die Gewalt erst richtig los und Julia Timoschenko wurde aus dem Gefängnis geholt um zu verkünden, dass man mit Janukowitsch "nie mehr" verhandeln dürfe sondern er "umgehend" abzusetzen sei.
Deutlicher noch in Thailand, als es die Ministerpräsidentin sogar schaffte, Neuwahlen anzuberaumen, und wie die Wahl dann verlief kann man im Eingangsbeitrag nachlesen.
Ist es ein Wunder, dass diese Scheindemokraten dann immer schnell in großer Angst vor dem demokratischen Mehrheitswillen des Volkes enden ? (Ägypten, Syrien, Thailand, in der Ukraine geht's gerade los mit dem Streit um "illegale" Volksbefragungen)

Über diese Themen wird bereits in anderen Strängen diskutiert. Sie sind so unterschiedlich und in ihren jeweiligen Hintergründen so kompliziert, dass sie meines Erachtens wenig taugen, die hier vorgetragene These zu unterstützen oder zu widerlegen.

Also kurz und einfach: Demonstrierenden Demokraten geht es bis zum Schluss um ihr Anliegen, entweder sie bringen die Regierung zum Einlenken damit oder sie sorgen zumindest für eine große, diesbezügliche Aufklärung/Diskussion im Wähler-Volk.
Scheindemokraten vergessen schnell ihr ursprüngliches Anliegen, ihre Proteste haben schon nach kurzer Zeit nur noch den Sturz einer Regierung zum Ziel.

So sind sie doch eigentlich recht einfach auseinanderzuhalten, die Demokraten und Scheindemokraten.
Was meint ihr ?

Diese These halte ich für nicht belegt! Um es noch einmal zu schreiben: auch Demokraten sind in der Lage und berechtigt, unter gewissen Umständen für den Sturz einer Regierung zu demonstrieren. In unserer Verfassung, dem Grundgesetz, gibt es sogar ein Recht des Volkes, einer desavouierten Regierung unter Umständen mit der berechtigten Forderung auf Abtritt entgegenzutreten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine gefestigte, erfahrene Demokratie. Viele Staaten in Europa und der ganzen Welt sind es (noch) nicht. Verhaltensweisen und innere Entwicklungen, die in Deutschland geradezu ausgeschlossen erscheinen, sind in diesen Ländern möglich, ohne dass man die Menschen, die sich einzelnen politischen Entscheidungen, aber auch politischen Richtungsentscheidungen entgegenstellen, weil sie sie für vollkommen falsch und für die Zukunft ihres Landes als schädlich betrachten, gleich als "Scheindemokraten" abqualifizieren sollte!
Errare humanum est, perseverare diabolicum.

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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von logiCopter »

Gregorius I » So 9. Mär 2014, 23:09 hat geschrieben: Über das Wesen einer Opposition - sei sie parlamentarisch oder außerparlamentarisch - hat sich ein kluger Mann geäußert: "Opposition ist Bestandteil des Staatslebens, nicht eine zweitrangige Hilfestellung für die Regierung. Die Opposition ist Begrenzung der Regierungsmacht und die Verhütung der Totalherrschaft. Das Wesen der Opposition ist der Versuch, an konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen." (Quelle: Kurt Schumacher, Bundestagsrede vom 21.09.1949)
Ich denke, wer Schumachers Äußerung vom "Wesen der Opposition, an konkreten Vorschlägen der Regierung den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen" mit einem angeblichen Recht verwechselt, die Regierung stürzen zu dürfen, der hat Schumacher schlicht nicht verstanden.
Schumachers "Konkrete Vorschläge"-Äußerung als Berechtigung zum Sturz einer Regierung umzudeuten ist totalitärer Unfug.
Schumacher spricht genau über das, was ich geschrieben habe:
Demokraten haben "konkrete Vorschläge" (bzw. ein Anliegen) und demonstrieren oder protestieren dafür. Ob diese Vorschläge einer Regierung den Gestaltungswillen der Opposition aufzwingen können, wird dann wohl von der Plausibilität der Vorschläge abhängen.
Scheindemokraten hingegen geht es gar nicht um die Vorschläge oder das Anliegen. Sie benützen das nur als Vorwand, um damit ihre machtpolitischen Ziele zu kaschieren.
Ihnen geht es um den Sturz einer Regierung und ihre eigene Machtergreifung.


Was Schumacher als selbstverständlich vorraussetzt, aber nicht näher ausführt, ist das Recht der Opposition, die Regierung abzulösen, und zwar nicht nur nach Neuwahlen!
So so, "was Schumacher als selbstverständlich vorraussetzt, aber nicht näher ausführt ..." ;)
Woher wissen Sie, was Schumacher als selbstverständlich voraussetzt ? Haben Sie mit ihm Kaffee getrunken ?
Machen Sie sich lieber Gedanken darüber, warum ein Kurt Schumacher so was Entscheidendes wie den Sturz einer Regierung zwar gemeint, aber "nicht näher ausgeführt" haben sollte. :rolleyes:
Niemand sagt, dass die Opposition eine Regierung nicht vor der Zeit ablösen kann. Dafür gibt es Instrumente wie das konstruktive Misstrauensvotum oder die Vertrauensfrage. (Am besten ist natürlich die Variante, dass die Opposition bei den nächsten Wahlen die Mehrheit erringt.)

Vom Recht gewaltbereiter Demonstranten, Regierungsgebäude zu stürmen und das Parlament zwingen, den Präsidenten abzusetzen (wie in der Ukraine), ist mit Sicherheit weder im Grundgesetz noch bei Schumacher die Rede.
http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine782.html
http://www.t-online.de/nachrichten/spec ... raten.html




Das sieht die Demokratie - und unsere Verfassung, das Grundgesetz - vor. Grundsätzlich hat also auch eine außerparlamentarische Opposition nicht nur das Recht, mit "konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen", sondern in bestimmten Situationen sogar die Ablösung der Regierung zu fordern, ohne gleich als undemokratisch gelten zu müssen.
Natürlich hat die Opposition das Recht, "die Ablösung der Regierung zu fordern".
Vom Wähler fordert eine Opposition das normalerweise doch die ganze Zeit. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Vom Recht, eine demokratische Regierung gewaltsam zu stürzen, ist aber nirgends die Rede.


Das scheint nicht unrichtig beobachtet zu sein und liegt wohl daran, dass ein großer Teil des Volkes nicht in der Lage oder interessiert daran ist, langfristige Entwicklungen zu übersehen und zu durchdenken. Wahlentscheidungen beruhen meist auf nicht sehr lange zurückliegenden politischen Entscheidungen oder Ereignissen; weniger Menschen bedenken die gesamte Legislaturperiode - oder gar noch länger zurückliegende Zeitabschnitte.
Was wollen Sie uns damit sagen ?
Etwa: Der Wähler sei leider ein bisschen zu dumm, um für die gesamte Legislaturperiode wählen zu können ?
Na dann schönen guten Tag, Herr Honecker ... immer muss der dumme Wähler korrigiert werden, Sie haben's wirklich schwer ... :)



Gregorius I » So 9. Mär 2014, 23:09 hat geschrieben: Das kommt gewiss vor.
Ja, es kommt in allen meinen Beispielen vor.





Gregorius I » So 9. Mär 2014, 23:09 hat geschrieben: Über diese Themen wird bereits in anderen Strängen diskutiert. Sie sind so unterschiedlich und in ihren jeweiligen Hintergründen so kompliziert, dass sie meines Erachtens wenig taugen, die hier vorgetragene These zu unterstützen oder zu widerlegen.
Also wenn sie "wenig dazu taugen, die hier vorgetragene These zu unterstützen oder zu widerlegen", warum erwähnen Sie sie dann überhaupt ?
Falls Sie etwas finden, das zum unterstützen oder widerlegen taugt, können Sie es ja hier einstellen ... dann kann man sich damit befassen.



Gregorius I » So 9. Mär 2014, 23:09 hat geschrieben: Diese These halte ich für nicht belegt!
Thesen sind nie belegt. Deshalb nennt man sie ja Thesen.
Zu Ihrer Info: Eine These ist eine Ausgangsbehauptung, deren Sachverhalt untersucht werden soll.



Verhaltensweisen und innere Entwicklungen, die in Deutschland geradezu ausgeschlossen erscheinen, sind in diesen Ländern möglich, ohne dass man die Menschen, die sich einzelnen politischen Entscheidungen, aber auch politischen Richtungsentscheidungen entgegenstellen, weil sie sie für vollkommen falsch und für die Zukunft ihres Landes als schädlich betrachten, gleich als "Scheindemokraten" abqualifizieren sollte!
Stellen Sie sich bitte nicht dumm.
Meine These sagt doch genau das, was Sie schreiben: "Menschen, die sich einzelnen politischen Entscheidungen, aber auch politischen Richtungsentscheidungen entgegenstellen, weil sie sie für vollkommen falsch und für die Zukunft ihres Landes als schädlich betrachten", das sind doch meiner These zufolge die Demokraten.
Aber jene, denen es um diese "einzelnen politischen Entscheidungen" gar nicht geht, denen sie nur als Vorwand für den gewaltsamen Sturz der Regierung und die eigene Machtergreifung dienen, das sind die Scheindemokraten.
Was ist daran denn so schwer ? :rolleyes:
Zuletzt geändert von logiCopter am Mo 10. Mär 2014, 13:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von schokoschendrezki »

China ist ganz gewiss keine lupenreine Demokratie, vielleicht nicht einmal eine Scheindemokratie. Maximal ein autoritär regiertes Land mit gewissen eingeschränkten demokratischen und rechtsstaatlichen Elementen. Und dennoch muss die - für viele sicherlich provokative - Frage erlaubt sein - ob ein Programm wie das der Charta 08, das - angelegt an die tschechische Charta 77 - eine Demokratie eins zu eins im westeuropäischen Sinn fordert, den Problemen des Riesen-Landes und der Zukunft auch im humanitären Sinn tatsächlich angemessen ist. Menschen wie die sambische Harvard-Ökonomin Dambisa Moyo, die nicht in Prag oder Paris geborden wurden und wirkliche Armut kennen, sehen das naturgemäß etwas anders. Zustände wie im formal schon eher demokratischen Indien, auf dem armen Land oder in den Armenvierteln der Megastädte existieren in China nicht. Auch nicht auf dem Land oder in Tibet und auch nicht mal unter Wanderarbeitern.

Solange als Mindestforderung der Weg zu demokratischen Verhältnissen auf der Basis eines gewissen Mindestwohlstands und nach Beseitigung existenzieller Probleme offen gehalten wird - und das glaube ich für China - sehe ich das ähnlich.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von lobozen »

MG-42 » Sa 8. Mär 2014, 17:30 hat geschrieben:Es ist lustig das der Strangersteller in [...] Thailand jeweils die Leute unterstützt die offen für eine Abschaffung der Demokratie werben unter dem Deckmantel der Stabilität.
Ich glaube, da hast du was missverstanden. Oder meinst du wirklich, die Yingluck-Regierung sei es, die die Demokratie abschaffen will? Dann liegst du aber total daneben.
Es sind der Westentaschen-Fuehrer Suthep und seine Spiessgesellen, die

- einen (soweit in Thailand ueberhaupt moeglich) korrekten Wahlgang mit Drohungen, Blockaden und massiver Gewalt verhindert haben.

-die sich ausdruecklich gegen eine Demokratie aussprichen (naja, irgendwann in ferner Zukunft wollen sie auch mal Wahlen veranstalten - sagen sie)

- die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass das Oberhaus kuenftig gewaehlt wird.

- die ein Regime errichten wollen, das ohne Legitimation auskommt, dessen Mitglieder von einem dubiosen "Volkskommittee" ernannt werden, dessen selbsternannter "Vorsitzender" Suthep ist. Der Suthep uebrigens, der 2010 als Innenminister das Massakker an den Demonstranten in Bangkok befohlen hat.

Diese gelbe Verbrecherbande, die das Land seit dem Putsch von 2006 spaltet, die fuer die Besetzung der internationalen Airports und des Regierungsviertels 2008 verantwortlich waren (und von denen bis heute keiner auch nur einen Tag in Haft verbracht hat) soll demokratisch sein? Aber bitte, MG!

Klar, Thailand hat seit der Machtuebernahme Yinglucks neue Tiefen auf der Korruptions-Skala erreicht, wird oekonomisch in den Graben gefahren, wird in Wahrheit nicht in Bangkok regiert, sondern von Dubai aus, wo der fluechtige Straftaeter Thaksin sitzt und seine Schwester als Marionette benutzt, ABER:
Yingluck ist nunmal demokratisch gewaehlt worden und das mit beinahe absoluter Mehrheit, obwohl die Roten und ihre Wahlkampagne von der nicht gewaehlten, damaligen Regierung Abhisit und dem Militaer (das sogar unmittelbar vor der Wahl einen Grenzkonflikt mit Cambodia vom Zaun brach, um die Thaksinisten als Vaterlandsverraeter darstellen zu koennen) massivst behindert wurde.

Und behaupte keiner, dass der Wahlsieg Yinglucks durch Stimmenkauf zustande kam. Klar haben die Roten Stimmen "gekauft", wie das in Thailand immer schon ueblich ist. Genau wie saemtliche anderen nennenswerten Parteien und sicher nicht in groesserem Umfang.

Tatsache ist auch, dass die "Demokratische Partei", der parlamentarische Arm der alten Machtelite, die das Land seit hundert Jahren wie ihren Privatbesitz behandelt und ausbeutet, NIEMALS je eine Wahl gewonnen hat und IMMER nur durch Militaerputsche oder ihre gelben Horden an die Macht kam.

Und das sollen Demokraten sein? Da lacht ja der tote Saddam Hussein in seinem Grab!

Gruss aus dem "Land der Freien".
Zuletzt geändert von lobozen am Fr 14. Mär 2014, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die neuen Schein-Demokraten

Beitrag von zollagent »

schokoschendrezki » Mo 10. Mär 2014, 14:26 hat geschrieben:China ist ganz gewiss keine lupenreine Demokratie, vielleicht nicht einmal eine Scheindemokratie. Maximal ein autoritär regiertes Land mit gewissen eingeschränkten demokratischen und rechtsstaatlichen Elementen. Und dennoch muss die - für viele sicherlich provokative - Frage erlaubt sein - ob ein Programm wie das der Charta 08, das - angelegt an die tschechische Charta 77 - eine Demokratie eins zu eins im westeuropäischen Sinn fordert, den Problemen des Riesen-Landes und der Zukunft auch im humanitären Sinn tatsächlich angemessen ist. Menschen wie die sambische Harvard-Ökonomin Dambisa Moyo, die nicht in Prag oder Paris geborden wurden und wirkliche Armut kennen, sehen das naturgemäß etwas anders. Zustände wie im formal schon eher demokratischen Indien, auf dem armen Land oder in den Armenvierteln der Megastädte existieren in China nicht. Auch nicht auf dem Land oder in Tibet und auch nicht mal unter Wanderarbeitern.

Solange als Mindestforderung der Weg zu demokratischen Verhältnissen auf der Basis eines gewissen Mindestwohlstands und nach Beseitigung existenzieller Probleme offen gehalten wird - und das glaube ich für China - sehe ich das ähnlich.
Dann warst du sicher noch nicht in Hong-Kong z.B. in den "Ein-Mann-Unterkünften" des Proletariats?
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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