Progressiver hat geschrieben:(09 Apr 2021, 14:03)
Natürlich ist Deutschland ein Sanierungsfall. Aber Merkel ist doch nur die Spitze des Eisberges. Das System Merkel ist doch im Grunde genommen das System CDU. Merkel ist vielleicht die Kanzlerin. Aber wenn ihre Partei diese Politik nicht 16 Jahre mitgetragen hätte, dann wäre sie schon längst weggeputscht worden. Und irgendwer muss diese Leute ja auch gewählt haben. Also ich mag Angela Merkel auch nicht. Aber wenn man jetzt eine systemische Krise einer einzigen Person in die Schuhe schiebt und die Partei dahinter und deren Wähler absichtlich vergisst, so greift dies zu kurz.
Absolut mein Reden. Das Problem sind nicht einzelne Personen, das Problem ist das Konstrukt CDU.
Auf einer tieferen Ebene erleben wir zudem das Scheitern der Ideologie des Neoliberalismus. Jahrzehntelang hat man die öffentliche Daseinsvorsorge kaputtgespart. Und jetzt wundert man sich, dass der Staat und seine Ausführungsorgane nicht mehr handlungsfähig sind. Es brennt an allen Ecken und Enden. Nicht nur in puncto Digitalisierung, Bildung und Pflegenotstand haben wir gewaltige Probleme. Wenn jetzt aber die Pflegekräfte massenweise den Job wechseln, weil sie zu wenig Geld, Kollegen und Anerkennung bekommen, wird sich die Situation in den Krankenhäusern noch mehr verschlimmern. Wer kann schon davon leben, wenn man am Anfang der Corona-Krise ein wenig beklatscht wurde? In der Tat droht ja auch vielen Pflegekräften nach einem harten Arbeitsleben de facto eine Rente auf Grundsicherungsniveau.
Dazu kommt noch das schlechte Ansehen solch systemrelevanter Kräfte. Sozialpädagogen und Familienhelfer und Lehrer werden als "Kaffeetrinker" diffamiert, hilfsweise als "Faule Beamte", die mit ihrer Faulheit den braven Bürgern das Geld aus der Tasche zögen, zu ihren Lasten ein gutes Leben führen. Überhaupt, was wären das denn für "Berufe"?
Und auch die Wirtschaft trägt ihre Teilschuld. Es gibt wohl keine wirtschaftsfreundlichere Partei als die CDU. Die Lobbyisten der Großkonzerne dürfen im Kanzleramt ein und aus gehen. Die CDU und CSU lesen ihnen die Wünsche von den Lippen ab. Und erfüllen sie auch. Welcher Normalbürger bekommt schon solch einen Service? "Privat vor Staat" hieß und heißt die Devise im neoliberalen Wunderland. Die Wirtschaftskonzerne durften schalten und walten, wie es ihnen in den Kram passte.
Interessant finde ich in dem Zusammenhang das Erschrecken so mancher, als auf einem Mal deutlich wurde, wohin das Prinzip führte: Es haben sich teilweise Monopole gebildet, Vorstände können nach Gutsherrenart schalten und walten. Als dann Trump abgestellt wurde, war das Entsetzen vieler von der marktradikalen Rechten riesen groß. Das habe man so nicht gewollt, man konnte es doch nicht ahnen,
Interessant finde ich aber die Reaktion der Rechten. Früher konnte man immer noch auf die bösen Kommunisten ablenken. Aber wer hat denn die letzten Jahrzehnte das Land regiert? Da müssen manche Leute in der CDU bzw. CSU wahrlich hyperventilierten, wenn sie sich eingestehen müssen, dass vielleicht die eigene Partei bzw. man selbst alles verbockt hat. Aber schon Helmut Kohl hat im Osten "blühende Landschaften" versprochen. Was aber herausgekommen ist, das sind Industriebrachen. Wer konnte, der ist in den Westen abgewandert. Der traurige Rest fühlt sich übergangen und beschert zum Teil der AfD Stimmenzuwachs. Wir dürfen also nur gewarnt sein, wenn die Unionsparteien so etwas für ganz Deutschland versprechen würden.
Laschet hat ja schon reagiert: "Keine Experimente!" Mit dem Slogan ist er ja in den vergangenen Tagen angekommen. Hochmodern also, im Angesicht von "Neuland". Fast 65 Jahre alt der Slogan aus der Mottenkiste.
Um aber einzugestehen, dass man es verbockt hat, gehört auch ein gewisser Mut und Realitätssinn dazu. Den sehe ich aber weit und breit nicht bei den Unionsparteien. Deswegen vermute ich mal, dass sie jetzt bald alles hinschmeißen werden, damit eine linke Regierung die Kohlen aus dem Feuer holt. Diesen schiebt man im Rahmen einer Art neuer Dolchstoßlegende dann die Schuld an allem Schlechten in die Schuhe. Und irgendwann versucht eine antimodernistische Rechtsfront dann wieder eine Restauration der alten Verhältnisse, damit Deutschland wieder so wird, wie es vorher niemals war.
Die UNION wird gar nichts eingestehen, sondern die Schuld bei anderen suchen. Man habe damit nichts, aber auch absolut nichts zu tun.