Thales hat geschrieben:
Und wie sieht für dich die ideale Alterstruktur aus?
Ideal ist natürlich ein möglichst geringer Abhängigkeitsquotient, bei möglichst vielen Kindern. In einer rein hypothetischen, abgeschlossenen Gesellschaft entspricht dies der klassischen Bienenstockform (Fertilitätsrate ca. 2,1 und hohe Lebenserwartung).
Selbstverständlich ist dies keine hinreichende Bedingung für das Wohlergehen der Gesellschaft, aber je weiter die reale Form davon abweicht, desto ungünstiger ist es für die Entwicklung.
In der realen dt. Gesellschaft mit sehr niedriger Fertilitätsrate (1,3-1,4) ergibt sich bei der typischen Einwandererstruktur als ideale Form die "Glühbirne". Hier hat die Altersstruktur der Einwanderer zwei Peaks bei 0 und bei ca. 25 Jahren (junge Eltern mit ihren Kindern). Dabei werden etwa 300.000 bis 500.000 Einwanderer pro Jahr benötigt.
Thales hat geschrieben:
Und dann ist der Abhängigkeitsquotient für immer 1.
Bei der extremen Urnenform, auf die Deutschland ohne Einwanderung zusteuert wird er deutlich über 1 liegen (noch dazu bei sehr wenig Kindern). Wie schon gesagt, wenn du es genau wissen willst, solltest du die altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten in deinem Modell berücksichtigen (sowie altersspezifische Geburtenraten). Ohne diese liefert dein Modell Abweichungen von der Realität, die nicht auf die zweite Nachkommestelle beschränkt sind.
Thales hat geschrieben:
„Eine erhebliche Einwanderung“ ist der falsche Ansatz.
Es ist aber der einzige der funktioniert.
Trotz verschiedenster Ansätze die (westdeutsche) Fertilitätsrate zu beeinflussen, ist diese seit über 40 Jahren geradezu erstaunlich konstant.
In der DDR gelang es in den 70er Jahren durch ein massives Kindergeldprogramm (weit größer als das aktuelle gesamtdeutsche) die Fertilitätsrate auf einen Schlag signifikant zu steigern. Allerdings hielt auch das nicht an und bis zur Wiedervereinigung hatte sie sich immer mehr dem Westniveau angenähert.
Es scheint nahezu unmöglich zu sein durch direkte politische Maßnahmen einen großen und nachhaltigen Einfluss zu nehmen.
Interessanterweise scheint eine insgesamt positive wirtschaftliche Entwicklung noch am wirkungsvollsten. So gab es in den letzten Jahren im Rahmen der aktuellen Hochkonjunktur einen leichten Anstieg der Rate, aber bei weitem nicht auf das notwendige Niveau.
Aber selbst wenn es irgendwie zu einer deutlichen Steigerung der Rate kommen sollte, so ist kurzfristig immernoch eine erhebliche Zuwanderung vonnöten, um die Struktur für die Übergangszeit zu balancieren.
Letztendlich darf man aber, wie schon gesagt die europäische Dimension nicht vergessen. Angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit, zunehmender Privatisierung der Alterssicherungssysteme und allgemein größerer Flexibilität der jüngeren Generationen (z.B. weitere Verbreitung einer gemeinsamen Sprache (hier Englisch)) ist die isolierte Sicht auf Deutschland womöglich zu pessimistisch. Gerade in den letzten Jahren nahm die europäische Binnenwanderung erheblich zu und führte nicht zuletzt zu der guten konjunkturellen Situation in Deutschland (und entlastete die sozialen Sicherungssysteme in den Herkunftsländern).
Kurz: Ich denke, das Problem der ungünstigen Alterstruktur wird in Deutschland trotz aller Diskussionen noch unterschätzt (teilweise auch gar nicht verstanden, wenn angemerkt wird, dass weniger Einwohner doch ganz gut wären -- es geht um die Struktur, nicht die Anzahl!). Einwanderung löst die Probleme zum Teil, allerdings wäre mittelfristig die europäische Perspektive vermutlich hilfreicher.
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