freiheit die ich meine

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carolus

freiheit die ich meine

Beitrag von carolus »

freiheit würde ich zunächst so bezeichnen, als die fähigkeit des menschen, aus eigenem willen entscheidungen zu treffen.
bei näherer betrachtung würde ich entscheiden, zwischen einer äußeren negativen freiheit, also die freiheit, bei der der äußere zwang nicht gegeben ist
und der eigenen positiven freiheit, die das eigene handeln zuläßt.

wenden wir uns zunächst der negativen freiheit zu.

negative äußere freiheit würde ich z.b. so definierenals von staatlichen zwängen und regelungen befreiter zustand also im ursprünglichen sinne "von etwas"
( von anderen ) , was die freiheit des individiumseinschränken köönte, oder auch freiheitvon eingegrenzenden sozialen normen.es sind aber nicht nur die
zwänge, die von außen einwirken, sondern die auch aus dem innern eines jeden individiums herrühren wie ängste und zweifel, die die gedankenstrukturen
beherrschen.

Positive eigene freiheit hingegen ist die freiheit, die sich aus dem vorhandensein einer negativen freiheit entfalten kann. Positive freiheit ist also eine
freiheit "zu etwas" ( zu anderen ). die freiheit sich seklbst zu entfalten, sich zu verwirklichen, wie auch immer das für den einzelnen ausgehen mag und
seine innere freiheit leben kann. sie schafft uns optionen und wahlmöglichkeit, entscheidungen selber zu treffen.
sie ist aber nur sinnvoll, wie kant im kategorischen imperativ schreibt: "handele nur nach derjenigen maxime, durch die du zugleich wollen kannst,
dass sie ein allgemeines gesetz werde". mit anderen worten:"Verzichte auf willkür"

etwas tocken, gebe ich zu.

daher ein beispiel:

religion! welche freiheit lässt sie den gläubigen?

ist es negative freiheit, die äußeren zwang voraussetzt oder nimmt sie sich das recht die freiheit durch gebote und mittelbaren zwangeinzuschränken?
die ängste und zweifel schürt, und so dem individium die freiheit der selbstbestimmung nimmt?

oder ist es die positive freiheit, die möglichkeit der eigenen entscheidung zu folgen und seine innere freiheit zu leben?
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BlueMonday
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von BlueMonday »

Der Philosoph Max Stirner hat die "positive Freheit" passender benannt mit Eigentum. Also das Habhaftwerden. Das Besitzen. Das Verfügen. Die Möglichkeit. Die Macht.
Freiheit ist die andere Seite der Medaille, das Gegenteil: Die Loslösung. Die Flucht. Das Loslassen und Loswerden. Die Entledigung, das Ledigsein usw.

Im Handeln kommt beides zusammen, als Bewegung auf etwas zu und gleichzeitig als Entfernung von allem anderen.
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imp
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von imp »

Die Religionsfreiheit ist nicht nur Freiheit von Religion, sie ist auch Freiheit zur Religion. Sie erlaubt dir, dein Verhältnis zu Lehrmeinung und Kulthandlungen, zu Geboten und Warnungen heiliger Schriften immer wieder neu selbst zu wählen.
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BlueMonday
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von BlueMonday »

Die Trennlinie ist letztlich nicht die Freiheit, sondern die Eigenheit. Das, was man sich höchst selbstbewusst zu eigen, zu seinem Eigentum gemacht hat. Und das kann man ja auch jederzeit wieder loslassen, sich davon befreien, wenn es denn wirkliches Eigentum war. Die Freiheit ist nur das Mittel, alles loszuwerden, was den Weg zum Eigenen verstellt, behindert.

Das Gegenteil dazu ist die Besessenheit. Also nicht im eigenen Sinne zu handeln, sondern zu einem vermeintlich "höheren" Zweck, im Sinne einer "heiligen Sache".
Eine heilige Sache wird man so schnell nicht wieder los, denn man ist Eigentum der heiligen Sache, man ist von ihr buchstäblich besessen. "Der Staat", "die Gesellschaft", "die Menschheit", "der natürliche Kreislauf" sind solch heiligen Sachen für viele "gute"(=besessene) Menschen. Das Heilige ist das Unberührbare, Unbefleckbare, das Tabu.

Was ist also das Zeichen für Besessenheit? Wenn man einen Inhalt, einen Gegenstand nicht wenigstens zeitweise, testweise wieder loslassen kann, sich nicht gegen ihn stellen oder ihn modifizieren, durch Berührung verunreinigen oder ihn schlicht nicht zum eigenen Nutzen verzehren, verbrauchen kann, also etwas nicht als Eigentum wahrzunehmen.
Zuletzt geändert von BlueMonday am Di 4. Aug 2020, 18:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Maikel
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von Maikel »

carolus hat geschrieben:(04 Aug 2020, 12:39)
religion! welche freiheit lässt sie den gläubigen?

ist es negative freiheit, die äußeren zwang voraussetzt oder nimmt sie sich das recht die freiheit durch gebote und mittelbaren zwangeinzuschränken?
die ängste und zweifel schürt, und so dem individium die freiheit der selbstbestimmung nimmt?

oder ist es die positive freiheit, die möglichkeit der eigenen entscheidung zu folgen und seine innere freiheit zu leben?
Im Prinzip ist es natürlich eine positive Freiheit, sich für eine Religion zu entscheiden. Auch wenn das in vielen Fällen die Eltern für einen gemacht haben.
Somit besteht auch die Freiheit, einer Religion zu entsagen.

Das Befolgen der Regeln einer Religion engt einerseits ein, bietet andererseits aber den Menschen eine andere Form von Freiheit: Nämlich die, sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, was im großen Rahmen richtig, falsch und/oder angemessen ist.

Zum besseren Verständnis ein anderes, kleines Bsp.: Es mag ja für viele erstrebenswert sein, morgens beim Coffee-to-go eine Auswahl zwischen 40 verschiedenen Kaffeesorten, in jeweils 5 unterschiedlichen Röstungen zu haben.
Es gibt aber auch Menschen, die einfach ein Heißgetränk mit Koffein haben wollen. Für solche Menschen bedeutet es in dieser Situation eine "Freiheit" sich nicht um die Details kümmen zu müssen.
Die menschliche Sprache ist einzigartig, aber nicht eindeutig.
Jeder Versuch, sich mitzuteilen, kann nur mit dem Wohlwollen der anderen gelingen.
carolus

Re: freiheit die ich meine

Beitrag von carolus »

Maikel hat geschrieben:(04 Aug 2020, 18:34)

Im Prinzip ist es natürlich eine positive Freiheit, sich für eine Religion zu entscheiden. Auch wenn das in vielen Fällen die Eltern für einen gemacht haben.
Somit besteht auch die Freiheit, einer Religion zu entsagen.

Das Befolgen der Regeln einer Religion engt einerseits ein, bietet andererseits aber den Menschen eine andere Form von Freiheit: Nämlich die, sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, was im großen Rahmen richtig, falsch und/oder angemessen ist.

Zum besseren Verständnis ein anderes, kleines Bsp.: Es mag ja für viele erstrebenswert sein, morgens beim Coffee-to-go eine Auswahl zwischen 40 verschiedenen Kaffeesorten, in jeweils 5 unterschiedlichen Röstungen zu haben.
Es gibt aber auch Menschen, die einfach ein Heißgetränk mit Koffein haben wollen. Für solche Menschen bedeutet es in dieser Situation eine "Freiheit" sich nicht um die Details kümmen zu müssen.
@Maikel,

ich nehme einmal diese antwort heraus:
Das Befolgen der Regeln einer Religion engt einerseits ein, bietet andererseits aber den Menschen eine andere Form von Freiheit: Nämlich die, sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, was im großen Rahmen richtig, falsch und/oder angemessen ist.

dient eine religion der freiheit des einzelnen? sind die abrahamitische religionen nicht eher aufunterdrückung ausgerichtet? ganz zu schweigen von sekten.
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Progressiver
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von Progressiver »

Maikel hat geschrieben:(04 Aug 2020, 18:34)

Im Prinzip ist es natürlich eine positive Freiheit, sich für eine Religion zu entscheiden. Auch wenn das in vielen Fällen die Eltern für einen gemacht haben.
Somit besteht auch die Freiheit, einer Religion zu entsagen.

Das Befolgen der Regeln einer Religion engt einerseits ein, bietet andererseits aber den Menschen eine andere Form von Freiheit: Nämlich die, sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, was im großen Rahmen richtig, falsch und/oder angemessen ist.

Zum besseren Verständnis ein anderes, kleines Bsp.: Es mag ja für viele erstrebenswert sein, morgens beim Coffee-to-go eine Auswahl zwischen 40 verschiedenen Kaffeesorten, in jeweils 5 unterschiedlichen Röstungen zu haben.
Es gibt aber auch Menschen, die einfach ein Heißgetränk mit Koffein haben wollen. Für solche Menschen bedeutet es in dieser Situation eine "Freiheit" sich nicht um die Details kümmen zu müssen.
Zur Freiheit gehört auch unbedingt die Wahl. Nur wer den Unterschied zwischen beispielsweise dem Hinduismus und dem Kult der Azteken kennt, kann sich im Endeffekt entscheiden, welche der beiden für ihn richtig ist. Oder eben keiner von beiden. Somit gehören zur Freiheit auch ein gewisses Wissen und ein geschultes Urteilsvermögen. In der Praxis bedeutet es, zwischen den verschiedenen Religionen wählen zu können, nur zu entscheiden, ob die Gitter des eigenen dann geschlossenen Weltbildes rot oder blau angestrichen sind. Echte Freiheit wird sich aber immer gegen jegliche Gitterstäbe aussprechen. Die "Freiheit, sich nicht um die Details kümmern zu müssen" ist folglich nur eine Scheinfreiheit, entstanden aus Bequemlichkeit. Echte Freiheit kann mitunter auch anstrengend sein. Man kann sehr viel für sie riskieren müssen. Manche sogar ihr Leben. Wenn aber der Vorbeter sagt, dass beispielsweise alle Frauen Kopftuch tragen müssen, so ist dies zwar auch ein Punkt, wo man sich nicht um die Details meint kümmern zu müssen. Leider hat diese Position auch auf der Makroebene ihre ganz entscheidende Schwächen. Wer andere für sich entscheiden lässt, der folgt eher dem Prinzip "(Religions-)Führer befiel, wir folgen dir"! Und somit verliert man mit der eigenen Urteilskraft auch die Entscheidungsfreiheit.

Und natürlich kann man hierzulande theoretisch aus jeder Religion oder Sekte wieder aussteigen. Aber praktisch betrachtet, sehen die ehemaligen Mitgläubigen einen dann an wie einen Verräter. Für die christlichen Fundis ist man dann mindestens gleichbedeutend dem Antichristen. Und somit noch eine Stufe tiefer als ein Ungläubiger oder ein Satan. Und für die anderen Religionen gilt das erst Recht. Die beiden christlichen Konfessionen sind gerade dabei, abzusterben. Die trauen sich nicht mehr, einen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Aber wer aus einer anderen Religionsgemeinschaft oder Sekte aussteigen will, der ändert am besten seine Adresse in "unbekannt verzogen" um. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn man es mit einer besonders großen Portion Psychoterror zu tun kriegt, wenn man sich zurückzieht, während die anderen Nochgläubigen wissen, wo man wohnt. In härteren Fällen kann es gegenüber Aussteigern sicher auch zu Morddrohungen kommen, wenn man aus einer Sekte aussteigen will.

Ich selbst war bis circa 1994 Mitglied in der katholischen Kirche. Als ich ausgetreten bin, hat mich das seinerzeit "nur" eine Austrittsgebühr gekostet. Ich war aber kein aktives Mitglied in dem Verein. Wenn jemand dagegen vorher aktiv war, dann kann ich mir schon vorstellen, dass dann ehemalige Bekannte Psychoterror machen. Oder aber ich habe auch schon gehört, dass mittlerweile anscheinend Briefe an die Austrittswilligen verschickt werden von den örtlichen Priestern, in denen darauf verwiesen wird, dass eine Kirchenmitgliedschaft lebenslänglich bestehen würde und dass den Leuten, die aus einer Kirche austreten, irgendeine Höllenstrafe angedroht wird. Zur echten Freiheit gehört folglich auch der Mut und die Risikobereitschaft, sich nicht wider besseres Wissen einschüchtern zu lassen, sondern für sein neu gewonnenes Wissen und seine Werte einzustehen. Als Held braucht man sich danach nicht zu fühlen. Aber etwas Zivilcourage sollte man doch mitbringen können.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von schokoschendrezki »

Aktueller Hörtipp zum Thema:
Freiheit oder Naturalismus. Zur Hochaktualität Hegels

In der Coronakrise wird vielen Menschen bewusst, wie wichtig ihnen ihre Selbstbestimmung ist. Auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel, geboren 1770, machte den Freiheitsbegriff zu einem seiner zentralen Themen. Für ihn sei Freiheit eine Frage von alles oder nichts, sagte die Philosophin Andrea Kern im Dlf.
https://www.deutschlandfunk.de/freiheit ... _id=482684

Andrea Kern ist u.a. Leiterin eines Forschungskollegs zum Thema "Analytischer Deutscher Idealismus".

Es geht im Beitrag bzw. im Gespräch ganz wesentlich um die Frage Freiheit und um den (scheinbaren) Gegensatz zwischen Natur und Geist. "Freiheit" ist demnach nicht einfach eine spezielle Eigenschaft des Lebewesens "Mensch". So wie ein Stier Hörner hat. Nicht einfach "Entscheidungsfreiheit, Willensfreiheit ja oder nein". Der wesentliche Punkt für mein Verständnis ist, dass Freiheit Widerstand benötigt. Dass die Grenzen, die die Natur dem Menschen setzt, nicht etwa Grenzen der Freiheit sind, sondern geradezu benötigt werden, um eine positive Freiheitsentfaltung überhaupt erst möglich und erlebbar zu machen. Beispiel Geschlechterrollen. Die Vorstellung eines sozialen Geschlechts, einer Geschlechterrolle, die einem Menschen nicht nur übergeholfen wird sondern quasi für seinen eigenen Selbstentwurf zur Verfügung steht, steht in Wirklichkeit mit der Determiniertheit des biologischen Geschlechts keineswegs im Widerspruch. Im Gegenteil. Das biologische Geschlecht ist der notwendige Widerstand, sozusagen das Abarbeitungsfeld von positiver Freiheit und Selbstentwurf. So wie sich auch niemand in Vakuum und Schwerelosigkeit irgendwie irgendwohin bewegen kann. In der totalen negativen Freiheit von allem gibt es null Freiheit zu irgendetwas. Es braucht den Widerstand zur Freiheitsentfaltung. Ich finde es sehr schön, dass es im Bereich Philosophie - offenbar und wenn ichs richtig verstanden habe - zu einer Revision dieser einseitig naturalistischen Position allgegenwärtiger Determininiertheit kommt. Der Mensch ist tatsächlich so frei, so zur Freiheit verurteilt, wie sich das Sartre oder de Beauvoir gedacht haben.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von Papaloooo »

Freiheit ist ja nicht vor allen Dingen eine Frage, ob ich das gern tue, was ich zu tun habe.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von schokoschendrezki »

Papaloooo hat geschrieben:(25 Aug 2020, 10:36)

Freiheit ist ja nicht vor allen Dingen eine Frage, ob ich das gern tue, was ich zu tun habe.
Natürlich nicht. In dem oben verwiesenen Essay wird das simple Beispiel einer Tasse gebracht, aus der man trinkt. Eine Handlung, die in den allermeisten Fällen eher unbewusst abläuft und einfach damit zu tun hat, dass man erstens eine Tasse mit einem Getränk und zweitens Durst hat. Aber danach gefragt, kann der Mensch dies entsprechend analysieren. Er kann die Tasse dann auch trotz weiterbestehenden Dursts einfach ausgießen oder die Tasse sogar an die Wand werfen. Da werden einige vielleicht sagen, dass eine solche Handlung eben nicht von Durst sondern von irgendwelchen unbewussten Wünschen, von Aggressionen vielleicht geleitet wird. In jedem Fall aber vorherbestimmt ist. Aber so ist es nicht. Im Gegenteil. Um aus wirklich freien Willen heraus diese Tasse an die Wand zu werfen, benötige ich einen natürlichen und natürlicherweise begrenzten negativ unfreiheitlichen Handlungsraum sowie einen Widerstand (z.B. die Konvention, dass man dies nicht tut), gegen den ich diesen Willen überhaupt erst als einen solchen erleben kann.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von schokoschendrezki »

Progressiver hat geschrieben:(07 Aug 2020, 01:05)
Ich selbst war bis circa 1994 Mitglied in der katholischen Kirche. Als ich ausgetreten bin, hat mich das seinerzeit "nur" eine Austrittsgebühr gekostet. Ich war aber kein aktives Mitglied in dem Verein. Wenn jemand dagegen vorher aktiv war, dann kann ich mir schon vorstellen, dass dann ehemalige Bekannte Psychoterror machen. Oder aber ich habe auch schon gehört, dass mittlerweile anscheinend Briefe an die Austrittswilligen verschickt werden von den örtlichen Priestern, in denen darauf verwiesen wird, dass eine Kirchenmitgliedschaft lebenslänglich bestehen würde und dass den Leuten, die aus einer Kirche austreten, irgendeine Höllenstrafe angedroht wird. Zur echten Freiheit gehört folglich auch der Mut und die Risikobereitschaft, sich nicht wider besseres Wissen einschüchtern zu lassen, sondern für sein neu gewonnenes Wissen und seine Werte einzustehen. Als Held braucht man sich danach nicht zu fühlen. Aber etwas Zivilcourage sollte man doch mitbringen können.
Zumindest in westlichen Gesellschaft wird man eher weniger mit irgendeiner Art von sozialer Ausschlussstrafe bedroht. Du darfst auch völlig straflos unter der Brücke schlafen oder zum Alkoholiker werden. Es wird jedoch von mehr und mehr Menschen behauptet, dass zielgerichtetes Handeln allgemein und politisches Handeln im besonderen grundsätzlich nur in einer Gemeinschaft und mit bestimmten kulturellen Prägungen überhaupt möglich ist. Dem ursprünglichen egalitären Liberalismus von z.B. Rawls werden Konzepte wie "Republikanismus" oder "Kommunitarismus" entgegengestellt. Dass positive Freiheit Widerstand benötigt ... das ist auch meine Ansicht. Dass sie aber ein vorgegebenes Koordinatensystem benötigt ... das würde ich heftig bestreiten.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von Papaloooo »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Aug 2020, 10:46)

Natürlich nicht. In dem oben verwiesenen Essay wird das simple Beispiel einer Tasse gebracht, aus der man trinkt. Eine Handlung, die in den allermeisten Fällen eher unbewusst abläuft und einfach damit zu tun hat, dass man erstens eine Tasse mit einem Getränk und zweitens Durst hat. Aber danach gefragt, kann der Mensch dies entsprechend analysieren. Er kann die Tasse dann auch trotz weiterbestehenden Dursts einfach ausgießen oder die Tasse sogar an die Wand werfen. Da werden einige vielleicht sagen, dass eine solche Handlung eben nicht von Durst sondern von irgendwelchen unbewussten Wünschen, von Aggressionen vielleicht geleitet wird. In jedem Fall aber vorherbestimmt ist. Aber so ist es nicht. Im Gegenteil. Um aus wirklich freien Willen heraus diese Tasse an die Wand zu werfen, benötige ich einen natürlichen und natürlicherweise begrenzten negativ unfreiheitlichen Handlungsraum sowie einen Widerstand (z.B. die Konvention, dass man dies nicht tut), gegen den ich diesen Willen überhaupt erst als einen solchen erleben kann.
Ich meinte damit das subjektive Freiheitsempfinden.
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Re: freiheit die ich meine

Beitrag von schokoschendrezki »

Papaloooo hat geschrieben:(25 Aug 2020, 11:19)

Ich meinte damit das subjektive Freiheitsempfinden.
Philosophen denken seit hunderten Jahren über diesen Freiheitsbegriff nach. Und es ist wirklich nach meinem "subjekktiven Empfinden" schon einiges Kluges und Nichttriviales dazu geschrieben worden. Das Klügste ist aus meiner Sicht die Unterscheidung zwischen negativer "Freiheit von" und positiver "Freheit zu".

"Subjektives Freiheitsempfinden" ... das taucht auf der Website der selbsternannten (wirklich ganz wörtlich!! ich konnte es kaum fassen!) "einzigen Freiheitsforscherin Deutschlands", Frau Prof. Ulrike Ackermann auf. (https://www.ulrike-ackermann.de/) Wenn man sich ein wenig dafür interessiert und auch nur ein wenig etwas Hegel oder Sartre gelesen hat ... kannst Du nachvollziehen, wie einem diese Selbsteinschätzung im Stil einer Waschmittelwerbung angesichts dieses Themas und angesichts der vielen Gedanken, die dazu aufgeschrieben wurden, auf den Senkel gehen?
Unser Index setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Zum einen ist das eine repräsentative Bevölkerungsumfrage auf der Grundlage von rund 1450 Einzelinterviews des Allensbacher Instituts. Der Fragenkatalog mit insgesamt 13 Fragenkomplexen erfasst die subjektive Bedeutung des Werts der Freiheit auf Seiten der Bürger in den Bereichen:

gesellschaftliche Wertschätzung des Werts der Freiheit im Wettbewerb mit anderen Werten wie beispielsweise Gleichheit, Sicherheit, Gerechtigkeit;
subjektives Freiheitsempfinden der Bürger;
Staatsorientierung, Einstellung zu Verboten und staatlichen Interventionen, soziale Kontrolle.
Was Frau Professor Ackermann misst und worüber sie forscht, ist die wahrgenommene und eigene Zustimmung zu politischen Richtungen, die den Begriff "Freiheit" programmatisch voranstellen oder einfach nur nennen. Das muss nicht unbedingt mit tatsächlicher Freiheit kollidieren. Aber das ist natürlich nicht Freiheit.

Eine echte Freiheitsforschung muss die ganzen komplexen Zusammenhänge von Determinismus, Geist, Natur, die Dialektik von Bestimmtheit und Freiheit erfassen.
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