Was ist Faschismus?

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Dark Angel
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:10)

In einer sozialistischen Gesellschaft gäbe es keine "Penner", da alle Bedürfnisse des Menschen im Rahmen des Allgemeinwohl befriedigt werden.
Der "Penner" ist also im Sozialismus krank und bedarf psychologischer Hilfe, um sein asoziales und selbstschädigendes Verhalten zu überwinden.
Aber ich gebe dir darin recht, die Pathologisierung von wie auch immer gearteten Lebensentwürfen ist "a slippery road", die dem Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Im Faschismus werden Penner als "volksschädlich" diffamiert und ausgerottet.
Im Kapitalismus ist der verelendete "Penner" am Bahnhof jene "Schreckgestalt", die den Menschen zur Leistungsbereitschaft im Sinne des Systems treibt.
Das sind aber nur zwei Seiten der gleichen Medaille.
Wer oder Was ist denn ein "Penner"?
In der sozialistischen Gesellschaft werden alle Bedürfnisse des Menschen im Rahmen des Allgemeinwohls befriedigt?
Was ist das anderes als Kollektivismus, wo das Individuum seine Bedürfnisse und Interessen dem Kollektiv (dem Allgemeinwohl) unterzuordnen hat.
Das gleiche Prinzip gilt in der faschistichen Gesellschaft.
In der einen Gesellschaft wird "der Penner" "nur" weggesperrt, psychisch/psychologisch "behandelt" in der anderen physisch vernichtet.
Auf Umerziehung, Schaffung eines "neuen Menschen" laufen beide Methoden hinaus.
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Dark Angel
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:25)

Genau. Das ist des Pudels Kern. Die Neurechten setzen alles gleich, was zur Verharmlosung eigener Bestrebungen beiträgt. Die Diskussion um so genannten "linken Faschismus" soll wie andere vergleichbare Diskussionen die Menschenfeindlichkeit neurechter Positionen verwässern. So kommt es dann auch zum gefährlichen Höckeschen Geschichtsrevisionismus a la "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Passt alles zusammen. Geistige Vorfahren der AfD (manchmal sogar in leibhaftiger Form von Großvätern) sind nun mal die deutschen Nazis mit all ihren Menschheitsverbrechen und all ihrem Herrenrasse-Denken. Und bedroht wird die Demokratie in ihrer Gänze und aktuell deutlich von Rechtsaußen, nicht von Links. Das alles will Neurechts verschleiern. Dazu werden dann sämtliche rechtsintellektuelle Quellen bemüht, die man nur finden kann. Durchschaubar wie immer.
Selina - Du merkst gar nicht, dass Du genau DAS tust, was User conscience anprangertn, nämlich

"Indem man von interessierter Seite den Faschismus-Begriff auf alles mögliche ausweitet, wird dieser entwertet, unscharf und unbrauchbar."

oder wie der Historiker Wolfgang Wippermann es ausdrückt:

"Hinzu kommt der Doppelcharakter des Faschismus als politische Theorie und politischer Kampfbegriff, der ziemlich wahl- und unterschiedslos auf alle möglichen politischen Phänomene und Personen angewandt wurde - und immer noch wird. Diese seine missbräuchliche Anwendung wurde zudem durch einige der monokausalen Theorien begünstigt. Dies gilt insbesondere für die instrumentalistischen."
Quelle


Damit zeigst Du allerdings auch dass die Ausweitung des Faschismusbegriffs "auf alles mögliche" kein Alleinstellungsmerkmal der "Neurechten" ist, sondern genauso der Linken.

q.e.d.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von lili »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:34)

Das sind aber nur zwei Seiten der gleichen Medaille.
Wer oder Was ist denn ein "Penner"?
In der sozialistischen Gesellschaft werden alle Bedürfnisse des Menschen im Rahmen des Allgemeinwohls befriedigt?
Was ist das anderes als Kollektivismus, wo das Individuum seine Bedürfnisse und Interessen dem Kollektiv (dem Allgemeinwohl) unterzuordnen hat.
Das gleiche Prinzip gilt in der faschistichen Gesellschaft.
In der einen Gesellschaft wird "der Penner" "nur" weggesperrt, psychisch/psychologisch "behandelt" in der anderen physisch vernichtet.
Auf Umerziehung, Schaffung eines "neuen Menschen" laufen beide Methoden hinaus.
Genauso wie in der rechten Ideologie.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

Henry David Thoreau
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:19)

Faschismus als politische Ideologie ist mMn. der extreme Gegenentwurf zum Marxismus. Alles andere drumherum ist heutzutage mMn. ambivalent zu sehen, außerdem wird der Begriff oft abwertend benutzt, Fascho/Faschist ist ein Schimpfwort, mit dem der damit belegte abgewertet und seine Meinung entwertet werden soll. Das bedeutet nicht, dass es keine Faschisten mehr gäbe, aber dadurch, dass dieser Begriff inflationär gebraucht wird (ähnlich wie "Nazi", "Neonazi", "neurechts"), gehen diese im Meer der vermeintlichen Faschisten unter.
Dann geht es noch um die Methoden. Ist jemand ein Faschist, der faschistische Methoden im Kampf um die Meinungshoheit anwendet? Imho nein, aber dadurch stellt dich derjenige auf die gleiche niedrige Niveaustufe, auf der auch Faschisten stehen.

Just my 2 cents.
Und mit dem "Untergehen" benennen Sie auch das Problem. Das ergibt sich daraus, dass man heute keinesfalls Faschist sein kann, also ungeächtet sozusagen, aber man kann ungeächtet Kommunist sein. Herr Zizek schafft es auch ins bürgerliche Feuilleton, obwohl man ihm in Deutschland sogar Bücher hat kürzen lassen um ein paar Gewaltphantasien. Ein rechter Vordenker wie Alain de Benoist schafft es dagegen nicht. Kommunismus, und viel mehr noch Sozialismus, werden nicht als totalitäre Systeme wahrgenommen, Faschismus und Theokraten dagegen schon (obwohl es letztere noch eher ins bürgerliche Feuilleton schaffen würden).

Der Begriff "totalitär" taugt auch nur bedingt, Kollektivismus auch. So bleiben eben viele politische Ansätze heute mit irgendwelchen historischen Floskeln nur unzureichend beschrieben. Der Begriff Faschismus hat halt den Vorteil, dass er der einzige ist, der unumstritten ausschließlich negativ konnotiert ist. Und um neue Begriffe zu prägen, bräuchte man die entsprechende Macht hinter sich, dann geht das heutzutage ratzfatz.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Teeernte hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:03)


Extinction Rebellion will ja AUCH "nur" die Räte (Sowjets) wiederbeleben. :D :D :D
Geht es nicht mal ohne solchen Unfug?
odiug

Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:34)

Das sind aber nur zwei Seiten der gleichen Medaille.
Wer oder Was ist denn ein "Penner"?
In der sozialistischen Gesellschaft werden alle Bedürfnisse des Menschen im Rahmen des Allgemeinwohls befriedigt?
Was ist das anderes als Kollektivismus, wo das Individuum seine Bedürfnisse und Interessen dem Kollektiv (dem Allgemeinwohl) unterzuordnen hat.
Das gleiche Prinzip gilt in der faschistichen Gesellschaft.
In der einen Gesellschaft wird "der Penner" "nur" weggesperrt, psychisch/psychologisch "behandelt" in der anderen physisch vernichtet.
Auf Umerziehung, Schaffung eines "neuen Menschen" laufen beide Methoden hinaus.
Daher setzte ich auch "Penner" in Anführungszeichen, da der Begriff natürlich nicht allein diffamierend ist, sondern auch fragwürdig.
Ich haben den Begriff nur aufgenommen, nicht ins Spiel gebracht.
Und zu deinem zweiten Punkt: das nennt man soziale Verantwortung.
Sollte eigentlich selbstverständlich sein, auch in einer kapitalistischen Gesellschaft.
Und nein ... wie schon oben geschrieben: der Faschist kennt kein Allgemeinwohl, sondern nur das Wohl der "seinigen".
Allem anderen steht er grundsätzlich feindselig gegenüber und im Kern ist er getrieben von Paranoia.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Teeernte »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:47)

Geht es nicht mal ohne solchen Unfug?
Richtig ...solche grundgesetzfeindlichen Forderungen sollte man gleich verbieten. :D :D :D
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:43)


q.e.d.
Warum machst du überhaupt einen Thread auf, wenn du sofort bei einer Meinung, die nicht der deinen entspricht, die Diskussion abwürgst? :rolleyes:
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Tom Bombadil
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:44)

Das ergibt sich daraus, dass man heute keinesfalls Faschist sein kann, also ungeächtet sozusagen, aber man kann ungeächtet Kommunist sein.
Das halte ich für Deutschland allerdings für nachvollziehbar. So schlimm das Regime im Unrechtsstaat DDR auch war, gemessen an den Nazis waren deren Menschheitsverbrechen als Ganzes betrachtet nahezu bedeutungslos.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von tarkomed »

Skeptiker hat geschrieben:(02 Dec 2019, 21:30)

Es gibt eine klar definierte Gruppe, die man Faschisten nennt - sie ist weltweit die gleiche und jedem wohl bekannt. Die Gruppe nennt sich "die Anderen". Demgegenüber sind "die Eigenen" grundsätzlich stramme Antifaschisten - notfalls mit faschistischen Mitteln.
Das ist eine stark polarisierte Ansicht. "Die Eigenen" können auch Demokraten sein und setzen ausschließlich demokratische Mittel ein, um den Faschismus zu bekämpfen. Und sie Bekämpfen auch diejenigen, die faschistische Mittel einsetzen, gleichgültig aus welcher Richtung.
Skeptiker hat geschrieben:(02 Dec 2019, 21:30)
Ich selber benutze den Begriff Faschismus relativ selten, eben weil er sehr unklar ist, aber andererseits als Etikett für alles verwandt wird, was verwerflich und menschenverachtend ist. Mir gefällt Totalitarismus als Begriff viel besser, weil der den Wesenskern des Phänomens besser beschreibt, der darin besteht, dass eine Geisteshaltung keinen Widerspruch duldet, stattdessen vollständigen Machtanspruch stellt. Diesen zu erhalten sind alle Mittel recht. Letztendlich verliert der Mensch neben der Ideologie seinen Wert und es kommt zu Gräueln. Die gefährlichen Abweichler müssen geeignet bekämpft werden - seien es Minderheiten durch äußere oder ethnische Merkmale, seien es Minderheiten in Auffassungen.
Auch der Totalitarismus wurde im faschistischen Italien von den Faschisten adaptiert und positiv belegt. Es ist das beliebte Spiel mit den Begriffen, als würde es etwas daran ändern, was sie in der Geschichte bewirkt haben. Faschismus, als inhaltsleerer Begriff, wäre bedeutungslos ohne Mussolini und Nationalsozialismus wäre als Wortkonstrukt auch harmlos, ohne das sogenannte Dritte Reich. So gesehen wäre es verharmlosend, die heutigen Neonazis als Faschisten zu bezeichnen, denn das, was sie bezwecken, ist viel gefährlicher als der italienische Faschismus.
Was der Kommunismus in der Sowjetunion, in China und anderswo angerichtet hat, ist hinlänglich bekannt und es macht ihn auch nicht schlimmer, wenn man ihn als linken Faschismus bezeichnet, aber es hilft, um vom historischen Faschismus, aber auch vom historischen Nationalsozialismus abzulenken.
Ich konzentriere mich lieber auf die Frage, warum es welchen wichtig ist, genau das zu tun. Oder noch hinterlistiger, alldiejenigen, die sich gegen Faschismus einsetzen, auch als Faschisten zu diffamieren.
Skeptiker hat geschrieben:(02 Dec 2019, 21:30)
In welcher Farbe die Peiniger daher kommen, ist dabei egal - sie sind alle Anhänger der gleichen Philosophie, die das Ideal über die Menschlichkeit stellt.
Nicht das Ideal. Die Ideologie.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Dark Angel
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:54)

Warum machst du überhaupt einen Thread auf, wenn du sofort bei einer Meinung, die nicht der deinen entspricht, die Diskussion abwürgst? :rolleyes:
Lies bitte den Threadtitel und den Eingangsbeitrag, dann erkennst Du vielleicht worum es geht - nämlich darum WAS Faschismus ist, was ihn ausmacht, wie man ihn erkennt - um Theorien und Erklärungen - um die Ideologie, die sich hinter diesem Begriff verbirgt und NICHT um Zuweisungen, NICHT um die AfD und auch NICHT um Höcke - un damit geht es eben auch NICHT darum, wen man - im Rahmen der freien Meinungsäußerung - als Faschist bezeichnen darf.
Erkennst Du den Unterschied?
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Selina
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Selina »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:44)

Und mit dem "Untergehen" benennen Sie auch das Problem. Das ergibt sich daraus, dass man heute keinesfalls Faschist sein kann, also ungeächtet sozusagen, aber man kann ungeächtet Kommunist sein. Herr Zizek schafft es auch ins bürgerliche Feuilleton, obwohl man ihm in Deutschland sogar Bücher hat kürzen lassen um ein paar Gewaltphantasien. Ein rechter Vordenker wie Alain de Benoist schafft es dagegen nicht. Kommunismus, und viel mehr noch Sozialismus, werden nicht als totalitäre Systeme wahrgenommen, Faschismus und Theokraten dagegen schon (obwohl es letztere noch eher ins bürgerliche Feuilleton schaffen würden).

Der Begriff "totalitär" taugt auch nur bedingt, Kollektivismus auch. So bleiben eben viele politische Ansätze heute mit irgendwelchen historischen Floskeln nur unzureichend beschrieben. Der Begriff Faschismus hat halt den Vorteil, dass er der einzige ist, der unumstritten ausschließlich negativ konnotiert ist. Und um neue Begriffe zu prägen, bräuchte man die entsprechende Macht hinter sich, dann geht das heutzutage ratzfatz.
Ja, das möchten einige liebend gerne, "eine entsprechende Macht hinter sich" haben, damit man heute wieder "ungeächtet Faschist sein kann". Das muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Selina »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:54)

Warum machst du überhaupt einen Thread auf, wenn du sofort bei einer Meinung, die nicht der deinen entspricht, die Diskussion abwürgst? :rolleyes:
Lass dich mal nicht irritieren. Selbstverständlich geht es in einem Faschismus-Thread auch um die aktuellen Faschisten. Das ist ja gerade der casus knacksus, dass heute schon wieder Leute ungehindert und unbehelligt einfach mal eben so Faschist sein dürfen. Und dafür - wie bei Höcke - wird ihnen noch Beifall gespendet. Wie im falschen Film. Nichts gelernt aus der Nazizeit, nichts.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:59)

Das halte ich für Deutschland allerdings für nachvollziehbar. So schlimm das Regime im Unrechtsstaat DDR auch war, gemessen an den Nazis waren deren Menschheitsverbrechen als Ganzes betrachtet nahezu bedeutungslos.
Die Geschichte dieser Verbrechen wurde allerdings auch niemals hinreichend aufgearbeitet, sich mit dem Holocaust nicht wirklich auseinander gesetzt.
Ja - der Genozid an Juden wurde verurteilt, wurde aber auch in seiner Bedeutung gegenüber dem kommunistischen Widerstandskampf marginalisiert und Juden als Opfer des Faschismus als "Opfer zweiter Klasse" dargestellt. Ihnen wurde keine Wiedergutmachung zuteil, im Gegenteil sie wurden ein zweites Mal enteignet und (überlebende)Juden, die der KPD oder SPD und später der SED angehörten, aber im westlichen Ausland im Exil lebten, waren Repressalien ausgesetzt
Eine gute, wenn auch recht lange Abhandlung beschreibt die Zustände und Methoden recht gut und sie passt i.w.S. sogar zum Thema. (ab Seite 50)
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(03 Dec 2019, 12:12)

Lass dich mal nicht irritieren. Selbstverständlich geht es in einem Faschismus-Thread auch um die aktuellen Faschisten. Das ist ja gerade der casus knacksus, dass heute schon wieder Leute ungehindert und unbehelligt einfach mal eben so Faschist sein dürfen. Und dafür - wie bei Höcke - wird ihnen noch Beifall gespendet. Wie im falschen Film. Nichts gelernt aus der Nazizeit, nichts.
Auch für DICH noch einmal: Es geht NICHT um Zuschreibungen, wer als Faschist betrachtet und eingeordnet wird, sondern darum WAS Faschismus ist, wie er entsteht, welche Ideologie zugrunde liegt, welche Gemeinsamkeiten die verschiedenen Erscheinungsformen aufweisen.
Dazu wurden insbesondere von User conscience und mir Quellen verlinkt.
Lies die Quellen, setze dich mit diesen sachlich und inhaltlich auseinander, statt irgendwelches Geschwätz von dir zu geben, was mit dem Thema nix zu tun hat!
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 11:59)

Das halte ich für Deutschland allerdings für nachvollziehbar. So schlimm das Regime im Unrechtsstaat DDR auch war, gemessen an den Nazis waren deren Menschheitsverbrechen als Ganzes betrachtet nahezu bedeutungslos.
Ja, nur ist halt der Nazi eine andere Ausprägung des Faschisten als der Falangist in Spanien oder Salarazist in Portugal. Nur deshalb kann man ja überhaupt die Frage nach dem Begriff des Faschismus stellen. Wäre Faschismus = Nazismus, würde sich wohl jede Unterhaltung erübrigen. Aber so einfach ist es nicht, wie auch die Geschichte der Bundesrepublik dann zeigt.

Ich greife meinen Punkt trotzdem noch einmal auf: Es gibt keine Zweifel beim NSU - aber kann man nun die RAF (alle Generationen) als faschistisch bezeichnen, oder läge man falsch? An welchen ideologischen Versatzstücken, wenn die innere Struktur und Verfasstheit, Psychologie und Methode keine Rolle spielen, macht man es fest? Lediglich am Völkischen, Nationalistischen und Führerprinzip? Reicht das dann aus, um den Faschismusbegriff zu definieren? Oder darf/sollte man ein paar typische machtstrukturelle und psychologische Konstanten einbeziehen, weil sie überall, also lagerübergreifend auftreten?
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 12:46)

Ja, nur ist halt der Nazi eine andere Ausprägung des Faschisten als der Falangist in Spanien oder Salarazist in Portugal. Nur deshalb kann man ja überhaupt die Frage nach dem Begriff des Faschismus stellen. Wäre Faschismus = Nazismus, würde sich wohl jede Unterhaltung erübrigen. Aber so einfach ist es nicht, wie auch die Geschichte der Bundesrepublik dann zeigt.

Ich greife meinen Punkt trotzdem noch einmal auf: Es gibt keine Zweifel beim NSU - aber kann man nun die RAF (alle Generationen) als faschistisch bezeichnen, oder läge man falsch? An welchen ideologischen Versatzstücken, wenn die innere Struktur und Verfasstheit, Psychologie und Methode keine Rolle spielen, macht man es fest? Lediglich am Völkischen, Nationalistischen und Führerprinzip? Reicht das dann aus, um den Faschismusbegriff zu definieren? Oder darf/sollte man ein paar typische machtstrukturelle und psychologische Konstanten einbeziehen, weil sie überall auftreten?
Genau das ist das Problem, viele der Erklärungsansätze greifen zu kurz bzw favorisieren monokausale Erklärungen.
Und genau da liegt auch das Problem derer, die bestimmten monokausale Erklärungsansätze folgen bzw diese als allgemeingültig betrachten. Andere Erklärungen werden ausgeblendet bzw als demagogisch, der "Sache nicht gerecht werdend" betrachtet.
Interessant in diesem Zusammenhang:

"In der Bundesrepublik wird der historische deutsche Faschismus meist »Nationalsozialismus« genannt, während der heutige Faschismus »Rechtsextremismus« heißt. Wer »Faschismus« sagt, macht sich vielerorts sofort linker Gesinnung verdächtig. Doch seit einigen Jahren verändert sich dieses Bild. Langsam aber sicher etabliert sich der Faschismusbegriff wieder in der wissenschaftlichen Fachdiskussion. Es waren vor allem Gelehrte aus dem angelsächsischen Sprachraum, die seit Ende der 60-er Jahre diese Entwicklung in Gang brachten.
In der antifaschistischen Bewegung in Deutschland, oft auch in der VVN-BdA, werden die neuen Ansätze jedoch wenig wahrgenommen. Der Grund für diese theoretische Lücke ist vermutlich, dass die neuen Faschismustheorien völlig andere Fragestellungen als die althergebrachten marxistischen Deutungen verfolgen. Marxistische Faschismustheorie ist auf den Faschismus als Form kapitalistischer Herrschaft fixiert.
Der ideologiekritische Schwerpunkt der neuen Faschismustheorien muss viele marxistisch geprägte Antifaschisten irritieren, weil diese die faschistische Ideologie häufig als schiere Absurdität oder als reine Demagogie abtun.
Die Dynamik des Faschismus als Bewegung lässt sich nur durch die Analyse seiner Ideologie verstehen.

Die neuen Faschismustheorien fassen den Faschismus vorwiegend als Radikalisierung nationalistischer oder auch religiöser Ideologien auf. Ebenso wenig wie der Faschismus selbst lassen sich Nationalismen oder Religionen lediglich als bloße Manipulation der Menschen im Interesse der Klassenherrschaft erklären. Vielmehr handelt es sich um Reflexe auf gesellschaftliche Verhältnisse, die mit Klasseninteressen zwar unlöslich verbunden, aber nicht unvermittelt aus ihnen abzuleiten sind."
Quelle
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von naddy »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 12:20)

Es geht NICHT um Zuschreibungen, wer als Faschist betrachtet und eingeordnet wird, sondern darum WAS Faschismus ist, wie er entsteht, welche Ideologie zugrunde liegt, welche Gemeinsamkeiten die verschiedenen Erscheinungsformen aufweisen.
Genau das habe ich mit diesem Beitrag versucht, scheint nicht angekommen zu sein.

Wir sollten hier keinen Historikerstreit über die früheren Erscheinungsformen des "Faschismus" führen, erstens kann man das nachlesen und zweitens fehlt dazu hier wohl das Fachpersonal. Deshalb empfehle ich die Verwendung der Bezeichnung "Faschistoid" für aktuelle Phänomene mit ähnlichen Strukturen und Tendenzen. Denn nur darum kann es gehen, wenn man sich mit Berechtigung als "Antifaschist" verstehen möchte. Posthum gegen Hitler und die Nazis zu sein ist keine Kunst, ähnliche Denkstrukturen im aktuellen politischen Diskurs aufzudecken und abzulehnen dagegen schon. Und da bleibe ich bei meinem schon erwähnten primären Kriterium eines "absoluten Wahrheitsanspruchs".

Übrigens sehr aufschlußreich, sich unter dieser Prämisse mal die Beiträge zu diesem Thema durchzulesen...
"Das gefährliche an der Dummheit ist, daß sie die dumm macht, die ihr begegnen." (Sokrates).
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

naddy hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:13)

Genau das habe ich mit diesem Beitrag versucht, scheint nicht angekommen zu sein.

Wir sollten hier keinen Historikerstreit über die früheren Erscheinungsformen des "Faschismus" führen, erstens kann man das nachlesen und zweitens fehlt dazu hier wohl das Fachpersonal. Deshalb empfehle ich die Verwendung der Bezeichnung "Faschistoid" für aktuelle Phänomene mit ähnlichen Strukturen und Tendenzen. Denn nur darum kann es gehen, wenn man sich mit Berechtigung als "Antifaschist" verstehen möchte. Posthum gegen Hitler und die Nazis zu sein ist keine Kunst, ähnliche Denkstrukturen im aktuellen politischen Diskurs aufzudecken und abzulehnen dagegen schon. Und da bleibe ich bei meinem schon erwähnten primären Kriterium eines "absoluten Wahrheitsanspruchs".

Übrigens sehr aufschlußreich, sich unter dieser Prämisse mal die Beiträge zu diesem Thema durchzulesen...
Bei mir ist das durchaus angekommen, bei "den üblichen Verdächtigen" allerdings nicht und ich fürchte, da wird es auch nicht ankommen, genauso wenig wie (von denen) verlinkte Quellen gelesen werden. :s

Ich denke jedoch dass die Gemeinsamkeiten, die die verschiedenen Erscheinungsformen des Faschismus

"Mit dem Begriff Faschismus werden eine Reihe von politischen Bewegungen und Systemen beschrieben, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden und charakteristische Gemeinsamkeiten besitzen: ausgeprägte Orientierung auf eine Führerperson, nationalistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung sowie ein gewalttätiger Wille zur Macht und Verherrlichung des Militärischen. Die faschistischen Bewegungen verstehen sich als Ideologien, denen es um eine weltanschauliche Gestaltung des Denkens und Handelns der Menschen geht. Das Volk wird als willenlose „Masse“ begriffen, die beliebig formbar ist."
Quelle


haben, heute durchaus noch relevant sind.
Soll das erneute Aufkeimen des Faschismus verhindert werden, muss man wissen und erkennen was Faschismus "auszeichnet" und genau dort auch ansetzen.
Eine diffuse Zuweisung aus einer bestimmten politischen Sichtweise heraus, ist da wenig hilfreich, weil Faschismus sowohl aus rechten, wie linken totalitären Gruppierungen erwachsen kann.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 12:46)


Ich greife meinen Punkt trotzdem noch einmal auf: Es gibt keine Zweifel beim NSU - aber kann man nun die RAF (alle Generationen) als faschistisch bezeichnen, oder läge man falsch? An welchen ideologischen Versatzstücken, wenn die innere Struktur und Verfasstheit, Psychologie und Methode keine Rolle spielen, macht man es fest? Lediglich am Völkischen, Nationalistischen und Führerprinzip? Reicht das dann aus, um den Faschismusbegriff zu definieren? Oder darf/sollte man ein paar typische machtstrukturelle und psychologische Konstanten einbeziehen, weil sie überall, also lagerübergreifend auftreten?
Wenn man alle Konstanten wie Gewalttätigkeit und Extremismus mit einbezieht, bräuchte es die Frage „was ist faschismus“ nicht. Dann wären eben alle Faschisten. Faschismus wird aber nunmal an Nationalismus, völkischem Denken und Führerprinzip festgemacht. An nichts sonst. Ein Antifaschist wird nicht zum Faschisten, nur weil er sich evt. dessen Mittel bedient, um seine Überzeugung unter die Leute zu bringen. Faschismus ist eine Einstellung, ein Gedankengut und keine Verhaltensweise.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Selina »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 06:19)

„Linksfaschismus (auch Linker bzw. Roter Faschismus oder Rot-Faschismus) ist ein politischer Kampfbegriff ohne einheitliche Bedeutung. Meist soll er realsozialistische Staaten, linksgerichtete Politik oder Ideologie als „Faschismus“, seltener auch Antikapitalismus faschistisch genannter Staaten oder Gruppen als „links“ bewerten. Die Politikwissenschaft verwendet den Begriff, anders als den Faschismusbegriff, nicht zur Beschreibung einer Ideologie oder Gesellschaftsordnung.

Italienische Demokraten bezeichneten damit seit 1926 den Stalinismus als eine mit dem damaligen italienischen Faschismus vergleichbare Diktatur. Vertreter der SPD bezeichneten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) seit etwa 1929 als „rotlackierte Faschisten“; umgekehrt kategorisierten Kommunisten die Sozialdemokratie als „Rotfaschismus“ oder „Sozialfaschismus“.

Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas warnte 1967 vor einem „linken Faschismus“ der APO, der eine Gewalteskalation fördern und rechtfertigen könne. Obwohl er dieses Urteil später zurückzog, diente der Begriff in der Bundesrepublik Deutschland meist zur Diffamierung linksgerichteter Gruppen und Parteien.[1] Er soll die von ihnen vertretene Politik, die sich oft als Antifaschismus legitimiert, ihrerseits als faschistisch, also antidemokratisch und gewaltorientiert, angreifen und delegitimieren. Er hat sich dabei zu einem beliebig eingesetzten Stereotyp entwickelt.[2] Das Wort wird ähnlich wie die Begriffe Anarchismus und Linksextremismus von Politikern, Behörden und Medien häufig mit Chaos, Gewalt, Terror und Kriminalität assoziiert. „Linksfaschisten“ werden als Gefahr für die innere Sicherheit dargestellt und so diffamiert.

Das ist auch der Tenor dieses Threads:
Wir erweitern die Definition und basteln uns einen Linksfaschisten

Faschisten waren und bleiben aber Hitler und Mussolini. Stalin war ein grausamer Diktator, aber kein Faschist.
Ja, genau. Die Definitionen und Erklärungen zu den Begriffen "Linksfaschismus" und Faschismus hatte ich ja auch an anderer Stelle bereits verlinkt. Hier nochmal:

https://de.wikipedia.org/wiki/Linksfaschismus

https://de.wikipedia.org/wiki/Faschismus

Und weil hier ja garantiert sofort wieder Wikipedia als Quelle und Quellensammlung angezweifelt wird, schon mal vorbeugend einen Text von mir über Wikipedia ;) :

https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 0#p4584876
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:29)

Wenn man alle Konstanten wie Gewalttätigkeit und Extremismus mit einbezieht, bräuchte es die Frage „was ist faschismus“ nicht. Dann wären eben alle Faschisten. Faschismus wird aber nunmal an Nationalismus, völkischem Denken und Führerprinzip festgemacht. An nichts sonst. Ein Antifaschist wird nicht zum Faschisten, nur weil er sich evt. dessen Mittel bedient, um seine Überzeugung unter die Leute zu bringen. Faschismus ist eine Einstellung, ein Gedankengut und keine Verhaltensweise.
Kann ich nicht ganz nachvollziehen, zumal ich auch von Methode und nicht von Verhaltensweise sprach.

Es gibt durchaus viele Beispiele, dass Kommunisten gute Faschisten wurden und Faschisten gute Kommunisten. Mit "gut" meine ich: ohne Bruch in der Einstellung, in der Wertung von anderen. Das fällt m.E. bei Ihrem Erklärungsmuster hier untern Tisch.

Nur zur Abstützung: Viele Neurechte kommen von links (und damit meine ich keine RAF-Spinner wie den Mahler), sondern eher einige der intellektuellen Köpfe unter den Älteren.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von BlueMonday »

Die Gedanken sind bekanntlich frei. Aber: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Sprich, an ihren Mitteln und was sie damit angerichtet haben.
Und natürlich geht es auch darum, wie eine Ideologie zu der Wahl der Mittel steht, ob sie "über Leichen geht". Der Pazifismus etwa definiert sich ja darüber, dass er Gewalt als Mittel ablehnt.

Oder so gefragt: was wäre das Problem an einem streng pazifistischen Faschismus? Wenn man das Gewaltmittel vom Faschismus nähme, bliebe kein nennenswerter Faschismus mehr übrig.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 12:46)

Ja, nur ist halt der Nazi eine andere Ausprägung des Faschisten als der Falangist in Spanien oder Salarazist in Portugal.
Für Deutschland relevant ist aber zuvorderst der Nazi.
Nur deshalb kann man ja überhaupt die Frage nach dem Begriff des Faschismus stellen.
Das ist richtig und ist im akademischen Umfeld sicher auch eine Diskussion wert, in einem Politikforum lässt sich die Frage mMn. nicht beantworten, sondern wird zwischen den meinungsstarken Rändern zerrieben, man sieht ja sehr schön, wie die Diskussion hier verläuft.
Wäre Faschismus = Nazismus, würde sich wohl jede Unterhaltung erübrigen.
Das hat ja auch niemand behauptet, aber die Menge "Nationalsozialismus" ist imho eine Teilmenge der Obermenge "Faschismus".
Ich greife meinen Punkt trotzdem noch einmal auf: Es gibt keine Zweifel beim NSU - aber kann man nun die RAF (alle Generationen) als faschistisch bezeichnen, oder läge man falsch?
MMn. liegt man falsch, wenn man die RAF als faschistisch bezeichnet. Welche Gemeinsamkeiten hat die RAF denn mit dem Faschismus, gibt es gemeinsame Ziele? Bei der Wahl der Methoden gab es anfänglich vllt. Überscheidungen, danach ist die RAF dann aber eher dazu umgeschwenkt, die "Eliten" zu terrorisieren.
Reicht das dann aus, um den Faschismusbegriff zu definieren?
Können wir das denn überhaupt? Ist man hier neutral genug, um diesen Begriff klar und eindeutig zu definieren? Ich glaube nicht. Das Feld der Faschismustheorie ist sehr groß und will von Wissenschaftlern beackert werden, die Komplexität des Themas erkennt man alleine schon daran, dass die entsprechenden Wikiartikel ellenlang sind, der Begriff Faschismus aber trotzdem irgendwie diffus bleibt.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von BlueMonday »

Wenn man nun auf den italienischen Urfaschismus schaut, dann war er eine gewaltbereite Reaktion auf gewaltsame Enteignungen/Besetzungen von Produktionsmitteln ("Biennio Rosso"). Also von der Idee war es ein Antikommunismus/Antisyndikalismus. Daraus hat sich dann noch mehr entwickelt freilich, ein korporatistischer, "third way" oder "middle of the road" Staatsansatz.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Selina »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:29)

Wenn man alle Konstanten wie Gewalttätigkeit und Extremismus mit einbezieht, bräuchte es die Frage „was ist faschismus“ nicht. Dann wären eben alle Faschisten. Faschismus wird aber nunmal an Nationalismus, völkischem Denken und Führerprinzip festgemacht. An nichts sonst. Ein Antifaschist wird nicht zum Faschisten, nur weil er sich evt. dessen Mittel bedient, um seine Überzeugung unter die Leute zu bringen. Faschismus ist eine Einstellung, ein Gedankengut und keine Verhaltensweise.
Die Mischung machts eben: Nationalismus, völkisches Denken, Führerprinzip plus Rassismus, Biologismus und Fremdenfeindlichkeit ergeben halt genau das Konglomerat, das Holocaust, Euthanasie "unwerten Lebens" und Weltkrieg zur Durchsetzung des Volk-ohne-Raum-Prinzips der Nazis erst möglich machte. Man beachte die faschistoide These: "...nach dem Gesetz, daß das fähigere Volk immer das Recht hat, die Scholle eines unfähigeren Volkes zu erobern und zu besitzen". Perfide. Das "fähigere Volk" vs das "unfähigere Volk" - faschistisches Herrenmenschentum reinsten Wassers.

Zitat:

Die Nationalsozialisten übernahmen das kolonialistische Schlagwort „Volk ohne Raum“, verorteten den Siedlungsraum statt in Übersee aber in Osteuropa. Dies sollte den deutschen Eroberungskrieg im Osten begründen bzw. legitimieren (es sollte ein Feldzug werden wie der Polenfeldzug und der Frankreichfeldzug; tatsächlich wurde es ein fast vier Jahre währender Krieg). Schon das Parteiprogramm der NSDAP vom 24. Februar 1920 enthielt unter Punkt 3 die Forderung: „Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses.“[1] Anfang 1936 umriss Reichsbauernführer Walther Darré vor regionalen Mitarbeitern (Fachberatern) des Reichsnährstandes recht konkret die deutschen Eroberungspläne:

„Der natürliche Siedlungsraum des deutschen Volkes ist das Gebiet östlich unserer Reichsgrenze bis zum Ural, im Süden begrenzt durch Kaukasus, Kaspisches Meer, Schwarzes Meer und die Wasserscheide, welche das Mittelmeerbecken von der Ostsee und der Nordsee trennt.In diesem Raum werden wir siedeln, nach dem Gesetz, daß das fähigere Volk immer das Recht hat, die Scholle eines unfähigeren Volkes zu erobern und zu besitzen.[...] Ein solches politisches Ziel muß auf den deutschen Bauernhöfen von Mund zu Mund weitergereicht werden, muß auf unseren Bauernschulen eine selbstverständliche Grundlage des Unterrichts sein. Dann wird auch eines Tages das Volk demjenigen Staatsmann folgen, der die sich ihm bietenden Möglichkeiten ergreift, um unserem Volke ohne Raum den Raum nach dem Osten zu öffnen.“[2]

https://de.wikipedia.org/wiki/Volk_ohne_Raum
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Troh.Klaus »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:17)
"Mit dem Begriff Faschismus werden eine Reihe von politischen Bewegungen und Systemen beschrieben, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden und charakteristische Gemeinsamkeiten besitzen: ausgeprägte Orientierung auf eine Führerperson, nationalistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung sowie ein gewalttätiger Wille zur Macht und Verherrlichung des Militärischen. Die faschistischen Bewegungen verstehen sich als Ideologien, denen es um eine weltanschauliche Gestaltung des Denkens und Handelns der Menschen geht. Das Volk wird als willenlose „Masse“ begriffen, die beliebig formbar ist."
Quelle


Soll das erneute Aufkeimen des Faschismus verhindert werden, muss man wissen und erkennen was Faschismus "auszeichnet" und genau dort auch ansetzen.
Eine diffuse Zuweisung aus einer bestimmten politischen Sichtweise heraus, ist da wenig hilfreich, weil Faschismus sowohl aus rechten, wie linken totalitären Gruppierungen erwachsen kann.
Wenn die zitierte Beschreibung stimmt, dann passt "faschistisch" zwar mit "totalitär" aber nicht mit "links" zusammen. Zumindest sind mir noch keine nationalistischen, antikommunistischen Linken unter gekommen.

Führerkult, antidemokratisch, antipluralistisch, das passt auf rechte wie linke (und religiöse) Extremismen, totalitäre Bestrebungen und Strukturen. Nationalistisch und links müssen sich auch nicht widersprechen (siehe z.B. die italienischen Wurzeln des Faschismus, zu denen auch revolutionäre Arbeiter-"Bünde" zählten). Bleibt eigentlich nur der Antikommunismus als Unterscheidungskriterium (was so ähnlich ja auch schon Tom Bombadil postuliert hat). Also Faschismus = antikommunistischer Totalitarismus.

Es gibt übrigens auch Wissenschaftler, die den deutschen Nationalsozialismus nicht zu den Erscheinungsformen des Faschismus zählen (möchten), da damit das "Alleinstellungsmerkmal" Holocaust nicht mehr gebührend berücksichtigt werde.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von naddy »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:52)

Welche Gemeinsamkeiten hat die RAF denn mit dem Faschismus, gibt es gemeinsame Ziele?
Selbstverständlich! Der Gesellschaft mit Terrormethoden die eigene Überzeugung aufzuzwingen. Reicht das nicht?

Ich habe mit Ideologen dieser Gattung mehr als eine Nacht über ihre schizophrene Sichtweise diskutiert.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:40)

Kann ich nicht ganz nachvollziehen, zumal ich auch von Methode und nicht von Verhaltensweise sprach.

Es gibt durchaus viele Beispiele, dass Kommunisten gute Faschisten wurden und Faschisten gute Kommunisten. Mit "gut" meine ich: ohne Bruch in der Einstellung, in der Wertung von anderen. Das fällt m.E. bei Ihrem Erklärungsmuster hier untern Tisch.

Nur zur Abstützung: Viele Neurechte kommen von links (und damit meine ich keine RAF-Spinner wie den Mahler), sondern eher einige der intellektuellen Köpfe unter den Älteren.
Dann nennen Sie bitte einen Neurechten, der von links kommt und seine Einstellung nicht geändert hat. Das geht garnicht.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Troh.Klaus hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:00)

Wenn die zitierte Beschreibung stimmt, dann passt "faschistisch" zwar mit "totalitär" aber nicht mit "links" zusammen. Zumindest sind mir noch keine nationalistischen, antikommunistischen Linken unter gekommen.

Führerkult, antidemokratisch, antipluralistisch, das passt auf rechte wie linke (und religiöse) Extremismen, totalitäre Bestrebungen und Strukturen. Nationalistisch und links müssen sich auch nicht widersprechen (siehe z.B. die italienischen Wurzeln des Faschismus, zu denen auch revolutionäre Arbeiter-"Bünde" zählten). Bleibt eigentlich nur der Antikommunismus als Unterscheidungskriterium (was so ähnlich ja auch schon Tom Bombadil postuliert hat). Also Faschismus = antikommunistischer Totalitarismus.

Es gibt übrigens auch Wissenschaftler, die den deutschen Nationalsozialismus nicht zu den Erscheinungsformen des Faschismus zählen (möchten), da damit das "Alleinstellungsmerkmal" Holocaust nicht mehr gebührend berücksichtigt werde.
Charakteristische Gemeinsamkeiten heißt nicht, dass immer und in jedem Fall alle genannten -ismen zutreffen müssen bzw es nicht -ismen gäbe, die nur einer Erscheinungsform des Faschismus eigen ist.
Genau das ist ja das Problem, einen genuinen Faschismusbegriff und Erklärungen zu finden, die auf alle Erscheinungsformen anwendbar sind.
Das Fehlen des einen "Anti-" und/oder Ersatz duch ein anderes "Anti-" bedeutet ja nicht, dass es sich in diesem spezellen Fall nicht um Faschismus handeln würde.
Faschismus = antikommunistischer Totalitarismus greift m.M.n. zu kurz, dann würde der stalinistische Kommunismus nicht so viele Gemeinsamkeiten mit dem Faschismus aufweisen - angefangen von den -ismen bis hin zu den Methoden.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Troh.Klaus »

Es fehlt vielleicht auch nur ein griffiger "Ismus" für den kommunistischen Totalitarismus.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

naddy hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:03)

Selbstverständlich! Der Gesellschaft mit Terrormethoden die eigene Überzeugung aufzuzwingen. Reicht das nicht?
Nein, das reicht mir nicht, um die RAF als faschistisch einzuordnen, die RAF wollte mW. keinen faschistischen Staat errichten.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:29)

Faschismus wird aber nunmal an Nationalismus, völkischem Denken und Führerprinzip festgemacht. An nichts sonst.
Genau DIESE Behauptung ist FALSCH!
Es gibt noch einiges mehr, wodurch Faschismus charakterisiert wird:
"...ausgeprägte Orientierung auf eine Führerperson, nationalistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung sowie ein gewalttätiger Wille zur Macht und Verherrlichung des Militärischen."
Quelle


Wurde bereits verlinkt, scheint aber nicht ins Weltbild zu passen.
Mit Ausnahme von antikommunistisch und ggf nationalistisch trifft die Charakterisierung der Eigenschaften des Faschismus auf rechts UND links zu.
Und damit wäre die Entstehung faschistischer Strukturen kein Alleinstellungsmerkmal der Rechten, sondern kann links genauso entstehen.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:10)

Dann nennen Sie bitte einen Neurechten, der von links kommt und seine Einstellung nicht geändert hat. Das geht garnicht.
Wenn man seine Einstellung wie ein Hemd wechseln kann oder wenn einem heute Erdbeereis besser schmeckt als Zitroneneis und umgekehrt, dann allerdings erklärt eine solche völlig entpsychogolisierte "Einstellung" doch eigentlich nichts. Was Sie als "Einstellung" bezeichnen, wäre dann lediglich das ideologische Gewand. Was wiederum nicht erklärt, warum man (um ein Extrembeispiel zu konstruieren) erst dem Arbeitgeberpräsidenten ins Genick schießt und dann dem Türken und jeweils beide Male aus "politischen" Gründen.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:19)

Nein, das reicht mir nicht, um die RAF als faschistisch einzuordnen, die RAF wollte mW. keinen faschistischen Staat errichten.
Die RAF war zwar eine linke Terrororganisation, aber nicht faschistisch.
Ihr fehlten wichtige Merkmale, wie Führerkult und gewalttätiger Wille zur Macht.
Die RAF strebte keine Macht an, sondern die Zerstörung jeglicher staatlicher Prinzipien und damit die Destabilierung der sozialen Ordnung.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Stoner »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:23)

Genau DIESE Behauptung ist FALSCH!
Es gibt noch einiges mehr, wodurch Faschismus charakterisiert wird:
"...ausgeprägte Orientierung auf eine Führerperson, nationalistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung sowie ein gewalttätiger Wille zur Macht und Verherrlichung des Militärischen."
Quelle


Wurde bereits verlinkt, scheint aber nicht ins Weltbild zu passen.
Mit Ausnahme von antikommunistisch und ggf nationalistisch trifft die Charakterisierung der Eigenschaften des Faschismus auf rechts UND links zu.
Und damit wäre die Entstehung faschistischer Strukturen kein Alleinstellungsmerkmal der Rechten, sondern kann links genauso entstehen.
Ich zitiere mal zur Info noch die Zusammenfassung aus dem verlinkten Artikel:
Alle Theorien über Faschismus – und es gibt zu jeder wiederum eine Vielzahl von Varianten – haben ihre Stärken und Schwächen. Jede erfaßt einen gewissen Aspekt des Faschismus, keine ist bisher in der Lage, den Faschismus insgesamt hinreichend zu erklären. Aber auch eine einfache Mischung der Theorien macht keinen Sinn, weil ihre Ansätze zu inkohärent sind. Man sollte die Faschismuskonzeptionen daher vor allem als Fragestellungen verstehen, als Forschungsansätze, die bestimmte Problemlagen zu klären helfen. In diesem Kontext ist die Frage nach dem Verhältnis des Faschismus zur modernen Gesellschaft besonders bedeutend. Denn von der Frage, ob es sich beim Faschismus um ein abgeschlossenes historisches System handelt oder um ein – wenigstens in manchen Aspekten – modernes Phänomen, hängt es ab, wie weit der Faschismus oder faschistische Denkstile auch künftig eine reale Gefahr für die Gesellschaft darstellen.
(Ansonsten scheint mir "faschistoid" schon eine Vokabel, mit der man, wenn auch äußerst sparsam, schon arbeiten kann.)
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Dark Angel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:23)

Genau DIESE Behauptung ist FALSCH!
Es gibt noch einiges mehr, wodurch Faschismus charakterisiert wird:
"...ausgeprägte Orientierung auf eine Führerperson, nationalistische, antikommunistische, antidemokratische und antipluralistische Einstellung sowie ein gewalttätiger Wille zur Macht und Verherrlichung des Militärischen."
Quelle


Wurde bereits verlinkt, scheint aber nicht ins Weltbild zu passen.
Mit Ausnahme von antikommunistisch und ggf nationalistisch trifft die Charakterisierung der Eigenschaften des Faschismus auf rechts UND links zu.
Und damit wäre die Entstehung faschistischer Strukturen kein Alleinstellungsmerkmal der Rechten, sondern kann links genauso entstehen.
Bei einem Linken/ Kommunisten treffen auch die Merkmale Führerkult, Nationalismus und Verherrlichung des Militärischen nicht zu. Dein Link bestätigt also voll meine Meinung. Danke schön :)
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Selina »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:10)

Dann nennen Sie bitte einen Neurechten, der von links kommt und seine Einstellung nicht geändert hat. Das geht garnicht.
Doch, leider geht das. Und da die AfD nun mal der Kern der Neuen Rechten in Deutschland ist, kann man diese Prozesse gut anhand der Wählerwanderungen sehen. Die größte Anzahl der "Wechsler" kommt von den Christdemokraten und den Sozialdemokraten, aber auch von den Linken wanderten etliche Leute hinüber nach Rechtsaußen. Wenn man im Falle von Höcke, Urban und anderen Flügel-Menschen getrost und per Gerichtsurteil von Faschisten und Neonazis reden kann, so sieht das bei den Wählern schon etwas anders aus. Bei ihnen sollte man schon genau hinschauen, welche Gründe sie für ihre ganz persönliche Rechtsdrift haben und sie nicht pauschal Faschisten und Nazis nennen. Da sind sicher etliche darunter, aber bei weitem nicht alle. Die Frage wäre nur, warum läuft man als halbwegs aufgeklärter und vernünftiger Mensch Faschisten hinterher. Die Frage stand schon 1933.
Zuletzt geändert von Selina am Di 3. Dez 2019, 14:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:30)

Ich zitiere mal zur Info noch die Zusammenfassung aus dem verlinkten Artikel:



(Ansonsten scheint mir "faschistoid" schon eine Vokabel, mit der man, wenn auch äußerst sparsam, schon arbeiten kann.)
Können Sie mir nun einen Neurechten nennen, der von links kommt und seine Einstellung nicht geändert hat?
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Selina hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:33)

Doch, leider geht das. Und da die AfD nun mal der Kern der Neuen Rechten in Deutschland ist, kann man diese Prozesse gut anhand der Wählerwanderungen sehen. Die größte Anzahl der "Wechsler" kommt von den Christdemokraten und den Sozialdemokraten, aber auch von den Linken wanderten etliche Leute hinüber nach Rechtsaußen. Wenn man im Falle von Höcke, Urban und anderen Flügel-Menschen getrost und per Gerichtsurteil von Faschisten und Neonazis reden kann, so sieht das bei den Wählern schon etwas anders aus. Bei ihnen sollte man schon genau hinschauen, welche Gründe sie für ihre ganz persönliche Rechtsdrift haben und sie nicht pauschal Faschisten und Nazis nennen. Da sind sicher etliche darunter, aber bei weitem nicht alle. Die Frage wäre nur, warum läuft man als halbwegs aufgeklärter und vernünftiger Mensch Faschisten hinterher. Die Frage stand schon 1933.
Auch ein Wechsler hat seine Einstellung geändert. Zu sagen: „Ich bin links und wähle die AfD“ ist wenig glaubwürdig.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Tom Bombadil »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:31)

Bei einem Linken/ Kommunisten treffen auch die Merkmale Führerkult, Nationalismus und Verherrlichung des Militärischen nicht zu.
Um zu erkennen, dass das falsch ist, braucht man sich nur sozialistische Militärparaden in Ost-Berlin, Moskau, Peking oder Pjöngjang anzusehen: der große Führer winkt dem jubelnden und Nationalflaggen schwenkenden Volk zu, während das Militär im Stechschritt vorbei paradiert.
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Troh.Klaus »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:31)
Bei einem Linken/ Kommunisten treffen auch die Merkmale Führerkult, Nationalismus und Verherrlichung des Militärischen nicht zu. Dein Link bestätigt also voll meine Meinung. Danke schön :)
Was ist mit Lenin, Stalin, Mao? Mit Schiwkow oder Ceausescu? Mit den Kims in Nordkorea? Kein Führerkult? Oder keine Linken? Oder keine Kommunisten?
Was ist mit den Militärparaden in den Staaten des Warschauer Pakts? Was mit Uniformierung, mit staatlicher "Wehrerziehung" schon in der Schule? Keine Verherrlichung des Militärischen?
Oder war der real existierende "Sozialismus" kein Kommunismus, sondern nur maskierter Faschismus?
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von schokoschendrezki »

naddy hat geschrieben:(02 Dec 2019, 21:48)

Wie sich der "historische" Faschismus seit Mussolini präsentierte kann jeder nachlesen.
Früher noch als Mussolini kann man die kurzzeitige "Italienische Regentschaft am Quarnero" in Fiume (heute Rijeka in Kroatien) 1920 unter dem Schriftsteller d'Annunzio als prototypischen faschistischen Kleinstaat ansehen. Noch vermischt mit anarchosyndikalistischen und demokratischen Elementen. Aber das ganze Theatralische und Ritualisierte des Faschismus war dort bereits voll entwickelt. Die Phantasieuniformen und Massenspektakel. Wie auch die grundsätzliche Idee des "Übermenschen".

Die sozialistischen Militär-Paraden in Ost-Berlin oder Moskau waren, wenn überhaupt, ein sehr sehr schwacher Abglanz dieses furiosen Politspektakels.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:31)

Bei einem Linken/ Kommunisten treffen auch die Merkmale Führerkult, Nationalismus und Verherrlichung des Militärischen nicht zu. Dein Link bestätigt also voll meine Meinung. Danke schön :)
Aber natürlich trifft Führerkult und Verherrlichen des Militärischen auch auf Linke und Kommunisten zu und wie das zutrifft.
Das zu leugnen muss man schon ziemlich blind sein.
Vor allem trifft das zu:
"Das Volk wird als willenlose „Masse“ begriffen, die beliebig formbar ist." bzw beliebig umerzogen kann und werden soll, um den "neuen Menschen" zu formen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von odiug »

BlueMonday hat geschrieben:(03 Dec 2019, 13:57)

Wenn man nun auf den italienischen Urfaschismus schaut, dann war er eine gewaltbereite Reaktion auf gewaltsame Enteignungen/Besetzungen von Produktionsmitteln ("Biennio Rosso"). Also von der Idee war es ein Antikommunismus/Antisyndikalismus. Daraus hat sich dann noch mehr entwickelt freilich, ein korporatistischer, "third way" oder "middle of the road" Staatsansatz.
Antisyndikalismus im Zusammenhang mit dem italienischen Faschismus ist falsch.
Es gibt sogar einen eigenen WIKI Artikel, der das faschistische Wirtschaftssystem unter Mussolini beschreibt: https://en.wikipedia.org/wiki/Fascist_syndicalism
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Bartleby hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:30)

Ich zitiere mal zur Info noch die Zusammenfassung aus dem verlinkten Artikel:



(Ansonsten scheint mir "faschistoid" schon eine Vokabel, mit der man, wenn auch äußerst sparsam, schon arbeiten kann.)
Nein, ich denke nicht, dass es sich beim Faschismus um ein abgeschlossenes historisches System handelt, sondern dass der jederzeit unter bestimmten gesellschaftlichen Gegebenheiten wieder entstehen kann.
Gegen den Begriff "faschistoid" habe ich insofern nichts einzuwenden, als dieser auf bestimmte Tendenzen hindeutet, die ein Wiederentstehen von Faschismus beschreiben bzw eine Vorform des Faschismus.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Ammianus »

Troh.Klaus hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:46)

Was ist mit Lenin, Stalin, Mao? Mit Schiwkow oder Ceausescu? Mit den Kims in Nordkorea? Kein Führerkult? Oder keine Linken? Oder keine Kommunisten?
Was ist mit den Militärparaden in den Staaten des Warschauer Pakts? Was mit Uniformierung, mit staatlicher "Wehrerziehung" schon in der Schule? Keine Verherrlichung des Militärischen?
Oder war der real existierende "Sozialismus" kein Kommunismus, sondern nur maskierter Faschismus?
Hier rennt ja auch einer durch die Gegend, der die kommunistische Diktatur in der DDR als rechts bezeichnete.
Für mich die 180-Grad-Wendung von der Behauptung, die NSDAP wäre eigentlich links gewesen.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Ammianus »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:31)

Bei einem Linken/ Kommunisten treffen auch die Merkmale Führerkult, Nationalismus und Verherrlichung des Militärischen nicht zu. Dein Link bestätigt also voll meine Meinung. Danke schön :)
Soldaten sind vorbeimarschiert
Im gleichen Schritt und Tritt.
Wir Pioniere kennen sie
Und laufen fröhlich mit,
Gute Freunde, gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.

Sie schützen unsre Heimat
Zu Land, zur Luft und auf der See,
Sie schützen unsre Heimat
Zu Land, zur Luft und auf der See.
Gute Freunde, gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.

Der Hauptmann; der den Zug anführt,
Den kennen wir genau.
Vor Jahren stand als Maurer er
Bei uns noch auf dem Bau.
Gute Freunde, gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.

Ein Leutnant führt den zweiten Zug
Mit fröhlichem Gesicht.
Als Lehrer gab er früher uns
Den schönsten Unterricht.
Gute Freunde, gute Freunde,
Gute Freunde in der Volksarmee.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Diestel »

Tom Bombadil hat geschrieben:(03 Dec 2019, 14:44)

Um zu erkennen, dass das falsch ist, braucht man sich nur sozialistische Militärparaden in Ost-Berlin, Moskau, Peking oder Pjöngjang anzusehen: der große Führer winkt dem jubelnden und Nationalflaggen schwenkenden Volk zu, während das Militär im Stechschritt vorbei paradiert.
Militärparaden finden in jedem Land statt. Sogar in Deutschland. Das hat nichts mit Verherrlichung des Militarismus zu tun.
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Dark Angel
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Re: Was ist Faschismus?

Beitrag von Dark Angel »

Diestel hat geschrieben:(03 Dec 2019, 15:29)

Militärparaden finden in jedem Land statt. Sogar in Deutschland. Das hat nichts mit Verherrlichung des Militarismus zu tun.
In dem verlinkten Artikel steht auch nix von "Verherrlichung des Militarismus", sondern von Verherrlichung des Militärischen.
Zwischen Militär und Militarismus besteht ein himmelweiter Unterschied.
Man sollte schon fähig sein zwischen beidem zu unterscheiden, statt es miteinander zu verschwurbeln.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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