BlueMonday hat geschrieben:(24 Nov 2021, 13:52)
Und du meinst nun, dieses Geld würde generell "fehlen" und müsse 1:1 zusätzlich emittiert werden, damit dann was bewirkt wird? Wer und auf welche Weise bekommt dieses frische Geld? Der CO2-Emittent, damit er seine Zertifikate bezahlen kann?
Nein - das meine ich nicht.
Stell dir mal die Wasserleitungen in deinem Haus vor. Wenn du den Wasserhahn aufdrehst, läuft sofort Wasser raus. Wenn du nun hingehst, und die Wasserrohre bis zu deinem Wasserhahn um 100m verlängerst, läuft noch immer sofort Wasser aus dem Hahn, wenn du den aufdrehst.
Scheinbar ist nichts anders - und doch hat sich was verändert. Die Wassermenge, die du brauchst um das System zu betreiben, hat sich deutlich erhöht - weil auch in den 100m zusätzlichen Leitungen permanent Wasser drin ist.
Mit Systemveränderungen wie beispielsweise der CO2-Bepreisung verlängern wir quasi die Wasserrohre - was die notwendige Geldmenge erhöht, ohne dass sich was am System als solches verändert.
Systemveränderungen dieser Art hatten wir über die letzten 80 Jahre relativ viele. Wenn Jobs, die früher einfach ausserhalb des Geldkreislaufs gemacht wurden, inzwischen in diesen integriert ablaufen - dann braucht es mehr Geld im System, damit das System als Ganzes läuft. Beispielfelder für solche Jobs finden sich im Bereich der Dienstleistungen haufenweise. Kindergärtnerinnen, Pflegeberufe, ... ... ... man kann auch pauschal sagen, dass durch die stärker arbeitsteilige Wirtschaft mehr am Wirtschaftskreislauf beteiligt sind, als dies früher der Fall war. Allein um diese Arbeitsteiligkeit innerhalb des Geldkreislaufs zu verwalten, braucht es eine größere Geldmenge.
Das gilt erst mal, wenn man die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant hält. Verändert man auch diesen Parameter, ändert sich nochmals viel. Mit einer höheren Umlaufgeschwindigkeit sollte man theoretisch weniger Geld brauchen.....
Also: Wie viel Geld das Wirtschaftssystem als solches braucht, ohne dass das Geld in seiner Bezahlfunktion aktiviert wird - das ist eine Größe, die unter anderem von der Komplexität des Wirtschaftssystems in Gänze mit bestimmt wird.
Meine Frage geht nun dahin: Dass die systemisch benötigte Geldmenge je nach Komplexität des Wirtschaftssystems und je nach Umlaufgeschwindigkeit des Geldes variiert, liegt für mich auf der Hand. Wenn man nun ein Geldsystem annimmt, bei dem die Geldmenge per Definition konstant ist, dann ist dieses Geldsystem nicht sonderlich anpassungsfähig bezüglich der benötigten Geldmenge bei Veränderungen des Wirtschaftssystems.
Insofern stellt sich die Frage, ob ein Geldsystem mit einer konstanten Geldmenge wirklich für eine relativ volatile Wirtschaft geeignet ist, oder ob es dann zu Geldwertveränderungen sowohl in Richtung Inflation wie auch Deflation kommen könnte, die destruktiv wirken. Es geht also um die Frage, ob ein Geldsystem basierend auf einer konstanten Geldmenge wirklich für unsere aktuelle Wirtschaft geeignet wäre.
Die Frage ist nicht nur theoretischer Natur - der Bitcoin beispielsweise ist als Währung so angelegt, dass es eine wohl definierte mögliche Gesamtmenge an Geld gibt - würde man die Weltwirtschaft also zu 100% auf Bitcoin umstellen, hätten wir genau eine Währung, deren Geldmenge (auf lange Sicht) konstant ist. Ich vermute in der Konstanz der Geldmenge eher ein Problem - weshalb ich das Geldsystem, wie wir es beim Euro/Dollar etc. kennen, einem Geldsystem vorziehe, wie es der Bitcoin sein könnte. Ich würde beim Bitcoin erwarten, dass dieser permanent starken Schwankungen im Geldwert unterworfen wäre, weil die Geldmenge eben nicht floaten kann. Insofern neige ich zur These, dass Systeme mit konstanter Geldmenge tendenziell für ein modernes Wirtschaftssystem weniger geeignet sind, als die bestehenden Währungen wie der Euro, die die Geldmenge bewusst variabel gestalten.
Ich habe hier aber keine abschließende Meinung, sondern nur eine Arbeitsthese - weshalb ich die Frage gerne zur Diskussion gebe.