Sträflingskolonien wieder einführen?

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Mithrandir
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Mithrandir »

lamb of god hat geschrieben:Kommen wir vielleicht mal zu der Frage warum es sowas bei uns nicht gibt. Nun kann man das Ganze ja benennen und einrichten wie man will, es werden aber trotzdem sofort einige aufspringen und KZ rufen. Genau deswegen wird es sowas auch in den nächsten Jahren, zumindest offiziell, nicht geben.
Unter anderem wegen verschiedener denkbarer Formen der Kritik hatte ich vorgeschlagen, die Teilnahme ersteinmal auf freiwilliger Basis stattfinden zu lassen.
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Jürgen Meyer
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Jürgen Meyer »

Mithrandir hat geschrieben: So ein Unsinn, hier mal Zahlen:


(Quelle)
Das sind über 700 € Personalkosten pro Monat.
Aufgrund einerseits des geringeren Personalbedarfs in einer Strafkolonie und andererseits des niedrigeren Lohnniveaus vor Ort sollte es problemlos möglich sein, die Personalkosten auf die Hälfte zu senken. D. h. schon bei einer Haftzeit von 3 Monaten und Transportkosten von 1000 € würde sich die Sache finanziell lohnen. Konzeptionell zielt so eine Einrichtung aber eher auf für längere Zeit inhaftierte Personen.
Die eigentlichen Transportkosten dürften sogar noch günstiger ausfallen, Hin- und Rückflug nach China z. B. sind schon für 500 € zu haben. Im Fall einer Strafkolonie wäre der Staat allerdings Großkunde einer Fluggesellschaft und könnte optimale Auslastung garantieren. Dazu kommen allerdings noch die Kosten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitspersonal an Bord der Maschinen.

Welcher Gefangene würde es nicht vorziehen, z. B. in Namibia beim Bau einer Eisenbahn zu helfen, an der frischen Luft zu sein, etwas von der Welt, von einem fremden Land zu sehen und am Wochenende sich frei innerhalb der Kolonie bewegen zu können, anstatt in einer engen, tristen deutschen Gefängniszelle eingesperrt zu sein.

Ostdeutschland ist aufgrund der Fluchtmöglichkeiten und des hohen Niveaus von Löhnen und Lebenshaltung übrigens alles andere als geeignet.

Das ist allein dehalb völliger Humbug, weil es dem Nationalstaatsprinzip widerspricht
und es zu einer doppelten Verurteilung kommen würde

Einmal Knast und zudem Abschiebung ins Ausland
Das ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar und es müssten alle Gefangenen mit demselben Deliktvergehen ins Ausland verbracht werden
Bundestagswahl 2009 - PF : Linke 26 % (42 Stimmen ), FDP 17 % (27), Neonazis 17 % (27), MLPD 0 %, Wahlboykotteure 7 % ( 11) , CDU/CSU 11 % (18), SPD 8 % (13), GRÜNE 4 % (6), Sonstige 11% (17), TTl 161 Stimmen
http://www.politik-forum.eu/viewtopic.p ... 24#p676524
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Derjohnkiwi_alt
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Derjohnkiwi_alt »

Mithrandir hat geschrieben: Unter anderem wegen verschiedener denkbarer Formen der Kritik hatte ich vorgeschlagen, die Teilnahme ersteinmal auf freiwilliger Basis stattfinden zu lassen.
Mann könnte noch zusätzlich anreize schaffen zb. Streichung aus dem Strafregister und so weiter :idea: (Ausgenommen Mörder und Sexualstraftäter versteht sich oder ;) )
Gammel

Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Gammel »

und wie so oft hat die APPD mit der Idee der gefangenenerlebnisparks auch hier schon lange ein tragfähiges Konzept in der Schublade (oder irgendwo in dem Stapel papier neben dem Bier)

im Ernst - das Problem ist doch das wenn man die Kolonie hat man ja entweder auch für die kontrolle sorgen muss so das die Kosten kaum geringer werden - ja eventuell sogar höher liegen als hier - man denke nur an die aufsicht die sich ja zu einem teil wenigstens aus leuten zusammensetzen muss die auch aus der gegend hier stammen um eine vernünftige komunikation zu gewährleisten - die aber werden kaum für weniger arbeiten und das wiederum wird sich auf die moral bzw. bestechlichkeit der anderen Wächter auswirken

oder eben sich das ganze sich selbst überlassen bleibt und somit die kontrolle über das lager schnell in der hand einzelner liegt was ja auch nicht sinn der Sache sein kann wenn wir uns an unseren zivilisatorischen errungenschaften orientieren wollen

klingt zwar gut aber an der umsetzung dürfte das ganze scheitern
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Mithrandir
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Mithrandir »

Gammel hat geschrieben:im Ernst - das Problem ist doch das wenn man die Kolonie hat man ja entweder auch für die kontrolle sorgen muss so das die Kosten kaum geringer werden - ja eventuell sogar höher liegen als hier - man denke nur an die aufsicht die sich ja zu einem teil wenigstens aus leuten zusammensetzen muss die auch aus der gegend hier stammen um eine vernünftige komunikation zu gewährleisten - die aber werden kaum für weniger arbeiten
Die Lohnkosten können durchaus niedriger angesiedelt sein. Die Bewachung muss nicht derart intensiv sein. Wenn man z. B. in Namibia in einer Wüsten-Region ist, kann man, falls jemand so doof ist, einen Fluchtversuch zu wagen ihn mit Infrarot-Kameras in der Wüste aufspüren. Damit derjenige seine Doofheit spürt, kann man ein bisschen warten bis man ihn zurückholt, bzw. die namibische Polizei verständigen und um Hilfe bitten, damit derjenige bis endlich dieser ganze Papierkram geklärt ist, noch ein paar Tage ein namibisches Gefängnis von innen sehen kann....
Und natürlich werden einheimische Sicherheitskräfte für weniger arbeiten. Schließlich sind die Lebenshaltungskosten wesentlich geringer. Möglicherweise müssen bestimmte Aufgaben von Beamten übernommen werden, das ist in einem Gefängnis aber nur ein Teil der Aufgaben. Die Leute die z. B. kochen oder medizinische Untersuchungen durchführen, müssen keine Beamten sein. Abgesehen davon ist es durchaus möglich, eine an die Gegebenheiten angepasste Besoldung vorzunehmen.
Jürgen Meyer hat geschrieben:Das ist allein dehalb völliger Humbug, weil es dem Nationalstaatsprinzip widerspricht
Warum denn? Selbst wenn es eine Vorschrift gibt, dass Gefangene auf deutschem Boden unterzubringen sind, kann man durch Pacht eine Sträflingskolonie auf deutschem Boden haben.
Jürgen Meyer hat geschrieben:und es zu einer doppelten Verurteilung kommen würde

Einmal Knast und zudem Abschiebung ins Ausland
Das ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar und es müssten alle Gefangenen mit demselben Deliktvergehen ins Ausland verbracht werden
Es gibt auch unterschiedlich gute Gefängnisse in Deutschland. Die alle völlig gleich zu machen, geht nicht. Abgesehen davon: Ich hatte vorgeschlagen, das auf freiwilliger Basis einzuführen.
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ToughDaddy
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von ToughDaddy »

Anscheinend weiß man wohl noch nicht, wen man dort hinschickt.

Wenn es nur jene in Sicherheitsverwahrung sind, dann lohnt es sich finanziell überhaupt nicht, weil die JVA's weiterhin hier vorhanden sind mit ihren Kosten. Wegen 2-3 Leuten sinken da nicht plötzlich die Kosten. Nein es kommen noch Kosten für die Anlage hinzu.

Und bei anderen dürfte wohl das GG dem entgegenstehen.

Mehr als freiwillig geht nicht, meiner Ansicht nach, wegen Besuchsmöglichkeiten usw. Und dann sinken die Kosten nicht, sondern steigen sogar. :hat:
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aloa5
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von aloa5 »

Dazu Zahlen aus Baden-Württemberg. Dort entstanden im Jahr 2004 über 100Mio. Euro Haftkosten für 8.500 Gefangene im Jahresdurchschnitt. Sie verbüßten über 1,5 Mio. Hafttage. Pro Gefangener wurden also durchschnittlich 11.000
Euro aufgewendet.Auf die Personalkosten entfielen mit knapp 82 Mio. Euro über 80 Prozent der Haftkosten. Die Sachkosten, zum Beispiel Verpflegung und medizinische Versorgung, machten 17 Prozent aus.
hihi... und wo soll das Problem liegen? 8500 x weniger Hartz IV-Kosten zzgl. weniger Arbeitslose durch die Wärter im Staatsdienst.

Abgesehen davon - die Briten machen das ja schon seit geraumer Zeit. Mr. Toni Blair und seine Überwachungs-Maschinerie hat ja nicht nur dafür gesorgt das die 3x so hohen Straffälligkeits-Zahlen wie bei uns sich halbiert haben (sind nur noch 1,5 Mal so hoch glaube ich), sondern auch, das sich die Anzahl der Häftlinge ver-1,5-facht hat. Die Briten haben imho mehr Häftlinge als wir... bei 20mio weniger Einwohnern.

Also - wohin damit, wo doch schon alle Gefängnisse - und vor allem Jugendgefängnisse überfüllt sind auf der Insel. Also ´rauf auf eine Queen Mary mit Gittern. Die Briten schippern ihre unbelehrbaren sozusagen auf "mobilen Sträflingskolonien" durch die Gegend. Denn überwachen/verpflegen muss man die ja auch dort - sonst bauen die sich Flöße und kommen als Wikinger wieder auf eine Nachbar-Insel.

Vom ernsten Ulk-Faktor einmal abgesehen halte ich es für rechtlich nicht durchführbar. Das ginge nur mit einer (nicht existenten) deutschen exklave. Deportationen ins Ausland sind sicher nicht vom GG gedeckt.

Außerdem wäre auch das nur für Sicherheits-Verwahrte (und nicht kranke) machbar, denn im deutschen Strafrecht gilt imho der Grundsatz der Wiedereingliederung, Sozialisierung usw. welches sich mit Kolonien (Exklaven unter Fremdverwaltung) nicht vereinbaren ließe.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheit ... #Statistik
Es beträfe somit 375 Gefangene. Das lohnt nicht einmal aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten - zumal das keine gesunde sein müssen.

Rundum:
Das ist imho weder rechtlich noch wirtschaftlich und schon gar nicht aus menschlichen Gesichtspunkten vertretbar und machbar.

Grüße
ALOA
Human ist, was dem Menschen entspricht - nicht was er in lichten Stunden gerne hätte.

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Dampflok94
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Re: Sträflingskolonien wieder einführen?

Beitrag von Dampflok94 »

Das dürfte auch staatsrechtlich schwierig werden. Strafvollzug ist ein hoheitlicher Akt. Der ist nicht so einfach ins Ausland zu verlegen. Da ergeben sich vielfältige Probleme.

Wer darf die Bewachung übernehmen? Deutsche Beamte? Eine private Gesellschaft aus dem betroffenen Land mit Einheimischen? Staatsangestellte des betreffenden Landes? Jeder dieser Lösungen birgt Probleme.
Leute kauft mehr Dampflokomotiven!!!
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