Skull hat geschrieben:(18 Sep 2021, 16:28)
Zum Thema Kinderarbeit muss man ja nichts schreiben.
Aber es wäre interessant zu erfahren, warum genau DAS das oben von Dir thematisierte…zu MEHR Wohlstand führte.
Ursache Wirkung, der konkrete Zusammenhang.
Das ab ca. 1850 die grosse Industrialisierung begann ist ja ein ganz anderes Thema
und mit entsprechender Auswirkung auf Wohlstand.
Also, lege mal dar, was zwischen 1840 und 1850 passierte.
Zum Thema Kinderarbeit. Und die Auswirkung auf den Wohlstand in dieser Zeit.
Danke.
mfg
Ich wollte hier keine Diskussion über Preußen als Initiator einer Sozialgesetzgebung in Deutschland beginnen. Deshalb ist mir der Zeitraum zwischen 1840 und 1850 letztlich vollkommen egal. In dem Zeitraum hat es lediglich erstmals in Deutschland Maßnahmen gegeben, die als "unternehmensfeindlich" betrachtet werden müssen. Ich hatte das als EIN Beispiel angeführt und darauf verwiesen, dass in den folgenden beinahe 200 Jahren viele, viele weitere Maßnahmen erfolgt sind, die unternehmerischem Handeln Schranken angelegt haben. Diese Schranken können sehr wohl als "unternehmensfeindliche" Maßnahmen verstanden werden.
Um bei der Kinderarbeit zu beginnen:
Insbesondere im Bergbau waren Kinder aus Sicht der Unternehmer mal sehr geschätzte Arbeitnehmer, weil diese "Beschäftigten" so schön klein waren und auch in sehr engen Schächten arbeiten konnten. Für die Arbeitgeber war es betriebswirtschaftlich sinnvoll, Kinder im Bergbau zu "beschäftigen". Volkswirtschaftlich betrachtet, war es eine Katastrophe, weil so viele Kinder sich bei der Arbeit schwer verletzt haben und invalid wurden. Das hat der Volkswirtschaft geschadet. Das Verbot der Kinderarbeit hat der Volkswirtschaft also letztlich genutzt, weil dadurch verhindert wurde, dass der Volkswirtschaft die Arbeitskraft vieler junger Menschen erhalten geblieben ist. Das führte zu mehr Wohlstand.
Nehmen wir als weiteres Stichwort das Thema Arbeitszeit:
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war und ist es für Arbeitgeber sinnvoll, wenn Arbeitnehmer täglich möglichst lange arbeiten (und dafür möglichst wenig Lohn bekommen). Deshalb mussten während der industriellen Revolution die Menschen bis zu 15 Stunden täglich schuften und haben dafür Hungerlöhne bekommen, die mit viel Mühe gerade ihr Überleben sichern konnten. Es blieb nichts übrig, um Kapital für "Luxus" wie Urlaub oder Konsum beiseite zu schaffen. Die Leute haben geschuftet wie Tiere, um am Leben zu bleiben. Mehr war nicht drin. Dann kam irgendwann der Staat daher und hat per Gesetz den 8-Stunden-Tag verpflichtend eingeführt. Das war definitiv "unternehmensfeindlich", denn für die Unternehmen wäre es viel lukrativer gewesen, wenn sie ihre Beschäftigten weiterhin für Hungerlöhne 14 Stunden pro Tag hätten schuften lassen dürfen. Diese "unternehmensfeindliche" Gesetzgebung hat aber keineswegs die Gesellschaft oder das Wirtschaftssystem vernichtet. Sie hat vielmehr (auch) dazu beigetragen, dass auf der Seite der Konsumenten eine Schicht von Menschen entstanden ist, die sich etwas leisten konnte und die fähig war, die von den Unternehmen angebotenen Produkte auch zu kaufen.
Das ist in dem Zusammenhang der entscheidende Punkt: Volkswirtschaftlicher Wohlstand kann nur entstehen, wenn die von Unternehmern hergestellten Produkte auch von irgendwem bezahlt werden können. Es muss folglich Kunden geben, die über Geld verfügen. Betriebswirtschaftlich ist es aber sinnvoll, so wenig Geld (und damit zwangsläufig so wenig Kaufkraft) wie möglich für Arbeitsleistungen auszugeben. Deshalb sind in Deutschland zahlreiche Gesetze erlassen worden, die unternehmerisches Handeln beschränken und damit "unternehmerfeindlich" waren. Ich bin definitiv NICHT der Meinung, dass dies falsch war!
Als weiteres Stichwort kommt die Existenz der Gewerkschaften hinzu:
Gewerkschaften wurden zu Beginn als "sozialistisches Teufelswerk" betrachtet. Inzwischen ist ihre Tätigkeit aber vom Gesetzgeber geschützt. Und auch das ist eine "unternehmensfeindliche" Maßnahme. Die Tätigkeit der Gewerkschaften hat aber dazu geführt, dass Menschen in diesem Land Anspruch auf sichere Arbeitsbedingungen haben und ein gesichertes Einkommen haben, das sie zu Konsum befähigt. Eine weitere "unternehmensfeindliche" Maßnahme, die erstmal gewaltsam erkämpft werden musste und letztlich von der Staatsgewalt als segensreich anerkannt wurde.
Ich könnte jetzt noch viele weitere Beispiele anführen. Das würde aber den Rahmen dieser Diskussion sprengen und das Thread-Thema völlig verlassen. Als Fazit bleibt: Wenn die im 19. Jahrhundert unkontrolliert grassierenden Arbeitgeberinteressen nicht irgendwann "unternehmerfeindlich" eingehegt worden wären, dann würde heute noch jeder von uns täglich 14 Stunden schuften, um sein bloßes Überleben zu ermöglichen. Es gäbe keine Kunden, die das Geld haben, sich die produzierten Güter auch zu kaufen. Ist es das, was Du Dir unter "Wohlstand" vorstellst? Ist das in irgendeiner Weise vergleichbar mit der Situation, in der die meisten Deutschen heute leben?
Wohlstand entsteht nicht dadurch, dass man (legitim) gewinnsüchtige Hersteller unkontrolliert und uneingeschränkt agieren lässt.
Wenn Du gern weiter über diesen Themenbereich diskutieren möchtest, dann schlage ich vor, dass Du einen eigenen Thread aufmachst. Ich diskutiere dort dann gern mit.
Hier in diesem Thread ist allerdings nur relevant,
dass es keine einzige demokratische Partei gibt, die den Sinn staatlicher Eingriffe in wirtschaftliches Handeln auch nur ansatzweise infrage stellt!. Am ehesten käme da noch die FDP in Betracht. Aber selbst die FDP erzählt nicht so einen Quatsch, wie der hier angedeutet oder behauptet wurde. Ganz Deutschland wäre ein Slum mit 80 Millionen Bewohnern, wenn die Poltik nicht irgendwann "unternehmensfeindlich" gehandelt hätte. In so einem Land würde keiner von uns leben wollen. Ruf einfach mal Google auf und schau Dir an, wie die Menschen noch Anfang des 20. Jahrhunderts gelebt haben. Das war nicht so, weil die Politik damals "unternehmensfeindlich" gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall!
Daraus nun ableiten zu wollen, dass der Staat sich aus jedem unternehmerischen Handeln heraushalten müsse, ist dermaßen vollbescheuert, dass mir langsam die Worte fehlen. Wenn der Staat das gemacht hätte, würden heute noch 10-jährige Kinder für Hungerlöhne auf Sohle 10 in 1000 Metern Tiefe Kohle von den Wänden klopfen. Meinst Du, es hätte unseren Wohlstand gefördert, wenn diese Verhältnisse aufrecht erhalten worden wären???? Würden wir dann alle heute besser leben?
Wie sinnvoll erscheint angesichts dessen die hier geäußerte Theorie, dass der Staat sich in Wirtschaftsprozesse nicht einmischen darf? Welcher denkende Mensch kann so bescheuert sein, diese Theorie zu glauben und gar noch zu verbreiten? Das ist völlig krank!
Um auf das Ausgangsthema zurückzukommen: Die "beste" Koalition für Deutschland wäre eine Koalition, in der nicht irgendwelche ideologisch festgefressenen Vorstellungen maßgeblich sind. Wie schonmal geschrieben: Ich würde im Moment eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen bevorzugen. Unter Führung der SPD. Die SPD liefert die soziale Komponente, die Grünen stellen den Aspekt "Umweltschutz" sicher und die CDU achtet auf die "wirtschaftliche Machbarkeit". Geht meiner Ansicht nach aber nur, wenn die SPD den Kanzler stellt.