Milady de Winter hat geschrieben:(16 Jul 2020, 13:04)
Schwieriges Thema, gibt für mich hier kein schwarz und weiß. Fest steht für mich, dass man auch in diesem Fall darauf verzichten sollte, Menschen öffentlich bloßzustellen. Nur hat nicht jeder Transsexuelle per se ein Problem mit seiner Vergangenheit.
Ein früherer männlicher Mitschüler ist heute eine Frau. Er änderte seinen Vornamen, den Nachnamen hat er behalten. Für uns (seine ehemaligen Mitschüler) ist es völlig in Ordnung, ihn jetzt als sie zu adressieren und sie auch mit ihrem neuen Namen anzusprechen. Da sie aber zur Schulzeit nun mal noch ein Junge war, fällt im Gespräch eben auch mal das "er" oder ihr früherer Name. Das sind in meinen Augen Dinge, mit denen ich als Transsexueller auch umgehen können sollte.
Versehen, Unwissen, Ungeschick, Gewohnheit - das sind Dinge, mit denen man leben muss, auch wenn sie vielleicht nerven. Öffentliche Bloßstellungen dagegen nicht, das sehe ich auch so.
Wichtig ist, wie die Behandlung und Akzeptanz der Gegenwart aussieht - und da gibt es für mich persönlich keinen Grund, den aktuellen Status nicht anzuerkennen. Nur muss eine Akzeptanz auch beidseitig erfolgen können - und das bedeutet, dass ich auch zu meiner Vergangenheit stehen kann.
Zu seiner Vergangenheit stehen kann ganz verschieden ausgeprägt sein. Wenn es darum geht, unbefangen auch mit den Leuten, die es etwas angeht oder die es miterlebt haben, über früher zu reden, das ist das eine. Wenn es vorrangig darum geht, dass eher unberufene Leute vor allem noch mal betonen müssen, dass X ja jetzt eine Frau ist und früher ein Mann, das muss nicht jeder mögen. Die paar Leute, die ich erlebt habe, waren da eigentlich eher unaufgeregt, aber ich hatte auch nicht unbedingt das Ziel, sie zu ärgern. So wie du auch schilderst.
Aber das ist ein Problem, das sich in meinen Augen nie für alle Parteien komplett lösen lässt, da der Umgang damit wie auch die Individuen eben nicht homogen sind.
Für eine Gesellschaft bewegen wir uns geradezu rasant. Ein Transsexuellengesetz gibt es erst seit den 80ern, noch kurz zuvor war das ganze kriminalisiert und skandalisiert. Es wird immer unterschiedliche Meinungen geben, aber da finden Lernprozesse statt, das geht in die richtige Richtung. Schauen wir ins Ausland, ist der gesellschaftliche Konsens und die Rechtslage manchenorts vergleichsweise schrecklich. Nützt den Betroffenen heute natürlich wenig, aber man darf Hoffnung haben.