Troh.Klaus hat geschrieben:(06 Jul 2018, 01:37)
Ich denke, hier liegt ein Missverständnis bzgl. wissenschaftlicher Theorien vor.
Aus Beobachtung und Experimenten wird eine formale (mathematische) Beschreibung eines Phänomens gewonnen. Beschreibung, wohl gemerkt, keine ontologische Aussage. Es wird dann geschaut, welche weiteren Phänomene mit einer formal gleichen Beschreibung erfassbar sind, und so die Gültigkeit erweitert. Aus der formalen Beschreibung werden weitergehende Voraussagen und Verfeinerungen entwickelt, also abstrakte Hypothesen und Theorien. Die werden in passenden Experimenten überprüft und je nach Ausgang anerkannt, modifiziert oder verworfen. Das Ganze ist ein iterativer Prozess. Und hat sehr wenig mit Plausibilität zu tun, sondern mit Experiment. Im Gegensatz z.B. zur Philosophie.
In der Physik haben wir grundlegend Quantentheorie und Allgemeine Relativitätstheorie. Beide beschreiben in ihren jeweiligen Anwendungsgebieten unsere Welt sehr, sehr gut. Heisst, bei allen Experimenten erhalten wir eben die Ergebnisse, die von diesen Theorien voraus gesagt werden. Wir haben aber bisher keinen Weg gefunden, diese beiden Fundamentaltheorien (mathematisch) sauber zu vereinen. Und damit fehlt uns insbesondere eine quantenphysikalische Formulierung der Gravitation. Alle Hypothesen und Theorien dazu, z.B. die Stringtheorie, liegen (noch) ausserhalb unserer experimentellen Möglichkeiten. Aber diese Theorien haben nichts mit Phantasie zu tun. Sie wurden auf Basis der vorhandenen, experimentell gesicherten abstrakten Modelle entwickelt. Es gibt aber eben mehrere Optionen, dies zu tun.
Und die Theorie vom Urknall ist ein kosmologisches Modell, das auf den beiden Fundamentaltheorien zusammen mit der beobachteten Rotverschiebung fußt. Es gab und gibt aber auch konkurrierende Modelle (Steady State, Big Bounce). Auch hier sind wir experimentell nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Aber die Urknalltheorie ist derzeit tendenziell das beste was wir dazu haben. Und auch hier ist keine Phantasie im Spiel, sondern Mathematik.
Vielen Dank für die ausführliche Definition, solche Themen finde ich hochinteressant. Ich muss dich allerdings in einem, scheinbar nebensächlichen Punkt korrigieren.
Dass war die naturwissenschaftliche, nicht die gemeine wissenschaftliche Bedeutung von Theorie. Der Prototyp der Wissenschaft ist immer noch die Geisteswissenschaft, ohne die jede materialistische Wissenschaft nichtig wird. Naturwissenschaft kann sich nicht selbst als gültiges Mittel die Welt zu beschreiben beweisen, sie ist im engsten Sinne lediglich eine Datenbank. Menschen sind es die auch bei der Urknalltheorie anhand der physikalischen und mathematischen Datenmenge abwägen, ob die Fülle der Indizien nun stark oder schwach dafür sprechen, sie als die wahrscheinlichste aller Theorien zur Entstehung des Universums einzustufen. Alles andere wäre das Gleichnis des Schülers, der versucht seinen Taschenrechner die Sachaufgabe lösen zu lassen.
Das logische Denken, Entscheiden und Schlussfolgern kann uns die Naturwissenschaft nicht abnehmen und genau dieses Schlüsselelement, das
logische Schlussfolgern, wenden wir auch im Rest unseres Lebens täglich an.
Wenn wir in der Zeitung ein Phantombild eines gesuchten Verbrechers registrieren und vermeintlich diesen am nächsten Tag im Lidl erkennen, war es die logische Schlussfolgerung 110 anzurufen, da diese Person mit ähnlichen Gesichtszügen und Körpergröße, Haar- & Augenfarbe etc. so sehr mit dem Phantom übereinstimmt, dass es hochwahrscheinlich ist, dass es sich wirklich um den gesuchten Verbrecher handelt.
Mit mathematischer Wahrscheinlich hat das zumindest vordergründig nichts zutun, genauso wie alle anderen fast schon willkürlichen Mikrofaktoren der komplett subjektiven Einschätzung des Individuums unterliegen.
So gesehen ist die Einschätzung, diese Art der Theorie, komplett unwissenschaftlich und in einem fiktiven
Staat der absoluten Wissenschaft würde man uns und alle anderen die verdächtige Straftäter
nicht auf Grund von mathematischer Stochastik denunzieren ein Gerichtsverfahren erwarten.
Um ein anschaulicheres und praxisbezogeneres Beispiel nennen zu können, muss ich dir allen voran erst einmal unterstellen, dass du von der Existenz der Republik Vanuatu überzeugt bist. Wenn du diesen Inselstaat bisher nicht kanntest und erst von seiner Existenz überzeugt bist seit du in deiner Suchmaschine gesehen hast, dass es dazu einige Einträge gibt, sind wir der Sache erheblich näher gekommen.
Du hast keine wissenschaftliche Datenbasis um zu behaupten, dieses Land würde existieren, genauso wie du (wahrscheinlich) noch nie dort gewesen bist. Man kann an diesem Beispiel erkennen, dass man im realen Leben nicht immer alles mathematisch auseinander dividieren kann, sondern der allgemeine Logismus immer an erster Stelle stehen sollte. In diesem Falle unterstelle ich dir, dass du den logischen Schluss gefasst hast, dass es recht wenig plausibel wäre zu glauben, dass Wikipedia einen gefälschten Artikel über eine Pazifikinsel jahrelang auf dem Server lässt, jemand die UN-Mitgliedschaft für einen Scheinstaat arrangiert hat und die Insel in sämtliche Satellitenbilder editiert wurde. Ich bin kein Schwachkopf, mir ist schon klar, dass wohl jeder gesunde Mensch nicht einmal eine volle Sekunde abwägen muss, ob Vanuatu vielleicht ein Trick ist. Solange du aber keine konkrete Evidenz hast, dass die Republik Vanuatu existiert, bleibt es genauso eine abstrakte und rein begriffliche Betrachtung (Theorie) wie die Existenz von Engeln.
Nicht falsch verstehen, ich bin jetzt nicht einer dieser
Du-Kannst-Gott-Nicht-Widerlegen-Also-Ist-Er-Da -Typen die immer von Spaghettimonster
priestern aufgezogen werden können. Mir ist bewusst, dass Logismus nicht bedeutet, jede Annahme die sich nicht widerlegen lässt und geringfügige Indizien für Gültigkeit aufweist, plausibel nennen zu können. Über die Pro & Cons eines Monotheos würde ich mich gerne austauschen, aber dafür sollte eben genanntes Fundament und Ergebnisoffenheit auf beiden Seiten vorhanden sein, da wir sonst beide nur kostbare Lebenszeit verblödeln.