Elmar Brok hat geschrieben:(25 Sep 2021, 18:19)
@DarkAngel Ich will den Strang nicht mit Diskussionen zur Geschichte vollspamen. Deshalb nur ein paar kurze Gedanken. Ich denke nicht, dass man/du/ich sich von seiner eigenen Prägung trennen kann. Das Textverständnis. Die Art wie ich denke. Mein Geschichtsbild. Meine Wertvorstellungen usw. Das alles ist individuell und durch die Gesellschaft geprägt. Deshalb ist Geschichte auch immer Standortgebunden. Du kannst natürlich versuchen, dich von deiner Prägung zu lösen. Bloß, es funktioniert nicht in Gänze. Stattdessen sollte man sich dieser Problematik bewusst sein und sie reflektieren, anstatt sie zu ignorieren.
Ich stimme zu, wenn du sagst
"man kann sich nicht vollständig von seiner gesellschaftlichen Prägung, seinen Wertvorstellungen lösen". Das ändert aber nichts daran, dass Fakten, die Grundlage für Interpretationen liefern soll(t)en.
Was tunlichst unterlassen werden sollte, sind eigene Moralvorstellungen als Maßstab zu wählen. Aber genau das tun Wokies. Für die sind eigene Moralvorstellungen und emotionale Befindlichkeiten der Maßstab, für ihr Geschichtsverständnis.
Elmar Brok hat geschrieben:(25 Sep 2021, 18:19)Neue Erkenntnisse erreicht man heutzutage meistens, indem man andere Fragen an die Vergangenheit stellt. Ein gutes Beispiel wäre Pseudo-Isdore. Fast 1000 Jahre haben seine gefälschten Papstbriefe viele Ereignisse maßgeblich beeinflusst. Niemandem sind die Fälschungen aufgefallen. Bis jemand im 17. Jahrhundert neue Fragen an den Text richtete und offensichtliche Widersprüche aufdeckte. Es gibt natürlich Kriterien, an denen man Geschichten "misst". Triftigkeit/Wahrheit/Plausibilität usw. Aber diese "Wahrheiten" sind nicht unumstößlich.
Zunächst mal: es gibt keine absolute, allgemeingültige und unumstößliche Wahrheit.
Neue Erkenntnisse erreicht man in erster Linie durch Fakten und die erkennen wir bei weitem noch nicht alle.
Fragen, die an die Vergangenheit gestellt werden basieren i.d.R. auf neu
zu Tage geförderte Fakten, die im Kontext mit bereits Bekanntem betrachtet werden (müssen) - und da isser wieder, der historische Kontext. Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden (müssen), sind auch die nach den vorherrschenden Moral- und Wertvorstellungen der Zeit bzw der Menschen der jeweiligen Zeit. Nur so kann man Geschichte verstehen bzw versuchen zu verstehen.
Vieles mag uns heute unverständlich, absurd und sogar ablehnenswert erscheinen - das ist durchaus üblich und "normal".
Aber, die rein moderne Sicht, vor allem aus heutigem, modernen Moral- und Ethikverständnis heraus, aus unseren modernen Wertvorstellungen heraus, verkleistert die Sicht und hindert daran Geschichte zu verstehen, weil dabei ignoriert/ausgeblendet wird, dass sich auch oder gerade Wert- und moralisch-ethische Vorstellungen wandeln, dass dieser Wandel auch auch Erkenntnisgewinn basiert.
Elmar Brok hat geschrieben:(25 Sep 2021, 18:19)Ich denke schon, dass sich jeder mit Geschichte befasst. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein. Jeder hat ein Bild von Hitler. Fast jeder wird eine Meinung zu ihm haben. Geschichte ist ein Unterrichtsfach. Familiengeschichte ist ebenfalls Geschichte. Geschichte ist also durchaus etwas, was jeden betrifft und beschäftigt. Ein Wissenschaftler macht das natürlich auf eine andere Art. Aber jeder Bürger denkt auch historisch. Vielleicht nicht auf einem hohem Niveau, dennoch setzt er sich mit Geschichte auseinander. Wissenschaft ist kein Elfenbeinturm. Sie erfüllt einen Zweck. Daher bewerte ich Diskussionen um Denkmäler, Straßennamen oder Universitätsnamen positiv. Hier wird sich mit der eigenen Umwelt und Geschichte auseinandergesetzt. Statt einen Namen einfach hinzunehmen, fragt man, wieso etwas so heißt. Problematisch wird es, wenn zwei Richtungen eingeschlagen werden. Das ist zum Einen die höchst konservative Einstellung: Alles bleibt so wie es ist. Das ist zum Anderen die ideologische Bilderstürmerei. Es gibt ein Denkmal/Straßennamen, den man als politischen Gegner einordnet --> Suche in der Vergangenheit nach Vergehen dieser Person --> Denkmal abreißen/Straße umbenennen. Diese beiden Richtungen sind nicht ergebnisoffen. Sind solche Diskussionen aber ergebnisoffen, kann ich kaum etwas negatives erkennen.
Langer Rede kurzer Sinn: Wissenschaftler schaffen die Grundlagen dafür, dass sich jeder mit Geschichte "befassen" kann und es gibt durchaus Amateure und sogar Laien, die wertvolle Beiträge liefern.
Und was die eigene Familiengeschichte betrifft, ist es durchaus möglich, dass man auf eine Person trifft - wenn man nur
tief genug gräbt - die durchaus dunkle Seiten aufweist, von denen man sich distanziert.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.
Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen