Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

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Unité 1
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Unité 1 »

Liegestuhl hat geschrieben:(20 Sep 2021, 09:59)

Selbst, wenn man es anders nennen würde, blieben die von dir aufgezählten Symptome doch weiterhin bestehen. Und die kommen fast ausnahmslos aus einem linken, urbanen sozio-kulturellem Milieu.
Und?
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schokoschendrezki
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Sep 2021, 11:05)

Du begehst einen riesengroßen Denkfehler, indem du von dir selbst auf andere schließt, indem du deine (moderne) auf dem Existenzialismus Satres aufbauende Denkweise auf die Vergangenheit projizierst!
Du übersiehst, dass das eine (Judenhass) das andere (die Verehrung Mendelssohn-Bartholdys) nicht ausschließt. Karl Marx z.B. war selbst Jude und dennoch trieft seine Schrift "Zur Judenfrage" nur so von Judenhass. Es gibt so etwas wie Zeitgeist!
Du übersiehst beflissentlich, dass das 18. und 19. Jh. die Hochzeit der Aufklärung waren, eine Zeit in der sich Naturwissenschaften etablierten, diverse Theorien als Erklärungsansätze entwickelt wurden, du übersiehst, dass Darwins Evolutionstheorie als Grundlage für Rassentheorien dienten, welche wiederum als wissenschaftlich begründete Erklärungsmodelle dienten (dienen sollten), wie es zu dem unterschiedlichen Aussehen der Menschen kam/kommen konnte.
Für die Menschen im 18./19. Jh entsprach es schlicht und ergreifend dem (damals) aktuellen Wissenstand, dass es verschiedene menschliche Rassen gab - und zwar gerade unter dem Bildungsbürgertum. Gebildete Menschen wollten sich dieser Sichtweise gar nicht entziehen, sie kamen nicht auf die Idee Rassisten zu sein, rassistisch zu denken und zu handeln.
Und es war auch am Ende des 19.Jh. als aus religiös begründetem Antijudaismus, der politische Antisemitismus entstand!
Letzteres bestreíte ich doch gar nicht. Es ist doch meine eigene Ansicht, dass moderner Rassismus und moderner Antisemitismus letztendlich ein Produkt der europäischen Aufklärung sind. Auch wenn es alle nur denkbaren Formen inhumaner Anschauungen schon vorher gab. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und am Ende des 18. Jahrhunderts kam die Mode der Sammelleidenschaft und der Klassifizierungswahn auf. Das Botanisieren, Schmetterlingsaufspießen und Käfersammeln. Kindern schenkte man leere Sammelalben und sie sollten sorgfältig alles mögliche darin einkleben und die genaue Artenbeschreibung darunter schreiben. Monat für Monat und Jahr für Jahr. Das Newtonsche physikalische Weltbild war das eines Universums als eine Art Präzisionsmaschine. In der das eine das andere umkreist. Da verwundert es überhaupt nicht, dass man auf die Idee kam, auch Menschen und Menschengruppen in diesen Klassifizierungs- und Rangordnungswahn mit einzubeziehen. Und so gab es irgendwann die Europiden, die kaukasische Rasse und daneben eben noch die Mongoliden und die Negriden. Und irgendwann später den "nordischen Kapitän" und den "ostischen Grinser". Und die Zuordnung konnte man ganz so wie bei Käfern und Schmetterlingen mit Lupe, Zentimetermaß und Schädelformvermessung vornehmen.

So. Und nun gab es neben der Mendelssohn-Verehrung im 19. Jahrhundert zum Beispiel auch sowas wie die "jüdischen Salons" in Berlin. Rahel Varnhagen ist die vielleicht bekannteste unter den Betreiberinnen. In diesen Salons verkehrten nicht nur Menschen jüdischer Herkunft sondern zeitweilig alles was irgendwie im intellektuellen Bereich Rang und Namen hatte. Von Schlegel und Tieck bis zu Mitgliedern der Hohenzollern-Familie. Da sage man mir doch nicht, dass der "Zeitgeist" komplett in der Hand von Antisemiten war. Für mich ist das eine völlig oberflächliche und auch völlig durchschaubare Strategie, nationalistisch denkende Geister wie etwa Ernst-Moritz Arndt irgendwie nachträglich zu rehabilitieren. Nach dem Motto: Sie konnten ja gar nicht anders!

Da schließt sich übrigens auch der Bogen zu diesen aktuellen Zeitgeistunterwerfungserzählungen. Man kann immer auch anders!

Mit Sartre hat das wenig bis gar nix zu tun. Es handelt sich einfach um kulturgeschichtliche Fakten.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Dark Angel
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Sep 2021, 13:16)

Letzteres bestreíte ich doch gar nicht. Es ist doch meine eigene Ansicht, dass moderner Rassismus und moderner Antisemitismus letztendlich ein Produkt der europäischen Aufklärung sind. Auch wenn es alle nur denkbaren Formen inhumaner Anschauungen schon vorher gab. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und am Ende des 18. Jahrhunderts kam die Mode der Sammelleidenschaft und der Klassifizierungswahn auf. Das Botanisieren, Schmetterlingsaufspießen und Käfersammeln.
Das war kein Wahn und auch keine Mode, sondern folgt dem erkenntnistheoretischenAnsatz des Empirismus (dessen wichtigste Vertreter John Locke und David Hume waren), der unsere modernen Naturwissenschaften begründete. Der erkenntnistheoretische Ansatz des Empirismus geht davon aus, dass alle Erkenntnis auf sinnlichen Erfahrungen basiert und sich induktiver Methoden bedient. Wenn in einer Erkenntnistheorie davon ausgegangen wird, dass alle Erkenntnis auf Sinneserfahrungen beruht/basiert, kommt man NICHT umhin zu sammeln, zu untersuchen und zu klassifizieren.
Mit dem, was du als Wahn und/oder Mode bezeichnest, wurde der Grundstein für unsere moderne wissenschaftliche Methodik, Systematik und Taxonomie (Biologie) gelegt. Das, was DU so abfällig als Wahn und Sammelleidenschaft abqualifizierst, ist der Grundstein unserer (modernen) Kenntnisse und Erkenntnisse über die Erdgeschichte, die Evolution u.v.m.
Und es gibt auch heute noch Wissenschaften, die empirisch arbeiten - die Archäologie ist so eine, da wird die empirische Methode auch Feldforschung genannt.
schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Sep 2021, 13:16)
Kindern schenkte man leere Sammelalben und sie sollten sorgfältig alles mögliche darin einkleben und die genaue Artenbeschreibung darunter schreiben. Monat für Monat und Jahr für Jahr. Das Newtonsche physikalische Weltbild war das eines Universums als eine Art Präzisionsmaschine. In der das eine das andere umkreist. Da verwundert es überhaupt nicht, dass man auf die Idee kam, auch Menschen und Menschengruppen in diesen Klassifizierungs- und Rangordnungswahn mit einzubeziehen. Und so gab es irgendwann die Europiden, die kaukasische Rasse und daneben eben noch die Mongoliden und die Negriden.
Nochmal: das war KEIN Wahn, sondern der Beginn wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftlicher Methodik, der Grundstein/die Grundlage unserer modernen Naturwissenschaften.
Es ist nunmal eine grundlegende Eigenschaft des Menschen, neugierig zu sein, nach Wissen und Erkenntnis zu streben und Antworten bzw Erklärungen für alle möglichen Fragen zu finden. Der erkenntnistheoretiche Ansatz des Empirismus war EIN Weg zum Erkenntnisgewinn. Eine Frage, auf die nach Antworten/Erklärungen gesucht wurde, war die, warum sich Menschen im Aussehen unterscheiden, warum sich diese Unterschiede (auch) geographisch manifestierten. Dazu muss man halt sammeln, vergleichen, untersuchen und klassifizieren - mit Geschwätz erlangt man keine Erkenntniss(e).
schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Sep 2021, 13:16)
So. Und nun gab es neben der Mendelssohn-Verehrung im 19. Jahrhundert zum Beispiel auch sowas wie die "jüdischen Salons" in Berlin. Rahel Varnhagen ist die vielleicht bekannteste unter den Betreiberinnen. In diesen Salons verkehrten nicht nur Menschen jüdischer Herkunft sondern zeitweilig alles was irgendwie im intellektuellen Bereich Rang und Namen hatte. Von Schlegel und Tieck bis zu Mitgliedern der Hohenzollern-Familie. Da sage man mir doch nicht, dass der "Zeitgeist" komplett in der Hand von Antisemiten war. Für mich ist das eine völlig oberflächliche und auch völlig durchschaubare Strategie, nationalistisch denkende Geister wie etwa Ernst-Moritz Arndt irgendwie nachträglich zu rehabilitieren. Nach dem Motto: Sie konnten ja gar nicht anders!
Und nochmal: (allgemeiner) Judenhass und die Verehrung eines einzelnen Juden für dessen Leistungen schließen einander nicht aus. Niemand hat behauptet, dass religiös motivierter Antijudaismus etwas war, dem sich niemand entziehen konnte bzw sich niemand entzogen hat. Es war - genau wie heute - ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem sich mindestens genauso viele entzogen haben, wie Antijudaismus pflegten.
Ernst-Moritz Arndt, war KEIN Nationalist/nationalistisch denkender Geist, sondern ein national - vor allem aber demokratisch denkender Geist. Er strebte - wie viele andere seiner Zeit - ein geeinte deutsche Nation an.
Du und viele andere, die ihre heutige Denk- und Sichtweise, losgelöst vom historischen Kontext, auf die Vergangenheit projizieren, übersehen dabei, dass die deutschen Kleinstaaten durch Napoleon besetzt waren.
Arndt muss nicht "nachträglich rehabilitiert" werden, er ist vielmehr ein Opfer woken bzw linksidentitäteren Tugendwahns bzw linksidentitärer moralischer Überheblichkeit.
schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Sep 2021, 13:16)
Mit Sartre hat das wenig bis gar nix zu tun. Es handelt sich einfach um kulturgeschichtliche Fakten.
Nein, es handelt sich NICHT um kulturgechichtliche Fakten, sondern um deren emotionale Verzerrung.
Mit Fakten hat die Diskreditierung historischer Persönlichkeiten rein gar nichts zu tun, dafür alles mit moralischer Bewertung aus moderner Sicht, mit "fühlt sich gut oder nicht gut an" - linksidentitäre Bilderstürmerei, aber KEINE (kulturgeschichtlichen) Fakten!
(nicht markiertes Zitatteil entfernt)
Zuletzt geändert von Dark Angel am Mo 20. Sep 2021, 22:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Ammianus
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Ammianus »

Durch das Sammeln kamen im 19. Jh. 3 Forscher unabhängig voneinander auf die Abfolge von Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Nur das intensive Sammeln und Registrieren macht genauere Einblicke in kulturelle Verläufe vor Aufkommen der Schrift überhaupt erst möglich. Wobei, betrachtet man das Früh- und Hochmittelalter, dann sind hier auch die schriftlichen Quellen äußerst dünn gesäht und nur ein intensives Sammeln und Ausbreiten von dem, was die Jahrhunderte überdauert hat, macht nähere Untersuchungen möglich. Dieses Sammeln kann sehr stupide und monoton sein - aber das gehört eben auch zur Wissenschaft dazu.

In der Biologie kam man dadurch zu dem Schluss, dass die Fledermaus wohl doch kein Vogel, der Walfisch kein Fisch war.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Sep 2021, 13:16)
...Das Newtonsche physikalische Weltbild war das eines Universums als eine Art Präzisionsmaschine. In der das eine das andere umkreist. ...
Ehrlich Schoko, das lässt darauf schließen, dass du es mit Naturwissenschaften nicht so am Hut hast.

Die Newtonsche Mechanik hat über Jahrhunderte die Welt mit ungeahnter Genauigkeit beschrieben. Sie war die Grundlage für die Ingenieurswissenschaften und die Industrialisierung. Erst durch die relativistische Physik wurde sie in Teilbereichen abgelöst. In der Praxis wird sie aber noch viele Jahrhunderte weiter fortbestehen. Sie wird auch dann noch dann von großem Wert sein, wenn "Postmodernismus" als spinnerhafte Idee die nichts hervorbringt, schon lange von der nächsten und übernächsten spinnerhaften Idee irgendwelcher Elfenbeintürmler abgelöst wurde.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Uffhausen »

Wenn "Woke" nicht definierbar sein soll, weil es von Nicht-Linken auf diverses bezogen und allgemein negativierend angewandt wird, dann ist das politische "Rechts" nicht minder undefinierbar, weil es von Nicht-Rechten ebenso auf diverses bezogen und allgemein negativierend angewandt wird.

Oder warum landen bei vielen Linken die Corona-Leugner in derselben Schublade, wie bspw. Asylbewerberheime in Brand steckende Neo-Nazis? Nur weil sich die Querdenker-Bewegung sich nicht gegen deren Unterwanderung von Rechten gewehrt hat? Demnach müssten sich Linke gefallen lassen, als "Wokies" bezeichnet zu werden = schließlich wehren sie sich auch nicht dagegen, von diesen ideologisch unterwandert zu werden.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(20 Sep 2021, 18:06)

Ehrlich Schoko, das lässt darauf schließen, dass du es mit Naturwissenschaften nicht so am Hut hast.

Die Newtonsche Mechanik hat über Jahrhunderte die Welt mit ungeahnter Genauigkeit beschrieben. Sie war die Grundlage für die Ingenieurswissenschaften und die Industrialisierung. Erst durch die relativistische Physik wurde sie in Teilbereichen abgelöst. In der Praxis wird sie aber noch viele Jahrhunderte weiter fortbestehen. Sie wird auch dann noch dann von großem Wert sein, wenn "Postmodernismus" als spinnerhafte Idee die nichts hervorbringt, schon lange von der nächsten und übernächsten spinnerhaften Idee irgendwelcher Elfenbeintürmler abgelöst wurde.
Ehrlich, Skeptiker. Ich bin ja wirklich skeptisch und eher vorsichtig, was meine eigenen Fähigkeiten betrifft. Und versuche zumindest, Aussagen defensiv und unter Vorbehalt zu formulieren. Aber in den Naturwissenschaften, glaubs mir, kenne ich mich hervorragend aus.

Es geht nicht darum, dass die Newtonsche Mechanik irgendwie "falsch" oder "inkorrekt" sei. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen als eigentlich praktisch nur relevanter Spezialfall des Allgemeinfalls absolut präzise. Es geht darum, wie dieser grandiose Erfolg der mechanischen Vorstellungen von Aristoteles über Descartes bis Newton auf das Denken der Menschen, auf ihr allgemeines Weltbild, auf philosophische Grundaussagen gewirkt hat. ALs Erfolg nämlich. Als Etablierung einer allgemeinen Nichthinterfragbarkeit von mechanischen Vorstellungen. Auch wenn es sicher nicht einfach ist, den Weg von diesem allgemeinen physikalischen Bild der Welt bis hinunter zum Glauben an eine Hierarchie von "Menschenrassen" oder überhaupt der Existenz von "Menschenrassen" zu verfolgen. Die Hinterfragung dieses Aristoteles-Descartes-Newtonschen Weltbilds ab Ende des 19.. Jahrhunderts war sicherlich einer der Faktoren, die auch zur Hinterfragung von Rassentheorien und kulturalistischen Auffassungen beigetragen hat.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Sep 2021, 16:31)

Das war kein Wahn und auch keine Mode, sondern folgt dem erkenntnistheoretischenAnsatz des Empirismus (dessen wichtigste Vertreter John Locke und David Hume waren), der unsere modernen Naturwissenschaften begründete. Der erkenntnistheoretische Ansatz des Empirismus geht davon aus, dass alle Erkenntnis auf sinnlichen Erfahrungen basiert und sich induktiver Methoden bedient. Wenn in einer Erkenntnistheorie davon ausgegangen wird, dass alle Erkenntnis auf Sinneserfahrungen beruht/basiert, kommt man NICHT umhin zu sammeln, zu untersuchen und zu klassifizieren.
Mit dem, was du als Wahn und/oder Mode bezeichnest, wurde der Grundstein für unsere moderne wissenschaftliche Methodik, Systematik und Taxonomie (Biologie) gelegt. Das, was DU so abfällig als Wahn und Sammelleidenschaft abqualifizierst, ist der Grundstein unserer (modernen) Kenntnisse und Erkenntnisse über die Erdgeschichte, die Evolution u.v.m.
Und es gibt auch heute noch Wissenschaften, die empirisch arbeiten - die Archäologie ist so eine, da wird die empirische Methode auch Feldforschung genannt.


Nochmal: das war KEIN Wahn, sondern der Beginn wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftlicher Methodik, der Grundstein/die Grundlage unserer modernen Naturwissenschaften.
Es ist nunmal eine grundlegende Eigenschaft des Menschen, neugierig zu sein, nach Wissen und Erkenntnis zu streben und Antworten bzw Erklärungen für alle möglichen Fragen zu finden. Der erkenntnistheoretiche Ansatz des Empirismus war EIN Weg zum Erkenntnisgewinn. Eine Frage, auf die nach Antworten/Erklärungen gesucht wurde, war die, warum sich Menschen im Aussehen unterscheiden, warum sich diese Unterschiede (auch) geographisch manifestierten. Dazu muss man halt sammeln, vergleichen, untersuchen und klassifizieren - mit Geschwätz erlangt man keine Erkenntniss(e).
Uff. Es führt für ein Diskussionsforum zu weit, diese Fragen zu erörtern. Ich sage nur mal kurz: Das Wesen moderner Naturwissenschaften ist vor allem von einer Mathematisierung geprägt. Das wolllte man lange Zeit nicht glauben. Und dagegen hat es erhebliche Widerstände und Aufregungen gegeben. Der bekannteste und wichtigste Gegner dieser Mathematisierungstendenz war Johann Wolfgang von Goethe. Genau um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert herum. Wir kennen ihn vor allem als den deutschen Nationaldichter. Er selbst jedoch sah sich mindestens gleichermaßen als Naturerklärer. Nur: Er irrte! Es ist keineswegs so, dass man das Phänomen "Farbe" versteht, wenn man intensiv genug Farben wahrnimmt. Sondern wenn man das Prinzip Spektralanalyse versteht. Als Mathematik. Man muss es am Ende nur noch in der Wirklichkeit durch Experimente verifizieren (oder falsifizieren). Goethe war auch einer der eifrigsten Botanisierer und Gesteinssammler. Sein Credo war: Das was man begreifen will muss man tatsächlich und im Wortsinne begreifen. Anfassen, riechen, wahrnehmen. Nur. Nochmal: Er irrte! Heutige relevante Welterklärungstheorien wie die Stringtheorie(n) haben überhaupt nix mehr, garnix mehr mit sinnlicher Wahrnehmung zu tun.

Es ist übrigens auch bezeichnend genug, dass gerade die extremst rechtskonservativen Denker wie etwa Ernst Jünger das "Käfersammeln" versucht haben bis in die Neuzeit und den Postmodernismus hinüberzuretten. Jünger schwärmte nicht nur von Stahlgewittern sondern war auch passionierter Käfersammler.


Eine der wichtigsten Grundlagen der modernen Naturwissenschaften, die Fourier-Analyse, zuweilen heißt es auch, die Fourier-Analyse sei überhaupt der Beginn der modernen Naturwissenschaft, wurde nicht etwa durch Sammeln und Messen erbracht sondern sie wurde durch eine mathematische Theorie quasi im Gehirnerbrütet.

Die allgemeine Relaitivitätstheorie und damit die Basis für ein Verständnis unserer Welt und des Universums überhaupt besteht zu 99,9 Prozent in der Entwicklung konsistenter mathematischer Gleichungssysteme und zu 0,1 Prozent in ihrem Nachweis in der Periheldrehung des Planeten Merkur.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 08:14)
Ehrlich, Skeptiker. Ich bin ja wirklich skeptisch und eher vorsichtig, was meine eigenen Fähigkeiten betrifft. Und versuche zumindest, Aussagen defensiv und unter Vorbehalt zu formulieren. Aber in den Naturwissenschaften, glaubs mir, kenne ich mich hervorragend aus.

Es geht nicht darum, dass die Newtonsche Mechanik irgendwie "falsch" oder "inkorrekt" sei. Sie ist unter bestimmten Voraussetzungen als eigentlich praktisch nur relevanter Spezialfall des Allgemeinfalls absolut präzise. Es geht darum, wie dieser grandiose Erfolg der mechanischen Vorstellungen von Aristoteles über Descartes bis Newton auf das Denken der Menschen, auf ihr allgemeines Weltbild, auf philosophische Grundaussagen gewirkt hat. ALs Erfolg nämlich. Als Etablierung einer allgemeinen Nichthinterfragbarkeit von mechanischen Vorstellungen. Auch wenn es sicher nicht einfach ist, den Weg von diesem allgemeinen physikalischen Bild der Welt bis hinunter zum Glauben an eine Hierarchie von "Menschenrassen" oder überhaupt der Existenz von "Menschenrassen" zu verfolgen. Die Hinterfragung dieses Aristoteles-Descartes-Newtonschen Weltbilds ab Ende des 19.. Jahrhunderts war sicherlich einer der Faktoren, die auch zur Hinterfragung von Rassentheorien und kulturalistischen Auffassungen beigetragen hat.
Wenn du dich so gut in den Naturwissenschaften auskennst, dann ist dir ja ganz sicher bewusst, dass es in den Naturwissenschaften keine Wahrheiten gibt. Die jeweils gültige Lehrmeinung bildet immer nur den anerkannten besten Stand des Wissens ab - mit anderen Worten denjenigen, der die Beobachtungen am besten und schlüssigsten erklären lässt und bislang an wenigsten angreifbar war.

Was immer da an Schädelvermessungen durchgeführt wurde, hat AM ENDE zu der Erkenntnis geführt, dass es keine Menschenrassen gibt. Und das widerlegt nicht etwa die Methodik der Wissenschaft - es bestätigt sie, weil man ihre gesamte Historie als einen Weg auffassen muss, den man geht, auf dem Weg zu einem Ziel, welches man nie erreicht, im Gegensatz zu Religionen und Ideologien (und Philosophien), welche den Weg niemals beschreiten, aber vorgeben am Ziel angekommen zu sein.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Skeptiker hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:15)

Wenn du dich so gut in den Naturwissenschaften auskennst, dann ist dir ja ganz sicher bewusst, dass es in den Naturwissenschaften keine Wahrheiten gibt. Die jeweils gültige Lehrmeinung bildet immer nur den anerkannten besten Stand des Wissens ab - mit anderen Worten denjenigen, der die Beobachtungen am besten und schlüssigsten erklären lässt und bislang an wenigsten angreifbar war.

Was immer da an Schädelvermessungen durchgeführt wurde, hat AM ENDE zu der Erkenntnis geführt, dass es keine Menschenrassen gibt. Und das widerlegt nicht etwa die Methodik der Wissenschaft - es bestätigt sie, weil man ihre gesamte Historie als einen Weg auffassen muss, den man geht, auf dem Weg zu einem Ziel, welches man nie erreicht, im Gegensatz zu Religionen und Ideologien (und Philosophien), welche den Weg niemals beschreiten, aber vorgeben am Ziel angekommen zu sein.
Du hast insofern recht und liegst vollkommen richtig mit der Auffassung, dass man dieses "Schädelvermessen" im Großen und Ganzen nicht nur als Absurdität sondern auch als Falisifizierung einer Annahme auf der Basis empirischer Ergebnisse auffassen kann.

Nur: Was kam denn nach der Kraniometrie? Unter anderem Eugenik, Zwangssterilisation, "Rassenhygiene". Ich will gar nicht die extreme Situation oder Aktionen wie T4 in der NS-Zeit ansprechen. Auch die Idee der Eugenik, der Gesellschaftsaufbesserung durch Zwangssterilisation, die vermeintliche Aufbesserung der Gesellschaft durch Ausmerzung von vemeintlichen Idioten und ihrer zwangsweisen Behinderung an der Vermehrung ... ist ein durch und durch und im Ursprung europäisch-aufklärerisches (und übrigens auch vorwiegend sozialdemokratisches) Projekt. Ich will dem SPD-Kandidaten Scholz keineswegs unterstellen, dass er auf dieses längst ad acta gelegte skandinavische Eugenik-Projekt setzt ... aber wenn man den so reden hört ... wie er von einer Lösung aller Probleme durch ein technologisches Nach-Vorn-Denken spricht. Da dringt immer noch diese Vorstellung durch, dass sich physikalische, chemische, biologische Gewissheiten einfach so auf gesellschaftliche Prozesse übertragen lassen können.
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odiug

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Sep 2021, 16:31)

Das war kein Wahn und auch keine Mode, sondern folgt dem erkenntnistheoretischenAnsatz des Empirismus (dessen wichtigste Vertreter John Locke und David Hume waren), der unsere modernen Naturwissenschaften begründete. Der erkenntnistheoretische Ansatz des Empirismus geht davon aus, dass alle Erkenntnis auf sinnlichen Erfahrungen basiert und sich induktiver Methoden bedient. Wenn in einer Erkenntnistheorie davon ausgegangen wird, dass alle Erkenntnis auf Sinneserfahrungen beruht/basiert, kommt man NICHT umhin zu sammeln, zu untersuchen und zu klassifizieren.
Mit dem, was du als Wahn und/oder Mode bezeichnest, wurde der Grundstein für unsere moderne wissenschaftliche Methodik, Systematik und Taxonomie (Biologie) gelegt. Das, was DU so abfällig als Wahn und Sammelleidenschaft abqualifizierst, ist der Grundstein unserer (modernen) Kenntnisse und Erkenntnisse über die Erdgeschichte, die Evolution u.v.m.
Und es gibt auch heute noch Wissenschaften, die empirisch arbeiten - die Archäologie ist so eine, da wird die empirische Methode auch Feldforschung genannt.
Das ist natürlich ein wenig versimpelt, aber für dieses Forum ausreichen.
Was fehlt ist natürlich, wogegen sich Locke und Hume, sowie die Enzyklopädisten wandten.
Der Empirismus kam ja nicht wie das Kind zur Jungfrau aus dem Nichts, sondern wendete sich gegen den Aberglaube und Humbug der christlichen Kirchen und den Dünkel der Aristokratie in Europa.
Und es ist auch nicht so, dass mit dem Erfolg des Empirismus die Sache erledigt gewesen wäre.
Es ist natürlich ein Prozess, der mit zunehmenden technischen Fortschritt auch unsre Wahrnehmung ändert ... also die Grundlage unser Emperie.
Bakterien und Viren gab es damals nicht ... nicht weil sie nicht auch damals schon existierten, sondern weil man sie nicht wahr nahm.
Es fehlten die technischen Voraussetzungen.

Nochmal: das war KEIN Wahn, sondern der Beginn wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftlicher Methodik, der Grundstein/die Grundlage unserer modernen Naturwissenschaften.
Es ist nunmal eine grundlegende Eigenschaft des Menschen, neugierig zu sein, nach Wissen und Erkenntnis zu streben und Antworten bzw Erklärungen für alle möglichen Fragen zu finden. Der erkenntnistheoretiche Ansatz des Empirismus war EIN Weg zum Erkenntnisgewinn. Eine Frage, auf die nach Antworten/Erklärungen gesucht wurde, war die, warum sich Menschen im Aussehen unterscheiden, warum sich diese Unterschiede (auch) geographisch manifestierten. Dazu muss man halt sammeln, vergleichen, untersuchen und klassifizieren - mit Geschwätz erlangt man keine Erkenntniss(e).
"erkenntnistheoretische Ansatz des Empirismus war EIN Weg"
Und in dem Wörtchen "war" ist das Problem, denn er ist.
Er ist eben kein in Stein gemeiseltes Gesetz wie die 10 Gebote, das einmal erklärt, für immer so gilt, sondern ein Prozess, der sich den Bedingungen anpasst.
Zumindest im Idealfall ... was eben nicht immer so ist :(
Und nochmal: (allgemeiner) Judenhass und die Verehrung eines einzelnen Juden für dessen Leistungen schließen einander nicht aus. Niemand hat behauptet, dass religiös motivierter Antijudaismus etwas war, dem sich niemand entziehen konnte bzw sich niemand entzogen hat. Es war - genau wie heute - ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem sich mindestens genauso viele entzogen haben, wie Antijudaismus pflegten.
Ernst-Moritz Arndt, war KEIN Nationalist/nationalistisch denkender Geist, sondern ein national - vor allem aber demokratisch denkender Geist. Er strebte - wie viele andere seiner Zeit - ein geeinte deutsche Nation an.
Du und viele andere, die ihre heutige Denk- und Sichtweise, losgelöst vom historischen Kontext, auf die Vergangenheit projizieren, übersehen dabei, dass die deutschen Kleinstaaten durch Napoleon besetzt waren.
Arndt muss nicht "nachträglich rehabilitiert" werden, er ist vielmehr ein Opfer woken bzw linksidentitäteren Tugendwahns bzw linksidentitärer moralischer Überheblichkeit.
Ha jo ... also selbst wenn man deine etwas idealisierte Darstellung von Ernst Moritz so akzeptieren will, was angesichts seiner rassistischen und völkischen Schriften mir etwas schwer fällt, so ist Ernst Moritz in erster Linie das Opfer von Hermann Göring und den Nationalsozialisten, die ihn für sich vereinnahmten.
Und eben weil das so passte, wie der Arsch auf die Schüssel, deswegen ist ein kritischer Blick auf das Leben und wirken von Ernst Moritz durchaus angebracht.
Nein, es handelt sich NICHT um kulturgechichtliche Fakten, sondern um deren emotionale Verzerrung.
Mit Fakten hat die Diskreditierung historischer Persönlichkeiten rein gar nichts zu tun, dafür alles mit moralischer Bewertung aus moderner Sicht, mit "fühlt sich gut oder nicht gut an" - linksidentitäre Bilderstürmerei, aber KEINE (kulturgeschichtlichen) Fakten!
(nicht markiertes Zitatteil entfernt)]
Es hat aber damit was zu tun, wie historische Persönlichkeiten vereinnahmt werden.
Ein schönes Beispiel dafür sind ja die Statuen von Generälen der Konföderierten in den Südstaaten der USA.
Diese Dinger sind ja selbst schon eine Geschichtsverfälschung, die eben nicht eine historisch Person ehren, sondern eine politische Botschaft vermitteln.
Und dagegen wenden sich die, die diese Dinger weg haben wollen ... und zwar mit recht!
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)
Ha jo ... also selbst wenn man deine etwas idealisierte Darstellung von Ernst Moritz so akzeptieren will, was angesichts seiner rassistischen und völkischen Schriften mir etwas schwer fällt, so ist Ernst Moritz in erster Linie das Opfer von Hermann Göring und den Nationalsozialisten, die ihn für sich vereinnahmten.
Und eben weil das so passte, wie der Arsch auf die Schüssel, deswegen ist ein kritischer Blick auf das Leben und wirken von Ernst Moritz durchaus angebracht.
Die Ziele von Ernst-Moritz Arndt waren - lassen wir mal die Frage Judenhass beiseite - nicht in erster Linie "Demokratisierung" sondern Anfeuerung des Franzosenhasses. Und zwar völlig unabhängig von seiner späteren Vereinnahmung durch das NS-Regime und später durch die DDR. Das lässt sich in originalen Arndt-Texten ganz klar nachweisen. Die Umbenennung der Uni Greifswald in "Ernst-Moritz Arndt Universität" 1933 hauptsächlich durch Betreiben von Göring und die Übernahme dieses Namens durch die DDR ... das ist eines der wirklich dingfesten Belege dafür, dass der deutsche Nationalsozialismus und der DDR-Staatssozialismus zumindest in einigen Punkten eben doch nicht so weit auseinanderlagen.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ammianus hat geschrieben:(20 Sep 2021, 17:27)

Durch das Sammeln kamen im 19. Jh. 3 Forscher unabhängig voneinander auf die Abfolge von Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Nur das intensive Sammeln und Registrieren macht genauere Einblicke in kulturelle Verläufe vor Aufkommen der Schrift überhaupt erst möglich. Wobei, betrachtet man das Früh- und Hochmittelalter, dann sind hier auch die schriftlichen Quellen äußerst dünn gesäht und nur ein intensives Sammeln und Ausbreiten von dem, was die Jahrhunderte überdauert hat, macht nähere Untersuchungen möglich. Dieses Sammeln kann sehr stupide und monoton sein - aber das gehört eben auch zur Wissenschaft dazu.

In der Biologie kam man dadurch zu dem Schluss, dass die Fledermaus wohl doch kein Vogel, der Walfisch kein Fisch war.
Ja. Das ist ja alles vollkommen richtig. Natürlich ist empirische Bestätigung oder eben Widerlegung das ultimative Kriterium in der Naturwissenschaft. Hier gehts aber um Rassismus als gesellschaftliches Phänomen. Ganz speziell ist im 19. Jahrhundert der Widerstand gegen eine Mathematisierung der Naturwissenschaften relevant. Das lässt sich in zahlreichen Einlassungen belegen. Ganz allgemein und bezogen auf politische Prozesse würde ich von einem Widerstand der Empiriker gegen systemisches Denken sprechen. Einem Widerstand, der bis in die Gegenwart anhält. Man versteht, zum Beispiel, diese sogenannte "Wende" in Deutschland nur zu einem Teil, wenn man sie vor allem als Ergebnis von konkreten Widerstandsbewegungen auffasst. Als "errungen". Der systemische Blick sieht diese Wende eher als Ergebnis von sozusagen tektonischen, grundlegenden Prozessen in der Weltgesellschaft, als "Sollbruchstelle", die eher nur des Anstoßes einer WIderstandsbewegung bedurfte.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)

Das ist natürlich ein wenig versimpelt, aber für dieses Forum ausreichen.
Was fehlt ist natürlich, wogegen sich Locke und Hume, sowie die Enzyklopädisten wandten.
Der Empirismus kam ja nicht wie das Kind zur Jungfrau aus dem Nichts, sondern wendete sich gegen den Aberglaube und Humbug der christlichen Kirchen und den Dünkel der Aristokratie in Europa.
Und es ist auch nicht so, dass mit dem Erfolg des Empirismus die Sache erledigt gewesen wäre.
Natürlich nicht. Der große Krach kam etwas später. Max Planck bekam als junger Mann zu hören, dass es in der Physik eigentlich kaum noch etwas zu entdecken gibt, da ja eigentlich alle Fragen schon so gut wie geklärt seien. Ja ...

Von bekannten Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts wie Adolf Hitler oder Rudolf Steiner ist bekannt, dass sie sich durch die sehr erfolgreichen naturwissenschaftlichen Theorien (Relativitätstheorie, Quantentheorie, aber auch Psychoanalyse) provoziert fühlten. Ganz einfach deshalb, weil sie sie nicht kapierten. Weil sie davon ausgingen, dass es sich dabei um typisch jüdisch-kabbalistische Zahlentricksereien handelt. Und dass der wackere deutsche Forscher im Gegensatz dazu ausmisst, ausbuddelt. abwägt. anfasst, irgendwelche Gegenstände irgendwohin fallen lässt. Dass der wackere deutsche Forscher sich eine Wetterjacke anzieht und zu fernen Gestaden aufbricht. Dass er irgendwann auch mal den Fuß auf den Marsboden setzt.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Di 21. Sep 2021, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 08:36)

Uff. Es führt für ein Diskussionsforum zu weit, diese Fragen zu erörtern. Ich sage nur mal kurz: Das Wesen moderner Naturwissenschaften ist vor allem von einer Mathematisierung geprägt. Das wolllte man lange Zeit nicht glauben. Und dagegen hat es erhebliche Widerstände und Aufregungen gegeben. Der bekannteste und wichtigste Gegner dieser Mathematisierungstendenz war Johann Wolfgang von Goethe. Genau um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert herum. Wir kennen ihn vor allem als den deutschen Nationaldichter. Er selbst jedoch sah sich mindestens gleichermaßen als Naturerklärer. Nur: Er irrte! Es ist keineswegs so, dass man das Phänomen "Farbe" versteht, wenn man intensiv genug Farben wahrnimmt. Sondern wenn man das Prinzip Spektralanalyse versteht. Als Mathematik. Man muss es am Ende nur noch in der Wirklichkeit durch Experimente verifizieren (oder falsifizieren). Goethe war auch einer der eifrigsten Botanisierer und Gesteinssammler. Sein Credo war: Das was man begreifen will muss man tatsächlich und im Wortsinne begreifen. Anfassen, riechen, wahrnehmen. Nur. Nochmal: Er irrte! Heutige relevante Welterklärungstheorien wie die Stringtheorie(n) haben überhaupt nix mehr, garnix mehr mit sinnlicher Wahrnehmung zu tun.
Du bastelst wieder mal Strohmänner!
Es geht nicht um "das Wesen moderner Naturwissenschaften", sondern, dass DU den erkenntnistheoretischen Ansatz des Empirismus (mit seiner induktiven und abduktiven Methodik) abwertend als Mode und Wahn abqualifizierst, es geht darum, dass der Empirismus mit seiner Idee, dass nur sinnliche Wahrnehmungen zu Erkenntnis führen können, den Grundstein für unsere modernen Naturwissenschaften gelegt haben.
OHNE die Sinneswahrnehmungen (Beobachtungen, Vergleiche, Untersuchungen) eines Darwin, gäbe es heute keine Evolutionstheorie und ohne die "Steinesammler" wie Goethe gäbe es keine wissenschaftliche Geologie, hätte ein Alfred Wegener niemals seine Theorie der Plattentektonik entwickeln können.
Und NEIN, die Vetreter des Empirismus haben NICHT geirrt, denn OHNE ihre Sammelei und OHNE ihre akribische Aufzeichnung ihrer Beobachtungen und Untersuchungen gäbe es nicht eine einzige unserer heutigen modernen Theorien. OHNE die Sinneswahrnehmung (Beobachtung der Sonnenfinsternis 1919) würde Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie noch heute als reine Spinnerei abgetan.
Nochmal: wir sprechen NICHT über moderne (wissenschaftliche) Methoden und Verfahren, sondern über die, die zur Verfügung standen, als Rassentheorien entwickelt wurden und versucht wurde diese wissenschaftlich zu begründen.
Und genau diese Rassentheorien - die im 19. Jh. entwickelt wurden - galten bis ins letzte Drittel des 20.Jh. als wissenschaftlich.
Sie wurden erst mit den Methoden der Genetik, genauer der Molekulargenetik widerlegt und auch in diesen Wissenschaftsdisziplinen sind es i.w.S. Sinneswahrnehmungen, die den Erkenntnisgewinn liefern und NICHT die Mathematik, in der Geologie, Astronomie und weiteren Wissenschaftszweigen sind es i.w.S. Sinneswahrnehmnungen die den Erkenntnisgewinn liefern und NICHT die Mathematik!
schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 08:36)Es ist übrigens auch bezeichnend genug, dass gerade die extremst rechtskonservativen Denker wie etwa Ernst Jünger das "Käfersammeln" versucht haben bis in die Neuzeit und den Postmodernismus hinüberzuretten. Jünger schwärmte nicht nur von Stahlgewittern sondern war auch passionierter Käfersammler.
Ein weiterer Strohmann und darüber hinaus gaanz schlechtes Beispiel - Ernst Jünger war Schriftsteller und KEIN Wissenschaftler. Und nochwas: schau mal auf sein Geburtsdatum!
schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 08:36)Eine der wichtigsten Grundlagen der modernen Naturwissenschaften, die Fourier-Analyse, zuweilen heißt es auch, die Fourier-Analyse sei überhaupt der Beginn der modernen Naturwissenschaft, wurde nicht etwa durch Sammeln und Messen erbracht sondern sie wurde durch eine mathematische Theorie quasi im Gehirnerbrütet.
Die wichtigsten Grundlagen für unsere heutigen modernen Naturwissenschaften wurden im 18. und 19. Jh. - insbesondere während der Zeit des Empirismus - gelegt!
Zu den Naturwissenschaften gehören neben der Physik bzw der theoretischen Physik/Astrophysik - die tatsächlich vorrangig auf Mathematik basier(t)en - gibt es noch die Geologie, die Biologie und die Chemie. Insbesondere in der Biologie und Geologie helfen dir rein mathematiche Modelle kein Stück weiter, da ist man immer noch auf Sinneswahrnehmungen i.w.S. angewiesen.

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 08:36)Die allgemeine Relaitivitätstheorie und damit die Basis für ein Verständnis unserer Welt und des Universums überhaupt besteht zu 99,9 Prozent in der Entwicklung konsistenter mathematischer Gleichungssysteme und zu 0,1 Prozent in ihrem Nachweis in der Periheldrehung des Planeten Merkur.
Aua - nicht wirklich oder?
Die allgemeine Relativitätstheorie ist ein System mathematischer Gleichungssysteme - soweit richtig.
Bestätigt bzw widerlegt werden können diese mathematichen Systeme wiederum nur durch Experimente - also i.w.S. Sinneswahrnehmungen und genau DAS geschah 1919 bei Messungen der Lichtkrümmung bei einer Sonnenfinsternis.
Und wiederum: OHNE die Grundlagen, die im 18/19. Jh - insbesondere durch den erkenntnistheoretischen Ansatz des Empirismus gäbe es KEINE modernen Naturwissenschaften!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 13:37)

Du bastelst wieder mal Strohmänner!
Es geht nicht um "das Wesen moderner Naturwissenschaften", sondern, dass DU den erkenntnistheoretischen Ansatz des Empirismus (mit seiner induktiven und abduktiven Methodik) abwertend als Mode und Wahn abqualifizierst, es geht darum, dass der Empirismus mit seiner Idee, dass nur sinnliche Wahrnehmungen zu Erkenntnis führen können, den Grundstein für unsere modernen Naturwissenschaften gelegt haben.
Ja ja. Ich weiß inzwischen, dass ich praktisch universumsweit Schuld an allem bin. Ich kann damit leben.
OHNE die Sinneswahrnehmungen ...
Das alles bestreitet doch niemand. Die Frage ist, wie sich die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung dieses Welterfolgs des Empirismus vollzog.

Wenn wir schon mal dabei sind. Das, was du als deinen Standpunkt vertrittst, ist so ziemlich genau das, was man als "Empiriokritizismus" bezeichnet. Nämlich: Schlüsse, die über den reinen Erfahrungshorizont hinausreichen, als irrelevant oder sogar metaphysisch anzusehen. Damit jedoch wirst du bei dem Versuch einer Welterkenntnis mit Sicherheit Schiffbruch erleiden.

Nebenbei und offtopic.

Es ist mir noch immer ein absolutes Rätsel, wie und warum gerade und ausgerechnet ein harter politischer Autokrat und auch Diktator, vor allem aber auch Politstratege wie Wladimir Uljanow alias "Lenin" in einem so frühen Stadium das grundlegende und sehr sehr schwer zu erfassende Grundproblem des Empiriokritizismus erkennen konnte. Wie er zu einem für die Zeit und für einen Polit-Ideologien so ungewöhnlichen Satz kommen konnte, das Elektron sei "unerschöpflich". Autokraten sind normalerweise Dummköpfe. Und diese schier unbegreifliche Intelligenz Lenins entbindet ihn natürlich auch nicht von seiner Verantwortung für alle möglichen historischen Schandtaten. Lassen wir mal die Frage beseite, ob ein solcher Satz wirklich physikalisch etwas konkretes und dann auch noch sinnvolles bedeutet. Lenin wandte sich in "Materialismus und Empiriokritizismus" wor allem gegen Ernst Mach. Und dieser wiederum wandte sich mit dem Machschen Prinzip vor allem gegen die Newtonsche Auffassung der Existenz eines "absoluten Raums". Zusammengenommen muss man einfach sagen: Lenin bewegte sich in seinen naturphilosophischen Betrachtungen auf einer Höhe, die zu seinen Lebzeiten nur wenige Dutzend Menschen auf der Welt erreichten. Die meisten Menschen zu der Zeit hatten auch nicht im Entferntesten eine Ahnung, worum es bei der Unerschöpflichkeit des Elektrons oder bei der Kritik Machs an Newtons absoluten Raum eigentlich ging. Einschließlich der sogenannten "Gelehrten" und "Akademiker". Und die extremen sozialen Verhältnisse im damaligen Russland ... hatten auch nicht viel damit zu tun.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Di 21. Sep 2021, 14:56, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Die Diskussion zum eigentlichen Thema fleddert natürlich etwas aus. Das ist aber normal.Dennoch. Wenn ich es zurück auf den Ausgangspunkt bringen darf: Werden wir, wird die bundesdeutsche Bevölkerung einer "Gehirnwäsche" unterzogen?

Beitrag 1:
Skeptiker hat geschrieben: In meinen Augen bewegt sich das schon näherungsweise in die Richtung einer Gehirnwäsche ...
Nochmal: Werden wir einer "Gehirnwäsche" unterzogen? Die Frage hat noch eine ganz andere, viel wesentlichere Komponente, die man eigentlich an den Threadersteller richten müsste: "Lässt Du dich einer Gehirnwäsche unterziehen". Und wenn ja: Warum eigentlich? Wer oder was zwingt dich dazu? Konformismus?
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)

Das ist natürlich ein wenig versimpelt, aber für dieses Forum ausreichen.
Was fehlt ist natürlich, wogegen sich Locke und Hume, sowie die Enzyklopädisten wandten.
Der Empirismus kam ja nicht wie das Kind zur Jungfrau aus dem Nichts, sondern wendete sich gegen den Aberglaube und Humbug der christlichen Kirchen und den Dünkel der Aristokratie in Europa.
Und es ist auch nicht so, dass mit dem Erfolg des Empirismus die Sache erledigt gewesen wäre.
Es ist natürlich ein Prozess, der mit zunehmenden technischen Fortschritt auch unsre Wahrnehmung ändert ... also die Grundlage unser Emperie.
Bakterien und Viren gab es damals nicht ... nicht weil sie nicht auch damals schon existierten, sondern weil man sie nicht wahr nahm.
Es fehlten die technischen Voraussetzungen.

"erkenntnistheoretische Ansatz des Empirismus war EIN Weg"
Und in dem Wörtchen "war" ist das Problem, denn er ist.
Er ist eben kein in Stein gemeiseltes Gesetz wie die 10 Gebote, das einmal erklärt, für immer so gilt, sondern ein Prozess, der sich den Bedingungen anpasst.
Zumindest im Idealfall ... was eben nicht immer so ist :(
Mir erschließt sich nicht, was du sagen willst.
Nirgendwo wurde behauptet, dass es außer dem Empirismus keine erkenntnistheoretischen Ansätze gegeben hätte bzw, dass er aus dem Nichts entstanden wäre.
odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)Ha jo ... also selbst wenn man deine etwas idealisierte Darstellung von Ernst Moritz so akzeptieren will, was angesichts seiner rassistischen und völkischen Schriften mir etwas schwer fällt, so ist Ernst Moritz in erster Linie das Opfer von Hermann Göring und den Nationalsozialisten, die ihn für sich vereinnahmten.
Und eben weil das so passte, wie der Arsch auf die Schüssel, deswegen ist ein kritischer Blick auf das Leben und wirken von Ernst Moritz durchaus angebracht.
Niemand idealisiert irgendwen, auch nicht Ernst-Moritz Arndt. Er war/ist wie jeder Mensch nicht fehlerfrei, aber er ist im Kontext seiner Zeit zu betrachten und nur, weil er Ansichten vertreten hat, die wir heute ganz anders bewerten, bedeutet das nicht, dass seine sonstigen Leitungen ebenfalls negiert werden (müssen) bzw abgewertet werden (müssen).
Gegen eine Vereinnahmung durch die Nazis konnte er sich nicht wehren, weil er schon lange tot war.
odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)Es hat aber damit was zu tun, wie historische Persönlichkeiten vereinnahmt werden.
Ein schönes Beispiel dafür sind ja die Statuen von Generälen der Konföderierten in den Südstaaten der USA.
Diese Dinger sind ja selbst schon eine Geschichtsverfälschung, die eben nicht eine historisch Person ehren, sondern eine politische Botschaft vermitteln.
Die Statuen der Generäle der Konföderierten gehören zur Geschichte der Südstaaten und NEIN, sie sind KEINE Geschichtsverfälschung. Als die Statuen aufgestellt wurden, wurden diese Personen sehr wohl verehrt!
Die angebliche politische Botschaft ist eine nachträgliche (ideologisch begründete) Interpretation, die nichts mit den Motiven zur Verehrung der Personen zu tun hat.
odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 09:57)Und dagegen wenden sich die, die diese Dinger weg haben wollen ... und zwar mit recht!
Die, die die Dinger weghaben wollen, betreiben moderne Bilderstürmerei, nichts weiter. Damit ändern sie die Geschichte nicht. Sie wollen sich nur nicht mit dieser Geschichte auseinander setzen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 15:17)
Niemand idealisiert irgendwen, auch nicht Ernst-Moritz Arndt. Er war/ist wie jeder Mensch nicht fehlerfrei, aber er ist im Kontext seiner Zeit zu betrachten und nur, weil er Ansichten vertreten hat, die wir heute ganz anders bewerten, bedeutet das nicht, dass seine sonstigen Leitungen ebenfalls negiert werden (müssen) bzw abgewertet werden (müssen).
Gegen eine Vereinnahmung durch die Nazis konnte er sich nicht wehren, weil er schon lange tot war.
Diese Auffassung nennt sich "Kulturrelativismus". Also kurzgesagt: Die Auffassung, dass man die Denkweise und die Handlungen von Personen immer nur aus der Innenperspektive betrachten könne. Das eigentliche Problem bei Arndt ist: Eine solche einheitliche "Innenperspektive" gab es zu Arndts Zeiten gar nicht! Es gab in keinster Weise irgendeinen einheitlichen und verbindlichen "Zeitgeist", dem ein Arndt sich zwangsläufig hätte unterwerfen müssen. Und dergleichen gibts auch heute nicht,
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 15:17)


Die Statuen der Generäle der Konföderierten gehören zur Geschichte der Südstaaten und NEIN, sie sind KEINE Geschichtsverfälschung. Als die Statuen aufgestellt wurden, wurden diese Personen sehr wohl verehrt!
Die angebliche politische Botschaft ist eine nachträgliche (ideologisch begründete) Interpretation, die nichts mit den Motiven zur Verehrung der Personen zu tun hat.


Die, die die Dinger weghaben wollen, betreiben moderne Bilderstürmerei, nichts weiter. Damit ändern sie die Geschichte nicht. Sie wollen sich nur nicht mit dieser Geschichte auseinander setzen.
Natürlich sind die Dinger Geschichtsverfälschung !
Die meisten von denen wurden erst zu Beginn des 20sten Jahrhunderts aufgestellt im Zusammenspiel mit der Jim Crow Gesetzgebung und der Segregation in den ehemaligen Sklavenstaaten.
Diese "Denkmäler" waren und sind es bis heute ein Machtanspruch gegen die Gleichberechtigung der Afro Amerikaner durch white supremacists.
Die gehören weg ... oder um ehrlich zu sein, lasst sie stehen, verunstaltet sie und gebt sie dem Verfall preis.
Die Dinger sind ein Schandfleck und sollten auch als solche behandelt werden.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Keoma »

odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 16:00)

Natürlich sind die Dinger Geschichtsverfälschung !
Die meisten von denen wurden erst zu Beginn des 20sten Jahrhunderts aufgestellt im Zusammenspiel mit der Jim Crow Gesetzgebung und der Segregation in den ehemaligen Sklavenstaaten.
Diese "Denkmäler" waren und sind es bis heute ein Machtanspruch gegen die Gleichberechtigung der Afro Amerikaner durch white supremacists.
Die gehören weg ... oder um ehrlich zu sein, lasst sie stehen, verunstaltet sie und gebt sie dem Verfall preis.
Die Dinger sind ein Schandfleck und sollten auch als solche behandelt werden.
Das was übrig bleiben sollte, ist der leere, mit Graffiti und Parolen bemalte Sockel.
Denkmäler als Geschichtsverfälschung, das muss einem einmal einfallen.
Abgesehen davon, dass dich diese Denkmäler eh nichts angehen.
Der Gescheitere gibt nach!
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Elmar Brok »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 15:17)
Die Statuen der Generäle der Konföderierten gehören zur Geschichte der Südstaaten und NEIN, sie sind KEINE Geschichtsverfälschung. Als die Statuen aufgestellt wurden, wurden diese Personen sehr wohl verehrt!
Die angebliche politische Botschaft ist eine nachträgliche (ideologisch begründete) Interpretation, die nichts mit den Motiven zur Verehrung der Personen zu tun hat.


Die, die die Dinger weghaben wollen, betreiben moderne Bilderstürmerei, nichts weiter. Damit ändern sie die Geschichte nicht. Sie wollen sich nur nicht mit dieser Geschichte auseinander setzen.
Richtig. Sie wurden verehrt. Heute offensichtlich nicht mehr. Wieso sollten sie also auf Zwang weiterhin stehen bleiben? Oder sind das Personen, mit denen sich die heutige amerikanische Gesellschaft identifiziert?

Das Aufstellen der Statuen ist genauso eine nachträgliche, ideologisch begründete Interpretation/Darstellung der Vergangenheit mit klarem politischen Motiv. Natürlich ändern wir Geschichte, wenn wir eine Statue aufstellen oder abreißen oder verändern. Genau das ist Auseinandersetzung mit Geschichte bzw. Geschichtskultur. Darüber MUSS ein Diskurs möglich sein. Mit offenem Ausgang. Eine Statue hat kein Anrecht, weil sie einmal aufgestellt wurde, auf alle Zeiten die Geschichtskultur der Gesellschaft zu vertreten.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 14:17)

Ja ja. Ich weiß inzwischen, dass ich praktisch universumsweit Schuld an allem bin. Ich kann damit leben.

Das alles bestreitet doch niemand. Die Frage ist, wie sich die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung dieses Welterfolgs des Empirismus vollzog.
Du sprichst in Rätseln!
Empirismus ist eine Erkenntnistheorie, nicht mehr und nicht weniger. Einen "Welterfolg" kann ich bei einer Erkenntnistheorie nicht erkennen, ebensowenig eine "gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung".
Was willst du eigentlich?
schokoschendrezki hat geschrieben:(21 Sep 2021, 14:17)
Wenn wir schon mal dabei sind. Das, was du als deinen Standpunkt vertrittst, ist so ziemlich genau das, was man als "Empiriokritizismus" bezeichnet. Nämlich: Schlüsse, die über den reinen Erfahrungshorizont hinausreichen, als irrelevant oder sogar metaphysisch anzusehen. Damit jedoch wirst du bei dem Versuch einer Welterkenntnis mit Sicherheit Schiffbruch erleiden.
Häää? Wir sprechen vom 18./19. Jh und den technischen Möglichkeiten, die damals zur Verfügung standen.
Ich betrachte Schlüsse, die über den reinen Erfahrungshorizont hinaus gehen, keinesfalls als irrelevant und schon gar nicht als metaphysisch.
Ich habe lange genug in der Feldforschung gearbeitet, um zu wissen was die leisten kann und was nicht!
Die Abkürzung i.w.S. steht übrigens für im weitesten Sinne und im weitesten Sinne sind auch Messergebnisse Sinneswahrnehmungen. Wenn mit dem Keck-Observatorium auf dem Mauna Kea eine Supernova beobachtet wird, dann ist das i.w.S. eine Sinneswahrnehmung, weil die Aufzeichnung des Telekops/Observatoriums von Wissenschaftlern ausgewertet wird. Wenn die Himmelsscheibe von Nebra mittels Rasterelektronenmikroskop untersucht wird, ist das i.w.S. eine Sinneswahrnehmnung.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 16:13)

Richtig. Sie wurden verehrt. Heute offensichtlich nicht mehr. Wieso sollten sie also auf Zwang weiterhin stehen bleiben? Oder sind das Personen, mit denen sich die heutige amerikanische Gesellschaft identifiziert?
Es sind historische Persönlichkeiten, Persönlichkeiten, die die Geschichte der USA maßgeblich mitbestimmt und mitgestaltet haben und insofern sind sie sehr wohl relevant.
Geschichte lässt sich weder verändern, noch lässt sie sich auslöschen/ungeschehen machen, indem man man Bilderstürmerei betreibt und Statuen vernichtet.
Nach dieser - deiner - Lesart müsste alles vernichtet/abgerissen werden, was aus der Vergangenheit stammt, weil sich die heutige Gesellschaft nicht mehr damit identifiziert, weil es ihr zu anstrengend ist, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen und noch anstrengender, diese Geschichte als die eigene anzunehmen.

Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 16:13)
Das Aufstellen der Statuen ist genauso eine nachträgliche, ideologisch begründete Interpretation/Darstellung der Vergangenheit mit klarem politischen Motiv. Natürlich ändern wir Geschichte, wenn wir eine Statue aufstellen oder abreißen oder verändern. Genau das ist Auseinandersetzung mit Geschichte bzw. Geschichtskultur. Darüber MUSS ein Diskurs möglich sein. Mit offenem Ausgang. Eine Statue hat kein Anrecht, weil sie einmal aufgestellt wurde, auf alle Zeiten die Geschichtskultur der Gesellschaft zu vertreten.
Sorry, aber ich habe selten etwas dämlicheres gelesen!

Ein Denkmal setzen Menschen demjenigen, den sie verehren, den sie in Erinnerung behalten wollen - völlig unideologisch!
Denkmäler werden gebaut, um an Ereignisse zu erinnern, die für die jeweilige Epoche entscheident oder von Wichtigkeit sind - völlig unideologisch!
Mit dem Abriss von Denkmälern wird gaar nicht verändert, nichts ungeschehen gemacht - schon gar keine Geschichte.
Auch wenn das Völkerchlachtdenkmal in Leipzig abgerissen wird, ändert das an der Geschichte gar nichts, die Völkerschlacht bei Leipzig hat dennoch 1813 stattgefunden.

„Ein Volk, das keine Vergangenheit [Geschichte] haben will, verdient auch keine Zukunft.“
„Nur wer die Vergangenheit [Geschichte] kennt, hat eine Zukunft.“
Wilhelm von Humboldt


Auseinandersetzung mit Geschichte bedeutet NICHT, die Zeugnisse dieser Geschichte zu zerstören, ganz im Gegenteil.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Elmar Brok »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 17:49)

Es sind historische Persönlichkeiten, Persönlichkeiten, die die Geschichte der USA maßgeblich mitbestimmt und mitgestaltet haben und insofern sind sie sehr wohl relevant.
Geschichte lässt sich weder verändern, noch lässt sie sich auslöschen/ungeschehen machen, indem man man Bilderstürmerei betreibt und Statuen vernichtet.
Nach dieser - deiner - Lesart müsste alles vernichtet/abgerissen werden, was aus der Vergangenheit stammt, weil sich die heutige Gesellschaft nicht mehr damit identifiziert, weil es ihr zu anstrengend ist, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen und noch anstrengender, diese Geschichte als die eigene anzunehmen.
Es ist für ein Denkmal erstmal völlig egal, ob diese Person relevant war. Allein diese Behauptung ist schon eine Interpretation von dir. Aus der Gegenwart. Die Beurteilung, dass eine Person damals relevant war, steht so nicht in der Vergangenheit geschrieben. Auch müssen wir nicht von jeder Person, die wir als relevant interpretieren, eine Statue stehen lassen oder errichten. Nach dieser- deiner - Lesart müsste es bei uns von Hitler-Statuen nur so wimmeln.

Entschuldige, ich war doch tatsächlich davon ausgegangen, dass heutzutage niemand mehr Geschichte und Vergangenheit gleichsetzt. Mein Fehler. Vergangenheit lässt sich natürlich nicht verändern. Geschichte dagegen schon. Zum Beispiel die Beurteilung, wie relevant eine Person für eine bestimmte Entwicklung war. Diese Beurteilung ist nicht festgelegt. Wie Geschichte generell. Das Ziel von "Bildstürmerei" ist auch nicht die "Auslöschung" von "Geschichte".

Deine Interpretation meiner Lesart ergibt leider keinen Sinn. Hää! Du behauptest Dinge, die ich nie behauptet habe.
Sorry, aber ich habe selten etwas dämlicheres gelesen!
Sehr gehaltvolle Aussage. Aber keine Sorge, so ging es mir nach dem Lesen deiner Zeilen ebenfalls.
Ein Denkmal setzen Menschen demjenigen, den sie verehren, den sie in Erinnerung behalten wollen - völlig unideologisch!
Denkmäler werden gebaut, um an Ereignisse zu erinnern, die für die jeweilige Epoche entscheident oder von Wichtigkeit sind - völlig unideologisch!
Mit dem Abriss von Denkmälern wird gaar nicht verändert, nichts ungeschehen gemacht - schon gar keine Geschichte.
Auch wenn das Völkerchlachtdenkmal in Leipzig abgerissen wird, ändert das an der Geschichte gar nichts, die Völkerschlacht bei Leipzig hat dennoch 1813 stattgefunden.
Mit dem Abriss von Denkmälern werden sehr wohl Dinge verändert. Zum Beispiel die Frage, ob wir Hitler als eine Persönlichkeit haben wollen, an die in jeder Stadt mit ruhmvollen Statuen erinnert wird. Die Menschen von damals können in Erinnerung halten, wen sie wollen. Wieso sollten wir den gleichen Menschen gedenken müssen? Denkmäler vermitteln immer auch eine Interpretation von Vergangenem. Eine Beurteilung eines Ereignisses oder einer Person. Somit ist es sehr wohl ideologisch. Wenn wir diese Person oder dieses Ereignis anders beurteilen, dann ist es unser gutes Recht, diese Denkmäler abzureißen, zu verändern oder stehen zu lassen.
Auseinandersetzung mit Geschichte bedeutet NICHT, die Zeugnisse dieser Geschichte zu zerstören, ganz im Gegenteil.
Keine Sorge. Statuen haben natürlich auch einen historischen Wert. Dafür kann man sie aber auch ins Museum stellen. Zerstören würde ich sie nicht.

Du widersprichst dir zudem selbst. Wie kann der Abriss von Denkmälern "gaar nicht veränder"n? Die Vergangenheit kann nicht verändert werden, unsere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit aber schon. Sie ist einemständigen Wandel unterlegen.
Zuletzt geändert von Elmar Brok am Di 21. Sep 2021, 18:22, insgesamt 2-mal geändert.
Stoner

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Stoner »

odiug hat geschrieben:(21 Sep 2021, 16:00)

Natürlich sind die Dinger Geschichtsverfälschung !
Die meisten von denen wurden erst zu Beginn des 20sten Jahrhunderts aufgestellt im Zusammenspiel mit der Jim Crow Gesetzgebung und der Segregation in den ehemaligen Sklavenstaaten.
Diese "Denkmäler" waren und sind es bis heute ein Machtanspruch gegen die Gleichberechtigung der Afro Amerikaner durch white supremacists.
Die gehören weg ... oder um ehrlich zu sein, lasst sie stehen, verunstaltet sie und gebt sie dem Verfall preis.
Die Dinger sind ein Schandfleck und sollten auch als solche behandelt werden.
Das was übrig bleiben sollte, ist der leere, mit Graffiti und Parolen bemalte Sockel.
Nun ja, aber letztendlich sind dann auch die Talibans legitimiert, die Buddhas zu sprengen, sobald sie ihre Macht durchgesetzt haben. Der Buddhismus ist überwunden in Afghanistan, der einzige Gott duldet keine weiteren neben sich. Ich kann die Menschen verstehen, die sich von solchen Statuen beleidigt fühlen.
Skeptiker

Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Skeptiker »

Stoner hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:21)
Nun ja, aber letztendlich sind dann auch die Talibans legitimiert, die Buddhas zu sprengen, sobald sie ihre Macht durchgesetzt haben. Der Buddhismus ist überwunden in Afghanistan, der einzige Gott duldet keine weiteren neben sich. Ich kann die Menschen verstehen, die sich von solchen Statuen beleidigt fühlen.
Vorsicht, er wird die Ironie in deinem Beitrag nicht verstehen.

Diese Sache ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass der wichtigere Unterschied der Menschen zueinander, nicht in den Zielen, sondern in den Methoden liegt.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Dark Angel »

Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:18)

Es ist für ein Denkmal erstmal völlig egal, ob diese Person relevant war. Allein diese Behauptung ist schon eine Interpretation von dir. Aus der Gegenwart.
Es war und ist denjenigen, die ein Denkmal geschaffen haben bzw schaffen nicht egal, ob die Person (oder das Ereignis) relevant war. Das - und nur das - ist entscheident! Und NEIN, das ist keine Behauptung von mir, das nennt sich übrigens Geschichte und mit Geschichte beschäftigen sich Historiker und Archäologen.
Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:18)Die Beurteilung, dass eine Person damals relevant war, steht so nicht in der Vergangenheit geschrieben.
Natürlich steht das in der Vergangenheit "geschrieben" und zwar nur dort. Nennt sich historischer Kontext.
Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:18)Auch müssen wir nicht von jeder Person, die wir als relevant interpretieren, eine Statue stehen lassen oder errichten. Nach dieser- deiner - Lesart müsste es bei uns von Hitler-Statuen nur so wimmeln.
Welche Statuen wo stehen bleiben, entscheiden glücklicherweise nicht die "Wokies" und (modernen) Bilderstürmer!
Elmar Brok hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:18)Entschuldige, ich war doch tatsächlich davon ausgegangen, dass heutzutage niemand mehr Geschichte und Vergangenheit gleichsetzt. Mein Fehler.

Vergangenheit IST Geschichte und Geschichte IST Vergangenheit. Was soll Vergangenheit sonst sein?
Der gestrige Tag ist Vergangenheit und alle Geschehnisse des gestrigen Tages SIND Geschichte!
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009]Vergangenheit lässt sich natürlich nicht verändern. Geschichte dagegen schon.
Wenn man denkt dümmer gehts nicht mehr, kommt jemand und setzt noch einen drauf!
Da die Geschichte Vergangenheit ist und die Vergangenheit nicht verändert werden kann, kann auch die Geschichte nicht verändert werden. Das einzige was man ändern kann, ist die Sicht auf die Geschichte, die Bewertung von historischen Ereignissen. Allerdings ist Bilderstürmerei höchst ungeeignet für eine veränderte Sicht auf die Geschichte.
Das tun nur Menschen, denen es zu anstrengend ist, sich a) mit (ihrer) Geschichte zu beschäftigen, b) sich ihrer Geschichte zu stellen und c) aus der Geschichte zu lernen, darum versuchen sie mittels Bilderstürmerei, sich der Geschichte zu entledigen. Was anderes ist diese Bilderstürmerei nämlich nicht.
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009]Zum Beispiel die Beurteilung, wie relevant eine Person für eine bestimmte Entwicklung war. Diese Beurteilung ist nicht festgelegt. Wie Geschichte generell. Das Ziel von "Bildstürmerei" ist auch nicht die "Auslöschung" von "Geschichte".
Die Beurteilung wie relevant eine Person für eine bestimmte Entwicklung war ergibt sich aus dem historischen Kontext, ergibt sich aus der Geschichte.
Geschichte ist sehr wohl festgelegt, die ist nämllich bereits passiert und was bereits passiert ist, lässt sich nicht verändern, das steht fest, IST festgelegt. Geschichte ist kein "wünsch dir was"!
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009]Deine Interpretation meiner Lesart ergibt leider keinen Sinn.
Tut mir schrecklich leid, aber was du von dir gibst ist keine "Lesart", sondern Dummsinn in Potenz!
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009]Mit dem Abriss von Denkmälern werden sehr wohl Dinge verändert.

Mit dem Abriss von Denkmälern wird gar nichts verändert, nichts ungeschehen gemacht!
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009]Zum Beispiel die Frage, ob wir Hitler als eine Persönlichkeit haben wollen, an die in jeder Stadt mit ruhmvollen Statuen erinnert wird. Die Menschen von damals können in Erinnerung halten, wen sie wollen. Wieso sollten wir den gleichen Menschen gedenken müssen?
1. die Menschen von damals leben nicht mehr, sie sind Geschichte!

2. hat Gedenken immer zwei Seiten. Die eine Seite ist Verehrung, die andere Warnung und Mahnung
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009] Denkmäler vermitteln immer auch eine Interpretation von Vergangenem. Eine Beurteilung eines Ereignisses oder einer Person. Somit ist es sehr wohl ideologisch.
Falsch! Eine Interpretation hat nichts mit Ideologie zu tun. Eine (wissenschftliche) Interpretation basiert auf Fakten: Bei ideologischer Betrachtungsweise stören Fakten nur.
Elmar Brok hat geschrieben:[url=viewtopic.php?p=5077009#p5077009] Wenn wir diese Person oder dieses Ereignis anders beurteilen, dann ist es unser gutes Recht, diese Denkmäler abzureißen, zu verändern oder stehen zu lassen.
Wer ist "wir"? Sind "wir" ideologisch verprellte und verblendete oder sind "wir" die Fachleute?
Mit dem Abriss von Denkmälern werden immer noch keine Ereignisse der Vergangenheit/Geschichte verändert!
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 17:27)

Du sprichst in Rätseln!
Empirismus ist eine Erkenntnistheorie, nicht mehr und nicht weniger. Einen "Welterfolg" kann ich bei einer Erkenntnistheorie nicht erkennen, ebensowenig eine "gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung".
Was willst du eigentlich?
Der Empirismus steht geschichlich der mittelalterlichen Scholastik gegenüber. Und natürlich war das ein Erfolg. Wenn auch dieser Begriff "Erfolg" in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz passend ist. Wenn man ganz grob die Entwicklung der Naturwissenschaften nachzeichnen will, dann folgten der Scholastik und dem Empirismus die alles dominierende Mathematisierung. Freilich ohne dass der Wert empirisch gewonnener Erkenntnisse dabei herabgesetzt wird.

Aber es geht doch beim Zusammenhang Rassismus/Aufklärung nach meinem Verständnis hauptsächlich um etwas anderes: Die fahrlässige und mechanische Übertragung der Erkennntnisse Darwins auf Mensch und Gesellschaft.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 23:28)
Welche Statuen wo stehen bleiben, entscheiden glücklicherweise nicht die "Wokies" und (modernen) Bilderstürmer!
Also konkret bezogen auf Enst-Moritz Arnd: Meine Tochter ist an einer Universität beschäftigt, die bis vor kurzem nach Arndt benannt war. Und es jetzt - gottseidank bzw eher den Aktivisten und Aktivistinnen :) sei dank - nicht mehr ist. Ich würde hier aber keineswegs von "identitärem Tugendterror" sprechen. Sondern eher von ganz normaler Wahrnehmung der eignen Interessen. Wer möchte schon nach einem langen und aufwendigen Studium einen Abschluss in der Hand halten, auf dem ausgerechnet dieser Name steht. Die Umbenennung kollidiert auch nicht mit irgendeinem Traditionsbruch. Die Uni Greifswald bennante sich nach Arndt lediglich in der NS- und in der DDR-Zeit. Kein Problem also, dieses unrühmliche Kapitel zu beenden.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von schokoschendrezki »

Wie sehr nach wie vor die Auseinandersetzungen rund um Biologie, Evolution, Mathematisierung, Übertragung von biologischen Erkenntnissen auf Mensch und Gesellschaft kontrovers geführt werden, zeigt die Auseinandersetzung mit dem Insektenforscher und Biologen Edward O. Wilson. Dabei gehts wirklich zur Sache. Sein viel beachtetes Buch "Soziobiologie" (1975) wird dabei sowohl von rechts wie von links unter Beschuss genommen. Von links weil ihm darin "Biologismus" vorgeworfen wird. Von rechts, weil sich Wilson ausgehend von seinen Prämissen für Arterhaltung und Naturschutz einsetzt. Und dann hat sich Wilson in späteren Jahren auch noch ausdrücklich von seinem eigenen soziobiologischen Ansatz distanziert und sich einer konsequent und total mathematisierten Theorie von Sozialverhalten auf der Basis von Evolution zugewandt. Dabei war wurde er zeitweilig quasi als einer der letzten Nostalgiker angesehen, die biologische Feldforschung noch für notwendig hielten statt einfach mit einem Modellorganismus (Drosophila) Genetik zu treiben.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von busse »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Sep 2021, 08:03)

Also konkret bezogen auf Enst-Moritz Arnd: Meine Tochter ist an einer Universität beschäftigt, die bis vor kurzem nach Arndt benannt war. Und es jetzt - gottseidank bzw eher den Aktivisten und Aktivistinnen :) sei dank - nicht mehr ist. Ich würde hier aber keineswegs von "identitärem Tugendterror" sprechen. Sondern eher von ganz normaler Wahrnehmung der eignen Interessen. Wer möchte schon nach einem langen und aufwendigen Studium einen Abschluss in der Hand halten, auf dem ausgerechnet dieser Name steht. Die Umbenennung kollidiert auch nicht mit irgendeinem Traditionsbruch. Die Uni Greifswald bennante sich nach Arndt lediglich in der NS- und in der DDR-Zeit. Kein Problem also, dieses unrühmliche Kapitel zu beenden.
Ach herrje, westdeutsche Führungskräfte in Verbindung mit s.g. Aktivisten haben die Namensänderung von vornherein betrieben und bei ganz normaler Wahrnehmung hätten diese Wookies vielleicht gesehn, das die ganze Bevölkerung fast hinter den Namen Ernst-Moritz Arndt stand.
das interessiert sie aber nicht diewse wooken Egoisten.
Diese s.g. Aktivisten sind nur Bilderstürmer mit ihren Halbwissen, weil heutzutage kann ja jeder studieren und jetzt darf ich mal laut lachen, sie nehmen ihre Interessen war ? Was hast du gegen E.M.Arndt ? Lass mich raten die Experten haben gut rechgerchiert und das westdeutsches Halbwissen Expertenabhängig ist, folgt ihr wie den Rattenfänger von Hameln.
Und ach Gottchen, dieser scheußliche Name war doch vorher schon bekannt, oder ? Da schließt sich der Kreis des Halbwissens und der Moralkeulen von denen die zeitgeistmäßig und ganz preußisch die Hacken zusammenklappen vor soviel Unfähigkeit.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von TheManFromDownUnder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Sep 2021, 08:03)

Also konkret bezogen auf Enst-Moritz Arnd: Meine Tochter ist an einer Universität beschäftigt, die bis vor kurzem nach Arndt benannt war. Und es jetzt - gottseidank bzw eher den Aktivisten und Aktivistinnen :) sei dank - nicht mehr ist. Ich würde hier aber keineswegs von "identitärem Tugendterror" sprechen. Sondern eher von ganz normaler Wahrnehmung der eignen Interessen. Wer möchte schon nach einem langen und aufwendigen Studium einen Abschluss in der Hand halten, auf dem ausgerechnet dieser Name steht. Die Umbenennung kollidiert auch nicht mit irgendeinem Traditionsbruch. Die Uni Greifswald bennante sich nach Arndt lediglich in der NS- und in der DDR-Zeit. Kein Problem also, dieses unrühmliche Kapitel zu beenden.
Der Mann war 1769 geboren.

Immerhin srach er sich kegen Leibeigenschaft aus! Gegen napoleonische Dominanz, was verstaendlich ist und war deutscher Nationalist.

Wieder verstehen Wokeisten nichts aus dem Kontext der Geschichte und bewerten den Mann aus der sicht von 2021.

Schwach sehr schwach.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Elmar Brok »

Es war und ist denjenigen, die ein Denkmal geschaffen haben bzw schaffen nicht egal, ob die Person (oder das Ereignis) relevant war. Das - und nur das - ist entscheident! Und NEIN, das ist keine Behauptung von mir, das nennt sich übrigens Geschichte und mit Geschichte beschäftigen sich Historiker und Archäologen.
Nein. In der Vergangenheit steht nicht geschrieben: Person A ist relevant. Das ist eine Beurteilung aus der Retroperspektive. Diese Beurteilung ist keineswegs objektiv möglich.
Mit Geschichte befassen sich nicht nur Archäologen und Historiker. Jeder Mensch befasst sich mit Geschichte. Ich schrieb, dass es uns heute egal sein kann, ob eine Person von früheren Personen als relevant bewertet wurde. Wir können diese Bewertung neu vornehmen. Wie gesagt. Herr Hitler ist noch heute sehr relevant für bestimmte Epochen. Aber deshalb bauen wir ihm noch lange kein Denkmal. Relevanz genügt nicht alleine. Selbiges gilt für Stalin oder Protagonisten in der DDR.
Natürlich steht das in der Vergangenheit "geschrieben" und zwar nur dort. Nennt sich historischer Kontext.
Nein. Die Vergangenheit ist weg. Wir müssen versuchen, sie zu rekonstruieren. Im Zuge dieser Rekonstruktion sprechen wir dann von Relevanz. Das ist aber ein Urteil aus der Retroperspektive und keineswegs eindeutig. Was das mit historischem Kontext zu tun haben soll? Keine Ahnung
Welche Statuen wo stehen bleiben, entscheiden glücklicherweise nicht die "Wokies" und (modernen) Bilderstürmer!
Nein, das entscheidet über den Weg über die staatlichen Institutionen die Gesellschaft. Das ist gut so. Es ist aber sehr wohl so, dass Statuen wegkommen können!
Vergangenheit IST Geschichte und Geschichte IST Vergangenheit. Was soll Vergangenheit sonst sein?
Der gestrige Tag ist Vergangenheit und alle Geschehnisse des gestrigen Tages SIND Geschichte!
Vergangenheit ist weg. Vergangenheit lässt sich niemals vollständig erfassen. Geschichte ist die Rekonstruktion des Vergangenen in der Gegenwart/Retroperspektive mit dem Zweck der eigenen Orientierung. Damit ist Geschichte immer Standortgebunden, Perspektivisch usw. Soll ich dir Literatur zur Unterscheidung zwischen Geschichte und Vergangenheit verlinken?
Wenn man denkt dümmer gehts nicht mehr, kommt jemand und setzt noch einen drauf!
Da die Geschichte Vergangenheit ist und die Vergangenheit nicht verändert werden kann, kann auch die Geschichte nicht verändert werden. Das einzige was man ändern kann, ist die Sicht auf die Geschichte, die Bewertung von historischen Ereignissen. Allerdings ist Bilderstürmerei höchst ungeeignet für eine veränderte Sicht auf die Geschichte.
Das tun nur Menschen, denen es zu anstrengend ist, sich a) mit (ihrer) Geschichte zu beschäftigen, b) sich ihrer Geschichte zu stellen und c) aus der Geschichte zu lernen, darum versuchen sie mittels Bilderstürmerei, sich der Geschichte zu entledigen. Was anderes ist diese Bilderstürmerei nämlich nicht.
Ich würde dich erneut bitten, sachlich zu argumentieren. Auch wenn es dir vielleicht schwer fällt, wenn du mit anderen Perspektiven konfrontiert wirst.
Richtig. Wir können den Blick auf die Vergangenheit ändern. Genau das ist Geschichte. Du weißt also sehr wohl, was Geschichte ist. Wieso sollte es diesen Menschen zu anstrengend sein, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, wenn sie darüber diskutieren, ob man ein Denkmal stehen lassen sollte? Die Leute, die Stalin- und Hitler-Statuen abgerissen haben, waren also nicht bereit sich ihrer Geschichte zu stellen? Nicht bereit sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen? Nicht bereit aus der Geschichte zu lernen? Deiner Meinung nach sollten wir also heute überall noch Hitler- und Stalin-Statuen herumstehen haben? Oder ist es auch dir zu anstrengend?

"Geschichte" kann man sich nicht "entledigen". Wie soll das bitte funktionieren? Man kann aber sehr wohl die Geschichtskultur prägen. Indem man eben z.B. Denkmäler aufbaut oder abbaut. Indem man Straßennamen beantragt oder ändert usw. Es geht dabei ja nicht darum, die Information, dass Hitler zu bestimmten Zeiten geehrt wurde, auszulöschen, sondern darum, dass man Herrn Hitler heute eben nicht mehr in aller Öffentlichkeit ehren will. Das will ich ebenfalls nicht. Du etwa?
Die Beurteilung wie relevant eine Person für eine bestimmte Entwicklung war ergibt sich aus dem historischen Kontext, ergibt sich aus der Geschichte.
Geschichte ist sehr wohl festgelegt, die ist nämllich bereits passiert und was bereits passiert ist, lässt sich nicht verändern, das steht fest, IST festgelegt. Geschichte ist kein "wünsch dir was"!
Der "historische Kontext" spielt eine Rolle. Aber auch die Frage, die ich an die Vergangenheit stelle ist relevant. Meine persönliche Prägung ist relevant, wenn ich die Relevanz einer Person untersuche. Unsere heutigen Konzepte (oder unser heutiges Verständnis von den damaligen Konzepten) von "Relevanz" ist entscheidend. Ganz viele Punkte ergeben sich also erst im Nachhinein, die in eine Beurteilung einer Person mit einfließen. Das geht überhaupt gar nicht anders.

Nein. Geschichte ist nicht bereits passiert! Vergangenheit ist passiert. Aber der Blick auf Vergangenes ist keineswegs festgelegt.
Tut mir schrecklich leid, aber was du von dir gibst ist keine "Lesart", sondern Dummsinn in Potenz!
Hochqualitativ :D
Mit dem Abriss von Denkmälern wird gar nichts verändert, nichts ungeschehen gemacht!
Nochmal. Es ging bei Denkmälern nie darum, etwas Ungeschehen oder Geschehen zu machen. Auch hier kann ich dir gerne Literatur verlinken.
1. die Menschen von damals leben nicht mehr, sie sind Geschichte!

2. hat Gedenken immer zwei Seiten. Die eine Seite ist Verehrung, die andere Warnung und Mahnung
Deine 1. Aussage verstehe ich nicht. Das trägt nichts zu meiner Aussage bei. Gedenken hat sogar mehr als zwei Seiten. Aber keine Ahnung, was du mir damit sagen willst. Der Kontext macht wenig Sinn. Du würdest also als Warnung alle Nazi-Symbole und Hitler-Statuen stehen lassen? Generell nie Statuen/Denkmäler verändern/abreißen? Wie sollen wir denn dann irgendwann unsere eigenen Statuen und Denkmäler platzieren, wenn die guten Plätze irgendwann alle vergeben sind?
Falsch! Eine Interpretation hat nichts mit Ideologie zu tun. Eine (wissenschftliche) Interpretation basiert auf Fakten: Bei ideologischer Betrachtungsweise stören Fakten nur.
Wieso sollte eine solche Interpretation wissenschaftlich sein??? Hitler-Statuen wurden auf Grundlage wissenschaftlicher und auf Fakten basierenden Interpretationen gebaut? Ich kann mit einem Denkmal den Holocaust als heldenhaft darstellen. Das ist eben eine Interpretation der Sache. Was daran sollte wissenschaftlich sein? Wieso sollten wir dieses Denkmal stehen lassen? Die Nazis haben Statuen sehr wohl aus ideologischen Gründen errichtet. Es sollten bestimmte Bilder vermittelt werden.
Wer ist "wir"? Sind "wir" ideologisch verprellte und verblendete oder sind "wir" die Fachleute?
Mit dem Abriss von Denkmälern werden immer noch keine Ereignisse der Vergangenheit/Geschichte verändert!
Wir ist die Gesellschaft. Genauer gesagt unsere Demokratie. Wir bezieht sich auf jeden Bürger in diesem Land. Diese Frage ist keine Frage bloß für "Fachleute". Und nochmal. Der Ziel des Abrisses von Denkmälern ist nicht die Veränderung der Vergangenheit. Sehr wohl können verschiedene Denkmäler aber verschiedene Geschichtsbilder repräsentieren. Geschichtsbilder können sich ändern. In 40 Jahren könnte es sein, dass der Zeitgeist wieder Hitler verehrt und ihm gedenkt. Wenn wir ihn dann in 70 Jahren wieder verachten, ist es unser gutes Recht, diese Denkmäler und Statuen zu ersetzen. Ich würde sogar sagen, dass es unsere Pflicht wäre, sich mit diesen Denkmälern auseinanderzusetzen.

Ich versuche das mal anschaulich zu erklären. Wenn ein Geschichtsbuch die Geschichte des 1. Weltkriegs erzählt, dann ist das Geschichte. Aber keine Vergangenheit. All diese Informationen, die in diesem Geschichtsbuch vermittelt werden, sind in der Retroperspektive entstanden. Dieses Geschichtsbuch kann unmöglich die Vergangenheit erklären. Selbst wenn wir in die Vergangenheit reisen könnten, so wäre es doch für uns unmöglich diese Vergangenheit in ihrer Gesamtheit zu erfassen, zu verstehen und erst Recht diese Vergangenheit 1 zu 1 zu notieren. Schon im Tatenbericht ( Res gestae) gehen Informationen verloren und werden durch den Schreiber und seine Perspektive geprägt. Er trifft die Entscheidung, was notiert wird und was nicht. Er interpretiert usw. Da wir aber nicht in die Vergangenheit reisen können, sind wir auf Quellen angewiesen. Diese müssen ausgewertet, interpretiert und kritisch hinterfragt werden. Das alles ist ein Prozess, der in der Retroperspektive stattfinden. Somit muss sich die Geschichte eines Geschichtsbuch zwingend von der Vergangenheit unterscheiden und ist durch die Gegenwart geprägt. Es geht überhaupt nicht anders.
Zuletzt geändert von Elmar Brok am Mi 22. Sep 2021, 10:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

Dark Angel hat geschrieben:(21 Sep 2021, 23:28)
Welche Statuen wo stehen bleiben, entscheiden glücklicherweise nicht die "Wokies" und (modernen) Bilderstürmer!
Natürlich nicht. Das entscheiden die Mehrheitsgesellschaft und das im Land herrschende politische System. Vor 76 Jahren haben wir uns für die Demokratie entschieden – zugegeben, nicht ganz freiwillig – und am Sonntag haben wir Bundestagswahlen. Aller Voraussicht nach, werden demokratische Parteien mit überwältigender Mehrheit gewählt. Das ist der Grund, warum keine Hitlerstatuen oder sonstige Denkmäler aus der Nazizeit mehr in Deutschland zu sehen sind. Nur noch Mahnmäler, um an diesen Abschnitt unserer Geschichte zu erinnern und vor ihrer Wiederholung zu warnen.
Geschichte ist dazu da, um aus ihr zu lernen und nicht um sie fortzuführen.
Wenn du alles irgendwelchen "Wokies" zuschreibst, die angeblich Erhaltenswertes abreißen wollen, gegen den Willen der Mehrheitsgesellschaft, dann machst du es dir zu leicht.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

Stoner hat geschrieben:(21 Sep 2021, 18:21)

Nun ja, aber letztendlich sind dann auch die Talibans legitimiert, die Buddhas zu sprengen, sobald sie ihre Macht durchgesetzt haben. Der Buddhismus ist überwunden in Afghanistan, der einzige Gott duldet keine weiteren neben sich. Ich kann die Menschen verstehen, die sich von solchen Statuen beleidigt fühlen.
So religiös engstirnig hätte ich dich nicht eingeschätzt… :D
Die Buddhas waren historisch nicht belastet und darum geht es hier.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von TheManFromDownUnder »

tarkomed hat geschrieben:(22 Sep 2021, 09:49)

Natürlich nicht. Das entscheiden die Mehrheitsgesellschaft und das im Land herrschende politische System. Vor 76 Jahren haben wir uns für die Demokratie entschieden – zugegeben, nicht ganz freiwillig – und am Sonntag haben wir Bundestagswahlen. Aller Voraussicht nach, werden demokratische Parteien mit überwältigender Mehrheit gewählt. Das ist der Grund, warum keine Hitlerstatuen oder sonstige Denkmäler aus der Nazizeit mehr in Deutschland zu sehen sind. Nur noch Mahnmäler, um an diesen Abschnitt unserer Geschichte zu erinnern und vor ihrer Wiederholung zu warnen.
Geschichte ist dazu da, um aus ihr zu lernen und nicht um sie fortzuführen.
Wenn du alles irgendwelchen "Wokies" zuschreibst, die angeblich Erhaltenswertes abreißen wollen, gegen den Willen der Mehrheitsgesellschaft, dann machst du es dir zu leicht.

Die Mehrheitsgesellschaft schweigt oft, geht ihren Beschaeftigungen nach, Arbeit, Kinder, Haushalt usw und interessiert sich wenig dafuer ob eine Bismarck Strasse in whatever unbenannt wird. Die Wokies hingegen haben genug Zeit und social media presence um laut genug Mordio zu bruellen, bis sie von irgendwelchen Politikern, die sich in die Hose machen von diesen Wokies an den Prangen gestellt zu werden, Gehoer finden. Menschen die sich gegen diese Forderungen stellen werden in die rechte Ecke abgestempelt und welcher Politiker moechte sich da schon gerne sehen. Die Mehrheit die heute oft zaehlt ist die der Dominanz in der social media! Das ist nicht die Mehrheit der Bevoelkerung
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Elmar Brok »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:01)

Die Mehrheitsgesellschaft schweigt oft, geht ihren Beschaeftigungen nach, Arbeit, Kinder, Haushalt usw und interessiert sich wenig dafuer ob eine Bismarck Strasse in whatever unbenannt wird. Die Wokies hingegen haben genug Zeit und social media presence um laut genug Mordio zu bruellen, bis sie von irgendwelchen Politikern, die sich in die Hose machen von diesen Wokies an den Prangen gestellt zu werden, Gehoer finden. Menschen die sich gegen diese Forderungen stellen werden in die rechte Ecke abgestempelt und welcher Politiker moechte sich da schon gerne sehen. Die Mehrheit die heute oft zaehlt ist die der Dominanz in der social media! Das ist nicht die Mehrheit der Bevoelkerung
Die CDU in Hannover bemüht sich seit Jahren darum, dass eine Straße nach Helmut Kohl benannt wird. Die CDU in Hannover macht übrigens auch Wahlkampf damit, dass sie verspricht, keine Straßennamen jemals zu ändern. Wo ist das nur ein Thema von Wookies?
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Selina »

tarkomed hat geschrieben:(22 Sep 2021, 09:49)

Natürlich nicht. Das entscheiden die Mehrheitsgesellschaft und das im Land herrschende politische System. Vor 76 Jahren haben wir uns für die Demokratie entschieden – zugegeben, nicht ganz freiwillig – und am Sonntag haben wir Bundestagswahlen. Aller Voraussicht nach, werden demokratische Parteien mit überwältigender Mehrheit gewählt. Das ist der Grund, warum keine Hitlerstatuen oder sonstige Denkmäler aus der Nazizeit mehr in Deutschland zu sehen sind. Nur noch Mahnmäler, um an diesen Abschnitt unserer Geschichte zu erinnern und vor ihrer Wiederholung zu warnen.
Geschichte ist dazu da, um aus ihr zu lernen und nicht um sie fortzuführen.
Wenn du alles irgendwelchen "Wokies" zuschreibst, die angeblich Erhaltenswertes abreißen wollen, gegen den Willen der Mehrheitsgesellschaft, dann machst du es dir zu leicht.
Genauso ist es. Zumal ein Wiederaufleben-Lassen faschistoider Strukturen, Methoden und Ziele ja durchaus Bestandteil des Denkens eines Teils der Wählerschaft ist. In Thüringen und Sachsen beispielsweise ist die demokratiefeindliche rechtsradikale AfD laut aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl die stärkste Kraft in diesen Bundesländern. Eine ernstzunehmende Gefahr. Die Woke-Diskussion soll von solchen echten Gefahren ablenken.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von JJazzGold »

tarkomed hat geschrieben:(22 Sep 2021, 09:49)

Natürlich nicht. Das entscheiden die Mehrheitsgesellschaft und das im Land herrschende politische System. Vor 76 Jahren haben wir uns für die Demokratie entschieden – zugegeben, nicht ganz freiwillig – und am Sonntag haben wir Bundestagswahlen. Aller Voraussicht nach, werden demokratische Parteien mit überwältigender Mehrheit gewählt. Das ist der Grund, warum keine Hitlerstatuen oder sonstige Denkmäler aus der Nazizeit mehr in Deutschland zu sehen sind. Nur noch Mahnmäler, um an diesen Abschnitt unserer Geschichte zu erinnern und vor ihrer Wiederholung zu warnen.
Geschichte ist dazu da, um aus ihr zu lernen und nicht um sie fortzuführen.
Wenn du alles irgendwelchen "Wokies" zuschreibst, die angeblich Erhaltenswertes abreißen wollen, gegen den Willen der Mehrheitsgesellschaft, dann machst du es dir zu leicht.
Eine dem Wissensdurst geschuldete Frage.
Wo standen denn ehemals Hitlerstatuen in Deutschland?
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von tarkomed »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:01)

Die Mehrheitsgesellschaft schweigt oft, geht ihren Beschaeftigungen nach, Arbeit, Kinder, Haushalt usw und interessiert sich wenig dafuer ob eine Bismarck Strasse in whatever unbenannt wird. Die Wokies hingegen haben genug Zeit und social media presence um laut genug Mordio zu bruellen, bis sie von irgendwelchen Politikern, die sich in die Hose machen von diesen Wokies an den Prangen gestellt zu werden, Gehoer finden. Menschen die sich gegen diese Forderungen stellen werden in die rechte Ecke abgestempelt und welcher Politiker moechte sich da schon gerne sehen. Die Mehrheit die heute oft zaehlt ist die der Dominanz in der social media! Das ist nicht die Mehrheit der Bevoelkerung
Wenn Politiker eine besonders ausgeprägte Fähigkeit haben, mein Lieber, dann die: sie haben ein Gespür für Mehrheiten, sonst wären sie keine Politiker. Auf Lautstarke Minderheiten hören nur diejenigen, die ideologisch im Gleichklang mit diesen Minderheiten denken und den Blick auf die Mehrheitsmeinung verloren haben.
Gib dich nicht so, dass alle andern dich für etwas halten, was du nicht sein willst.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:34)

Genauso ist es. Zumal ein Wiederaufleben-Lassen faschistoider Strukturen, Methoden und Ziele ja durchaus Bestandteil des Denkens eines Teils der Wählerschaft ist. In Thüringen und Sachsen beispielsweise ist die demokratiefeindliche rechtsradikale AfD laut aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl die stärkste Kraft in diesen Bundesländern. Eine ernstzunehmende Gefahr. Die Woke-Diskussion soll von solchen echten Gefahren ablenken.
Sie wollen allen Ernstes allen Teilnehmern, in diesem Forum, als auch ausserhalb dieses Forums, der Woke Diskussion unterstellen, dass diese den Zweck verfolgen damit vom Aufleben rechtsradikaler Bestrebungen abzulenken?
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Stoner »

Elmar Brok hat geschrieben:(22 Sep 2021, 09:41)

Nein. Die Vergangenheit ist weg. Wir müssen versuchen, sie zu rekonstruieren. Im Zuge dieser Rekonstruktion sprechen wir dann von Relevanz. Das ist aber ein Urteil aus der Retroperspektive und keineswegs eindeutig. Was das mit historischem Kontext zu tun haben soll? Keine Ahnung
Ganz einfach: Um das, was geschah, verstehen zu können, also den historischen Kontext, ist es notwendig, die Bedingungen zu kennen, unter denen die Ereignisse stattfanden oder unter denen seinerzeit alle Werturteile gefällt wurden. Wenn ich lediglich die eigenen Vor-Urteile des Hier und Jetzt wie eine Schablone über Vergangenes lege, dann kommt man eben zu Werturteilen aus Sicht der Gegenwart, nicht aber zu einem Verständnis des Vergangenen.

Im Übrigen sei hier einmal grundsätzlich darauf hingewiesen, dass der politische Ikonoklasmus natürlich eine lange Tradition hat und keine Erfindung der Wokies ist. So wenig wie das woke Missionarstum etwas Neues unter der Sonne wäre.
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JJazzGold
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von JJazzGold »

TheManFromDownUnder hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:01)

Die Mehrheitsgesellschaft schweigt oft, geht ihren Beschaeftigungen nach, Arbeit, Kinder, Haushalt usw und interessiert sich wenig dafuer ob eine Bismarck Strasse in whatever unbenannt wird.
Eine Strassenumbennung bietet reichlich Zusatzbeschäftigung und Kosten. Man muss nämlich jedem Kontakt die geänderte Adresse mitteilen. ;)

https://www.schulzendorfer.de/strasenum ... ig-nutzen/
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Stoner »

JJazzGold hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:46)

Sie wollen allen Ernstes allen Teilnehmern, in diesem Forum, als auch ausserhalb dieses Forums, der Woke Diskussion unterstellen, dass diese den Zweck verfolgen damit vom Aufleben rechtsradikaler Bestrebungen abzulenken?
Natürlich will sie das. Und Menschen wie mir auch noch die Lektüre rechter Hetzblätter wie der ZEIT, die Wokeness und die innerredaktionellen Kämpfe darum regelmäßig thematisiert, vermiesen.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Liegestuhl »



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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Zweifeler »

tarkomed hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:43)

Wenn Politiker eine besonders ausgeprägte Fähigkeit haben, mein Lieber, dann die: sie haben ein Gespür für Mehrheiten, sonst wären sie keine Politiker. Auf Lautstarke Minderheiten hören nur diejenigen, die ideologisch im Gleichklang mit diesen Minderheiten denken und den Blick auf die Mehrheitsmeinung verloren haben.
:thumbup:
Damit gehe ich konform. Die Grünen,SPD,Linken in Berlin haben wohl kein gespür das können Sie mir glauben. Was kommt als nächstes, der Abriss der Befreiungshalle in Kelheim?
Das wäre doch der logische Schritt auf Bundesebene oder? Die Zerstörung der Vergangenheit, einzig und allein der Ideologie geschuldet.

Befreiungshalle
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von JJazzGold »

Stoner hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:54)

Natürlich will sie das. Und Menschen wie mir auch noch die Lektüre rechter Hetzblätter wie der ZEIT, die Wokeness und die innerredaktionellen Kämpfe darum regelmäßig thematisiert, vermiesen.
Warte, warte nur ein Weilchen,
Dann zieht Wokeness bei uns ein.
Mit dem Wokeness Hackebeilchen,
hackt sie die Pressefreiheit klein.

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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Elmar Brok »

Stoner hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:50)

Ganz einfach: Um das, was geschah, verstehen zu können, also den historischen Kontext, ist es notwendig, die Bedingungen zu kennen, unter denen die Ereignisse stattfanden oder unter denen seinerzeit alle Werturteile gefällt wurden. Wenn ich lediglich die eigenen Vor-Urteile des Hier und Jetzt wie eine Schablone über Vergangenes lege, dann kommt man eben zu Werturteilen aus Sicht der Gegenwart, nicht aber zu einem Verständnis des Vergangenen.

Im Übrigen sei hier einmal grundsätzlich darauf hingewiesen, dass der politische Ikonoklasmus natürlich eine lange Tradition hat und keine Erfindung der Wokies ist. So wenig wie das woke Missionarstum etwas Neues unter der Sonne wäre.
Natürlich ist das keine Erfindung der Wokies.
Dieser historische Kontext ergibt sich uns ja aber erst aus der Schablone der Rekonstruktion in der Gegenwart. Sich dessen bewusst zu sein, dass unsere Geschichtsbilder durch die Gegenwart massiv geprägt sind, egal wie sehr wir uns in die Vergangenheit hineinversetzen wollen, ist eine zentrale Erkenntnis und wichtig für die Reflexion unserer "Geschichte". Ich habe das vielleicht falsch ausgedrückt, natürlich fand die Beurteilung einer Person unter den damaligen Verhältnissen statt. Aber selbst die Werturteile der damaligen Zeit sind aus Rekonstruktionen entstanden und waren massiv politisch beeinflusst. Sie repräsentieren die Werturteile einzelner, wichtiger Menschen. Bei Statuen und Denkmälern geht es zentral um das hier und jetzt. Es geht darum, wie wir ein Ereignis heute bewerten. Deshalb gedenken wir den Opfern des Holocausts.

Deshalb hat ein Nazi-Denkmal natürlich eine historisches Wert. Es hilft uns, die Vergangenheit besser rekonstruieren zu können. Deshalb wäre es dumm diese Denkmäler zu zerstören.
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Re: Woke: Befreiung von Rassismus, oder identitärer Tugendterror?

Beitrag von Tom Bombadil »

Selina hat geschrieben:(22 Sep 2021, 10:34)

Zumal ein Wiederaufleben-Lassen faschistoider Strukturen, Methoden und Ziele ja durchaus Bestandteil des Denkens eines Teils der Wählerschaft ist.
Ja, die linksextreme Wählerschaft, die mittels FFF (unterwandert vom SDS)/ER die deutsche Wirtschaft und mit Wokeness die deutsche Gesellschaft zerstören will, muss man im Auge behalten.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
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