Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

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Suizidbeihilfe - Ja oder Nein

Umfrage endete am Mi 23. Dez 2020, 19:17

Ja
20
71%
Nein
3
11%
Unsicher
5
18%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 28
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Bielefeld09
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Bielefeld09 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(07 Dec 2020, 17:27)

Der erste Satz der Prämbel war ohnehin nur unvollständig zitiert...

Es geht nicht nur um eine Verantwortung vor einem Gott.

er lautet:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Die gezeigte Haltung ist typisch für gläubige Fundamentalisten, die ihr zynisches Zusehen bei unsäglichem Leid anderer Menschen einfach als Gottes Wille darstellen, für den nur dieser eine Verantwortung haben und tragen könne.
Und sich damit zum einen aus jeder mitmenschlichen Hilfe und generellen Mitverantwortung herauswinden und zum anderen auch noch moralisch und ethisch zum Maßregler anderer aufschwingen.

Ein Schwerstkranker, der sterben will, hat eben Pech gehabt, wenn es Gott so gefällt.

Bei so einer mitleidslosen Haltung gegenüber menschlichem Leid kommt mir regelmäßig der Mageninhalt hoch.

Dieser bigotte, feige und kalte Zynismus, der sich hinter einem Gott verschanzt, um Hilfeleistung für Menschen in tiefstem Leid verweigern zu können, ist unmenschlich ...oder göttlich. Egal. In jedem Fall unerträglich.

Die Umsetzung des BVG-Uteils könnte man ganz einfach per Gesetz regeln, indem sanfte Sterbemedikamente in Apotheken legal für jedermann, auf ärztliches Rezept (nach vorheriger ärztlicher und/oder ethischer Beratung) zu erwerben sind. Entweder durch einenselbst oder auch im Falle, das dies ein Sterbewilliger selbst nicht mehr machen kann, Beibringung durch Dritte. Entweder durch den Haussarzt, einen Priester oder durch Angehörige, oder rechtsgültig durch den Sterbewilligen schriftlich authorisierte Personen wie etwa auch einen Anwalt.
Du hast da wieder viel bedacht und für die ist das ja auch klar,
aber was ist für die Erbenunklaren,
die keine Entscheidung haben im Todesfall.
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
Eulenwoelfchen

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Bielefeld09 hat geschrieben:(08 Dec 2020, 05:01)
...
aber was ist für die Erbenunklaren,
die keine Entscheidung haben im Todesfall.
Kannst du mal bitte etwas genauer erklären, was du mit Erbenunklaren meinst?
Und diese keine Entscheidung hätten.
Umgekehrt gerfragt, würde sich daran etwas ändern, wenn sich das Leid nur länger hinauszieht,
bis der Tod dann eintritt?
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Bielefeld09
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Bielefeld09 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 09:58)

Kannst du mal bitte etwas genauer erklären, was du mit Erbenunklaren meinst?
Und diese keine Entscheidung hätten.
Umgekehrt gerfragt, würde sich daran etwas ändern, wenn sich das Leid nur länger hinauszieht,
bis der Tod dann eintritt?
Ideal wäre ja, wenn der Sterbende seine Vollmacht hinterlegt.
Unklar ist allerdings, wenn der Sterbende keine Vollmacht hinterlegt hat,
das Siechtum das Vermögen des Sterbenden verringert und mögliche Erben für die Schulden zu zahlen hätten.
Deshalb Erbenunklar.
Hätten Sie ein besseres Wort?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
Stoner

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Ich glaube man kann es noch so oft erklären, der Unterschied zwischen Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid wird immer wieder verwischt.
PeterK
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von PeterK »

Stoner hat geschrieben:(08 Dec 2020, 10:34)
Ich glaube man kann es noch so oft erklären, der Unterschied zwischen Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid wird immer wieder verwischt.
Richtig. Die Beihilfe zum Suizid ist etwas anderes und daher meine ich nach wie vor, dass die Frage "Ja oder Nein? " bei dem Thema Suizidbeihilfe zu simpel gestellt ist. Es geht zum einen darum, ob man die Rechtsprechung dazu befürwortet, aber auch darum, unter welchen Umständen man selbst dazu bereit wäre oder befürwortete, dass andere Beihilfe leisten..
Eulenwoelfchen

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Bielefeld09 hat geschrieben:(08 Dec 2020, 10:27)

Ideal wäre ja, wenn der Sterbende seine Vollmacht hinterlegt.
Unklar ist allerdings, wenn der Sterbende keine Vollmacht hinterlegt hat,
das Siechtum das Vermögen des Sterbenden verringert und mögliche Erben für die Schulden zu zahlen hätten.
Deshalb Erbenunklar.
Hätten Sie ein besseres Wort?
Danke für die Erläuterung. Jetzt verstehe ich es besser.

Zum von mir gefetteten Passus:

Ist das tatsächlich so, wenn beispielsweise ein sehr teurer Schwerstpflegeplatz das persönliche Vermögen nicht nur verringern, sondern verbrauchen würde, dann mögliche Erben dafür zahlen müssten?
Ich weiss da leider nicht bescheid. Sorry.
Eulenwoelfchen

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Eulenwoelfchen »

Stoner hat geschrieben:(08 Dec 2020, 10:34)

Ich glaube man kann es noch so oft erklären, der Unterschied zwischen Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid wird immer wieder verwischt.
Dann erklärs mal für Doofe:

Ich besorge einem Sterbewilligen legal zwei Anhänger Schlafmittel, lege ihm die Pillen auf einem Teller, damit er sie in seine Babybreischüssel zittern und dann selbst die Pillen zusammen mit dem Brei schlucken kann. Er schläft dann endlich seinem Willen gemäß friedlich ein. War das jetzt Strebehilfe oder Beihilfe zum Suizid?

Vor allem, war die Zurverfügungstellung des Babybreis als Pillentransportmittel nicht ebenso illegal?
PeterK
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von PeterK »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:38)
Dann erklärs mal für Doofe:
Ich denke, hier ist es einigermaßen korrekt zusammengefasst: https://de.wikipedia.org/wiki/Sterbehilfe#Deutschland
Eulenwoelfchen

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Eulenwoelfchen »

PeterK hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:49)

Ich denke, hier ist es einigermaßen korrekt zusammengefasst: https://de.wikipedia.org/wiki/Sterbehilfe#Deutschland
Und wie wäre es mit einer eigenen Kurzfassung, die meine Fragen bantwortet? - Wozu Wiki, wenn die bessere Expertise da ist?
PeterK
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von PeterK »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:56)
Und wie wäre es mit einer eigenen Kurzfassung, die meine Fragen bantwortet? - Wozu Wiki, wenn die bessere Expertise da ist?
Zu Deiner ersten Frage:
Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:38)
Ich besorge einem Sterbewilligen legal zwei Anhänger Schlafmittel, lege ihm die Pillen auf einem Teller, damit er sie in seine Babybreischüssel zittern und dann selbst die Pillen zusammen mit dem Brei schlucken kann. Er schläft dann endlich seinem Willen gemäß friedlich ein. War das jetzt Strebehilfe oder Beihilfe zum Suizid?
Das wäre Beihilfe zum Suizid.
Stoner

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:38)

Dann erklärs mal für Doofe:

Ich besorge einem Sterbewilligen legal zwei Anhänger Schlafmittel, lege ihm die Pillen auf einem Teller, damit er sie in seine Babybreischüssel zittern und dann selbst die Pillen zusammen mit dem Brei schlucken kann. Er schläft dann endlich seinem Willen gemäß friedlich ein. War das jetzt Strebehilfe oder Beihilfe zum Suizid?

Vor allem, war die Zurverfügungstellung des Babybreis als Pillentransportmittel nicht ebenso illegal?
Nein, das wäre alles Beihilfe zum Suizid. Und Beihilfe zum Suizid ist vor 2015 auch nicht strafbar gewesen. Der Punkt hier wäre nur: sind die Tabletten verschreibungspflichtig oder nicht? Falls nicht, alles gut. Falls ja: Das könnte zu einer Anklage führen, allerdings nicht wegen Beihilfe zum Suizid.


Meine Bemerkung bezog sich explizit auf den User Bielefeld09, dessen Szenario ein Sterbehilfefall und kein Suizidfall ist.

Wenn Ärzte Apparate abschalten, Behandlungen abbrechen oder Medikamente in einer Dosierung verschreiben, die den Schmerz lindern aber gleichzeitig das Leben verkürzen, dann ist das passive Sterbehilfe, und hierfür sollten Patientenverfügungen, Vollmachten vorliegen oder noch selbst eine klare Willensäußerung möglich sein. Für Beihilfe zum Suizid braucht's keine solchen Patientenverfügungen oder Vollmachten. Aber wenn jemand nicht mehr klar im Kopf ist, nicht mehr selbst entscheiden kann, gibt's auch keine Beihilfe zum Suizid, sondern bestenfalls passive Sterbehilfe.
Eulenwoelfchen

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Eulenwoelfchen »

@PeterK und @ stoner,

merci beaucoup für die Mühe der Aufklärung. Wiki hatte ich mir auch angetan.
Das Dilemma der Umsetzung bleibt wohl bestehen...Vor allem bei schwersten, sehr leidvollen Fällen, die den Siuzid zwar zweifelsfrei kommunizieren können, aber diesen nicht mehr selbst vollziehen können.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von PeterK »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 18:04)

@PeterK und @ stoner,

merci beaucoup für die Mühe der Aufklärung. Wiki hatte ich mir auch angetan.
Das Dilemma der Umsetzung bleibt wohl bestehen...Vor allem bei schwersten, sehr leidvollen Fällen, die den Siuzid zwar zweifelsfrei kommunizieren können, aber diesen nicht mehr selbst vollziehen können.
De rien. Ich sehe das Problem eher im Zusammenhang mit denjenigen, die den Suizid selbst vollziehen können (dann geht es um Suizidbeihilfe). @Liegestuhl hat das IMO weiter oben dargestellt.
Stoner

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 18:04)

@PeterK und @ stoner,

merci beaucoup für die Mühe der Aufklärung. Wiki hatte ich mir auch angetan.
Das Dilemma der Umsetzung bleibt wohl bestehen...Vor allem bei schwersten, sehr leidvollen Fällen, die den Siuzid zwar zweifelsfrei kommunizieren können, aber diesen nicht mehr selbst vollziehen können.
Da würden wir unter Umständen schon vom Reich der passiven ins Reich der aktiven Sterbehilfe übergehen, zum Beispiel, wenn jemand nicht mehr schlucken kann.
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Bielefeld09
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Bielefeld09 »

Eulenwoelfchen hat geschrieben:(08 Dec 2020, 16:23)

Danke für die Erläuterung. Jetzt verstehe ich es besser.

Zum von mir gefetteten Passus:

Ist das tatsächlich so, wenn beispielsweise ein sehr teurer Schwerstpflegeplatz das persönliche Vermögen nicht nur verringern, sondern verbrauchen würde, dann mögliche Erben dafür zahlen müssten?
Ich weiss da leider nicht bescheid. Sorry.
Nein, da jeder mögliche Erbe das Recht hat, den Nachlass ( auch Schulden ) eines Verstorbenen nach einer gewissen Zeit abzulehnen.
Das ist auch gut so.
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lili
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

Sterbehilfe: Warum wollen die Menschen sterben?

https://www.zeit.de/gesundheit/2021-08/ ... dassistenz

Weil sie keine Kraft haben und nicht mehr Leben wollen. Ich finde es anmaßend wie moralisierend dieser Artikel ist.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Raskolnikof »

Finde ich ganz und gar nicht.
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firlefanz11
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von firlefanz11 »

lili hat geschrieben:(12 Aug 2021, 21:40)

Sterbehilfe: Warum wollen die Menschen sterben?

https://www.zeit.de/gesundheit/2021-08/ ... dassistenz

Weil sie keine Kraft haben und nicht mehr Leben wollen. Ich finde es anmaßend wie moralisierend dieser Artikel ist.
+1 !!!
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

lili hat geschrieben:(12 Aug 2021, 21:40)

Sterbehilfe: Warum wollen die Menschen sterben?

https://www.zeit.de/gesundheit/2021-08/ ... dassistenz

Weil sie keine Kraft haben und nicht mehr Leben wollen. Ich finde es anmaßend wie moralisierend dieser Artikel ist.
Genau diese Leute werden sich wieder durchsetzen und das Urteil weitgehend aushebeln. Im Bundestag sind Mehrheitsverhältnisse auch heute noch umgekehrt wie in der Bevölkerung. Es herrscht weiterhin eine christlich inspirierte engstirnige Moral und Bevormundungsmentalität. Der grausige Artikel mit seinerschrägen Aussage zum Urteil passt zu diesem Ungeist, der den einzelnen unmündig halten möchte.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

Stoner hat geschrieben:(13 Aug 2021, 12:22)

Genau diese Leute werden sich wieder durchsetzen und das Urteil weitgehend aushebeln. Im Bundestag sind Mehrheitsverhältnisse auch heute noch umgekehrt wie in der Bevölkerung. Es herrscht weiterhin eine christlich inspirierte engstirnige Moral und Bevormundungsmentalität. Der grausige Artikel mit seinerschrägen Aussage zum Urteil passt zu diesem Ungeist, der den einzelnen unmündig halten möchte.
So ist es leider.
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Selina
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(12 Aug 2021, 21:40)

Sterbehilfe: Warum wollen die Menschen sterben?

https://www.zeit.de/gesundheit/2021-08/ ... dassistenz

Weil sie keine Kraft haben und nicht mehr Leben wollen. Ich finde es anmaßend wie moralisierend dieser Artikel ist.
Ich halte den Zeit-Beitrag weder für anmaßend noch für moralisierend. Dass hier genau die richtigen Fragen gestellt werden, bestätigte mir ein ehrenamtlicher Sterbebegleiter aus meinem Umfeld. Näher dran an der Thematik als er kann man ja wohl nicht sein. Was zunächst passieren muss, ist der Ausbau der Palliativmedizin und aller anderen Bereiche, in denen es um sterbende und sterben wollende Menschen geht. Und da ist noch genug zu tun in diesem Land. Allein die Hospizplätze reichen beiweitem nicht aus. Und es ist das medizinische Personal viel umfangreicher als bisher in diesen Fragen, die der Zeit-Text nennt, zu schulen. Nicht zuletzt sollten wir selbst genau schauen, was zu tun ist, damit das Leben für die Menschen so erträglich wird, dass Suizid die absolute Ausnahme bleibt.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(13 Aug 2021, 15:39)

Ich halte den Zeit-Beitrag weder für anmaßend noch für moralisierend. Dass hier genau die richtigen Fragen gestellt werden, bestätigte mir ein ehrenamtlicher Sterbebegleiter aus meinem Umfeld. Näher dran an der Thematik als er kann man ja wohl nicht sein. Was zunächst passieren muss, ist der Ausbau der Palliativmedizin und aller anderen Bereiche, in denen es um sterbende und sterben wollende Menschen geht. Und da ist noch genug zu tun in diesem Land. Allein die Hospizplätze reichen beiweitem nicht aus. Und es ist das medizinische Personal viel umfangreicher als bisher in diesen Fragen, die der Zeit-Text nennt, zu schulen. Nicht zuletzt sollten wir selbst genau schauen, was zu tun ist, damit das Leben für die Menschen so erträglich wird, dass Suizid die absolute Ausnahme bleibt.
Wieso ist beides nicht möglich? Man kann gerne Hospizplätze erweitern. Dennoch hat ein Außenstehender nicht zu entscheiden ob jemand gehen will. Wenn jemand nur dahinvegetiert und nicht mehr Leben kann bzw. will. Dann ist es seine Entscheidung.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Billie Holiday »

lili hat geschrieben:(13 Aug 2021, 15:42)

Wieso ist beides nicht möglich? Man kann gerne Hospizplätze erweitern. Dennoch hat ein Außenstehender nicht zu entscheiden ob jemand gehen will. Wenn jemand nur dahinvegetiert und nicht mehr Leben kann bzw. will. Dann ist es seine Entscheidung.
Er sollte schon ernst genommen werden, er ist ein erwachsener Mensch mit eigenem Willen.
Dass Demente oder Komatöse nicht per Pille umgebracht werden, ist ja klar. Aber ein geistig gesunder Mensch sollte schon über sein Ende selbst entscheiden können. Über seine Befindlichkeit besser Bescheid zu wissen als er selbst, ist anmaßend.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(13 Aug 2021, 15:42)

Wieso ist beides nicht möglich? Man kann gerne Hospizplätze erweitern. Dennoch hat ein Außenstehender nicht zu entscheiden ob jemand gehen will. Wenn jemand nur dahinvegetiert und nicht mehr Leben kann bzw. will. Dann ist es seine Entscheidung.
Ja, logisch. Trotzdem sind diese Fälle die Ausnahme. Dagegen wird in dem Text gar nicht argumentiert. Es geht ja gerade darum, dass niemand "dahinvegetieren" muss.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

Selina hat geschrieben:(13 Aug 2021, 16:05)

Ja, logisch. Trotzdem sind diese Fälle die Ausnahme. Dagegen wird in dem Text gar nicht argumentiert. Es geht ja gerade darum, dass niemand "dahinvegetieren" muss.
Manchmal ist man so alt und krank. Dann will man nicht mehr. In dem Artikel hatte ich den Eindruck das man immer die Leute motivieren will zu Leben. Man möchte die kollektive Moralerziehung über die individuelle Entscheidungsgewalt stellen.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

lili hat geschrieben:(13 Aug 2021, 16:11)

Manchmal ist man so alt und krank. Dann will man nicht mehr. In dem Artikel hatte ich den Eindruck das man immer die Leute motivieren will zu Leben. Man möchte die kollektive Moralerziehung über die individuelle Entscheidungsgewalt stellen.
Ich finde nicht, dass sowas aus dem Text hervorgeht.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von firlefanz11 »

lili hat geschrieben:(13 Aug 2021, 16:11)
In dem Artikel hatte ich den Eindruck das man immer die Leute motivieren will zu Leben. Man möchte die kollektive Moralerziehung über die individuelle Entscheidungsgewalt stellen.
Ja, das ist oftmals so... Dazu kommt natürlich noch on top, dass
a) Pflegeinrichtungen die Geldquelle nicht so einfach versiegen lassen wollen, und
b) der Staat auch nicht (Steuer von der Rente)...
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

firlefanz11 hat geschrieben:(13 Aug 2021, 16:49)

Ja, das ist oftmals so... Dazu kommt natürlich noch on top, dass
a) Pflegeinrichtungen die Geldquelle nicht so einfach versiegen lassen wollen, und
b) der Staat auch nicht (Steuer von der Rente)...
So ist es. Da geht es manchmal gar nicht mehr um den Patienten.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(13 Aug 2021, 15:39)

Ich halte den Zeit-Beitrag weder für anmaßend noch für moralisierend. Dass hier genau die richtigen Fragen gestellt werden, bestätigte mir ein ehrenamtlicher Sterbebegleiter aus meinem Umfeld. Näher dran an der Thematik als er kann man ja wohl nicht sein. Was zunächst passieren muss, ist der Ausbau der Palliativmedizin und aller anderen Bereiche, in denen es um sterbende und sterben wollende Menschen geht. Und da ist noch genug zu tun in diesem Land. Allein die Hospizplätze reichen beiweitem nicht aus. Und es ist das medizinische Personal viel umfangreicher als bisher in diesen Fragen, die der Zeit-Text nennt, zu schulen. Nicht zuletzt sollten wir selbst genau schauen, was zu tun ist, damit das Leben für die Menschen so erträglich wird, dass Suizid die absolute Ausnahme bleibt.
Der Text geht in vollem Umfang am Geist des Urteils vorbei. Sie kann wollen, was sie möchte, aber sie versucht, aus diesem Wollen heraus das Urteil umzulügen. Das ist die Kritik an ihrem Text. Einfach lesen, was im Urteil steht, dann wird klar, warum sie es verfehlt. Vollständig.
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Selina
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(13 Aug 2021, 19:40)

Der Text geht in vollem Umfang am Geist des Urteils vorbei. Sie kann wollen, was sie möchte, aber sie versucht, aus diesem Wollen heraus das Urteil umzulügen. Das ist die Kritik an ihrem Text. Einfach lesen, was im Urteil steht, dann wird klar, warum sie es verfehlt. Vollständig.
Finde ich nicht. Schon der Vorspann sagt doch zusammengefasst alles, worum es geht. Würde man sich mehr mit der Verbesserung der Lebensbedingungen befassen, verstünde man auch die Intention des Zeit-Textes. Leben und Sterben menschlicher zu gestalten, darum gehts. Und dabei gibts noch ne Menge zu tun. Was genau, hab ich oben erläutert und das wird auch detailliert im Zeit-Text erläutert. Hilfe beim Suizid soll es als Ausnahme geben und nicht als eine Art alltäglich werdende Regel. Was halten Sie selbst denn für wünschenswert auf diesem Feld?

Zitat:

Nach einer neuen Regelung dürfen Ärztinnen und Ärzte seit Kurzem frei entscheiden, ob sie Menschen, die nicht mehr leben wollen, beim Suizid unterstützen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung des Suizids bereits im vergangenen Jahr aufgehoben. Viele Fragen aber bleiben offen. Claudia Bausewein ist eine der bekanntesten Palliativmedizinerinnen Deutschlands und findet, Suizidprävention muss Normalität werden, Hilfe beim Suizid sollte die Ausnahme bleiben.

https://www.zeit.de/gesundheit/2021-08/ ... dassistenz
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 09:18)

Finde ich nicht. Schon der Vorspann sagt doch zusammengefasst alles, worum es geht. Würde man sich mehr mit der Verbesserung der Lebensbedingungen befassen, verstünde man auch die Intention des Zeit-Textes. Leben und Sterben menschlicher zu gestalten, darum gehts. ...
Nein, damit hat sich das Verfassungsgericht nicht beschäftigt.

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 09:18)
Was halten Sie selbst denn für wünschenswert auf diesem Feld?
Den unmissverständlichen Geist des Urteils 1:1 umzusetzen.
Stoner

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Und zur Erinnerung hier noch einmal das, was das Gericht sagt:
Die selbstbestimmte Wahrung der eigenen Persönlichkeit setzt voraus, dass der Mensch über sich nach eigenen Maßstäben verfügen kann und nicht in Lebensformen gedrängt wird, die in unauflösbarem Widerspruch zum eigenen Selbstbild und Selbstverständnis stehen. Die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, ist von existentieller Bedeutung für die Persönlichkeit eines Menschen. Welchen Sinn der Einzelne in seinem Leben sieht und ob und aus welchen Gründen er sich vorstellen kann, sein Leben selbst zu beenden, unterliegt höchstpersönlichen Vorstellungen und Überzeugungen. Der Entschluss zur Selbsttötung betrifft Grundfragen menschlichen Daseins und berührt wie keine andere Entscheidung Identität und Individualität des Menschen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst deshalb nicht nur das Recht, nach freiem Willen lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen. Es erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Einzelnen, sein Leben eigenhändig zu beenden.

....

bb) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist nicht auf fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Es besteht in jeder Phase menschlicher Existenz. Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist. Die Entscheidung des Einzelnen, dem eigenen Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, entzieht sich einer Bewertung anhand allgemeiner Wertvorstellungen, religiöser Gebote, gesellschaftlicher Leitbilder für den Umgang mit Leben und Tod oder Überlegungen objektiver Vernünftigkeit. Sie bedarf keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung, sondern ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
Hervorhebungen von mir.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 10:20)

Nein, damit hat sich das Verfassungsgericht nicht beschäftigt.




Den unmissverständlichen Geist des Urteils 1:1 umzusetzen.
Der Zeit-Text steht nicht im Widerspruch zu diesem Urteil, sondern er ergänzt es. Ich kenne Menschen, die niemals einen Selbstmordversuch unternommen hätten, hätten sie andere bessere Lebensumstände vorgefunden, hätten sie Menschen im Umfeld gehabt, mit denen sie hätten reden können. In dem Zeit-Text geht es absolut nicht darum, jemanden mit Selbstmordabsicht auf Biegen und Brechen daran zu hindern, es zu tun. Es geht um den verbesserungswürdigen Zustand der Gesellschaft, der Menschen keinen Ausweg mehr sehen lässt. Um die Verhältnisse und Bedingungen des Lebens. Wozu auch die Betreuung Schwerkranker, Sterbender und sterben Wollender gehört. Fragen, die damit zusammenhängen, sollte sich jeder Einzelne selbst stellen.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Stoner

Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Der Text ist eine Weichspülerei und besorgt das Geschäft der christlich-fundamentalistischen Phalanx um Spahn, Gröhe, Göring-Eckhardt & Co., die Corona zum Anlass genommen haben, das Urteil erfolgreich zu ignorieren. Im nächsten Bundestag werden dann die alten christlich-reaktionären Säck*Innen die Sache wieder in ihrem Sinne hinzubiegen versuchen mithilfe solcher Gestalten und ihren Verstehern.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Fliege »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 11:11)

Der Text ist eine Weichspülerei und besorgt das Geschäft der christlich-fundamentalistischen Phalanx um Spahn, Gröhe, Göring-Eckhardt & Co., die Corona zum Anlass genommen haben, das Urteil erfolgreich zu ignorieren. Im nächsten Bundestag werden dann die alten christlich-reaktionären Säck*Innen die Sache wieder in ihrem Sinne hinzubiegen versuchen mithilfe solcher Gestalten und ihren Verstehern.
Sind das nicht auch die Politiker (neben anderen), die Alte und Kranke in Heimen und Krankenhäusern allein ohne Angehörige sterben ließen?
"Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen." – "Da der Mensch toll werden kann, so sehe ich nicht ein, warum es ein Weltsystem nicht auch werden kann" (Georg Christoph Lichtenberg).
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 11:11)

Der Text ist eine Weichspülerei und besorgt das Geschäft der christlich-fundamentalistischen Phalanx um Spahn, Gröhe, Göring-Eckhardt & Co., die Corona zum Anlass genommen haben, das Urteil erfolgreich zu ignorieren. Im nächsten Bundestag werden dann die alten christlich-reaktionären Säck*Innen die Sache wieder in ihrem Sinne hinzubiegen versuchen mithilfe solcher Gestalten und ihren Verstehern.
Das Hinbiegen durch "die alten christlich-reaktionären Säck*Innen" finde ich ne sehr gute drastische Formulierung. Da ist schon was dran. Auch auf anderen Gebieten. Nur: Der Zeit-Text hat meines Erachtens nichts damit zu tun. Der benennt einfach nur Engpässe und Aufgaben der Palliativversorgung.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 11:25)

Das Hinbiegen durch "die alten christlich-reaktionären Säck*Innen" finde ich ne sehr gute drastische Formulierung. Da ist schon was dran. Auch auf anderen Gebieten. Nur: Der Zeit-Text hat meines Erachtens nichts damit zu tun. Der benennt einfach nur Engpässe und Aufgaben der Palliativversorgung.
Ja, das ist bekannt, dass es dort Engpässe gibt. In dem Film wurde damals auch darauf hingewiesen, wie dünn die Versorgung ist - jene Versorgung, die Fundamentalisten immer als Argument gegen Suizidbeihilfe verwenden. Rein orientierungsmäßig betrachtet zeigt das Thema, dass der Körper des Einzelnen nicht nur bei Konservativen immer dem Staat gehört, sondern auch bei denen plötzlich nicht mehr selbstbestimmt sein darf, die, wenn der Körper mit einem neuen Leben schwanger geht, feste darauf beharren, dass einem der Körper selbst gehöre und nicht verfügbar sei. Wenn kein ungeborenes Leben drin ist, wollen sie dann aber nix mehr davon wissen.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 12:01)

Ja, das ist bekannt, dass es dort Engpässe gibt. In dem Film wurde damals auch darauf hingewiesen, wie dünn die Versorgung ist - jene Versorgung, die Fundamentalisten immer als Argument gegen Suizidbeihilfe verwenden. Rein orientierungsmäßig betrachtet zeigt das Thema, dass der Körper des Einzelnen nicht nur bei Konservativen immer dem Staat gehört, sondern auch bei denen plötzlich nicht mehr selbstbestimmt sein darf, die, wenn der Körper mit einem neuen Leben schwanger geht, feste darauf beharren, dass einem der Körper selbst gehöre und nicht verfügbar sei. Wenn kein ungeborenes Leben drin ist, wollen sie dann aber nix mehr davon wissen.
Da Sie weiter oben den Bundestag ansprachen: Wie müssten denn Ihrer Meinung nach politische Verhältnisse und Mehrheiten beschaffen sein, damit es weniger "christlich-reaktionär" zugehen könnte?
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 12:20)

Da Sie weiter oben den Bundestag ansprachen: Wie müssten denn Ihrer Meinung nach politische Verhältnisse und Mehrheiten beschaffen sein, damit es weniger "christlich-reaktionär" zugehen könnte?
Es gibt dieses Jahr noch keine Antworten, die eine verlässliche Prognose gestatten. Die Antworten zum Thema aus 2017 kann man hier nachlesen. Für 2021 gibt es noch keine Antworten online nachzulesen.

Der große Block aus AfD und CDU/CSU sowie aus einigen Teilen bei SPD und Grünen macht es unwahrscheinlich, dass eine Regelung im Sinne des Urteils getroffen wird. Die Kirchen verlieren zwar immer mehr Mitglieder, aber wenn es um Einfluss auf die Parteien geht, ist kein Verlust zu spüren.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 12:49)

Es gibt dieses Jahr noch keine Antworten, die eine verlässliche Prognose gestatten. Die Antworten zum Thema aus 2017 kann man hier nachlesen. Für 2021 gibt es noch keine Antworten online nachzulesen.

Der große Block aus AfD und CDU/CSU sowie aus einigen Teilen bei SPD und Grünen macht es unwahrscheinlich, dass eine Regelung im Sinne des Urteils getroffen wird. Die Kirchen verlieren zwar immer mehr Mitglieder, aber wenn es um Einfluss auf die Parteien geht, ist kein Verlust zu spüren.
Schon interessant, wie sich die Parteien 2017 dazu geäußert haben. Paradox alleine so eine Gruppierung wie "Christen in der AfD", was vielleicht mal ein spezielles Diskussionsthema sein könnte, wie so etwas zusammenpassen soll.

Aber wie man sieht, gibt es in allen Parteien eher verwaschene Äußerungen zum Thema. Zumindest, wenn man das Verlinkte liest. Die CDU/CSU will "den Missbrauch bei der Suizidbeihilfe stoppen", was eher wie eine Ausrede klingt, denn wie viel "Missbrauch" wird denn damit real betrieben? Ja, mal sehen, ob sich die Meinungen seit dem Urteil nun geändert haben. Ich selbst bin in jedem Falle für selbstbestimmtes Sterben, ohne jemandem irgendetwas aufzuzwingen, was er nicht will. Versteht sich von selbst. Ich habe eine Dokumentation gesehen, wo ein Sohn seiner schwerkranken Mutter auf deren Wunsch das Gift in eine Speise mischt, die sie in seinem Beisein isst (bzw. verließ er dann den Raum für eine Weile), worauf sie stirbt. Lange vorbereitet, hin und her besprochen. Vor Beiden ziehe ich den Hut, wie sie das konsequent durchgezogen haben. Ich weiß nicht genau, ob es hier auch um diesen speziellen Dokfilm geht. Was ich aber trotzdem - unabhängig von der Geschichte aus dem Film - immer wieder in diesem Zusammenhang diskutieren würde, sind diese Fragen: Wie ist "unser" Leben beschaffen? Was für eine Gesellschaft sind wir? Wie sind die Lebensverhältnisse der Menschen? Wie läuft unser Miteinander ab? Gibt es überhaupt ein Miteinander, das diesen Namen verdient? Was geht dem voraus, was schließlich zum Suizid oder zur suizidalen Absicht führt? Warum nimmt die Vereinsamung in der Gesellschaft nachweislich immer mehr zu? Fragen, mit denen ich das selbstbestimmte Sterben niemals in Abrede stelle, die aber dringend beantwortet werden müssten. Finde ich zumindest.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von BlueMonday »

Ist doch eine naheliegende Frage. "Warum wollen die Menschen sterben?" Und wer will schon -grundlos- sterben. Fällt der Grund weg, dann würde man wohl ewig leben wollen, bis sich eben doch ein Grund etwa in Gestalt einer Lebensmüdigkeit oder Überdrüssigkeit einstellt. Ein inhaltreiches, angenehmes, anregendes, interessantes, schmerzfreies, uneingeschränktes Leben will man nun hingegen eher nicht beenden. Man muss auch nicht unbedingt Christ sein, um das Wert des Lebens (im Verhältnis zum Nichtexistieren) zu spüren.

Es ist ja nun ein naheliegendes Anliegen, ein Leben lebenswerter machen zu wollen und so die Gründe für ein bewusst herbeigeführten Exitus zu mildern oder gar zu beseitigen.
Sicherlich sollte es eine individuelle Entscheidung sein. Aber eine Entscheidung ist ja nun ein Wählen zwischen Alternativen. Beides. Einmal an der Option "pro Leben" zu arbeiten, wie andererseits das Bemühen, ein würdevolles Ausscheiden zu erleichtern. Ein Wettbewerb gewissermaßen, der auch wichtig ist, denn beide Optionen brauchen das Korrektiv der anderen Seite als Gegengewicht.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 13:30)

Schon interessant, wie sich die Parteien 2017 dazu geäußert haben. Paradox alleine so eine Gruppierung wie "Christen in der AfD", was vielleicht mal ein spezielles Diskussionsthema sein könnte, wie so etwas zusammenpassen soll.
Mit dem gleichen Recht könnten wir über die Position der Linkspartei diskutieren, wo 26 von 56 Abgeordneten ihre ideologischen Überlegungen über das Recht des Individuums stellen.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(14 Aug 2021, 20:21)

Mit dem gleichen Recht könnten wir über die Position der Linkspartei diskutieren, wo 26 von 56 Abgeordneten ihre ideologischen Überlegungen über das Recht des Individuums stellen.
Das, was Sie da zitieren, war lediglich eine Randbemerkung von mir. Der wichtigere Teil meines Kommentars steht genau darunter.

https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 0#p5050300
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Stoner »

Selina hat geschrieben:(14 Aug 2021, 22:29)

Das, was Sie da zitieren, war lediglich eine Randbemerkung von mir. Der wichtigere Teil meines Kommentars steht genau darunter.

https://www.politik-forum.eu/viewtopic. ... 0#p5050300
Ja, da steht bei Ihnen:
Was ich aber trotzdem - unabhängig von der Geschichte aus dem Film - immer wieder in diesem Zusammenhang diskutieren würde, sind diese Fragen: Wie ist "unser" Leben beschaffen? Was für eine Gesellschaft sind wir? Wie sind die Lebensverhältnisse der Menschen? Wie läuft unser Miteinander ab? Gibt es überhaupt ein Miteinander, das diesen Namen verdient? Was geht dem voraus, was schließlich zum Suizid oder zur suizidalen Absicht führt? Warum nimmt die Vereinsamung in der Gesellschaft nachweislich immer mehr zu? Fragen, mit denen ich das selbstbestimmte Sterben niemals in Abrede stelle, die aber dringend beantwortet werden müssten. Finde ich zumindest.
Das sind aber keine Fragen, die das Gericht regeln wollte. Das Gericht hat dem Individuum die Entscheidung über sein Leben eingeräumt, und zwar unbhängig von solchen gesellschaftlichen Fragen. Um ein bekanntes Schlagwort zu paraphrasieren: Mein Sterben gehört mir.

Und solange das nicht in den Köpfen sitzt, werden solche wachsweichen Antworten von Grünen, Linken und Sozialdemokraten kommen, die damit dem ziemlich großen Block von AfD und CDU/CSU die notwendige Mehrheit dafür verschaffen (werden), den Geist des Urteils auszuhebeln.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

Stoner hat geschrieben:(15 Aug 2021, 09:51)

Ja, da steht bei Ihnen:



Das sind aber keine Fragen, die das Gericht regeln wollte. Das Gericht hat dem Individuum die Entscheidung über sein Leben eingeräumt, und zwar unbhängig von solchen gesellschaftlichen Fragen. Um ein bekanntes Schlagwort zu paraphrasieren: Mein Sterben gehört mir.

Und solange das nicht in den Köpfen sitzt, werden solche wachsweichen Antworten von Grünen, Linken und Sozialdemokraten kommen, die damit dem ziemlich großen Block von AfD und CDU/CSU die notwendige Mehrheit dafür verschaffen (werden), den Geist des Urteils auszuhebeln.
Ich hab auch nicht behauptet, dass diese Fragen unmittelbar etwas mit dem Urteil zu tun haben. Das sind aber wichtige Fragen, die ich hier zur Diskussion stelle und die mit dem Thema im weiteren Sinne sehr viel zu tun haben. Es geht um die Qualität des Miteinanders und ob es so etwas wie echtes Miteinander überhaupt gibt (plus die anderen zitierten Fragen von mir). Die meisten Angehörigen und Freunde von Menschen mit Suizidgedanken, falls sie aufmerksam genug sind, stellen sich und anderen genau diese Fragen, die ich weiter oben stellte. Das formuliert jeder für sich natürlich immer anders und konkret, aber im Kern sind es schon diese Fragen. Immer, wenn ich die mal stellte im Forum, auch in anderen Zusammenhängen, gabs keine Antworten. Wundert mich aber auch nicht wirklich.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(15 Aug 2021, 10:25)

Ich hab auch nicht behauptet, dass diese Fragen unmittelbar etwas mit dem Urteil zu tun haben. Das sind aber wichtige Fragen, die ich hier zur Diskussion stelle und die mit dem Thema im weiteren Sinne sehr viel zu tun haben. Es geht um die Qualität des Miteinanders und ob es so etwas wie echtes Miteinander überhaupt gibt (plus die anderen zitierten Fragen von mir). Die meisten Angehörigen und Freunde von Menschen mit Suizidgedanken, falls sie aufmerksam genug sind, stellen sich und anderen genau diese Fragen, die ich weiter oben stellte. Das formuliert jeder für sich natürlich immer anders und konkret, aber im Kern sind es schon diese Fragen. Immer, wenn ich die mal stellte im Forum, auch in anderen Zusammenhängen, gabs keine Antworten. Wundert mich aber auch nicht wirklich.
Leiden und sterben die “Miteinander“ zeitgleich auch mit?
Oder maßen sich diese nur an, eine zutiefst individuelle Entscheidung zu einer “Miteinander Entscheidung“ umstrukturieren zu wollen?
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

JJazzGold hat geschrieben:(15 Aug 2021, 10:52)

Leiden und sterben die “Miteinander“ zeitgleich auch mit?
Oder maßen sich diese nur an, eine zutiefst individuelle Entscheidung zu einer “Miteinander Entscheidung“ umstrukturieren zu wollen?
Wie gesagt, ich bin ja für selbstbestimmtes Sterben und auch für Hilfe beim Suizid. Hab ich oben detailliert beschrieben. Trotzdem ist es nicht verboten, sich in diesem Zusammenhang auch Gedanken über die Beschaffenheit der Gesellschaft zu machen. Zumal wir hier in einem Politik-Forum sind.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von JJazzGold »

Selina hat geschrieben:(15 Aug 2021, 11:36)

Wie gesagt, ich bin ja für selbstbestimmtes Sterben und auch für Hilfe beim Suizid. Hab ich oben detailliert beschrieben. Trotzdem ist es nicht verboten, sich in diesem Zusammenhang auch Gedanken über die Beschaffenheit der Gesellschaft zu machen. Zumal wir hier in einem Politik-Forum sind.
Um es eindeutig zu formulieren, wenn ich mich entschließe zum Abschied leise Servus zu sagen, dann interessiert es mich nicht, was die Gesellschaft davon hält. Mich interessiert auch nicht, ob die Gesellschaft die Wahl meines Mittels billigt, ob Tabletten oder eine Pistole. Den Entschluss und dessen Umsetzung würde ich noch nicht einmal im engen Familienkreis besprechen, geschweige denn mit Außenstehenden. Die haben alle so viel Angst vor dem Tod, dass sie ihre Ängste versuchen würden an mir auszuleben. Damit sollen sie gefälligst selber fertig werden.
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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von lili »

JJazzGold hat geschrieben:(15 Aug 2021, 11:53)

Um es eindeutig zu formulieren, wenn ich mich entschließe zum Abschied leise Servus zu sagen, dann interessiert es mich nicht, was die Gesellschaft davon hält. Mich interessiert auch nicht, ob die Gesellschaft die Wahl meines Mittels billigt, ob Tabletten oder eine Pistole. Den Entschluss und dessen Umsetzung würde ich noch nicht einmal im engen Familienkreis besprechen, geschweige denn mit Außenstehenden. Die haben alle so viel Angst vor dem Tod, dass sie ihre Ängste versuchen würden an mir auszuleben. Damit sollen sie gefälligst selber fertig werden.
Das sehe ich ganz genauso. :thumbup:

Es ist eine individuelle Entscheidung und keinem geht es etwas an.
Wer einen Beruf ergreift, ist verloren.

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Re: Schirachs Gott - Suzidbeihilfe

Beitrag von Selina »

JJazzGold hat geschrieben:(15 Aug 2021, 11:53)

Um es eindeutig zu formulieren, wenn ich mich entschließe zum Abschied leise Servus zu sagen, dann interessiert es mich nicht, was die Gesellschaft davon hält. Mich interessiert auch nicht, ob die Gesellschaft die Wahl meines Mittels billigt, ob Tabletten oder eine Pistole. Den Entschluss und dessen Umsetzung würde ich noch nicht einmal im engen Familienkreis besprechen, geschweige denn mit Außenstehenden. Die haben alle so viel Angst vor dem Tod, dass sie ihre Ängste versuchen würden an mir auszuleben. Damit sollen sie gefälligst selber fertig werden.
Psychologisierung der Thematik bringt uns nicht weiter. Mit der von mir empfohlenen Analyse des Zustandes der Gesellschaft ist etwas anderes gemeint als das, was Sie beschreiben. Etwas Übergreifendes, etwas Gesellschaftspolitisches. Es geht um Vereinzelung, wachsende Einsamkeit vieler Menschen, um Entfremdung und Isolation. Das sind die eher bedrückenden Seiten dieser Art des Lebens und verdienen durchaus mehr Beachtung.
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