Seite 24 von 38

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 25. Okt 2019, 18:10
von Tom Bombadil
odiug hat geschrieben:(25 Oct 2019, 18:02)

Dem könnte ich sogar was abgewinnen, wenn du nicht im gleichen Satz selbst bestimmen willst, wer nun Schutz bedarf und wer nicht.
Ich "bestimme" da rein gar nichts, das Grundgesetz und die Genfer Konvention bestimmen das. Wie auch schon vorher oft geschrieben: ich kann jeden verstehen, der aus Afrika abhauen will, um in Europa sein Glück zu finden, würde ich wohl auch tun, aber das ändert nichts daran, dass das nunmal kein Grund für Asyl und Schutz gem. GK ist.
Und um ehrlich zu sein, von den vielen, denen ich dabei nicht über den Weg trauen würde, bist du einer davon
Das beruht durchaus auf Gegenseitigkeit.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 25. Okt 2019, 18:15
von Unité 1
Selina hat geschrieben:(25 Oct 2019, 17:03)

Das ist der eigentliche Kern der Debatte. Aber ich könnte wetten, dass deine berechtigten Fragen unbeantwortet bleiben.
Ja, das vermute ich auch. Vor einem halben Jahr wurden die Punkte auch schon mit einem EOD abgeschmettert. Weil es eben einfach nicht in die Erzählung einer unterdrückten Meinungsfreiheit passt.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 25. Okt 2019, 18:36
von odiug
Tom Bombadil hat geschrieben:(25 Oct 2019, 18:10)

Ich "bestimme" da rein gar nichts, das Grundgesetz und die Genfer Konvention bestimmen das. Wie auch schon vorher oft geschrieben: ich kann jeden verstehen, der aus Afrika abhauen will, um in Europa sein Glück zu finden, würde ich wohl auch tun, aber das ändert nichts daran, dass das nunmal kein Grund für Asyl und Schutz gem. GK ist.


Das beruht durchaus auf Gegenseitigkeit.
:D ... ja ... auf Gegenseitigkeit wird es wohl beruhen :p
Also was die Flüchtlinge aus Afrika betrifft, kommt darauf an woher die kommen und vor was sie fliehen.
Die Leute haben wirklich handfeste Gründe aus Eritrea zu fliehen.
Dass wir nach Afghanistan und den Irak abschieben, halte ich aus humanitären Gründen für verantwortungslos.
Dass derzeit überhaupt davon geredet wird, Flüchtlinge nach Syrien zurück zu schicken, finde ich geradezu absurd.
Wobei ... dank Trumps kleinen Stunt mit Erdogan und dem Verrat an den Kurden, sowie den US Sicherheitsinteressen, redet kaum jemand mehr davon, Syrer abzuschieben.
Trump hat auch sein Gutes :p

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 25. Okt 2019, 18:45
von odiug
Unité 1 hat geschrieben:(25 Oct 2019, 15:15)

Nach dieser Allensbachumfrage sind übrigens 58% der Befragten der Meinung, über Hitler und das Dritte Reich zu reden sei heikel und man könne sich dabei leicht den Mund verbrennen.

Eine Frage an die Verfechter einer widerspruchslosen Meinungsfreiheit: Glaubt ihr, dass diese "Vorsicht" darauf zurückzuführen ist, dass jene 58% eine Meinung vertreten, die als NS-Verharmlosung etc. aufgefasst werden könnte? Denkt ihr, dass dieser Befund ein Indiz für eine "Unfreiheit" ist? Wenn nein, warum nicht?

Blödes Beispiel? Okay, dann ein anderes: Nach dieser Allensbachumfrage sind 62% der Befragten der Meinung, über Juden zu reden sei heikel und man könne sich dabei leicht den Mund verbrennen.

Glaubt ihr, dass diese "Vorsicht" darauf zurückzuführen ist, dass jene 62% eine Meinung vertreten, die als antisemitisch aufgefasst werden könnte? Denkt ihr, dass dieser Befund ein Indiz für eine "Unfreiheit" ist? Wenn nein, warum nicht?
Eben!
Wenn ich sage, dass ich mich zu bestimmten Themen eher vorsichtig äußere, so tu ich das nicht, weil ich Zensur oder Kritik fürchte, sondern weil ich mir bewusst bin, dass manche Themen heikel sind, dass es da viele berechtigte Sensibilitäten gibt, die ich nicht unnötig verletzen will.
Das heißt beileibe nicht, dass ich mit meiner Meinung zurückhalten werde, sondern nur, dass ich nicht unbeabsichtigt provozieren will.
Das sollte eigentlich normal sein.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 26. Okt 2019, 00:04
von DarkLightbringer
Also braucht man jetzt Saalschutz im öffentlichen Raum oder nicht? ;)

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 26. Okt 2019, 00:12
von DarkLightbringer
Der Bundespräsident:
"Andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur weil sie das eigene Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel."
https://www.tagesschau.de/inland/steinm ... e-101.html

Es geht nicht um "Heil Hitler" oder sowas, sondern darum, ob der öffentliche Diskurs nur noch von den Extremen beherrscht werden soll.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 26. Okt 2019, 01:00
von Tom Bombadil
odiug hat geschrieben:(25 Oct 2019, 18:36)

Also was die Flüchtlinge aus Afrika betrifft, kommt darauf an woher die kommen und vor was sie fliehen.
Selbstverständlich, jeder Einzelfall müsste genau geprüft werden.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 20:29
von Fliege
jack000 hat geschrieben:(im Threadstartbeitrag; 23 May 2019, 16:51)
https://www.welt.de/politik/article1939 ... _RB78nChG4
[...]
Wie kommt es dazu das man hier in Deutschland seine Meinung nicht frei äußert?
Skeptiker hat geschrieben:(25 Oct 2019, 00:00)
Wenn sich lt. Eröffnungsbeitrag nur jeder Fünfte frei fühlt seine Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten, dann trifft offensichtlich für vier Fünftel das NICHT zu. Wer sich aber unfrei fühlt seine Meinung in der Öffentlichkeit frei zu vertreten, der ist offensichtlich eingeschüchtert.
Mir leuchtet dieses Argument ein: Wenn die Regierung beteuert, es bestehe Meinungsfreiheit, dann ist die Meinungsfreiheit in Gefahr.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:03
von Skeptiker
Interessante Aussage von Frank Meyer in der Kolumne im Focus.
Ausgehend von der Situation in der Schweiz erzählt er:
Wenn in der Bevölkerung, wenn bei den Bürgerinnen und Bürgern, welche Richtung auch immer, irgendwas nicht passt, dann sagt man: Du, da machen wir was. Und das kann man und dann tut man das und dann muss die Politik das diskutieren, dann muss die Elite raustreten, dorthin, wo der Bürger ist.
Das ist in Deutschland nicht so. Diesen Vorgang müssen die Medien garantieren. Sie müssen diese Debatte führen, wirklich, nicht mit angezogener Handbremse, nicht, wie soll ich sagen, in dieser wattigen Atmosphäre, wo alles schön abgewogen ist. Nein! Rabiat, Rabiat, radikal, das sind gute Wörter. Radikal müssen sie sie führen. Sie tun es nicht.
https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 23561.html

Ich denke das beschreibt es recht gut. Er hat da in meinen Augen Recht. Mein Eindruck ist, dass man in Deutschland gerne eine Konsensgesellschaft abbildet, die es aber so nicht mehr gibt. Die Konflikte werden aber nicht ausreichend ausgetragen.
Diese auf dem öffentlichen Podium mangelhaft ausgetragenen Konflikte bleiben bei der Bevölkerung bestehen und entladen sich dann in Hass und Polarisierung. Dagegen wiederum versucht man mit Repression gegen Hassverbrechen vorzugehen - was bleibt einem dann auch anderes über ...

Deutschland erscheint mir wie ein gigantischer Schnellkochtopf. Es baut sich Druck auf, und weil wir den Dampf und den Geruch nicht mögen, halten wir die Ventile zu - was es nicht besser macht. Der Druck wird immer größer und alle rufen "wo kommt bloß der ganze Hass her?".
Vielleicht sollten wir den Deckel lösen? Dann wird es dampfen und stinken, aber nie ist man in der Gefahr, dass einem das Ding um die Ohren fliegt. DAS ist der Sinn der angstfreien und freien Rede.

Genau diese Einstellung sehe ich aber sehr wenig. Es ist viel wichtiger WAS gesagt wird, als dass jeder sich FREI fühlt zu reden. Jeder glaubt die Ventile dicht stopfen zu müssen und nimmt den wachsenden Druck als Indiz für die Schlechtigkeit des Inhalts. Der Knall wird kommen, wenn wir nicht endlich lernen den Dampf und Gestank beim Kochen zu akzeptieren.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:15
von Selina
Skeptiker hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:03)

Interessante Aussage von Frank Meyer in der Kolumne im Focus.
Ausgehend von der Situation in der Schweiz erzählt er:

https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 23561.html

Ich denke das beschreibt es recht gut. Er hat da in meinen Augen Recht. Mein Eindruck ist, dass man in Deutschland gerne eine Konsensgesellschaft abbildet, die es aber so nicht mehr gibt. Die Konflikte werden aber nicht ausreichend ausgetragen.
Diese auf dem öffentlichen Podium mangelhaft ausgetragenen Konflikte bleiben bei der Bevölkerung bestehen und entladen sich dann in Hass und Polarisierung. Dagegen wiederum versucht man mit Repression gegen Hassverbrechen vorzugehen - was bleibt einem dann auch anderes über ...

Deutschland erscheint mir wie ein gigantischer Schnellkochtopf. Es baut sich Druck auf, und weil wir den Dampf und den Geruch nicht mögen, halten wir die Ventile zu - was es nicht besser macht. Der Druck wird immer größer und alle rufen "wo kommt bloß der ganze Hass her?".
Vielleicht sollten wir den Deckel lösen? Dann wird es dampfen und stinken, aber nie ist man in der Gefahr, dass einem das Ding um die Ohren fliegt. DAS ist der Sinn der angstfreien und freien Rede.

Genau diese Einstellung sehe ich aber sehr wenig. Es ist viel wichtiger WAS gesagt wird, als dass jeder sich FREI fühlt zu reden. Jeder glaubt die Ventile dicht stopfen zu müssen und nimmt den wachsenden Druck als Indiz für die Schlechtigkeit des Inhalts. Der Knall wird kommen, wenn wir nicht endlich lernen den Dampf und Gestank beim Kochen zu akzeptieren.
Was möchtest du denn gerne mal "angstfrei" und "rabiat" sagen? Lass es raus!

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:23
von jack000
Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:15)

Was möchtest du denn gerne mal "angstfrei" und "rabiat" sagen? Lass es raus!
Was soll denn aus deiner Sicht verboten sein/verboten werden?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:34
von Selina
jack000 hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:23)

Was soll denn aus deiner Sicht verboten sein/verboten werden?
Alle nötigen Gesetze sind bereits vorhanden und finden auch Anwendung. Und alles andere wird doch in schönster Offenheit rund um die Uhr gesagt. Gerade die eher rechtsaußen Befindlichen reden doch ständig. Was soll da noch Geheimnisvolles ausgesprochen werden, was bislang noch niemand gelesen oder gehört hat?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:38
von jack000
Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:34)

Alle nötigen Gesetze sind bereits vorhanden und finden auch Anwendung.
Deswegen meine Frage an dich, was denn nun verboten werden soll?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:41
von Selina
jack000 hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:38)

Deswegen meine Frage an dich, was denn nun verboten werden soll?
Ich hab überhaupt nichts dergleichen gesagt. Meine Frage lautete: Was möchtet ihr denn gerne mal so richtig "rabiat" und "angstfrei" sagen?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 22:52
von Stoner
Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:41)

Ich hab überhaupt nichts dergleichen gesagt. Meine Frage lautete: Was möchtet ihr denn gerne mal so richtig "rabiat" und "angstfrei" sagen?
In der legendären Diskussion zwischen Robert Jungk und Ulrich Horstmann wird Horstmann am Ende gefragt, ob er denn, wenn er auf Knopfdruck die Menschheit auslöschen könnte, auch drücken würde. Geschuldet ist dies natürlich einer gewissen Ignoranz oder einer Vulgarisierung eines philosophischen Gedankens, der nachapokalyptisch nicht mehr zu denken wäre und deshalb besser noch zu Lebzeiten des Untiers gedacht würde.

Es gibt Momente, da wäre ich sicher, dass ich eine Antwort auf die Frage gäbe, würde man sie mir vorlegen. Weil man genau weiß, warum es besser nichts geben soll als überhaupt etwas. Solche Beiträge zum Beispiel. :D

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 7. Nov 2019, 23:32
von Skeptiker
Selina hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:15)
Was möchtest du denn gerne mal "angstfrei" und "rabiat" sagen? Lass es raus!
Wenn Du meinen Beitrag aufmerksam gelesen hast, dann wirst Du festgestellt haben, dass er in erster Linie eine konfliktscheue Medienlandschaft im Auge hat, was durch unausgetragene Konflikte Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.

Deine Frage ist natürlich polemisch und unterstellend, weil Du hier wider besseren Wissens suggerieren willst, ich wolle hier irgendwelche phösen Beschimpfungen plazieren, obwohl Dir sehr bewusst ist, dass es mir genau darum niemals gegangen ist. Du verfolgst meine Beiträge, und weisst daher, dass ich sehr wohl für eine noch strengere Auslegung, in jedem Fall aber konsequentere Strafverfolgung von Volksverhetzung bin. Auf der anderen Seite stehe ich aber für eine sehr liberale Auffassung von Diskussionskultur - absolut gegenteilig zu Deiner Auffassung, die - nach meinem Empfinden - im wesentlichen das für moralisch und richtig erklärt, was Deiner Meinung entspricht, und alles andere zum Teufelszeug erklärt, gegen das man sich - auch mit zweifelhaften Methoden (siehe Diskussion zur Redefreiheit mit Einblick in Gedanken zur Selbstjustiz) - zur Wehr setzen muss.

Ich sehe gerade, dass Bernd Stegemann einen Artikel im Cicero geschrieben hat, der genau dieses Thema behandelt. Leider kann ich nur die Einleitung lesen, aber die zeigt schon den Tenor, welchen ich voll unterstütze:
MEINUNGSFREIHEIT
-Vom Missbrauch der Moral
VON BERND STEGEMANN am 5. November 2019

In der Debatte um die Grenzen der Meinungsfreiheit führen viele an, man dürfe doch alles sagen, dabei aber eben nicht empfindlich sein. Das verkennt, dass es immer häufiger um ein öffentliches Bloßstellen geht, aber nicht mehr um ein respektvolles Miteinander

63 Prozent der Deutschen glauben laut einer Umfrage, man müsse sehr aufpassen, wenn man seine Meinung öffentlich äußert. Zeit, Spiegel und viele andere Medien titelten in der Folge mit dem Thema Meinungsfreiheit. Und sogleich wurden Stimmen laut, die mit gespielter Naivität fragen, wo denn die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt sei. Juristisch ist doch alles erlaubt, was nicht strafbar ist, und niemand wird heute von einer Stasi überwacht oder muss damit rechnen, dass ein Blockwart seine Radiosender kontrolliert. Wenn man die totalitäre Meinungsüberwachung aus finsteren Zeiten anführt, erscheinen die aktuellen Sorgen natürlich klein. ...
https://www.cicero.de/kultur/meinungsfr ... dards/plus

Leider ist da für mich Schluss - habe kein Abo. Es ist aber genau dieser Punkt.

WEIT INNERHALB des gesetzlichen Rahmens wurden von Ideologen Grenzlinie gezogen. Wer diese Linie überschreitet, der begibt sich in die Gefahr undifferenziert in einen Topf mit übelsten Charakteren geworfen zu werden. Für den Großteil der Leute reicht das schon um öffentlich schlicht die Klappe zu halten. Ziel erreicht - vordergründig.

Mehr und mehr glaube ich wir bewegen uns in eine große gesellschaftliche Krise hinein, wenn wir den Mechanismus nicht bald verstehen. Die Zahl derjenigen, die in den Extremismus abgleiten wird höher, je mehr gemäßigten Leuten ein latenter Maulkorb verpasst wird. Nach der Aussage von Stegemann im Artikel oben, empfinden 63% diesen offenbar schon. Sind aber ersteinmal alle Leute radikalisiert, dann sind die Dystopien der linken Bezichtiger zur selbsterfüllenden Prophezeihung geworden. Dieser Prozess verwirklicht sich sozusagen von alleine, wenn man ihm nicht entgegensteuert.

Ich sehe aber keinen Aufruf zu mehr Toleranz oder entspannterem Umgang miteinander. Ich erkenne nicht, wie man Leute ermutigt ihre Meinung zu sagen, auch wenn diese nicht konform geht. Alles was ich erkenne ist die latente Unterstellung, dass wenn die Leute meinen nicht frei reden zu können, das was sie sagen wollen schlicht übelster Rassismus sein müsse. Das ist keine rabiate Diskussionskultur, das ist eine diffamierende Unkultur. Eine radikale Diskussion kann immernoch sehr sachlich sein. In öffentlichen Diskussionen ist vom sachlichen Kern kaum mehr etwas zu erkennen.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 8. Nov 2019, 00:33
von Alexyessin
Skeptiker hat geschrieben:(07 Nov 2019, 23:32) In öffentlichen Diskussionen ist vom sachlichen Kern kaum mehr etwas zu erkennen.
Das ist wahr, liegt aber meiner Meinung nach nicht an irgendwelchen Denkverboten sondern von bewusster Unschärfe in den Gesprächen. Das fehlende "konkret werden", Fakten, die mit Quellen untermauert sind usw. sind leider Mangelware - und zwar meistens von der rechten Seite des politischen Spektrums. Wühle dich ruhig durch die ganzen Threads im 2er - immer dann, wenn anstatt nach subjektiven Gefühlen nach objektiven Daten gefragt wird kommt meistens nichts. Und bei FB ist das ganze noch schlimmer, da gibt es nicht mal annähernd so etwas wie eine QK. Das vergiftet aber das Diskussionsklima und bringt Menschen dazu - und das wieder in den meisten Fällen - gegenseitig sich anzugehen anstatt die Sachlage an Fakten diskutieren zu wollen.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 8. Nov 2019, 00:49
von Selina
Skeptiker hat geschrieben:(07 Nov 2019, 23:32)

Wenn Du meinen Beitrag aufmerksam gelesen hast, dann wirst Du festgestellt haben, dass er in erster Linie eine konfliktscheue Medienlandschaft im Auge hat, was durch unausgetragene Konflikte Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.

Deine Frage ist natürlich polemisch und unterstellend, weil Du hier wider besseren Wissens suggerieren willst, ich wolle hier irgendwelche phösen Beschimpfungen plazieren, obwohl Dir sehr bewusst ist, dass es mir genau darum niemals gegangen ist. Du verfolgst meine Beiträge, und weisst daher, dass ich sehr wohl für eine noch strengere Auslegung, in jedem Fall aber konsequentere Strafverfolgung von Volksverhetzung bin. Auf der anderen Seite stehe ich aber für eine sehr liberale Auffassung von Diskussionskultur - absolut gegenteilig zu Deiner Auffassung, die - nach meinem Empfinden - im wesentlichen das für moralisch und richtig erklärt, was Deiner Meinung entspricht, und alles andere zum Teufelszeug erklärt, gegen das man sich - auch mit zweifelhaften Methoden (siehe Diskussion zur Redefreiheit mit Einblick in Gedanken zur Selbstjustiz) - zur Wehr setzen muss.

Ich sehe gerade, dass Bernd Stegemann einen Artikel im Cicero geschrieben hat, der genau dieses Thema behandelt. Leider kann ich nur die Einleitung lesen, aber die zeigt schon den Tenor, welchen ich voll unterstütze:

https://www.cicero.de/kultur/meinungsfr ... dards/plus

Leider ist da für mich Schluss - habe kein Abo. Es ist aber genau dieser Punkt.

WEIT INNERHALB des gesetzlichen Rahmens wurden von Ideologen Grenzlinie gezogen. Wer diese Linie überschreitet, der begibt sich in die Gefahr undifferenziert in einen Topf mit übelsten Charakteren geworfen zu werden. Für den Großteil der Leute reicht das schon um öffentlich schlicht die Klappe zu halten. Ziel erreicht - vordergründig.

Mehr und mehr glaube ich wir bewegen uns in eine große gesellschaftliche Krise hinein, wenn wir den Mechanismus nicht bald verstehen. Die Zahl derjenigen, die in den Extremismus abgleiten wird höher, je mehr gemäßigten Leuten ein latenter Maulkorb verpasst wird. Nach der Aussage von Stegemann im Artikel oben, empfinden 63% diesen offenbar schon. Sind aber ersteinmal alle Leute radikalisiert, dann sind die Dystopien der linken Bezichtiger zur selbsterfüllenden Prophezeihung geworden. Dieser Prozess verwirklicht sich sozusagen von alleine, wenn man ihm nicht entgegensteuert.

Ich sehe aber keinen Aufruf zu mehr Toleranz oder entspannterem Umgang miteinander. Ich erkenne nicht, wie man Leute ermutigt ihre Meinung zu sagen, auch wenn diese nicht konform geht. Alles was ich erkenne ist die latente Unterstellung, dass wenn die Leute meinen nicht frei reden zu können, das was sie sagen wollen schlicht übelster Rassismus sein müsse. Das ist keine rabiate Diskussionskultur, das ist eine diffamierende Unkultur. Eine radikale Diskussion kann immernoch sehr sachlich sein. In öffentlichen Diskussionen ist vom sachlichen Kern kaum mehr etwas zu erkennen.
Aber was ist es denn dann Geheimnisvolles, was man lieber für sich behält? Du kannst das wortreich umschreiben oder knapp beantworten: Es gibt schlicht nichts Ungesagtes. Selbst, wenn man dabei in Abgründe blicken muss, alles wurde bereits gesagt. Und das in einer brutalen Offenheit und Klarheit, dass es einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Ja, was denn nun noch? Was ist es, was noch zu sagen wäre?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 8. Nov 2019, 12:10
von schokoschendrezki
Skeptiker hat geschrieben:(07 Nov 2019, 22:03)

Interessante Aussage von Frank Meyer in der Kolumne im Focus.
Ausgehend von der Situation in der Schweiz erzählt er:

https://www.focus.de/politik/deutschlan ... 23561.html

Ich denke das beschreibt es recht gut. Er hat da in meinen Augen Recht. Mein Eindruck ist, dass man in Deutschland gerne eine Konsensgesellschaft abbildet, die es aber so nicht mehr gibt. Die Konflikte werden aber nicht ausreichend ausgetragen.
Diese auf dem öffentlichen Podium mangelhaft ausgetragenen Konflikte bleiben bei der Bevölkerung bestehen und entladen sich dann in Hass und Polarisierung. Dagegen wiederum versucht man mit Repression gegen Hassverbrechen vorzugehen - was bleibt einem dann auch anderes über ...

Deutschland erscheint mir wie ein gigantischer Schnellkochtopf. Es baut sich Druck auf, und weil wir den Dampf und den Geruch nicht mögen, halten wir die Ventile zu - was es nicht besser macht. Der Druck wird immer größer und alle rufen "wo kommt bloß der ganze Hass her?".
Vielleicht sollten wir den Deckel lösen? Dann wird es dampfen und stinken, aber nie ist man in der Gefahr, dass einem das Ding um die Ohren fliegt. DAS ist der Sinn der angstfreien und freien Rede.

Genau diese Einstellung sehe ich aber sehr wenig. Es ist viel wichtiger WAS gesagt wird, als dass jeder sich FREI fühlt zu reden. Jeder glaubt die Ventile dicht stopfen zu müssen und nimmt den wachsenden Druck als Indiz für die Schlechtigkeit des Inhalts. Der Knall wird kommen, wenn wir nicht endlich lernen den Dampf und Gestank beim Kochen zu akzeptieren.
Das ist schon logisch argumentiert. Nur: In dem verwiesenen Artikel gehts ja eigentlich um das Phänomen "Ende der Volksparteien". Und genau das findet doch auch in Deutschland statt. Volles Rohr. Wenn auch vielleicht etwas verspätet im europäischen Vergleich. Ich habe eher die 60er bis 80er Jahre im Kopf, wenn ich an so etwas wie "Konsensgesellschaft" denke. Tagesschau, heute, zwei Volksparteien und eine kleine Schwester, sonst kaum etwas. Und danach, samstags, nach dem Abendbrot saß die Familie, die KInder gebadet im Bademantel bei der Rudi-Carrell-Show oder etwas später bei "Wetten dass". Davon ist doch die heutige bundesdeutsche Gesellschaft Lichtjahre weit entfernt. Jeden Tag gibt es einen neuen Tabubruch. Alles irgendwann mal per bürgerlicher Konvention eigentlich nicht sagbare wird täglich und stündlich in Deutschland herausgebrüllt.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 8. Nov 2019, 12:26
von pLenarum
Damals als die Informationsversorgung noch einfach und linear war...

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Fr 8. Nov 2019, 23:30
von Skeptiker
Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 00:49)
Aber was ist es denn dann Geheimnisvolles, was man lieber für sich behält? Du kannst das wortreich umschreiben oder knapp beantworten: Es gibt schlicht nichts Ungesagtes. Selbst, wenn man dabei in Abgründe blicken muss, alles wurde bereits gesagt. Und das in einer brutalen Offenheit und Klarheit, dass es einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Ja, was denn nun noch? Was ist es, was noch zu sagen wäre?
Selina, irgendwann nehme ich es Dir leider nicht mehr ab, dass Du nicht verstehst was ich sagen will.

Natürlich wurde "alles gesagt". Von vielen - es wird ständig diskutiert. Und alles legal - prima könnte man meinen. Aber nein! Wenn sich die Berichte mehren, dass die Leute ihren Mund nicht mehr aufmachen wollen - und ich rede von der Mitte der Gesellschaft, nicht den Schreiern von den Rändern - dann muss man das doch als besorgniserregend wahrnehmen. Du offenbar nicht. Ich nehme das zur Kenntnis. Manche sind halt sensibel wenn Effekte einsetzen, die für die Demokratie nicht wünschenswert sind, manchen anderen ist es egal, solange ihre persönliche Vorstellung von Politik Oberwasser hat.

Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?

Kristina Schröder liefert heute ganz aktuell nochmal einen Einblick in der Welt (wieder Bezahlartikel):
KRISTINA SCHRÖDER
Diese Verachtung hat mich eingeschüchtert
Meinungsfreiheit heißt nicht automatisch Meinungsvielfalt. Kristina Schröder kennt Pöbeleien noch aus ihrer Zeit als Familienministerin. Sie habe Positionen vertreten, die in „tonangebenden Milieus“ verpönt sind. Die Reaktionen seien heftig gewesen.

Zwei Deutungen in Sachen Meinungsfreiheit ringen derzeit in Deutschland miteinander.

Da sind die AfD und ihre befreundeten Truppen. In diesen Kreisen wird hingebungsvoll das Bild gepflegt, dass man dies und das heute „ja nicht mehr sagen darf“. Gesagt wird es dann aber doch, nämlich von den mutigen Leuten von der AfD, die sich dem „linken Meinungsterror“ und den „Mainstreammedien“ wacker widersetzen.

Auf der anderen Seite die deutschen Feuilletons, zumindest die fortschrittlichen. Nach den Vorfällen um Bernd Lucke, Thomas de Maizière und Christian Lindner nehmen sie sich des Themas derzeit an. Und kommen nach einigen pflichtschuldigen Demutsgesten an die Freiheit der Andersdenkenden dann doch ziemlich unisono zu dem Schluss: Habt euch doch nicht so. Wer eine kontroverse Position äußert, muss auch mit der Kritik daran leben.
...
Rechtliche Meinungsfreiheit heißt aber nicht automatisch tatsächliche Meinungsvielfalt. Letztere ist bedroht, und zwar deshalb, weil bestimmte Positionen zwar nicht von den Gerichten, aber dafür von der Gesellschaft umso empfindlicher sanktioniert werden.

Die Themen, bei denen der Furor droht, sind gar nicht so viele: Bisher war es vor allem Deutschlands nationalsozialistische Vergangenheit, die zuverlässig für Sprengstoff sorgte. Aber mit dem Aussterben der Generation, die direkt involviert war, lässt auch die Emotionalität der Auseinandersetzung nach.
...
Derzeit sind es vor allem Aussagen zu den Themen Migration und Islam, die streng bewertet und schnell verurteilt werden. Außerdem jede Bemerkung zur Situation und Befindlichkeit von tatsächlichen oder vermeintlichen Minderheiten: Homo-, Trans- und Intersexuelle, Menschen anderer Hautfarbe, Frauen, Menschen, die sozial, körperlich oder ästhetisch benachteiligt sind. Und Einlassungen zum Klimawandel und Klimaschutz, die sind auch immer gefahrengeneigter.

Das Spezifische der Debatten über diese Themen ist nicht, dass sie kontrovers sind. Sondern dass demjenigen, der hier eine missliebige Position äußert, nicht nur sachlich widersprochen, sondern er als Person moralisch verurteilt, oft geradezu verbal hingerichtet wird. Er ist fortan in der öffentlichen Etikettierung derjenige, der „das“ gesagt hat, und kann so oft über Jahre nicht mehr unbefangen am öffentlichen Diskurs teilnehmen.

Ich sprach über deutschenfeindlichen Rassismus bei Migranten und die überproportionale Gewaltneigung von muslimischen Männern, über die zweifelhafte Verfassungstreue mancher Initiative „gegen rechts“ und die aus freien Stücken getroffene Entscheidung vieler Frauen, Kinder zeitweise wichtiger zu finden als Karriere.
...
Denn die Reaktionen waren heftig. Mir wurde zugetragen, dass in einer frauenbewegten Redaktion nur höhnisch gelacht wurde, wenn mein Name fiel. Oft setzte man sich mit mir nicht inhaltlich auseinander, sondern sprach mir schlicht die intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit ab. In der Presse wurde ich als „Feindin aller Frauen“ und „törichtes Mädchen“ bezeichnet.
...
Denn es zeigt, dass der Versuch, das Spektrum des legitim Sagbaren einzuschränken, durchaus erfolgreich ist. Man braucht einiges an Stehvermögen, um sich dagegen zu behaupten.

Allerdings unterliegen die tabuisierten Themen durchaus Schwankungen: Während nach meiner Wahrnehmung bei den Themen Migration und Islam heute sehr viel mehr sagbar ist, ohne gleich den Rassismus- oder Islamophobievorwurf zu ernten, verengt sich die Debatte über die sogenannten Minderheitenthemen immer mehr.
...
Die politische Stoßrichtung dieser Diskursverbote ist dabei in der öffentlichen Debatte eindeutig: nach rechts. Intellektuelle, die sich in Deutschland wirkmächtig zu Wort melden, sind nach wie vor überwiegend links. Egal, ob sie einen universitären, publizistischen oder künstlerischen Hintergrund haben. Dieser tonangebenden Schicht gelingt es seit vielen Jahren, den Korridor des legitimen Diskurses an ihren Überzeugungen und Bedürfnissen auszurichten und dabei die intellektuelle Freiheit, die unser Grundgesetz gewährt, immer mehr einzuschränken.
...

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... htert.html

Für Dich ist das alles Kinderkram. Ja, genau so lange, wie es keinen Widerstand gegen solches Verhalten gibt. Den gibt es nun aber, und der wiederum schmeckt Dir nicht.

Schonmal darüber nachgedacht, dass diese unsägliche Arroganz und Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden sich mal rächen könnte? Das tut es gerade, aber ihr macht weiter und weiter und weiter ...

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 00:22
von Selina
Skeptiker hat geschrieben:(08 Nov 2019, 23:30)

Selina, irgendwann nehme ich es Dir leider nicht mehr ab, dass Du nicht verstehst was ich sagen will.

Natürlich wurde "alles gesagt". Von vielen - es wird ständig diskutiert. Und alles legal - prima könnte man meinen. Aber nein! Wenn sich die Berichte mehren, dass die Leute ihren Mund nicht mehr aufmachen wollen - und ich rede von der Mitte der Gesellschaft, nicht den Schreiern von den Rändern - dann muss man das doch als besorgniserregend wahrnehmen. Du offenbar nicht. Ich nehme das zur Kenntnis. Manche sind halt sensibel wenn Effekte einsetzen, die für die Demokratie nicht wünschenswert sind, manchen anderen ist es egal, solange ihre persönliche Vorstellung von Politik Oberwasser hat.

Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?

Kristina Schröder liefert heute ganz aktuell nochmal einen Einblick in der Welt (wieder Bezahlartikel):

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... htert.html

Für Dich ist das alles Kinderkram. Ja, genau so lange, wie es keinen Widerstand gegen solches Verhalten gibt. Den gibt es nun aber, und der wiederum schmeckt Dir nicht.

Schonmal darüber nachgedacht, dass diese unsägliche Arroganz und Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden sich mal rächen könnte? Das tut es gerade, aber ihr macht weiter und weiter und weiter ...
Selbstverständlich verstehe ich, was du sagen willst. Nur zu gut. Kein Wunder: Der Popanz von der angeblich eingeschränkten Meinungsfreiheit wird in schöner Regelmäßigkeit von Neurechts verbreitet und am Leben gehalten. Und von einigen Konservativen auch. Der Grund: Solange man den Leuten verklickern kann, dass angeblich keine echte Meinungsfreiheit herrsche und ein "Meinungsdiktat" von Linksgrün ausgeübt werde, solange kann man auch die Legende aufrechterhalten, man müsse nun endlich für andere, neue, freiere Verhältnisse sorgen. Alles Erfindung, alles Theater, um für Neurechts künstlich eine Legitimation zu schaffen. Denn was willst du denn zum Beispiel gerne noch gegen die Migration sagen, was angeblich sofort bestraft und geächtet wird? Was? Gibt es da einen einzigen Satz, der noch nicht gesagt worden ist? Nein, gibt es nicht. Über Migration ist von allen Seiten schon alles gesagt worden. Und besonders seit 2015. Es gibt die ständig in larmoyantem Ton beklagte Beschränkung und Einengung der Meinungsfreiheit nicht.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 13:32
von naddy
Selina hat geschrieben:(09 Nov 2019, 00:22)

Kein Wunder: Der Popanz von der angeblich eingeschränkten Meinungsfreiheit wird in schöner Regelmäßigkeit von Neurechts verbreitet und am Leben gehalten.
Und auf diesen Popanz fallen 58% der Bevölkerung herein? Das sollte dann aber zumindest zu noch mehr Zweifeln an der Demokratie führen als die Wahl Trumps, Orbans und Erdogans, oder?
Alles Erfindung, alles Theater, um für Neurechts künstlich eine Legitimation zu schaffen. Denn was willst du denn zum Beispiel gerne noch gegen die Migration sagen, was angeblich sofort bestraft und geächtet wird? Was? Gibt es da einen einzigen Satz, der noch nicht gesagt worden ist? Nein, gibt es nicht. Über Migration ist von allen Seiten schon alles gesagt worden. Und besonders seit 2015. Es gibt die ständig in larmoyantem Ton beklagte Beschränkung und Einengung der Meinungsfreiheit nicht.
Schönes Beispiel dafür, wie das mit der "Meinungsfreiheit" funktioniert: Einfach jeder Kritik an der Nicht-Migrationspolitik der Bundesregierung - die übrigens bis vor Kurzem offiziell noch "Flüchtlingskrise" hieß - das Etikett "Neurechts" aufpappen - und schon sind alle kritischen Betrachter in einen Topf mit echten Rassisten geworfen und zum Abschuß im neuen Volkssport "Rassismus-Tourette" freigegeben. Und die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung: "Der bayerische Verfassungsschutz 2016 lobte Recherche- und Enttarnungserfolge von Antifagruppen: Das „Outing“ von Rechtsextremisten habe Straftaten verhütet und Teilnahme von Enttarnten an Aussteigerprogrammen bewirkt." (wiki).

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Sa 9. Nov 2019, 15:07
von conscience
naddy hat geschrieben:die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung:
Starker Tobak :thumbup:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Mi 13. Nov 2019, 10:15
von Selina
Ich sehe in meinem Umfeld niemanden, der sich in der Öffentlichkeit vorsichtig äußert. Zumindest niemanden von den AfD-Wählern. Die plärren den ganzen Tag herum, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, äußern sich aber bei jeder Gelegenheit ganz unverblümt fremdenfeindlich. Überall, wo im Wohngebiet mal was kaputtgeht, mal ein Kübel umgeworfen wird oder ne Scheibe zu Bruch geht, heißt es bei den lieben Nachbarn gleich "kein Wunder bei den vielen Ausländern". Ungefragt, ungeprüft.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Mi 13. Nov 2019, 12:55
von naddy
Selina hat geschrieben:(13 Nov 2019, 10:15)

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden, der sich in der Öffentlichkeit vorsichtig äußert. Zumindest niemanden von den AfD-Wählern. Die plärren den ganzen Tag herum, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, äußern sich aber bei jeder Gelegenheit ganz unverblümt fremdenfeindlich. Überall, wo im Wohngebiet mal was kaputtgeht, mal ein Kübel umgeworfen wird oder ne Scheibe zu Bruch geht, heißt es bei den lieben Nachbarn gleich "kein Wunder bei den vielen Ausländern". Ungefragt, ungeprüft.
(fett von mir).

Guter Ansatz! Vielleicht solltest Du den auch mal in diesem Thread vertreten.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Mi 13. Nov 2019, 21:17
von jack000
Selina hat geschrieben:(13 Nov 2019, 10:15)

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden,
Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 04:17
von unity in diversity
jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Beide brennen gleichzeitig. Daran erkennt man die Verrohung der Gesellschaft, in der immer weniger diskutiert wird. Stattdessen handeln immer mehr emotionsgeladen im Affekt.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 07:08
von Selina
jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Bitte nicht herablassend werden und bitte im Kontext zitieren. Wird man ja nochmal sagen dürfen :D

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 09:42
von schokoschendrezki
jack000 hat geschrieben:(13 Nov 2019, 21:17)

Du sowieso nicht. Aber stelle dir mal 2 Autos vor bei denen bei einem ein AfD-Aufleber und bei dem anderen ein AntiFa-Aufkleber angebracht wird.
=> Welches Auto wird aus deiner Sicht als erstes beschädigt werden und welche Erkenntnis lässt sich daraus ziehen?
Weder das eine noch das andere. Nach Kriminalstatistiken geht gerade das Delikt "Sachbeschädigung" zurück. 2018 2,8 Prozent weniger als 2017. Gleichzeitig nimmt die sprachliche Verrohung in den Medien und im Internet im gleichen Zeitraum für jedermann spürbar zu.

Was heißt hier "Man äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit"? Soll das ein Witz sein? Man lässt - im Gegenteil - Schritt für Schritt alle Schranken fallen.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 09:49
von Tom Bombadil
Selina hat geschrieben:(08 Nov 2019, 00:49)

Aber was ist es denn dann Geheimnisvolles, was man lieber für sich behält?
Das wurde hier doch schon xmal durchgekaut. Wer es wagte, Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren oder das Bildungsniveau der Flüchtlinge ansprach oder auch nur der Meinung war, dass das nicht allesamt liebe Flüchtlinge sind, die da kommen, der wurde hier ganz flugs in die Naziecke gestellt. Natürlich nicht expressiv verbis, sondern blumig, aber dennoch pejorativ, umschrieben.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 09:51
von schokoschendrezki
Skeptiker hat geschrieben:(08 Nov 2019, 23:30)
Immer und immer wieder dreht sich in der bürgerlichen Presse alles um das Thema der moralischen Stigmatisierung konservativer oder gar rechter Positionen. Was glaubst Du, denken die sich das nur aus? Sind die alle bekloppt? Hast Du schonmal darüber nachgedacht ob da - rein theoretisch - etwas falsch laufen könnte?
Ja. Aber du ziehst eben nicht den rapiden Bedeutungsverlust ebenjener "bürgerlichen Presse" in Betracht. Und parallel dazu den Bedeutungsverlust der sogenannten "Volksparteien". Die FAZ gilt gemeinhin als die bürgerliche Zeitung. Rückgang der verkauften Auflage in den letzten 20 Jahren: 43,4 Prozent. Hallo?

Die Frage ist natürlich schon, was hier Ursache und was Folge ist. Und ob da überhaupt ein kausaler Zusammenhang besteht. Ich glaube absolut nicht, dass die FAZ nicht mehr gekauft und gelesen wird, weil dort nur noch politisch korrektes Zeug geschrieben wird.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 09:54
von Tom Bombadil
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:51)

Rückgang der verkauften Auflage in den letzten 20 Jahren: 43,4 Prozent. Hallo?
Und wie hoch war der Zuwachs an Klicks auf die FAZ-Website im gleichen Zeitraum?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 09:56
von schokoschendrezki
Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:54)

Und wie hoch war der Zuwachs an Klicks auf die FAZ-Website im gleichen Zeitraum?
Das weiß ich nicht. Aber unter "bürgerlich" verstehe ich "lesen" und nicht "klicken" oder "wischen".

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 10:02
von Tom Bombadil
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:56)

Das weiß ich nicht. Aber unter "bürgerlich" verstehe ich "lesen" und nicht "klicken" oder "wischen".
Die FAZ-website wird also nur einfach angeklickt, dort wird dann nichts gelesen, weil "Bürgerliche" nach deiner Definition das nicht tun?

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 10:09
von Selina
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 09:42)

Weder das eine noch das andere. Nach Kriminalstatistiken geht gerade das Delikt "Sachbeschädigung" zurück. 2018 2,8 Prozent weniger als 2017. Gleichzeitig nimmt die sprachliche Verrohung in den Medien und im Internet im gleichen Zeitraum für jedermann spürbar zu.

Was heißt hier "Man äußert sich vorsichtig in der Öffentlichkeit"? Soll das ein Witz sein? Man lässt - im Gegenteil - Schritt für Schritt alle Schranken fallen.
Genau so siehts aus. Andersrum wird ein Schuh daraus: In einigen Gebieten läuft man Gefahr, "bestraft" zu werden, äußert man sowas wie, die Herkunft der Menschen spiele keine Rolle.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 10:33
von Alexyessin
naddy hat geschrieben:(09 Nov 2019, 13:32)
Und die ehemals vom Verfassungsschutz als potentielle Terrortruppe verdächtigte ANTIFA mutiert derweil zur Volksbefreiungsbewegung: "Der bayerische Verfassungsschutz 2016 lobte Recherche- und Enttarnungserfolge von Antifagruppen: Das „Outing“ von Rechtsextremisten habe Straftaten verhütet und Teilnahme von Enttarnten an Aussteigerprogrammen bewirkt." (wiki).
Juhu, du widersprichst dir mit deinem Zitat selbst. Schön zu lesen. :thumbup:

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 11:27
von schokoschendrezki
Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 10:02)

Die FAZ-website wird also nur einfach angeklickt, dort wird dann nichts gelesen, weil "Bürgerliche" nach deiner Definition das nicht tun?
Nein. Natürlich wird dort auch (quer)gelesen.

Es geht schlicht und einfach darum: Diese bürgerliche Konsens-Bundesrepublik der Nachkriegszeit existiert nicht mehr. Das sollte man einfach erst mal zur Kenntnis nehmen. Anstelle einer Mehrheitskonsens-Gesellschaft oder einer top-down gegliederten hierarchischen Gesellschaft existieren mehrere nebeneinander laufende Gruppen und soziologische Biotope. Mit jeweils eigenen Kommunikationsgewohnheiten. Wir haben heute gleichzeitg und parallel Studierende und Professorxe anstelle von Studenten und Professoren, Stiefelnazis, Juristen und Mediziner, die bei den alten Herren in den schlagenden Verbindungen dabei sind und die sogenannten normalen Leute. Die allgemeine These von der Vorsichtigkeit der Öffentlichkeitsäußerung setzt notwendigerweise irgendeinen gesellschaftlichen Mainstream voraus, von dem man dann so eine allgemeine Behauptung aufstellen könnte. Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 11:43
von Stoner
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:27)

Nein. Natürlich wird dort auch (quer)gelesen.

Es geht schlicht und einfach darum: Diese bürgerliche Konsens-Bundesrepublik der Nachkriegszeit existiert nicht mehr. Das sollte man einfach erst mal zur Kenntnis nehmen. Anstelle einer Mehrheitskonsens-Gesellschaft oder einer top-down gegliederten hierarchischen Gesellschaft existieren mehrere nebeneinander laufende Gruppen und soziologische Biotope. Mit jeweils eigenen Kommunikationsgewohnheiten. Wir haben heute gleichzeitg und parallel Studierende und Professorxe anstelle von Studenten und Professoren, Stiefelnazis, Juristen und Mediziner, die bei den alten Herren in den schlagenden Verbindungen dabei sind und die sogenannten normalen Leute. Die allgemeine These von der Vorsichtigkeit der Öffentlichkeitsäußerung setzt notwendigerweise irgendeinen gesellschaftlichen Mainstream voraus, von dem man dann so eine allgemeine Behauptung aufstellen könnte. Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.

Ich glaube man sollte zwei Dinge zur Kenntnis nehmen: Erstens den Verlust des privaten Raumes und seinen Übergang in den totalen öffentlichen - auch die Arbeit am Selbst geschieht ja längst vor aller Augen - und den zweitens damit einhergehenden Kontrollverlust des Einzelnen über seine Äußerungen. Daher wird, wer halbwegs bei klarem Verstand ist, sich in der Öffentlichkeit auch vorsichtig äußern, da man weder die Heftigkeit der Gegenreaktion vernünftig abschätzen kann noch die mögliche Verbreitung.

Die köstliche Ironie der politischen Debatte liegt darin, dass die "öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten" (heute Plasberg und Will) und die "emotionale Pissrinne" (heute Lanz) sich mit dem Auftauchen einer Ekel-Partei de facto über Nacht in Kathedralen der Meinungsfreiheit und -vielfalt verwandelt haben, in denen ihre bekehrten Gegner Abbitte leisten und ihre Verachtungsgebete des heiligen Zeitgeistes des Positiven sprechen.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 12:31
von Tom Bombadil
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:27)

Diesen Mainstream gibts aber in der Form nicht mehr.
Der "Kampf gegen Rechts" ist Mainstream und wird oft genug völlig übertrieben.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 12:56
von schokoschendrezki
Tom Bombadil hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:31)

Der "Kampf gegen Rechts" ist Mainstream und wird oft genug völlig übertrieben.
Da kann ich dir aus meiner eigenen Erfahrung nur widersprechen. Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.

Das wichtigste soziologische Gesellschaftsmodell der Gegenwart arbeitet bei den "Sinus-Millieus" mit einem zweidimensionalen Koordinatensystem. "Soziale Lage/Einkommen" auf der y-Achse und "Grundorientierung" (von "traditionell/konservativ" bis "modernistisch") auf der x-Achse. Darin zeichnen sich dann insgesamt zehn wesentliche soziale Milieus ab. Wie etwa "Konservativ-Etablierte", "Hedonisten" oder "Prekäre". Und alle haben sie ganz unterschiedliche Einstellungen zu Meinungsäußerungen, politische Korrektheit, "Kampf gegen Rechts" usw. Pauschale Aussagen, was irgendeine "Mehrheit der Deutschen" angeblich tut, wie sie denkt, was sie möchte, sind so nicht mehr möglich.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 13:08
von schokoschendrezki
MäckIntaier hat geschrieben:(14 Nov 2019, 11:43)

Ich glaube man sollte zwei Dinge zur Kenntnis nehmen: Erstens den Verlust des privaten Raumes und seinen Übergang in den totalen öffentlichen - auch die Arbeit am Selbst geschieht ja längst vor aller Augen - und den zweitens damit einhergehenden Kontrollverlust des Einzelnen über seine Äußerungen. Daher wird, wer halbwegs bei klarem Verstand ist, sich in der Öffentlichkeit auch vorsichtig äußern, da man weder die Heftigkeit der Gegenreaktion vernünftig abschätzen kann noch die mögliche Verbreitung.
In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 13:52
von Tom Bombadil
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 12:56)

Der "Kampf gegen Rechts" ist überhaupt nicht Mainstream.
Ich kenne niemanden, der sich GEGEN den Kampf gegen Rechtsradikalismus/-extremismus ausspricht, weder privat, noch bei demokratischen Politikern, noch in den seriösen Medien, überall ist es Konsens, dass Rechtsradikalismus/-extremismus bekämpft werden muss. Was ja auch nur gut und richtig ist.

Dein Ausflug in die Soziologie mag zwar interessant sein, ist aber nicht zielführend, es geht um Meinungsfreiheit und wie sie von radikalen Kräften immer mehr eingeschränkt wird, entweder mit verbaler oder tatsächlicher Gewalt. Das ist inakzeptabel und dieser Zustand muss bereinigt werden, in einer Demokratie sind Diskurs und Kompromiss unverzichtbar.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 13:56
von Stoner
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 13:08)

In einem Artikel der linken-nahestenden Rosa-Luxemburg-Stiftung (von 2005) ist - im Gegenteil - vom "Verlust des öffentlichen Raums" die Rede. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_up ... ndgens.pdf). Aber so widersprüchlich ist das gar nicht. Wo überall Öffentlichkeit ist, ist am Ende nirgends Öffentlichkeit. Die Wahrnehmung von "Öffentlichkeit", von Meinungsäußerungsfreiheit in der Öffentlichkeit kann meiner Ansicht nach nur über die Wahrnehmung von Widerstand und Reibung passieren. Kaum etwas ist aus meiner Sicht der individuellen Wahrnehmung von Meinungsfreiheit so förderlich, als wenn ich laute Buhrufe auf meine Meinungsäußerung zu erwarten habe. Man muss gegen irgendeine Flussrichtung schwimmen, um überhaupt einen FLuss wahrzunehmen. Aber vielleicht ist das auch meine persönliche Macke. Die Öffentlchkeit der neuen sozialen Medien kennt nur Likes oder Ignorieren. Ich sehe im öffentlichen Verkehr in den Gesichtern der Leute am Smartphone nur Lächeln oder Gelangweiltheit.
Zum öffentlichen Raum haben beispielsweise Pörksen oder Rauterberg ganz andere Auffassungen.

Was die Buhrufe angeht, so sind sie eben in der Form von Shitstorms auch Diskurstöter - es gibt ja Buhrufe in alle Richtungen und für buchstäblich alles. Daraus ist die Hasskultur entstanden.

Es geht dabei gar nicht nur um politisch extreme Meinungen. Ich habe keine Kontrolle, was mit Bemerkungen von mir im digitalen Raum geschieht, wohin sie gezerrt werden, ohne dass ich auch nur den geringsten Einfluss darauf habe. Man schaue sich diese amerikanische Politikerin an, die plötzlich mit dem Privaten im Öffentlichen landet. Und darüber muss jeder sich inzwischen im Klaren sein. Ich habe digital niemals eine allgemeine Bemerkung über eine zweifelhalfte Branche gemacht, die mein Arbeitgeber hätte gegen mich verwenden können. Und ab dem Auftauchen der AfD war es ebenso ratsam, bestimmte Themen lieber sein zu lassen. Das ist eine Frage der Klugheit und der Erkenntnis, was die neuen Medien leisten können. Insofern muss man sich auch nicht beklagen, dass die Schere im Kopf, die angeblich wie von Zauberhand verschwunden ist, niemals präsenter war.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 14:15
von Selina
Dieses ständige Beklagen, die Meinungsfreiheit sei nicht mehr gewährleistet, geht in die Richtung Diskursverschiebung. Indem die Neue Rechte (in allen ihren Schattierungen) gebetsmühlenartig wiederholt, es gäbe keine freie Meinungsäußerung mehr und man könne sich in der Öffentlichkeit nicht mehr angstfrei äußern, will sie erreichen, das gefragt wird: Wie kann man diesen Zustand einer "wirklichen Meinungsfreiheit" wieder erreichen? Verlogene und nicht ganz ungefährliche Sache. Die Leute sollen manipuliert und überzeugt werden, dass sich die Verhältnisse (Machtverhältnisse) endlich ändern müssten, damit man wieder "frei" reden könne. Gemeint sind damit extrem rechtsnationale Verhältnisse, die man anstrebt. Das Ergebnis wäre dann aber wahrhaftig eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil dann nur noch gesagt werden darf, was diese rechtsradikalen und rechtsextremen Höcke-Leute für opportun halten. Wer dem widerspricht, erfährt dann die Höckesche "wohltemperierte Grausamkeit". Alles bereits ernsthaft angekündigt.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 15:16
von schokoschendrezki
Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Während die marxistischen Zeitungen in der gemeinsten Weise gegen alles, was Menschen heilig zu sein vermag, in das Feld zogen, Staat und Regierung in der infamsten Weise angriffen und große Volksteile gegeneinander hetzten, verstanden es die bürgerlich-demokratischen Judenblätter, sich den Anschein der berühmten Objektivität zu geben, mieden peinlich alle Kraftworte, genau wissend, daß alle Hohlköpfe nur nach dem Äußeren zu urteilen vermögen und nie die Fähigkeit besitzen, in das Innere einzudringen, so daß für sie der Wert einer Sache nach diesem Äußeren bemessen wird statt nach dem Inhalt; eine menschliche Schwäche, der sie auch die eigene Beachtung verdanken. Für diese Leute war und ist freilich die "Frankfurter Zeitung" der Inbegriff aller Anständigkeit. Verwendet sie doch niemals rohe Ausdrücke, lehnt jede körperliche Brutalität ab und appelliert immer an den Kampf mit den "geistigen" Waffen, der eigentümlicherweise gerade den geistlosesten Menschen am meisten am Herz liegt.
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 15:36
von Fliege
Gegen 58 Prozent der Deutschen (siehe den Threadstartbeitrag: "in der Öffentlichkeit [äußern sich] jedoch 58 Prozent [vorsichtig]") möchte ich nicht die Nazi-Keule schwingen.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 17:52
von Tom Bombadil
Hat sich damit erledigt.

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 17:54
von Schnitter
Ich denke mal Schoko geht es nicht um die "58%" sondern die die diese Umfrage für ihre braune Agenda missbrauchen wollen.

Hätte man aber von ganz alleine drauf kommen können-

Re: Mehrheit der Deutschen äußert sich in der Öffentlichkeit nur vorsichtig

Verfasst: Do 14. Nov 2019, 17:57
von Selina
schokoschendrezki hat geschrieben:(14 Nov 2019, 15:16)

Die Selbstinszenierung zum Opfer eines angeblichen linken politisch korrekten und gutmenschlichen Meinungskartells hat eine offensichtliche historische Parallele:
Aus A. Hitler: "Mein Kampf",

"Judenpresse" und "Lügenpresse" werden heute nicht selten auf derselben Demo gerufen. Eine besonders antiurbane und intellektuellenfeindliche Angelegenheit war die Beklagung einer angeblichen "Wiener Judenpresse". Sie gebe vor wie man zu denken habe, was man sagen dürfe und was nicht.

Jetzt bitte nicht mit "Nazikeule" kommen. Es wurden auch schon damals einfach die Kommunikationsformen des einen (in diesem Fall urbanen, gebildeten) sozialen Millieus für sozusagen kanonisch und verbindlich gehalten. Das waren sie gar nicht. [...] Das (für "gehoben" gehaltene) Zeitungswesen in Deutschland und Österreich wurde allerdings tatsächlich zu einem großen Teil von Menschen jüdischer Herkunft aufgebaut. Und zwar sehr erfolgreich. In den Zeilen Hitlers zum Zeitpunkt der Niederschrift schwingt neben einem grundsätzlichen intellektuellenfeindlichen Antikosmopolitismus noch deutlich auch so etwas wie Neid auf diesen Erfolg mit.
Aber schon ziemlich deutlich und erschütternd die Parallelen zwischen dem Mein-Kampf-Zitat und heutigen Diskurs-Beiträgen. Scrollt man nur allmählich runter und sieht dieses "A. Hitler" unten drunter noch nicht gleich (wie bei mir am Handy zufällig beim ersten Lesen geschehen), dann glaubt man wahrhaftig zunächst, einen Beitrag aus den bekannten heutigen Ecken vor sich zu haben. Gruselig.