Zunder hat geschrieben:(04 Feb 2020, 23:51)
Die behauptete "Antisemitismus-Euphorie" ist weder ein Phänomen noch paradox. Sie ist einfach nur eine Denunziation ohne jeglichen Erkenntnisgewinn.
Richtig ist, daß die Antideutschen eine dezidiert pro-israelische Position vertreten (was nicht zuletzt ein Verdienst des kürzlich verstorbenen Konkret-Herausgebers Hermann L. Gremliza ist). Dafür gibt es gewichtige Gründe, die nahezu ausnahmslos mit der deutschen Geschichte zu tun haben.
Und wenn man an eine Denunziation anknüpft, schiebt man gleich noch eine Denunziation hinterher. Paßt halt grad so schön.
Daß das "wunderbar" von Tom Bombadil eher sarkastisch gemeint war, allerdings unzutreffend, macht nix.
Im übrigen hat das, was du als "Moshe Zuckermann hat geschrieben" zitiert hast, nicht Moshe Zuckermann geschrieben, sondern Thomas Schmidinger.
Wer sich "im Rahmen von Humanismus, Demokratie und LIberalität bewegt" wird gegen Antisemitismus weitgehend gefeit sein.
Ob Eigenbrötler oder Gemeinschaftsmensch ist dabei unerheblich.
Der Zusammenhang zwischen Kollektivismus, Nationalismus, starkem Bezug auf soziale Klassen (aus der linken Ecke), Religionsgemeinschaften (Christentum wie auch Islam) auf der einen und Antisemitismus auf der anderen Seite ist so trivial nicht. Mir erscheint nach wie vor die These, dass die Bereitschaft zur Externalisierung von Konflikten innerhalb der eigenen Gemeinschaft ("irgendjemandem, irgendeiner Menschengruppe die 'Schuld an allem' zu geben") zusammen mit dem Vorhandensein jahrhundertealter Stereotype gegenüber Juden, sagen wir es vorsichtig, die Wahrscheinlichkeit für eine sozialpsychologische Disposition zu Antisemitismus, signifikant erhöht. Sowohl der Panarabismus als Ideologie im 20. Jahrhundert als auch die extrem rechtskonservativ-nationalistische Philosophie eines Alexander Dugin führen nahezu zwangsläufig in einen Mechanismus der Überhöhung und "Reinhaltung" der eigenen Nation. Für alles Schlechte muss ein zu benennder Schuldiger gefunden werden. Und es wundert nicht, dass es in beiden Fällen vornehmlich die Juden waren bzw. sind.
Der türkischstämmige Journalist (und Mitglied der auf Völkerverständigung ausgerichteten muslimischen Alhambra-Gesellschaft) weist in einem politischen Feuilleton von gestern, Mittwoch ("Holocaust und Erinnerungskultur") auf folgendes hin:
Die Pogrome gegen jüdische Minderheiten Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre in den Regionen Thrakien und nördliche Ägäis hatten handfeste, nationalstaatliche strategische Motive, wurden aber mit dem Instrument der religiösen Aufwiegelung betrieben. Gleiches gilt in Bezug auf die September-Pogrome gegen die christlichen Minderheiten in Istanbul 1955, denen auch Juden und Armenier zum Opfer fielen. Die politisch Verantwortlichen werden bis heute, und insbesondere unter dem jetzigen Regime, als Helden verehrt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ho ... _id=469395
Es war die aus der westlichen Kultur bezogene Idee des Nationalstaats, die aus den Juden als einer marginalisierten und unterdrückten Minderheit (unter mehreren) die Fiktion eines an-allem-Schuld-seienden Phänomens machte und die Einforderung von Zahlungsverpflichtungen in eine eliminatorische Verfolgung realer Menschen im Namen der "Reinheit der Nation", des modernen "Türkentums" zum Beispiel machte.
Ja. Das Zitat aus dem Einleitungstext zu "Islamisierung des Antisemitismus" stammt nicht von Zuckermann sondern von Schmidinger. Danke. In einem späteren Abschnitt der Artikelfolge (
http://www.hagalil.com/2010/02/islamisc ... itismus/3/) heißt es ganz nüchtern:
In den seriösen Forschungsarbeiten zum Antisemitismus in arabischen und islamischen Gesellschaften unterscheiden sich grob zwei Tendenzen. Während Autoren wie Bernard Lewis oder Shlomo Dov Goitein bezüglich des Antisemitismus in der arabischen Welt eher von einem modernen Import aus dem Westen ausgehen, der nur wenig mit den mittelalterlichen Diskriminierungen gegen Angehörige von nichtislamischen Buchreligionen zu tun habe, legen Frederick M. Schweitzer und Marvin Perry größeren Wert auf die antijüdischen Passagen im Quran und in den Hadithen, den Aussprüchen des Propheten, von denen sie eine eigenständige Kontinuität antisemitischer Traditionen im Islam herleiten. Die Frage nach dem Import oder der eigenständigen Entwicklung des arabischen und islamischen Antisemitismus ist bis heute umstritten, jedoch letztlich auch eine Frage der Gewichtung.
Eine politische Analyse "sine ira et studio" heißt übrigens soviel wie eine Analyse "ohne Zorn und Eifer".
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)