Alter Stubentiger hat geschrieben:(30 Nov 2017, 15:26)
Und warum werden solche Studien in Indien gemacht [...]
Die meisten Studien werden immer noch in Europa und den USA durchgeführt, und zwar mit großem Abstand. Klinische Studien, gerade die für die Zulassung relevanten, werden häufig multizentrisch und weltweit durchgeführt. Dass im Rahmen der Globalisierung auch mehr Studien in Indien durchgeführt werden, ist korrekt. Dort gelten jedoch keine anderen Regeln als in Deutschland oder den USA.
Es mag sein, dass dort vor Ort laxer mit Regeln umgegangen wird, aber kein internationaler Pharmakonzern kann es sich leisten, eine Studie mit schlechter Datenqualität zu liefern, die womöglich unter Nichteinhaltung ethischer Standards zustande gekommen ist. Aus der Sensationspresse erfährt man über viele Tote bei klinischen Studien in Indien, allerdings wird geflissentlich vergessen zu erwähnen, dass dabei nicht zwangsläufig ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Prüfmedikament besteht. Das ist sogar sehr unwahrscheinlich, denn auch in den USA oder Deutschland gibt es massenhaft Tote bei klinischen Studien: Wenn man nämlich ein Medikament bei Krebspatienten im Endstadium testet, werden zwangsläufig viele Patienten während der Studie an ihrer Grunderkrankung sterben.
Alter Stubentiger hat geschrieben:(30 Nov 2017, 15:26)
[...] warum werden Warnungen wie bei Lipobay die von den durchführenden Ärzten gemacht werden ignoriert?
Klinische Studien beinhalten immer ein Risiko. Man weiß nicht, ob der zu erprobende Wirkstoff tatsächlich eine Wirkung gegen die Erkrankung hat, und man weiß auch nicht, ob nicht vielleicht schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, und wie häufig sie das tun. Deswegen wird doch die klinische Prüfung überhaupt durchgeführt!
Selbstverständlich müssen, bevor ein neuer Wirkstoff am Menschen erprobt wird, zahlreiche Voruntersuchungen stattfinden, etwa an Tieren. Und die Erprobung am Menschen folgt einem Schema, dass das Risiko für die Probanden minimiert.
Teilweise erkennt man aber die Bedeutung von unerwünschte Wirkungen erst spät. Das kann verschiedene Ursachen haben:
1. Die unerwünschte Wirkung tritt sehr selten auf, etwa bei einem von 1.000 Patienten. Wenn man eine Zulassungsstudie mit einigen hundert oder tausend Patienten durchführt, kann es sehr gut sein, dass kein Patient die unerwünschte Wirkung erleidet. Nach Markteinführung jedoch, wenn plötzlich hunderttausende das Medikament einnehmen, sieht es dagegen anders aus. Deswegen wird die Sicherheit auch nach Markteinführung überprüft.
2. Bei schweren Erkrankungen oder älteren Patienten ist es ganz normal, dass auch in einer Studie unerwünschte Ereignisse auftreten - nicht unbedingt wegen der Studienmedikation, sondern möglicherweise aus ganz anderen Gründen. Es ist nicht immer einfach zu erkennen, ob wirklich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Studienmedikation und dem Ereignis besteht.
3. Häufig nimmt man auch schwere unerwünschte Wirkungen in Kauf, weil die zugrundeliegende Erkrankung so schwerwiegend und lebensbedrohlich ist. Letztlich geht es um eine Nutzen-Risiko-Analyse - und die kann zu einem späteren Zeitpunkt anders ausfallen als früher, einfach weil man mehr Daten zur Verfügung hat oder diese anders interpretiert werden.
All dies wird selbstverständlich strengstens überwacht, durch die Prüfärzte, die Unternehmen, in denen es eigene Abteilungen für Medikamentensicherheit gibt, und natürlich auch die Behörden. Es sind schon viele Studien aus Sicherheitserwägungen abgebrochen worden.
Ob Lipobay zu spät vom Markt genommen wurde, oder ob es überhaupt hätte vom Markt genommen werden müssen, ist eine komplexe Frage. Es sind ja nicht nur Patienten an unerwünschten Wirkungen gestorben; nein, gleichzeitig wurde ja auch das Leben von Patienten durch Lipobay gerettet. Im übrigen wurden seitdem die Bestimmungen weiter verschärft, wie auch nach einigen Todesfällen bei Phase-I-Prüfungen in Frankreich und Großbritannien vor einigen Jahren.
Alter Stubentiger hat geschrieben:(30 Nov 2017, 15:26)
Mit den klinischen Studien läuft etwas grundsätzlich falsch. Deshalb wird der Markt mit fragwürdigen und unglaublich teuren Medikamenten geflutet.
Dann gehe einfach nicht mehr zum Arzt, denn fast alle Medikamente und auch chirurgische Eingriffe haben sich erst durch klinische Studien etabliert. Niemand zwingt dich, ein Medikament einzunehmen oder an einer Studie teilzunehmen.
Patienten, die unter bestimmten Erkrankungen leiden, wissen sehr genau, was sie den forschenden Ärzten und der pharmazeutischen Industrie zu verdanken haben. Man informiere sich einfach mal über die Entwicklung der Überlebensraten beispielsweise bei chronischer myeloischer Leukämie. Auch bei Patienten mit fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs gibt es nun Behandlungsmöglichkeiten - zwar profitiert nur eine Minderheit der Patienten, diese können aber für lange Zeit überleben und möglicherweise geheilt werden, während sie noch vor 10 Jahren innerhalb kurzer Zeit gestorben wären.
Es wäre unethisch, neue Medikamente nicht zu erforschen und den Patienten zur Verfügung zu stellen.