Mithrandir » Sa 8. Jun 2013, 02:46 hat geschrieben:
Natürlich hat die Größe des Gehirns Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns, sie ist allerdings nicht der dominante Faktor und erst recht nicht im Bereich der relativ doch eher geringen Schwankungen unter Menschen. Elefanten haben ein größeres Gehirn als der Mensch und der Pottwal hat sogar ein 9kg-Hirn. Auf der anderen Seite sind sogar leichtgehirnige Vögel zu erstaunlichen Leistungen fähig (z. B. können sie zählen).
Es sind tatsächlich die »Verschaltungen« entscheidend, die sich evolutionär herausgebildet haben für Aufgaben wie räumliche Orientierung, assoziatives Speichern oder Sprache. Gleichzeitig ist es die kulturelle »Extelligenz«, die Fähigkeiten entwickelt hat und an junge Menschen weitergibt, diese »Verschaltungen« zu trainieren, für andere Zwecke einzusetzen. Wer eine mathematische Gleichung löst, bedient sich tatsächlich (u. a.) Hirnarealen, die eigentlich für räumliche Orientierung oder Sprachverarbeitung zuständig sind.
Dieses kulturelle Training macht enorm viel aus. Ostasiaten können sich z. B. ca. um eine Dezimalstelle längere Zahlen merken (und damit operieren), weil wir Menschen uns beigebracht haben, dafür die verballautliche Gedächtnisschleife zu nutzen. Ostasiaten profitieren dabei schlicht davon, dass ihre Sprache für die Zahlen etwas kürzere lautliche Repräsentationen aufweist. Von solchen Effekten gibt es noch viel viel mehr, und es sind rein kulturelle Effekte. 5% mehr oder weniger Hirnmasse richten im Vergleich kaum etwas aus.
Danke, den Beitrag fand ich sehr interessant.
Dass Vögel zählen können, wusste ich noch nicht. Wo kann man was drüber nachlesen?
Hobbymäßig lese ich öfters über linguistische Themen. Dazu gehören auch die Zahlwörter. Es gibt Völker, die ein kaum ausgeprägtes Zahlensystem verfügen, sie kennen nur Wörter für "eins" "zwei" "mehrere" (z.B. Piraha, Brasilien). Dagegen gibt es andere Urwaldvölker, die ein ausführliches Zahlensystem benutzen (z.B. Ambulas, Papua-Neuguinea), diese sind in der Regel an den Fingern (bzw. Fingern + Zehen) orientiert. Aus demselben Grund sind Dezimalsysteme (Finger) und Vigesimalsysteme (20 = Summe Finger + Zehen) die am meisten genutzten Systeme (z.B. Tzotzil/eine Mayasprache "vinik" = "20" = "Mann"). Davon abweichende Systeme (z.B. Senoufo, Mali) benutzen aber auch Vielfache von 20 als Basis.
Die Zahlwörter im Chinesischen sind in der Tat kurz (einsilbig). Um die These zu überprüfen, bräuchte man noch einen Gegencheck mit einer Sprache mit langen Zahlwörtern, da würde mir spontan Finnisch einfallen (im Bereich 1-10 etliche dreisilbige Zahlwörter, sie sind deutlich länger als z.B. im Deutschen).
Es gibt ja die Theorie, dass viele Chinesen ein besonders gutes Melodiegedächtnis haben (und viele haben ja nachweislich ein Talent auch für europäische Musik), was mit dem Tonsprachen-Charakter des Chinesischen (4 "Töne", welche z.T. eher Tonverläufe sind) erklärt wird (welcher auch die Tendenz zu kurzen Wörtern plausibel macht, da mit derselben "Basissilbe" 4 unterschiedliche Wörter ermöglicht werden, im südlichen Min Nan noch mehr).
Das sind kulturell bedingte Effekte.
Einer fällt mir noch ein: in Gugujimithir (N-Australien) gibt es keine Wörter für "links" oder "rechts", dies wird mit Äquivalenten von "südlich von" "nördlich von" usw. ausgedrückt, was natürlich nur geht, wenn man jederzeit die Himmelsrichtungen parat hat. In der Tat hat man festgestellt, dass diese Menschen auch in geschlossenen Räumen immer diese Orientierung haben, offenbar haben sie es von klein auf gelernt. Auch ein solcher Effekt.
Übrigens muss man dafür nicht so weit weg gehen: im Irischen (gälisches Irisch/eine keltische Sprache) ist dies ganz ähnlich. Es gibt Schilderungen darüber, dass jemand, der Irisch als Muttersprache hatte (heute nur noch selten der Fall), mitunter gewisse Probleme damit hatte, "to the right" oder "to the left" zu verstehen, da er die Himmelsrichtungen gewohnt war (soir = nach Osten, siar = nach Westen).
Das Farbempfinden kann in Sprachen unterschiedlich sein.
In Russland gibt es für "Blau" синий, aber der Himmel hat eine andere Farbe, nämlich голубое.
Das sind 2 Wortstämme (dagegen Deutsch "Blau" "Himmelblau").
J.S.
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