CERN und LHC

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Tom Bombadil
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Tom Bombadil »

Sehr gut!
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H2O
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Re: CERN und LHC

Beitrag von H2O »

So zeigt sich wiederum, dass es im CERN eben nicht alleine um Grundlagenforschung geht,
es gibt auch Anwendungsbereiche, die Menschen zugutekommen.
Selbstverständlich hat fast jedes Großprojekt seine Nebenprodukte, weil eben immer Anwendungen in Grenzbereiche des Machbaren vordringen. Deshalb hat auch die Forschung an Fusionsreaktoren weiterhin einen Sinn, selbst wenn sehr viele Menschen zweifeln, ob man wirklich in 50 Jahren davon einen energietechnischen Nutzen haben wird. Die 50 Jahre sind die Stange, an der dem Goldesel die Mohrrübe "Energie ohne Ende" vor die Nase gehalten wird. Der Esel geht voran, die Mohrrübe hält seit 60 Jahren ihren Abstand.

Ich erinnere mich noch, wie im DESY in Hamburg darauf hingewiesen wurde, daß die Bremsstrahlung der Elektronen/Positronen an den Umlenkstellen des Speicherrings als spektral reine Röntgenstrahlung in der Materialforschung eine Rolle spielt. Ohne diese Wahnsinnsinvestitionen in DESY und CERN im Bereich der Grundlagenforschung gäbe es diese Anwendungen sicher nicht. Und so sehe ich auch die Anstrengungen im Bereich Fusionsreaktoren.

Dennoch beschleicht mich das Gefühl, daß die grundsätzlichen Fragen der Elementarteilchen geklärt wurden, die man in Cern oder DESY mit diesen Installationen klären konnte. Sie werden vermutlich noch lange Zeit betrieben, um genau solche nutzbaren Anwendungen zu finden... und danach als Denkmäler der Wissenschaften dienen, wie so manche Einrichtungen der Astronomie heute noch unser Erstaunen und unsere Ehrfurcht vor diesen Leistungen unserer Vorfahren erregen.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

Ja stimmt.
Und nochmals zur Hadronen-Therapie.
Wenn statt Protonen, die auf einen Tumor geschossen werden,
Antiprotonen genommen werden, dann hat man im Tumor nicht nur die Energie des Impulses des Protons.
Man hat zusätzlich die Annihilationsenergie der Materie-Antimaterie-Reaktion.
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oga
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Re: CERN und LHC

Beitrag von oga »

Papaloooo hat geschrieben:(21 Nov 2021, 21:09)

Ja stimmt.
Und nochmals zur Hadronen-Therapie.
Wenn statt Protonen, die auf einen Tumor geschossen werden,
Antiprotonen genommen werden, dann hat man im Tumor nicht nur die Energie des Impulses des Protons.
Man hat zusätzlich die Annihilationsenergie der Materie-Antimaterie-Reaktion.
Leider erfolgt die Annihilation schon beim ersten Kontakt mit der Materie auf dem Weg zum Tumor.
I guess I should warn you, if I turn out to be particularly clear, you've probably misunderstood what I've said.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

oga hat geschrieben:(21 Nov 2021, 21:44)

Leider erfolgt die Annihilation schon beim ersten Kontakt mit der Materie auf dem Weg zum Tumor.
Ich glaube, du musst dir mal die Größen klarmachen, um die es da geht.

Die Antiprotonen-Hadronen-Therapie wird in der Tat erforscht, schau mal hier...
https://www.researchgate.net/publicatio ... ntiprotons

Ist auch nicht so verwunderlich, wenn man sich die Dimensionen von Atomen klarmacht:

Nehmen wir als einfachstes Beispiel das Wasserstoffatom:
Das Proton (Durchmesser ca. 1,7 Femtometer).

Anschaulicher also mal bei einer 1-billiardenfachen Vergrößerung:

Der Atomkern (im Modell Durchmesser nun ca. 1,7 Meter)
In etwa 50 Kilometer Entfernung dann ein Elektron (im Modell Durchmesser 0,1 Millimeter), das den Atomkern umkreist.
Der nächste Atomkern wäre dann also mehr als 100 Kilometer entfernt.

Du siehst, da ist also genügend Platz für ein hoch beschleunigtes Antiproton (im Modell Durchmesser ebenfalls ca. 1,7 Meter) hindurchzuflitzen.
Selbst dann, wenn es das im Körper häufig vorkommende Kohlenstoff-Atom ist,
Es besteht eben aus ein paar mehr Kügelchen im Kern (6 Protonen und 6 Neutronen),
dafür ist aber der Abstand zum nächsten Atomkern auch entsprechend größer, als (im Modell) 100 Kilometer.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

Hier vielleicht noch mal ein paar Ausführungen,
sorry wenn ich hier ins schwärmen komme,
aber das ist ein allzu faszinierendes Thema.

Und ja, jeder Versuch, das anschaulicher zu machen hinkt natürlich,
denn die Quantenwelt ist von unserer Welt doch grundverschieden.

Das Higgs-Boson:

Man stelle sich eine würfelformige Metallbox vor, 10,5 cm Kantenlänge.
Diese ist gefüllt mit Murmeln 1cm Durchmesser.
Es passen genau 1.000 Murmeln rein.
Das kann man schütteln und die Murmeln bewegen sich,
aber eine weitere Murmel reinzuquetschen ist verdammt schwierig.

Die Murmeln sind das Higgs-Feld.
Higgs-Bosonen lassen sich nicht beliebig viele an einen Ort quetschen.
Sie füllen aber ziemlich gleichmäßig das Universum aus.
Und das ist auch gut so, wären sie verklumpbar, wie z.B. die dunkle Materie,
so wäre das Universum voller Schwerkraftanomalien.
Sie könnten den Teilchen dann nicht mehr so regelmäßig und zuverlässig deren Masse verleihen.

An diesem Modell wird auch klar,
warum der CERN so unglaublich hohe Energien aufbringen muss,
um ein Higgs-Boson zu erzeugen.

Anders die Photonen:

Man kann von ihnen beliebig viele an einem Ort haben.
Sie überlagern sich dann zunächst gegenseitig und sind dann verschränkt.
In einem Bose-Einstein-Kondensat hat man es geschafft,
Photonen auf eine Rekord-Langsamkeit herabzubremsen.
Bringt man das Ganze dann noch in Rotation,
so spiralisieren sie in die Mitte des Kondensats,
und sind in der Mitte in einem quasi optischen Schwarzen Loch gefangen.
Hier könnte man dann beliebig viele von ihnen verschränken,
endet die Rotation, so verlassen sie in verschränktem Zustand das Kondensat.

Und leider nein, mit der Verschränkung selbst lassen sich instantan keine Informationen austauschen:

Keine Information kann schneller sein, als das Licht.
Das hatte Einstein dann auch wieder besänftigt mit der "spukhaften Wechselwirkung".
Verschränken lassen sich nur Überlagerungszustände.
Wenn sich zwei Photonen verschränken und sie haben z.B. die Verschränkung in der Drehrichtung.
Also ist der Überlagerungszustand, dass sie sich gleichzeitig rechts- und linksherum drehen,
so führt das nachschauen eines Verschränkungspartners dazu,
dass der andere Verschränkungspartner instantan seine Information preisgibt.
Es ist wie Würfeln:
Der eine Würfelt eine gerade Zahl und weiß dann,
dass der andere eine ungerade Zahl auf dem Würfel stehen hat.
Aber da beide unter den Würfelbecher schauen müssen,
weiß auch keiner, ob der andere zuerst geschaut hat,
und die Überlagerung beendet hat,
oder ob er es selbst war.

Ein zufälliges Rauschen überträgt keine Informationen!


Und nochmals zurück zur Hadronen-Antiprotonen-Therapie.

Hier benötigt man nicht die - soweit ich weiß CERN-mäßigen 99,999991 (einen oder zwei 9er weniger oder mehr, müsste ich nachlesen)
Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Für - sagen wir mal - 99% brauchen wir schon wesentlich weniger Energie zur Beschleunigung.
Dennoch treten relativistische Effekte auf: der Massenzuwachs.
(Und ich weiß nun auch nicht, wie hoch genau die Geschwindigkeit da sein muss.)
Aber:
Dass das Antiproton so genau geschossen wird,
dass seine geradlinige Flugbahn in einem Atomkern endet ist eher unwahrscheinlich.
Es verhält sich anders:

Die hohe Bewegungsmasse des Antiprotons (negative Ladung) wird abgebremst durch die negativen Elektronen (Abstoßungskräfte) im Gewebe des Patienten,
auch lenken die Anziehungskräfte der Protonen das Antiproton ab und verlangsamen es.
Ist es auf eine gewisse Geschwindigkeit herabgebremst,
so hat es nicht mehr dem Impuls, der schwachen Wechselwirkung zu widerstehen.
Es wird von einem positiv geladen Proton angezogen und dann geschieht die Annihilation.
Da diese Eindringtiefe relativ eng umrissen ist, nennt man diesen Punkt den Bragg-Peak.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

CERN erzeugt "exotische Heliumatone"
Dabei wird ein Elektron aus der Hülle durch ein Antiproton ersetzt.
Gelungen ist dieses Experiment, in dem man Antiprotonen erzeugte,
diese stark abbremste und dann in superfluides Helium einleitete.

Die exotischen Atome konnten danach spektroskopisch untersucht werden,
und waren für eine kurze Zeit (wie lange wurde leider nicht erwähnt) sogar stabil.

Quelle: https://www.astronews.com/news/artikel/ ... -006.shtml
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

Erstaunlich dennoch, dass das geht.
Denn ein Antiproton (auch Proton) ist ja rund 2.000 mal so schwer, wie ein Elektron.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

W-Bosonen rütteln am Standardmodell.

https://www.wissenschaft-aktuell.de/art ... 90935.html

Glaube ich nicht ganz.
Da wird wahrscheinlich ein neues, und bislang unbekanntes, Elementarteilchen dahinterstecken,
das diese Abweichung verursacht.
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Adam Smith
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Adam Smith »

Der LHC ist wieder im Betrieb. Es werden die nächsten Jahre übrigens immer noch keine Kollisionen bei 14 TeV stattfinden.
Waren zuvor Protonen-Protonen-Kollisionen bei bislang nicht erreichten Energien von 13 Teraelektronenvolt (TeV) durchgeführt worden, werden nach den vorgenommenen Updates jetzt sogar 13,6 TeV möglich sein, teilte das CERN vorab mit.
https://www-heise-de.cdn.ampproject.org ... 62136.html
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Papaloooo
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Re: CERN und LHC

Beitrag von Papaloooo »

Wir werden bei CERN wohl noch einen langen Atem haben müssen.
Wenn die Erweiterung verwirklicht sein wird,
dann werden wohl noch weitere, schwerer zu detektierende Teilchen erzeugt.
Dann werden sich vielleicht die Frage nach der Massenanomalie des W-Bosons klären.

Die Frage wird dann sein, wenn man dann z.B. ein schwereres Paarteilchen des HIGGS-Bosons entdeckt,
wird es dann auch da dann vielleicht wieder eine Anomalie geben,
die auf weiter Teilchen hindeutet?

Und wird das dann vielleicht immer so weitergehen?
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