Dennoch meldeten sich nach der Entscheidung für Manaus sofort die Kritiker: zu heiß und feucht, zu teuer für vier Vorrundenspiele, kein Konzept für die Nachnutzung. Studien identifizierten die Amazonas-Arena schnell als "Weißen Elefanten" – als Stadion, das nach der WM nicht mehr gebraucht, aber der Öffentlichkeit horrende Kosten verursachen werde.
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Obwohl Manaus im April nicht übermäßig heiß ist, um die 30 Grad, zerrt die Luftfeuchtigkeit an den Nerven, erzeugt ein ständiges Erschöpfungsgefühl. "Ach was", schimpft ein Supermarktbesitzer neben dem entstehenden Trainingsstadion, ein fülliger Mann, als man ihn fragt, ob er sich auf die WM freue. "Diese Copa der Korruption. Diese Verarsche 2014." Früher, ja, da habe er sich gefreut. "Aber was danach gelogen und geklaut wurde, ist eine Riesenschweinerei. Die Fifa-Raubritter saugen uns aus."
Vielleicht muss man sich langsam wirklich Sorgen um diese WM machen, wenn einfache Menschen, willkürlich angesprochen, derart heftig reagieren. "Ein schönes Stadion haben wir da", ruft der Mann. "Aber wir brauchen keine Schönheit, wir brauchen Schulen und Krankenhäuser."
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Ebenso berüchtigt ist die brasilianische Korruption. Bei zehn der zwölf Stadionbauten verschwanden teils erhebliche Summen, weil Baufirmen überhöhte Rechnungen ausstellten und die günstigen Kredite der Entwicklungsbank BNDES zur Aufstockung ihres Eigenkapitals verwendeten. Capobiango schiebt den Kostenanstieg in Manaus auf "Planungsanpassungen". Er blickt zu den mächtigen Stahlträgern empor, die die Dachkonstruktion halten.
Capibiango deutet auf eine Stelle an der Dachkante. "Von dort stürzte der Arbeiter ab, 35 Meter, er war nicht abgesichert." Ein anderer Arbeiter verunglückte tödlich als er durch einen Treppenschaft fiel, "das geschah hier hinter uns, Leichtsinn", sagt Copibiango. Ein dritter Arbeiter wurde beim Abbau eines Gerüsts erschlagen. Einen vierten Toten will Copibiango nicht in seine traurige Bilanz aufnehmen. Er erlitt einen Herzinfarkt auf einem zur Arena gehörenden Kongresszentrum. Mit vier Toten wäre Manaus das tödlichste Stadion dieser WM, womit das Verdikt vom Todesstadion auf ganz andere Weise wahr würde. Mit "nur" drei gezählten Toten läge Manaus gleichauf mit dem Stadion in São Paulo. Hier wie dort klagten die Gewerkschaften über den riesigen Druck wegen des Zeitrückstands.
Ursprünglich sollte die Arena da Amazônia 499 Millionen Reais kosten. Am Ende wurden es 670 Millionen Reais, 218 Millionen Euro.
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Gmp hat Erfahrung mit Stadionbauten in korrupten Ländern – Aserbaidschan, China, Südafrika – und Nienhoff benutzt eine schöne Metapher für die bei solchen Projekten notwendige Biegsamkeit: "Man kann zu Sambaklängen nicht Walzer tanzen." Das Stadion entspreche jedenfalls nicht dem Wert des ausgegebenen Geldes.
http://www.zeit.de/sport/2014-04/wm-201 ... na/seite-2Über all dies wurde aber ziemlich hin weg gesehen, nach dem Motto "Samba, Karneval, Sonnenstrand, Brasilien!"