Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

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Skeptiker

Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Skeptiker »

Wann immer man darauf aufmerksam macht, dass die journalistischen Standards gelitten haben, und sich linksseitiger Journalismus von lupenreinem Aktivismus nicht mehr unterscheiden lässt, ist die Antwort gewiss:
1. Verleugnen: "Nein das stimmt nicht. Gibt es dazu wissenschaftliche Erkenntnisse?"
2. Abwiegeln: "Tja, das ist halt so mit der Meinungsfreiheit. Gewöhnt euch dran."
3. Verteidigen: "Man muss doch der braunen Pest etwas entgegenhalten ..."

Diese Themen wurden hier in diversen Strängen langatmig diskutiert, aber es gab kaum etwas Neues dazu.

Nun scheint es ein bemerkenswertes Outing in der Verlagsszene zu geben. Die Chefredakteure des STERN haben ein Interview gegeben, in dem sie sich ganz offen zu Aktivismus bekennen.
"ANPACKEN, NICHT NUR SCHREIBEN"
Das bemerkenswerte Mission Statement der beiden Stern-Chefredakteure
Eines kann man Anna-Beeke Gretemeier und Florian Gless, seit nunmehr über zwei Jahren Chefredakteure des Stern, jetzt nicht mehr vorwerfen: dass sie auf Branchenbeifall aus seien und keine Idee hätten, wohin sie mit Gruner + Jahrs Flaggschiff wollen. Im HORIZONT-Interview, ihrem ersten überhaupt, begründen sie ihren aktivistischen Kurs mit klaren Worten: "Wir finden, dass die reine Berichterstattung und Kommentierung angesichts der Vielzahl der Probleme in unserer Gesellschaft nicht mehr ausreichen." Und sie zeigen Kritikern die Zähne.
https://www.horizont.net/medien/nachric ... crefresh=1

Leider kann ich auf den ganzen Artikel nicht zugreifen, aber in der Welt gibt es einen Kommentar des Chefredakteuers:
„AKTIVIERENDER JOURNALISMUS“
Danke, liebe „Stern“-Aktivisten!
...
Vom kritischen, investigativen Journalismus rückt das einstige Reportermagazin ab, die Politikredaktion ist aufgelöst und wird jetzt vom „Capital“-Chefredakteur geführt. Dafür haben die beiden jungen Chefs eine gute Idee: aktivierenden Journalismus. Nicht schreiben, was ist, wie Rudolf Augstein das immer forderte, sondern schreiben, was sein soll.

„Was wäre so verwerflich daran, wenn der ,Stern’ so etwas wie eine journalistische Hilfsorganisation würde?“, antwortet der Chef einem Medienmagazin auf die Frage, ob er eine „Stern“-Partei gründen wolle. Den Kollegen muss man danken, weil sie etwas benennen, was in anderen Medien ähnlich, aber etwas kaschierter geschieht.

Die Übergänge von Journalismus und Aktivistentum sind fließend geworden. Die „taz“ hat ähnlich parteiisch mit Fridays for Future koaliert wie der „Stern“. Wenn der Vize-Chef einer stolzen Wochenzeitung im Podcast einer Ikone der Klimabewegung auftaucht, ist das ein Aktivisten-Monolog, als Dialog getarnt.

„Wir finden“, so sagt die „Stern“-Chefin, „dass die reine Berichterstattung und Kommentierung angesichts der Vielzahl der Probleme in unserer Gesellschaft nicht mehr ausreichen.“ Die Lösung wäre Anpacken, nicht nur Schreiben. Man wird Propagandist der einen Weltanschauung. Im real existierenden Sozialismus waren Journalisten Transmissionsriemen ideologischer Anliegen in die Gesellschaft. Das wird wieder salonfähig. Auch in der DDR ging es, wie bei der „Stern“-Chefin, „um das Gelingen unserer Gesellschaft“.
...
https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... isten.html

Ist das ein wegweisendes Ereignis?
Ist das eine gute Entwicklung?
Ist der Gedanke von unabhängigen Journalismus tatsächlich eine veraltete Denkweise?
Wäre es nicht sogar toll, wenn alle Zeitungen sich endlich entschieden genauso mutig für das Gute einzutreten?
Wenn man der Meinung ist, dass das nicht gut ist: Was kann oder sollte man gegen diesen Trend unternehmen?
Schnitter
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Re: Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Schnitter »

Skeptiker hat geschrieben:(30 Apr 2021, 20:11)

Wenn man der Meinung ist, dass das nicht gut ist: Was kann oder sollte man gegen diesen Trend unternehmen?
Eine andere Zeitung lesen. Zum Beispiel den Locus.
Adam Smith
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Re: Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Adam Smith »

Schnitter hat geschrieben:(30 Apr 2021, 20:42)

Eine andere Zeitung lesen. Zum Beispiel den Locus.
Das Argument wäre hier also den Gegner verächtlich zu machen.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
Skeptiker

Re: Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Skeptiker »

Schnitter hat geschrieben:(30 Apr 2021, 20:42)
Eine andere Zeitung lesen. Zum Beispiel den Locus.
Ach so. Na, dann ist ja alles gut.

Aber geht es vielleicht weniger um die Wandlung "eines Blattes", als die Wandlung eines Berufsethos? Immerhin scheint die Veränderung der Berufsauffassung, von Berichterstattern zu Missionaren, ein Effekt zu sein, der nicht alleine auf den Stern begrenzt ist.

Gegenbeispiele machen abschaulich: Wenn die Presse sich als Botschafter der nationalen Sache verstehen würden, und die erste Zeitung nicht mehr unterschwellig das in die Berichte einfließen lassen würde, sondern ganz offen ihr ehemals seriöses Blatt in den "Dienst der Nation" stellen würde, dann wäre das für dich doch auch sicher nur ein auf die Zeitung selber beschränktes Phänomen, oder? ... wir beide kennen die Antwort :rolleyes:

Seit vielen Jahren wird hier schon der Trend des Journalismus zum Aktivismus beschrieben - der ja immer wieder geleugnet wird. Mit dem Beispiel des Stern ist das nun nicht mehr seriös zu leugnen. Es drängen sich also Fragen auf - wie z.B. was es für eine Demokratie bedeutet, wenn eine wichtige Säule des Staates von Ideologen unterwandert wird. Genau das ist da ja offensichtlich passiert.
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Re: Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Teeernte »

Skeptiker hat geschrieben:(01 May 2021, 15:43)
Genau das ist da ja offensichtlich passiert.
"Wir finden, dass die reine Berichterstattung und Kommentierung angesichts der Vielzahl der Probleme in unserer Gesellschaft nicht mehr ausreichen."
Mann® muss dem (dummen) Konsumenten die Meinung vorkauen - .....ein paar "Fördermittel" abgreifen - auf dem Weg zur Papierfreien >> Propaganda ??

Endlich wieder "Roter Frontkämpferbund" und "Erwerbslosenwehr".... :D :D :D
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Metamorphose abgeschlossen - Stern - eine Blaupause für den Journalismus?

Beitrag von Schnitter »

Skeptiker hat geschrieben:(01 May 2021, 15:43)
Gegenbeispiele machen abschaulich: Wenn die Presse sich als Botschafter der nationalen Sache verstehen würden, und die erste Zeitung nicht mehr unterschwellig das in die Berichte einfließen lassen würde, sondern ganz offen ihr ehemals seriöses Blatt in den "Dienst der Nation" stellen würde, dann wäre das für dich doch auch sicher nur ein auf die Zeitung selber beschränktes Phänomen, oder? ... wir beide kennen die Antwort :rolleyes:
Nö das wäre kein Problem, denn diese Zeitungen gibt es. Sie sind käuflich erwerbbar.

Du hast die Wahl.
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