Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

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Progressiver
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Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Immer wieder mal kommt gerade von der rechten Seite des politischen Spektrums der Ruf nach einer sogenannten deutschen Leitkultur. Doch wie soll diese aussehen? Jetzt in der Corona-Krise sitzen viele Kulturschaffende finanziell auf dem Trockenen. Hilfen gibt es kaum. Viele müssen auch wohl Hartz IV beantragen. Die Autoindustrie wird komischerweise gepampert. Die Kulturschaffenden, die mindestens genau so viele Leute umfassen, müssen in die Röhre gucken.

Pikanterweise waren es wohl auch Typen vom Schlage eines Friedrich Merz, die vor zwanzig Jahren die Leitkulturdebatte befeuerten. Jetzt habe ich mir zu Ohren kommen lassen, dass er, falls er mal Kanzler werden könnte, alle Subventionen und Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen will. Also: Zuerst schickt man die vielen Kulturschschaffenden im schlimmsten Fall in die Hartz IV-Falle. Und als Bonus will er womöglich dann noch das Existenzminimum für solche Leute kürzen? Mal abgesehen davon, dass das gegen das Grundgesetz verstößt.

Trotzdem frage ich mich und alle anderen hier: Was macht denn für die Rechten die Leitkultur hierzulande aus? Wie viel ist sie ihnen weiterhin wert, wenn man völlig hemmungslos die vielen Kulturschaffenden finanziell im Regen stehen lässt, während die Autoindustrie und die Lufthansa Milliarden von Euros nachgeschmissen bekommen? Oder war das etwa alles nicht so gemeint? Handelt es sich da nur um dumpfen Populismus?

Und vor allem: Wie viel "Leitkultur" wollen sich solche Politiker denn leisten? Und was bleibt von diesen Forderungen und Versprechen übrig, wenn die Corona-Krise mal vorbei sein wird?
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Skeptiker »

Ich glaube wenn wir beide von "Leitkultur" reden, meinen wir beide grundverschiedene Dinge. "Meine" Leitkultur hat absolut nichts mit "Kulturschaffenden" zu tun.

Du kannst ja vielleicht mal definieren, was für dich Leitkultur ist, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Das passiert gerade beim Thema Leitkultur, wie ich meine, recht häufig.
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BlueMonday
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von BlueMonday »

Gerade mal bei Goopgle als Zeitgeistgradmesser nachgeschaut: https://trends.google.com/trends/explor ... Leitkultur

Interesse nach "Leitkultur" auf Null gesunken. Gibt es denn irgendeinen verweisbaren aktuellen Anlass? Wer hat denn "gerade gerufen"?
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BlueMonday
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von BlueMonday »

Die Leitkultur in der "Coronakrise" besteht jedenfalls aus AHA-Irgendwas-Regeln mit Symbolmaskentragen, Abstandhalten, Zuhausebleiben, Risikogruppe schützen, Impfenlassen, Kritik diffamieren, "der Wissenschaft" unbesehen glauben usw. Hat augenscheinlich die Klimarettungsleitkultur zumindest temporär abgelöst. Aber wie heißt es so schön: Nach dem Virus ist vor dem Virus.
Zuletzt geändert von BlueMonday am Sa 26. Dez 2020, 18:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Stoner

Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Skeptiker hat geschrieben:(26 Dec 2020, 18:10)

Ich glaube wenn wir beide von "Leitkultur" reden, meinen wir beide grundverschiedene Dinge. "Meine" Leitkultur hat absolut nichts mit "Kulturschaffenden" zu tun.

Du kannst ja vielleicht mal definieren, was für dich Leitkultur ist, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Das passiert gerade beim Thema Leitkultur, wie ich meine, recht häufig.
Sie waren schneller, denn hier werden eindeutig zwei Kulturbegriffe vermischt. Die geistigen und künstlerischen Leistungen von Kulturschaffenden sind zwar Teil der Kultur, aber sie sind nicht der Teil der Kultur, um die es geht, wenn jemand über "Leitkultur" schwafelt.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Teeernte »

Die Leitkultur in der Corona-Krise - was zahlt viel Steuern und muss erhalten bleiben ? --- (Damit später wieder viel Steuern eingenommen werden können ! - Die Struktur der Steuerzahler weiter besteht.

Infrastruktur >>> Gas Wasser ...Sch.. :D :D :D ....Bahn, Strassen, Städte...

Firmen...>> Schreiner, Autobauer... Händler.

---------------------------------------------------------

Dann gibt es Unternehmen die die Digitalisierung >> VERSCHLAFEN HABEN ! und Firmen - die die Technologieveränderung bereits VOLL überholt hat. ->> wie Viedeotheken....

Generell - so regelt es der MARKT haben Selbständige ein HOHES Risiko - aber ebenso einen hohe Gewinnspanne.

GESCHÄFTSRISIKO.

Bei Angestellten - ist der Lohn GEREGELT. >> Gesetzlich/Vertraglich GEREGELT.

Also >> (Sozial-) KAPITALISMUS. (Leitkultur)

Dagegen - im Sozialismus - wären die "Kunst- und Kulturschaffenden" im VEB ANGESTELLT. NUR - die DDR hat den letzten Köttel 1990 gesch... Sozialistische Kultur.

-------------

Wer NICHTS mehr hat - Hartz4 NIVEAU wird vom sozialen Netz aufgefangen. bis dahin ist sich JEDER selbst der Nächste.

Selbständigen Uhrmachern, Nutten, Gesundbetrern, Beratern in "Geld" und "Versicherung", Handauflegern, ......geht es nicht anders als "Künstlern" .

Digital "Klempner" wird NICHT funktionieren.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

BlueMonday hat geschrieben:(26 Dec 2020, 18:11)


Interesse nach "Leitkultur" auf Null gesunken. Gibt es denn irgendeinen verweisbaren aktuellen Anlass?
Vielleicht die intensiv diskutierte Frage der Abrollrichtung von Toilettenpapier, die von eminenter Bedeutung zu sein scheint. Das würde gut zur Frage der Leitkultur passen.

Wobei ja die neue Leitkultur derzeit Cancel Culture heißt. Die dann, wenn die Kulturschaffenden pleite gehen sollten, auch wiederum ins Leere liefe, weil die schon "gecancelt" sind. :D
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von streicher »

Da ziehe ich mal die Notbremse. Es wird ausgekehrt.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von streicher »

Die letzten vier Beiträge habe ich verschoben. Die Diffamierung ist nun im Zähler.
Jetzt nicht mehr über einen User diskutieren, sondern bitte wieder über das Strangthema.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Hier im Übrigen der originale Twitterpost von Friedrich Merz:



Den hatte ich im Eingangsposting vergessen, zu verlinken.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Skeptiker hat geschrieben:(26 Dec 2020, 18:10)

Ich glaube wenn wir beide von "Leitkultur" reden, meinen wir beide grundverschiedene Dinge. "Meine" Leitkultur hat absolut nichts mit "Kulturschaffenden" zu tun.

Du kannst ja vielleicht mal definieren, was für dich Leitkultur ist, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Das passiert gerade beim Thema Leitkultur, wie ich meine, recht häufig.
Um von einer "Leitkultur" zu reden, braucht es überhaupt mal so etwas wie Kultur. Wenn diese den Bach runtergeht, weil die Kulturschaffenden oft in Hartz IV landen und Theater, Kinos, teilweise Museen, meinetwegen auch Technoclubs usw. oft nie wieder aufmachen können, weil sie pleite gehen, dann hat man auch keine "Leitkultur" mehr. Dann wird Deutschland zur Kulturwüste.

Ich wundere mich ebenfalls, warum die Autoindustrie oder beispielsweise die Lufthansa so viel Geld kriegen. Für die Erhaltung der Kultur ist dagegen kaum Geld übrig.

Ich denke, dass das Beispiel Friedrich Merz ebenfalls sehr gut taugt. Es sind nämlich oft solche Politiker, die eine Leitkultur fordern bzw. forderten, die in der Praxis jetzt androhen, Deutschland in eine Kulturwüste zu verwandeln. Diese Diskrepanz zwischen theoretischen Ansagen und der tatsächlichen Praxis ist es, die mir aufstösst.

Ich habe im Übrigen auch die letzten paar Postings gelesen. Wenn man nicht mehr sachlich über so ein Thema diskutieren kann und stattdessen irgendwelche Klopapier-Diskussionen kommen, dann frage ich mich ebenfalls, was hier schief läuft.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Wikipedia-Artikel zum Thema "Leitkultur":

https://de.wikipedia.org/wiki/Leitkultur

Da kann man nachlesen, dass seit Friedrich Merz bei den rechten Parteien CDU, CSU und AfD immer wieder dieses Thema aufgegriffen wurde.

Besonders erwähnenswert finde ich jedoch den Schluss dieses Wikipedia-Artikels, in dem Francis Fukuyamas Haltung gebracht wird:
Eine „Leitkultur“ im Sinne Bassam Tibis erscheint Fukuyama daher erforderlich für eine „inkludierende Bekenntnisnation“ auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Grundwerte[53]. Diese „Leitkultur“ einer gemeinsamen Wertegrundhaltung helfe, das Auseinanderdriften der Gesellschaft und den Kampf unterschiedlicher ethnischer, sozialer und sonstiger Bekenntnisminderheiten gegeneinander zu verhindern
Leider fehlt es an einer solchen Leitkultur. Kulturschaffende, aber auch andere Berufsgruppen, haben Existenzsorgen. (Siehe oben.) Krankenschwestern müssen im Übrigen ihr Leben riskieren an der Gesundheitsfront, ohne auch nur eine Lohnerhöhung zu kriegen. Das nur am Rande.

Die großen Konzerne kriegen aber die Milliarden nachgeschmissen.

Die deutsche Leitkultur unserer regierenden rechten Politiker scheint zu sein: "Wer hat, dem wird gegeben. Wer fast nichts hat, dem wird auch das wenige genommen." (Bibelspruch).

Ansonsten halten sie sich gerade seltsam bedeckt.

Eine Leitkultur wird scheinbar immer nur von rechts und ganz rechts gefordert, wenn es um Normen geht, an die sich andere zu halten haben. Aber solche Themen wie Solidarität etc. -siehe Francis Fukuyama- sind ihnen fremd.

Solche Politiker reden folglich in der Theorie von einer deutschen Leitkultur. In der Praxis sorgen sie aber dafür, dass Deutschland zu einer Kulturwüste wird.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Skeptiker »

Sorry, aber du verschwurbelst hier den Kunst- und Kulturbegriff mit dem Thema Leitkultur, der in erster Linie von Grundwerten und Verhaltensweisen bestimmt ist. Das macht auch die mehrfache Wiederholung nicht richtiger - das passt schlicht nicht zusammen.
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Teeernte
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Teeernte »

Progressiver hat geschrieben:(26 Dec 2020, 22:34)

Um von einer "Leitkultur" zu reden, braucht es überhaupt mal so etwas wie Kultur. .
Wenn es grad ein "Überangebot" von Kunst und Kultur gibt .....

Warum ist dann bei den ÖR am Feiertag ....
Wer den Heiligabend mit den Öffentlichen-Rechtlichen verbringen wollte, hatte die Wahl zwischen der "Feuerzangenbowle" im Ersten und "Carmen Nebel" im Zweiten. Es war, als würde man vor die Wahl gestellt, entweder von Boko Haram oder von Al-Kaida als Geisel genommen zu werden.

....ein 76 Jahre alter Film aus dem Hause Goebbels, Rühmann und Partner, die Feuerzangenbowle. Die Dreharbeiten hatten vom März bis zum Juni 1943 gedauert.Und weil das, was damals lustig war, heute nicht unlustig sein kann, sendet die ARD die alte Schmonzette ohne jeden Hinweis darauf, wie tief Rühmann in das NS-System verwickelt war. Nicht zufällig und nicht umsonst wurde er noch 1944 in die Liste der Gottbegnadeten aufgenommen.Bei Rühmann erlaubt sich die ARD nicht einmal einen Hinweis, dass er ein Günstling von Goebbels und Göring war und sich von seiner jüdischen Frau scheiden ließ, um seine Schauspieler-Karriere nicht zu gefährden.


Bei Frau Nebel gab es einen Kessel Buntes aus allem, was man kurzfristig in der ZDF-Kantine finden und auftauen konnte: Ireen Sheer und Kerstin Ott, Ross Antony mit Ehemann Paul Reeves und Angelo Kelly mit seiner gesamten Familie, Bernd Stelter und Alfons Schuhbeck. Nur der Truppenunterhalter Johannes Heesters fehlte.

Die Gäste saßen nah beieinander, hatten keine Masken an, das Klatschen eines unsichtbar anwesenden Publikums wurde nach jedem Akt dazugemischt. Es waren die längsten zwei Stunden und 13 Minuten seit dem Angriff der Killertomaten auf die USA.
https://www.achgut.com/artikel/der_angr ... nd_das_zdf

Bei den anderen war es auch nicht anders... (Kevin allein zu Haus, Sissi, Aschenbrödel, die Helene-Fischer-Show, das "Traumschiff", der "Tatort"...)

Bestimmt hatten die Künstler Deutschlands grad was anderes vor.... (Taschen voll GELD)
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Progressiver hat geschrieben:(26 Dec 2020, 22:34)

Um von einer "Leitkultur" zu reden, braucht es überhaupt mal so etwas wie Kultur. Wenn diese den Bach runtergeht, weil die Kulturschaffenden oft in Hartz IV landen und Theater, Kinos, teilweise Museen, meinetwegen auch Technoclubs usw. oft nie wieder aufmachen können, weil sie pleite gehen, dann hat man auch keine "Leitkultur" mehr. Dann wird Deutschland zur Kulturwüste.

Ich habe im Übrigen auch die letzten paar Postings gelesen. Wenn man nicht mehr sachlich über so ein Thema diskutieren kann und stattdessen irgendwelche Klopapier-Diskussionen kommen, dann frage ich mich ebenfalls, was hier schief läuft.
Man kann höchst sachlich darüber diskutieren. Aber dafür dürfen Sie nicht zwei Begriffe vermischen. Sonst funktioniert das nicht.
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Teeernte
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Teeernte »

Progressiver hat geschrieben:(26 Dec 2020, 23:18)

Die großen Konzerne kriegen aber die Milliarden nachgeschmissen.

Die deutsche Leitkultur unserer regierenden rechten Politiker scheint zu sein: "Wer hat, dem wird gegeben. Wer fast nichts hat, dem wird auch das wenige genommen." (Bibelspruch)..
Leidkultur - ZWANGSGEBÜR
Im Jahr 2019 ................... Rundfunkbeitrag auf insgesamt 8,068 Mrd Euro.
Zusätzlich Steuergeld:
Die öffentlichen Kulturausgaben (ohne kulturelle Daseinsvorsorge, wie z. B. Schulen als Kultuseinrichtungen) in Deutschland 9,6 Milliarden Euro .
Zuzüglich Einnahmen aus Werbung und Eintrittsgeld.

Bei Corona kommt zusätzlich .... Beispiel Soforthilfe und Grundsicherung.


....und die Konsumenten bekommen dadurch >> VORGEKAUTE, staatlich verordnete LEITKULTUR.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Stoner hat geschrieben:(26 Dec 2020, 23:39)

Man kann höchst sachlich darüber diskutieren. Aber dafür dürfen Sie nicht zwei Begriffe vermischen. Sonst funktioniert das nicht.
Wer hat hier wen oder was nicht verstanden? Du mich? Ich dich?

Man kann den Begriff "Leitkultur" auch auf "Werte, Normen, Handlungsweisen und eine gute Haltung" reduzieren. Auch wenn das ziemlich dürftig ist. Aber da kann ich trotzdem nur den in meinem letzten Posting zitierten Francis Fukuyama bringen, der sinngemäß sagte, dass eine sogenannte Leitkultur nötig sei, damit die Gesellschaft nicht auseinander driftet. Das genauere Zitat siehe dort. Und dazu zählt auch "Solidarität".

Gerade diese wird aber den Kulturschaffenden, Krankenschwestern etc. gegenüber nicht gezeigt. Daimler und Co. können sich mit Kurzarbeitergeld sanieren. Und auch die Lufthansa kriegt Milliarden vom Staat, welches für diese quasi wie Manna vom Himmel regnet. Aber den eigentlichen Leidtragenden gegenüber wird diese Solidarität verwehrt.

Ich bin sicher kein typischer Linker oder Grüner, denn diese verwehren sich ja -vielleicht zurecht- gegenüber dem Leitkulturbegriff der Rechten. Ich finde, dass es gerade jetzt in der Krise eine Leitkultur der Haltung braucht. Aber so haben es die Leute wie Friedrich Merz oder Söder vermutlich nicht gemeint. Für diese ist der Begriff der Leitkultur nur ein polemisches Schlagwort, mit dem sie gegen andere hetzen können. Das Beispiel von Francis Fukuyama, der den Begriff in seinem ursprünglichen Sinne von Bassam Tibi wieder aufgreift, zeigt aber, dass es auch anders gehen kann! Und wohlgemerkt: Hier geht es nicht um Solidarität mit den Flüchtlingen auf Lesbos, sondern mit Teilen der eigenen Bevölkerung. Es ist doch bezeichnend, um nicht zu sagen heuchlerisch, dass Friedrich Merz und seine Apologeten nicht zu einer Leitkultur im Sinne von Francis Fukuyama durchringen können.

Und selbst, wenn Merz, die CSU oder die AfD sich wieder zu dem Leitkulturthema äußern werden gegenüber Immigranten, so frage ich mich, was sie als deutsche Leitkultur anzubieten haben: Alles Geld den Konzernen, den Kulturschaffenden Hartz IV und den Krankenschwestern ein Hungerlohn? Wer hat, dem wird gegeben, den anderen wird auch das wenige noch genommen? Jedem das Seine, mir das meiste? Ich für meinen Teil habe das Thema mit Bedacht in dieses Unterforum gelegt, weil es gerade am Beispiel der Kulturschaffenden aufgezeigt wird, wie heuchlerisch dieser Leitkulturbegriff doch benutzt wird. Oder welche deutsche Kultur sollen sich die Immigranten denn zum Vorbild nehmen? Dass selbst Solidarität unter Deutschen ein Fremdwort ist, Stichwort Leitkultur. Oder aber, dass den rechten deutschen Politikern in der Praxis solche Themen derart egal sind, dass sie es zulassen, dass Deutschland nach der Corona-Krise eine Kulturwüste wird?

Oder überspitzt gesagt: Besteht die deutsche Leitkultur der Rechten einzig und alleine darin, zuzulassen, dass Deutschland eine Kulturwüste wird, wenn Corona erst einmal im Griff sein wird? Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ist es, die mich doch brennend interessiert.

Ich habe keine Ahnung, wie das mit der Leitkultur in unserem Nachbarland Frankreich gehandhabt, welches sich ja selbst als Kulturnation bezeichnet. Aber beim "Noch-Exportweltmeister" Deutschland scheint es den Regierenden völlig egal zu sein, ob wir hier bald eine Kulturwüste haben werden.
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conscience
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von conscience »

Es gibt keine Leitkultur mehr - diese ist nicht in einer wie auch immer definierten Volksseele zu finden, sondern in einer durch die Regierung Vorgegebenes. Und die Regierung gibt keine Leitkultur vor, damit ist seit 1945/68 Schluss. Der 08.Mai 1945 ist tatsächlich das Ende des Todeskampfes derjenigen soziologischen Gruppen, die bis dahin eine "Kultur" vorgegeben und teilweise vorgelebt hat; im Zuge der 68er Evolution sind ihre Reste dann endgültig verblasst. Deshalb ist das Ganze eine Phantom-Debatte.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Skeptiker »

Okay, also ich bin dann hier mal raus. Offensichtlich ist es Zeitverschwendung auch nur eine Minute weiter zu versuchen manchen hier im Strang befindlichen Usern klarzumachen, was eine Leitkultur ist.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Troh.Klaus »

conscience hat geschrieben:(27 Dec 2020, 18:38)
Es gibt keine Leitkultur mehr - diese ist nicht in einer wie auch immer definierten Volksseele zu finden, sondern in einer durch die Regierung Vorgegebenes. Und die Regierung gibt keine Leitkultur vor, damit ist seit 1945/68 Schluss. Der 08.Mai 1945 ist tatsächlich das Ende des Todeskampfes derjenigen soziologischen Gruppen, die bis dahin eine "Kultur" vorgegeben und teilweise vorgelebt hat; im Zuge der 68er Evolution sind ihre Reste dann endgültig verblasst. Deshalb ist das Ganze eine Phantom-Debatte.
Es gibt ja bekanntlich nicht einmal eine "deutsche" Kultur. Was soll dann eine "Leitkultur".
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von H2O »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 18:54)

Es gibt ja bekanntlich nicht einmal eine "deutsche" Kultur. Was soll dann eine "Leitkultur".
Als Leitkultur sehe ich den Verhaltensrahmen, den das Grundgesetz zuläßt. Ja, auch nett, der gute alte Knigge angewandt auf unsere deutsche Gesellschaft. Wer sich gewollt außerhalb dieses Rahmens bewegt, der wird einige Schwierigkeiten bekommen.

Ich gehe noch einen Schritt weiter und spreche von einer europäischen Leitkultur. Die wird durch unsere Wertegemeinschaften beschrieben, die zumindest in mir vertrauten europäischen Gemeinschften doch sehr weitgehend übereinstimmen.
Stoner

Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 18:54)

Es gibt ja bekanntlich nicht einmal eine "deutsche" Kultur. Was soll dann eine "Leitkultur".
Eben. Und insofern spielt auch keine Rolle, ob nun die Hälfte oder Dreiviertel aller Kunstschaffenden pleite geht oder künftig nicht mehr subventioniert wird.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Troh.Klaus »

H2O hat geschrieben:(27 Dec 2020, 19:52)
Ich gehe noch einen Schritt weiter und spreche von einer europäischen Leitkultur. Die wird durch unsere Wertegemeinschaften beschrieben...
Das haben wir doch auch schon erschöpfend durchdiskutiert. Es gibt keine "Werte", außer natürlich Zahlenwerte ...
Stoner

Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 22:22)

Das haben wir doch auch schon erschöpfend durchdiskutiert. Es gibt keine "Werte", außer natürlich Zahlenwerte ...
Nur so zur Info: Das BVerfG hat in seinem bekannten sog. Lüth-Urteil behauptet, dass die ersten zwanzig Artikel des GG eine „objektive Wertordnung“ konstituieren würden. :D

Gleichzeitig steht die Behauptung im Raum, es gäbe keine objektiven Werte.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Teeernte »

Progressiver hat geschrieben:(27 Dec 2020, 17:46)
ob wir hier bald eine Kulturwüste haben werden.
Wann hattest Du "ungestützten" nichtreglementierten "Kulturkontakt" - direkt mit nem Kulturschaffenden ?

(Die anderen Künstler, Maler, Designer, Gestalter... Schriftsteller, Buchgestalter, Mediengestalter arbeiten ja weiter)

Kultur ist für Dich also - LeitkulturVERBREITER -> deutschsprachiger Gesang ? ...deutschsprachiger Vortrag - Direkt vor Publikum ?

Wer "verbreitet" Deine Leitkultur ? Merkel am TV ? - die soll es ja noch geben ....

--------------------
Zauberer, Jongleure, TänzerINNEN // OPER // OPERETTE verbreiten ja keine Leitkultur ?

-------------------
Unterbezahlte Dienstleister mit Publikumskontakt gibt es jedoch mehr als Krankenschwestern.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Troh.Klaus »

Stoner hat geschrieben:(27 Dec 2020, 22:47)
Nur so zur Info: Das BVerfG hat in seinem bekannten sog. Lüth-Urteil behauptet, dass die ersten zwanzig Artikel des GG eine „objektive Wertordnung“ konstituieren würden. :D
Gleichzeitig steht die Behauptung im Raum, es gäbe keine objektiven Werte.
Das Lüth-Urteil war 1958. Seit dem hat sich die Bewertung von "Werten" bei einem großen Teil des Publikums gewandelt. Wer heute noch auf "Werte" setzt, ist ein Ewig-Gestriger, der das Klingeln nicht gehört hat. Das gilt natürlich auch für die "Leitkultur".
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Teeernte hat geschrieben:(27 Dec 2020, 22:58)

Wann hattest Du "ungestützten" nichtreglementierten "Kulturkontakt" - direkt mit nem Kulturschaffenden ?

(Die anderen Künstler, Maler, Designer, Gestalter... Schriftsteller, Buchgestalter, Mediengestalter arbeiten ja weiter)

Kultur ist für Dich also - LeitkulturVERBREITER -> deutschsprachiger Gesang ? ...deutschsprachiger Vortrag - Direkt vor Publikum ?

Wer "verbreitet" Deine Leitkultur ? Merkel am TV ? - die soll es ja noch geben ....

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Zauberer, Jongleure, TänzerINNEN // OPER // OPERETTE verbreiten ja keine Leitkultur ?

-------------------
Unterbezahlte Dienstleister mit Publikumskontakt gibt es jedoch mehr als Krankenschwestern.
Zu deinen Fragen:

Von meinem Gitarrenlehrer weiß ich persönlich, dass durch Konzerte nicht Geld zu machen ist. Das kommt eigentlich einem Berufsverbot für viele, wenn auch nicht für alle, Kulturschaffenden gleich.

Ansonsten fühle ich mich hier immer noch ziemlich missverstanden. :s :?

Die einzige Definition einer "Leitkultur", die mir sympathisch ist, wäre diejenige von Francis Fukuyama, der diese unter anderem, überspitzt gesagt, als Haltung definiert, dass die Mitglieder einer Gesellschaft sich gegenseitig solidarisch zeigen, damit es nicht zu gesellschaftlichen Spaltungen kommt. Gerade jetzt fände ich das nötig, dass die Regierung nicht nur Daimler etc. mit Kurzarbeitergeld saniert, sondern auch viele Kulturschaffende nicht ins Existenzminimum herausrutschen lässt.

Darüber hinaus sehe ich den Begriff der "Leitkultur" in all seiner Zwiespältigkeit und Doppelbödigkeit.

Wer aber prominent immer wieder nach einer Leitkultur schreit, das sind Politiker von CDU, CSU und AfD. Was ich aber verstanden habe, ist der Punkt, dass Kultur bei denen nicht zur Leitkultur gehört, die man in Deutschland retten will. Diejenigen, die ansonsten am lautesten nach einer -deutschen- Leitkultur schreien, die lassen die Kultur in Deutschland insgesamt den Bach hinuntergehen. Kulturelle Institutionen und Kulturschaffende gehören nicht zur Leitkultur, die sie etablieren wollen. Was bleibt, das sind dann wohl eine Kulturwüste und, was die Umgangsformen -Stichwort Leitkultur- betrifft, Unsolidarität und barbarische Zustände.

Mir geht es auf jeden Fall also vor allem um die Diskrepanz dieser rechten Politiker, die einerseits nach der -deutschen- Leitkultur schreien, aber in der Praxis die Kultur ans Messer liefern.

Was die unterbezahlten Dienstleister betrifft: diese gibt es auch. Aber die deutsche "Leitkultur" scheint wohl für die rechten regierenden Politiker zu sein, auch diesen gegenüber keine Solidarität zu zeigen, sondern sie hängen zu lassen.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:10)

Das Lüth-Urteil war 1958. Seit dem hat sich die Bewertung von "Werten" bei einem großen Teil des Publikums gewandelt. Wer heute noch auf "Werte" setzt, ist ein Ewig-Gestriger, der das Klingeln nicht gehört hat. Das gilt natürlich auch für die "Leitkultur".
Ich kann auch nicht die Frage beantworten, ob es universelle Werte gibt. Jedoch: Wer überhaupt keine Werte besitzt, der öffnet dem Kapitalismus Tür und Tor. Und in diesem hat alles menschliche Leben keinen Wert mehr, sondern nur noch seinen Preis.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Troh.Klaus »

Progressiver hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:48)
Ich kann auch nicht die Frage beantworten, ob es universelle Werte gibt. Jedoch: Wer überhaupt keine Werte besitzt, der öffnet dem Kapitalismus Tür und Tor. Und in diesem hat alles menschliche Leben keinen Wert mehr, sondern nur noch seinen Preis.
Hm, diese dialektische Wendung kommt jetzt überraschend. In dem Strang, in dem hier das Thema "Werte" behandelt wurde, wurden die Werte-Vertreter voll auf der ziemlich rechten Seite gesichtet, während die Negation von links artikuliert wurde.
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Bielefeld09
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Bielefeld09 »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 18:54)

Es gibt ja bekanntlich nicht einmal eine "deutsche" Kultur. Was soll dann eine "Leitkultur".
Es gibt sehr wohl eine deutsche Kultur.
Das sind wir in der Gegenwart.
Haben Sie noch Fragen?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Troh.Klaus »

Bielefeld09 hat geschrieben:(28 Dec 2020, 00:25)
Es gibt sehr wohl eine deutsche Kultur.
Das sind wir in der Gegenwart.
Haben Sie noch Fragen?
Ja. Haben Sie Antworten?
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Bielefeld09
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Bielefeld09 »

Troh.Klaus hat geschrieben:(28 Dec 2020, 00:27)

Ja. Haben Sie Antworten?
Na, welche Antworten fehlen Ihnen denn nun zur Leitkulturdebatte in der Corona Krise?
Hatten Sie noch fragen?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Teeernte
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Teeernte »

Progressiver hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:43)

Zu deinen Fragen:

Von meinem Gitarrenlehrer weiß ich persönlich, dass durch Konzerte nicht Geld zu machen ist. Das kommt eigentlich einem Berufsverbot für viele, wenn auch nicht für alle, Kulturschaffenden gleich.

Ansonsten fühle ich mich hier immer noch ziemlich missverstanden. :s :?

Die einzige Definition einer "Leitkultur", die mir sympathisch ist, wäre diejenige von Francis Fukuyama, der diese unter anderem, überspitzt gesagt, als Haltung definiert, dass die Mitglieder einer Gesellschaft sich gegenseitig solidarisch zeigen, damit es nicht zu gesellschaftlichen Spaltungen kommt. Gerade jetzt fände ich das nötig, dass die Regierung nicht nur Daimler etc. mit Kurzarbeitergeld saniert, sondern auch viele Kulturschaffende nicht ins Existenzminimum herausrutschen lässt.

Darüber hinaus sehe ich den Begriff der "Leitkultur" in all seiner Zwiespältigkeit und Doppelbödigkeit.

Wer aber prominent immer wieder nach einer Leitkultur schreit, das sind Politiker von CDU, CSU und AfD. Was ich aber verstanden habe, ist der Punkt, dass Kultur bei denen nicht zur Leitkultur gehört, die man in Deutschland retten will. Diejenigen, die ansonsten am lautesten nach einer -deutschen- Leitkultur schreien, die lassen die Kultur in Deutschland insgesamt den Bach hinuntergehen. Kulturelle Institutionen und Kulturschaffende gehören nicht zur Leitkultur, die sie etablieren wollen. Was bleibt, das sind dann wohl eine Kulturwüste und, was die Umgangsformen -Stichwort Leitkultur- betrifft, Unsolidarität und barbarische Zustände.

Mir geht es auf jeden Fall also vor allem um die Diskrepanz dieser rechten Politiker, die einerseits nach der -deutschen- Leitkultur schreien, aber in der Praxis die Kultur ans Messer liefern.

Was die unterbezahlten Dienstleister betrifft: diese gibt es auch. Aber die deutsche "Leitkultur" scheint wohl für die rechten regierenden Politiker zu sein, auch diesen gegenüber keine Solidarität zu zeigen, sondern sie hängen zu lassen.
LEIT-KULTUR - da erwart ich "Übertragung" von Instruktionen....Unterstützung "DER" Leitkultur.

Nur ist mit Gitarre oder Schofar wenig WORT zu übertragen. - Wenn nicht ein gesungener TEXT hier "LEITEN" soll.

Der GRÖSSTE Kulturexport >> WELTWEIT - ist im MOMENT >> RAMMSTEIN zB.



Was ist da zu entnehmen an Kultur ? Welches Leitbild ? JA - Ruby Commey als Germania ist SPTITZE !
Deutschland, mein Herz in Flammen
Will dich lieben und verdammen
Deutschland, dein Atem kalt
So jung, und doch so alt
Deutschland!
Leit - BILD ?

Du kannst natürlich auch die FLUT nehmen

und "KULTUR" da reinbringen.
Und du rufst in die Nacht
Und du flehst um Wundermacht
Um 'ne bessre Welt zu leben
Doch es wird keine andere geben
Leit KULTUR. Aujaaaaa.

Sag doch wer bei Dir LEIT-Kultur verkörpert ? Der Papst ? Moshe Dayan ? oder Mama MERKEL - was nun wieder keine Kulturschaffenden sind ?

Wer gestaltet für Dich Leit-Kultur .....die durch Corona im Schaffen betroffen ....ohne Geld dastehen ?

Da kann ich Dir leider NICHT folgen ......

Hans Albers als Sänger im Etablissiment ??
Mein Freund Johnny war ein feiner Knabe
Er war ein Tramp und hatte kein Zuhaus'
Und bei Rocktown liegt er längst im Grabe
Und aus seinen Knochen wachsen Blumen raus
Aslo - wer produziert "TEUTSCHE" Leitkultur ? Beckmann ? Uschi Glas ....Kloeppel und Rakers ? Kiwi ?
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Bielefeld09 »

Teeernte hat geschrieben:(28 Dec 2020, 00:36)

LEIT-KULTUR - da erwart ich "Übertragung" von Instruktionen....Unterstützung "DER" Leitkultur.

Nur ist mit Gitarre oder Schofar wenig WORT zu übertragen. - Wenn nicht ein gesungener TEXT hier "LEITEN" soll.

Der GRÖSSTE Kulturexport >> WELTWEIT - ist im MOMENT >> RAMMSTEIN zB.



Was ist da zu entnehmen an Kultur ? Welches Leitbild ? JA - Ruby Commey als Germania ist SPTITZE !

Leit - BILD ?

Du kannst natürlich auch die FLUT nehmen

und "KULTUR" da reinbringen.



Leit KULTUR. Aujaaaaa.

Sag doch wer bei Dir LEIT-Kultur verkörpert ? Der Papst ? Moshe Dayan ? oder Mama MERKEL - was nun wieder keine Kulturschaffenden sind ?

Wer gestaltet für Dich Leit-Kultur .....die durch Corona im Schaffen betroffen ....ohne Geld dastehen ?

Da kann ich Dir leider NICHT folgen ......

Hans Albers als Sänger im Etablissiment ??



Aslo - wer produziert "TEUTSCHE" Leitkultur ? Beckmann ? Uschi Glas ....Kloeppel und Rakers ? Kiwi ?
Sie anscheinend nicht.
Deutsche Kultur ist die derzeit gelebte Gegenwart.
Die mag Ihnen gefallen oder auch nicht.
Darüber setzen wir uns hier im allgemeinen in verständlichen Sätzen auseinander.
Ich hoffe, das Sie diese Einschätzung teilen!
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von conscience »

Progressiver hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:43)


[...]

Mir geht es auf jeden Fall also vor allem um die Diskrepanz dieser rechten Politiker, die einerseits nach der -deutschen- Leitkultur schreien, aber in der Praxis die Kultur ans Messer liefern.

Was die unterbezahlten Dienstleister betrifft: diese gibt es auch. Aber die deutsche "Leitkultur" scheint wohl für die rechten regierenden Politiker zu sein, auch diesen gegenüber keine Solidarität zu zeigen, sondern sie hängen zu lassen.
Leit-Kultur in diesem Sinne ist doch die überkommene Tradition von (überlieferter deutscher) Kultur.

Der Kapialismus hat seit ca. 250 Jahren die überlieferte Kultur entwertet; man könnte, wenn man das Vokabular des politisch rechten Spektrums benützt, sagen: zersetzt, d.i. m.E. Kulturpessimismus gleichzusetzen.

Nur der Sozialismus bzw. Kommunismus haben sich auf ihre Fahnen geschrieben, die "überlieferte" Kultur mit einer durch die Industriellen Gesellschaft völlig veränderten Realität zu "versöhnen". Warum wohl erfreuten sich die jeweiligen nationalen "Klassiker" in den Staaten des Ostblocks besonderes Aufmerksamkeit?


Die "überlieferte" Form der Kultur konnte im Kapitalismus nur solange weiter existieren, solange die alten, agrarischen, in sich antagonistischen, kriegerischen Eliten (in einer Ungleichzeitigkeit), die bis dahin Träger der "überlieferten" Form von Kultur waren, gesellschaftlich wirkmächtig blieben.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Bielefeld09 »

conscience hat geschrieben:(28 Dec 2020, 00:54)

Leit-Kultur in diesem Sinne ist doch die überkommene Tradition von (überlieferter deutscher) Kultur.

Der Kapialismus hat seit ca. 250 Jahren die überlieferte Kultur entwertet; man könnte, wenn man das Vokabular des politisch rechten Spektrums benützt, sagen: zersetzt, d.i. m.E. Kulturpessimismus gleichzusetzen.

Nur der Sozialismus bzw. Kommunismus haben sich auf ihre Fahnen geschrieben, die "überlieferte" Kultur mit einer durch die Industriellen Gesellschaft völlig veränderten Realität zu "versöhnen". Warum wohl erfreuten sich die jeweiligen nationalen "Klassiker" in den Staaten des Ostblocks besonderes Aufmerksamkeit?


Die "überlieferte" Form der Kultur konnte im Kapitalismus nur solange weiter existieren, solange die alten, agrarischen, in sich antagonistischen, kriegerischen Eliten (in einer Ungleichzeitigkeit), die bis dahin Träger der "überlieferten" Form von Kultur waren, gesellschaftlich wirkmächtig blieben.
Sorry, aber es gab in der vergangenen deutschen Kultur niemals eine wirkmächtigere Kraft als die Demokratie!
Was ist daran nicht zu als Leitkultur verstehn?
Sorry Mods, lasst diese Laden am laufen. Das ist eben Demokratie :( :p
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von conscience »

Hm...

Stimmt es wirklich, dass in der vergangenen deutschen Kultur niemals eine wirkmächtigere Kraft als die Demokratie [existierte] ?

Ich meine Nein.

Spätestens seit 1918/19 sind die Kräfte (Eliten) der überlieferten Form von Kultur in der Defensive.

Die liberale, freiheitliche Demokratie im kapitalistische Wirtschaftssystem gibt keine verbindliche Leitkultur mehr vor (wie das beispielsweise im Ancien Regime üblich war) dieses real existierende liberale System ist m.E. anarchistisch. Würde eine verbindliche Leit-Kultur in einer Demokratie vorgeben, dann wäre es keine Demokratie. So sind die Staaten und die Regierungen Polens und Ungarns nur Halb-Demokratien, die ihre Ängste auf bestimmte Gruppen übertragen und das als Leit-Kultur ausgeben.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von H2O »

So sind die Staaten und die Regierungen Polens und Ungarns nur Halb-Demokratien, die ihre Ängste auf bestimmte Gruppen übertragen und das als Leit-Kultur ausgeben.
Na ja, was eine polnische Regierung als leitende Kultur anordnet, das muß nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung entsprechen. Darauf weisen die jüngsten Vorgänge um dem Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen hin, wo fast die gesamte Generation 35- auf den Beinen war, und die natioal-klerikale Regierung auf diese Menschen allerchristlichst mit Totschlägern einprügeln ließ.

Natürlich gibt es Werte; aber vielfach kann man ungestraft diese Werte mit Füßen treten.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Progressiver hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:48)
Jedoch: Wer überhaupt keine Werte besitzt, der öffnet dem Kapitalismus Tür und Tor. Und in diesem hat alles menschliche Leben keinen Wert mehr, sondern nur noch seinen Preis.
Schon die Vorstellung alleine, dass es Menschen gäbe, die keine Werte haben - ihr Handeln für sie also vollkommen wert- und nutzlos sei ist ziemlich absurd.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:10)

Das Lüth-Urteil war 1958. Seit dem hat sich die Bewertung von "Werten" bei einem großen Teil des Publikums gewandelt. Wer heute noch auf "Werte" setzt, ist ein Ewig-Gestriger, der das Klingeln nicht gehört hat. Das gilt natürlich auch für die "Leitkultur".
Von wann das Urteil ist, spielt keine Rolle, auch das Publikum nicht. Das Urteil gilt weiterhin, und die ganze Bundesrepublik Deutschland beruht auf diesem Fundament der sog. objektiven Wertordnung. Ob Sie oder ich das glauben oder nicht, das Urteil gilt nun einmal, seine Maximen sind Teil der verfassungmäßigen Ordnung dieses Landes.

(Ich hatte das mal in einem Strang zum Thema "Menschenwürde" hier angesprochen, da gabs allerdings kein Interesse daran.)

Man hat also dann sozusagen die Wahl zwischen dem ewig Gestrigen und der Verfassungsfeindlichkeit :D
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von conscience »

H2O hat geschrieben:(28 Dec 2020, 07:36)

Na ja, was eine polnische Regierung als leitende Kultur anordnet, das muß nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung entsprechen. Darauf weisen die jüngsten Vorgänge um dem Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen hin [...]
Nicht zuletzt war der §218 in Deutschland ein ausgesprochener Kulturkampf.

Das würde m.E. bedeuten, dass sich die polnische Gesellschaft in einem Prozess der Emanzipation alter überlieferter Werte befindet; konservativ ausgedrückt in Worten wie "Untergang des Abendlandes" (Spengler), sprich Kulturpessimismus, gekennzeichnet als Verfall, Niedergang, Dekadenz usw. usf. Deutschland hat das bereits hinter sich, und zwar mit zwei gewalttätigen Eruptionen, und der vermeintlichen 68er-Revolution.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(28 Dec 2020, 08:45)

Schon die Vorstellung alleine, dass es Menschen gäbe, die keine Werte haben - ihr Handeln für sie also vollkommen wert- und nutzlos sei ist ziemlich absurd.
Mal abgesehen von der inflationären Vermehrung irgendwelcher Werte: Es geht im Wesentlichen ja darum, ob es objektive Werte gibt, aus denen sich die Legitimation von Ge- oder Verboten dann ableiten lässt.

Und genau hier entspricht eben die Wirklichkeit nicht mehr dem, worauf unsere ganze Verfassung beruht. Werte sind in der Praxis vollkommen fluid und werden von Interessensgruppen durchgesetzt. Und alle "Wertegemeinschaften" sind institutionelle Machtgefüge, die sich auf Basis dieser Macht halten. Werte, so meine persönliche Überzeugung, sind überwiegend Leerformeln, die derjenige füllt, der - auf welche Art auch immer - andere zu überreden in der Lage ist.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Stoner hat geschrieben:(27 Dec 2020, 22:47)

Nur so zur Info: Das BVerfG hat in seinem bekannten sog. Lüth-Urteil behauptet, dass die ersten zwanzig Artikel des GG eine „objektive Wertordnung“ konstituieren würden. :D

Gleichzeitig steht die Behauptung im Raum, es gäbe keine objektiven Werte.
Ist das tatsächlich ein Widerspruch? "Wertordnung" ist ja nicht im im Sinne einer "Wertehierarchie" gemeint, sondern lediglich als ordnender Rahmen. Wenn man diesen Rahmen nun als vergleichsweise abstrakt begreift, dann hat er m.E. schon objektiven Charakter. Zumindest in dem Sinne, dass es einen weitgehend gemeinsamen Konsens über die "Werthaltigkeit" eines Wertes an sich gibt, z.B. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit, Sicherheit.
Subjektiv wird es letztlich dann, wenn man versucht diese Werte zu operationalisieren, ihnen also eine gewünschte Ausprägung zuweist. Wenn man also beschreibt, woran man denn erkennt, dass Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit oder Sicherheit als Wert denn tatsächlich auch verwirklicht sind. Dazu gehört auch der Umgang mit Wertkonflikten. Auf wieviel Freiheit ist man z.B. bereit zu verzichten, dass man ein "Mehr" an Sicherheit hat, was wiederum zu einer individuellen und damit auch subjektiven Wertehierarchie führt.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Stoner hat geschrieben:(28 Dec 2020, 09:03)

Mal abgesehen von der inflationären Vermehrung irgendwelcher Werte: Es geht im Wesentlichen ja darum, ob es objektive Werte gibt, aus denen sich die Legitimation von Ge- oder Verboten dann ableiten lässt.

Und genau hier entspricht eben die Wirklichkeit nicht mehr dem, worauf unsere ganze Verfassung beruht. Werte sind in der Praxis vollkommen fluid und werden von Interessensgruppen durchgesetzt. Und alle "Wertegemeinschaften" sind institutionelle Machtgefüge, die sich auf Basis dieser Macht halten. Werte, so meine persönliche Überzeugung, sind überwiegend Leerformeln, die derjenige füllt, der - auf welche Art auch immer - andere zu überreden in der Lage ist.
siehe meinen letzten Beitrag. Dem kann ich zumindest teilweise zustimmen. Werte sind tatsächlich erstmal Leerformeln, die mit Inhalt gefüllt werden müssen. Ohne konkrete Operationalisierung sind sie erstmal nichts. Insofern kann man auch mit Werten nicht diskutieren und auch nicht argumentieren, obwohl das gerne gemacht wird, z.B. indem man etwas als "ungerecht" bezeichnet ohne jedoch Einblick dahingehend zu geben, was denn "Gerechtigkeit" für denjenigen selber bedeutet.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Adam Smith »

Stoner hat geschrieben:(28 Dec 2020, 09:03)

Und genau hier entspricht eben die Wirklichkeit nicht mehr dem, worauf unsere ganze Verfassung beruht. Werte sind in der Praxis vollkommen fluid und werden von Interessensgruppen durchgesetzt. Und alle "Wertegemeinschaften" sind institutionelle Machtgefüge, die sich auf Basis dieser Macht halten. Werte, so meine persönliche Überzeugung, sind überwiegend Leerformeln, die derjenige füllt, der - auf welche Art auch immer - andere zu überreden in der Lage ist.
Ein gutes Beispiel wäre der Fall, dass du in einem Käfig landest und ausgestellt wirst, wenn du während des Ramadans nachmittags was gegessen oder getrunken hast. Die Täter sollen vor ein paar Jahren sogar aus dem Grund ausgepeitscht und gekreuzigt worden sein. Dieses wäre dann auch ein Beispiel was jetzt unsere Kultur nicht beinhaltet.

Im Kommunismus kann z.B. zu wenig Begeisterung für z.B. Lagerhaltung bedeuten, dass man selber im Lager landet oder umgebracht wird, weil man halt dann selber ein Verbrecher ist. Auch muss man diese Personen dann schnell selber verurteilen, wenn man nicht selber dran glauben will. Sinnigerweise gibt es dieses auch bei Religiösen. Da hat das System sogar einen Namen.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
Stoner

Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(28 Dec 2020, 09:05)

Ist das tatsächlich ein Widerspruch? "Wertordnung" ist ja nicht im im Sinne einer "Wertehierarchie" gemeint, sondern lediglich als ordnender Rahmen. Wenn man diesen Rahmen nun als vergleichsweise abstrakt begreift, dann hat er m.E. schon objektiven Charakter. Zumindest in dem Sinne, dass es einen weitgehend gemeinsamen Konsens über die "Werthaltigkeit" eines Wertes an sich gibt, z.B. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit, Sicherheit.
Subjektiv wird es letztlich dann, wenn man versucht diese Werte zu operationalisieren, ihnen also eine gewünschte Ausprägung zuweist. Wenn man also beschreibt, woran man denn erkennt, dass Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit oder Sicherheit als Wert denn tatsächlich auch verwirklicht sind. Dazu gehört auch der Umgang mit Wertkonflikten. Auf wieviel Freiheit ist man z.B. bereit zu verzichten, dass man ein "Mehr" an Sicherheit hat, was wiederum zu einer individuellen und damit auch subjektiven Wertehierarchie führt.
Das größte Fragezeichen hinter der "objektiven Wertordnung" - sofern man jetzt mal die Frage der Werte und ihrer Objektivität einen Moment außen vor lässt - ergibt sich doch aus Folgendem: Können Gesetzgeber oder Gerichte ernsthaft eine "objektive Wertordnung" qua Gesetz/Urteil verfügen? Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Treue oder Schönheit stehen immer in einem bestimmten Rangverhältnis, das sich innerhalb einer Gesellschaft herausbildet aber meiner Meinung nach nicht verfügt werden kann durch ein Gericht. Es wäre ein absoluter Totalitarismus - als würde man festlegen wollen, dass die Erde eine Scheibe ist.

Versteht man es als Rahmen, dann muss man sich auf jeden Fall schon wieder von aller Objektivität verabschieden, und "Konsens" verweist ja schon auf diese fehlende Objektivität: So, wie es keinen Konsens geben kann über die Frage, ob die Erde eine Scheibe ist oder nicht (sie IST keine), könnte es auch keinen Konsens geben über Werthaltigkeithierarchien, wenn die Ordnung eine objektive wäre. Und so sehe ich auch keinen Konsens über "Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit oder Sicherheit als Wert", sondern einen erbitterten Streit um die Art und Weise der Auffüllung und damit der Praxis.
Stoner

Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Stoner »

Troh.Klaus hat geschrieben:(27 Dec 2020, 23:10)

Das Lüth-Urteil war 1958. Seit dem hat sich die Bewertung von "Werten" bei einem großen Teil des Publikums gewandelt. Wer heute noch auf "Werte" setzt, ist ein Ewig-Gestriger, der das Klingeln nicht gehört hat. Das gilt natürlich auch für die "Leitkultur".
Noch ein Nachtrag hierzu: Natürlich hat auch Deutschland seine "Leitkulturen"features. Ob nun Grüne oder AfDler: Bildung als leitkultureller oberster Wert ist ziemlich unumstitten, kein Tag, an dem nicht die Bildungssau über alle ideologischen Grenzen hinweg durchs Land getrieben würde. Und wer Bildungsverweigerer wäre, würde sich gegen die Leitkultur stellen. Um nur einmal ein Beispiel zu nennen. Und die Liste ließe sich auch auf sehr spezifisch deutsche Features (wie etwa die unzähligen Formen expliziter oder impliziter Formen der Vergangenheitsbewältigung) ausdehnen.
Zuletzt geändert von Stoner am Mo 28. Dez 2020, 10:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Progressiver »

conscience hat geschrieben:(28 Dec 2020, 00:54)

Leit-Kultur in diesem Sinne ist doch die überkommene Tradition von (überlieferter deutscher) Kultur.

Der Kapialismus hat seit ca. 250 Jahren die überlieferte Kultur entwertet; man könnte, wenn man das Vokabular des politisch rechten Spektrums benützt, sagen: zersetzt, d.i. m.E. Kulturpessimismus gleichzusetzen.

Nur der Sozialismus bzw. Kommunismus haben sich auf ihre Fahnen geschrieben, die "überlieferte" Kultur mit einer durch die Industriellen Gesellschaft völlig veränderten Realität zu "versöhnen". Warum wohl erfreuten sich die jeweiligen nationalen "Klassiker" in den Staaten des Ostblocks besonderes Aufmerksamkeit?


Die "überlieferte" Form der Kultur konnte im Kapitalismus nur solange weiter existieren, solange die alten, agrarischen, in sich antagonistischen, kriegerischen Eliten (in einer Ungleichzeitigkeit), die bis dahin Träger der "überlieferten" Form von Kultur waren, gesellschaftlich wirkmächtig blieben.
Das macht alles wirklich Sinn. Ich hätte aber auch noch ein paar weitere Gedankengänge beizusteuern. Ich weiß jetzt nicht, wie weit wir voneinander entfernt sind. Also:

Ich bin jetzt so weit, dass ich behaupten kann, dass "Solidarität" als Wert nicht zur Leitkultur gehört, die von CDU, CSU bzw. AfD gefordert wird. Es sei denn, als Einbahnstraße. Und Kulturförderung gehört auch nicht dazu. Lieber lässt man es zu, dass eine Kulturwüste entsteht.

Stichwort Solidarität: Man belegt viele Kulturschaffende in der Corona-Krise de facto mit einem Auftritts- und Berufsverbot. Insofern wird Solidarität eingefordert. Aber finanzielle Unterstützung gibt es im Gegenzug nicht allzu viel. Zum Vergleich: Daimler kann sich mit dem Kurzarbeitergeld die Finanzen sanieren. Da herrscht halt immer noch die Vorstellung vor: Kultur ist nichts anständiges, das gefördert gehört.

Stichwort Kultur: Die Vorstellung dieser rechten Politiker, die eine -deutsche- Leitkultur fordern, scheint ja zu sein: Kultur muss bestenfalls unpolitisch sein. Oder aber rechts. Wenn man sich aber die real existierende deutsche Kulturlandschaft ansieht, dann ist Kultur eher links und humanistisch zu verorten. Bestes Beispiel dafür wäre das politische Kabarett, über das im Rahmen dieses Forums auch schon debattiert wurde. Gutes politisches Kabarett ist in der Regel links, aufklärerisch und humanistisch. Die Satiriker ziehen die Politiker der rechten Parteien in der Regel durch den Kakao. Es wundert mich jedenfalls nicht, dass die Rechten mit der real existierenden deutschen Kulturlandschaft der Gegenwart sogar auf dem Kriegsfuss stehen. Was die Unionsparteien betrifft: Insbesondere die CSU will ja eine christliche Leitkultur wieder etablieren, ohne zu beachten, dass die Menschen in Massen aus den Kirchen austreten. Ich meine: In diesem Punkt kämpfen sie auf verlorenem Posten. Was die Kulturförderung betrifft, so ist es ihnen aber auch egal, ob die deutsche Kulturlandschaft in der Corona-Krise zur Kulturwüste wird, denn diese ist ihnen sowieso zu weit links. Was die AfD wiederum betrifft: Diese will ja sogar eine rechte Gegenkultur. Im Osten der Republik gab es ja auch schon Proteste gegen öffentliche Theater etc., weil deren Programme den AfD-Fans zu weit links waren. Jedenfalls gehört auch bei diesen die real existierende deutsche Kultur der Gegenwart nicht zu der von ihnen geforderten "Leitkultur".

Von der "Leitkultur" der Rechten, die bestimmt bald wieder gefordert wird, bleibt also nicht viel übrig. Es sei denn man zählt die "Leidkultur" dazu. Diese endete aber nicht 1945, sondern spukt in Form des NSU 2.0 immer noch in den Köpfen mancher Rechter herum. Solidarität ist also kein Wert, die die rechte Forderung nach einer Leitkultur ausmacht. Und Kulturförderung auch nicht. Bleiben also Sprüche wie "Jeder ist sich selbst der Nächste". Und eine Kulturwüste und Rückfall in barbarische Zeiten, wenn man sie weiter agieren lässt.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von conscience »

Ich stimme da inhaltlich schon zu - ich würde den Begriff von Kultur der ganz extremistischen Rechten erstmal versuchen, neutral zu beschreiben — was naturgemäß schwierig ist — die Rechtsextremisten hängen ja nicht in einem gesellschaftlich luftleeren Raum, oder sind zufällig einfach da, sondern sind wie andere politische Richtungen Produkte der bzw. ihrer Geschichte.
Progressiver hat geschrieben:(28 Dec 2020, 10:57)

Das macht alles wirklich Sinn. Ich hätte aber auch noch ein paar weitere Gedankengänge beizusteuern. Ich weiß jetzt nicht, wie weit wir voneinander entfernt sind. Also:

Ich bin jetzt so weit, dass ich behaupten kann, dass "Solidarität" als Wert nicht zur Leitkultur gehört, die von CDU, CSU bzw. AfD gefordert wird. Es sei denn, als Einbahnstraße. Und Kulturförderung gehört auch nicht dazu. Lieber lässt man es zu, dass eine Kulturwüste entsteht.

Stichwort Solidarität: Man belegt viele Kulturschaffende in der Corona-Krise de facto mit einem Auftritts- und Berufsverbot. Insofern wird Solidarität eingefordert. Aber finanzielle Unterstützung gibt es im Gegenzug nicht allzu viel. Zum Vergleich: Daimler kann sich mit dem Kurzarbeitergeld die Finanzen sanieren. Da herrscht halt immer noch die Vorstellung vor: Kultur ist nichts anständiges, das gefördert gehört.

Stichwort Kultur: Die Vorstellung dieser rechten Politiker, die eine -deutsche- Leitkultur fordern, scheint ja zu sein: Kultur muss bestenfalls unpolitisch sein. Oder aber rechts. Wenn man sich aber die real existierende deutsche Kulturlandschaft ansieht, dann ist Kultur eher links und humanistisch zu verorten. Bestes Beispiel dafür wäre das politische Kabarett, über das im Rahmen dieses Forums auch schon debattiert wurde. Gutes politisches Kabarett ist in der Regel links, aufklärerisch und humanistisch. Die Satiriker ziehen die Politiker der rechten Parteien in der Regel durch den Kakao. Es wundert mich jedenfalls nicht, dass die Rechten mit der real existierenden deutschen Kulturlandschaft der Gegenwart sogar auf dem Kriegsfuss stehen. Was die Unionsparteien betrifft: Insbesondere die CSU will ja eine christliche Leitkultur wieder etablieren, ohne zu beachten, dass die Menschen in Massen aus den Kirchen austreten. Ich meine: In diesem Punkt kämpfen sie auf verlorenem Posten. Was die Kulturförderung betrifft, so ist es ihnen aber auch egal, ob die deutsche Kulturlandschaft in der Corona-Krise zur Kulturwüste wird, denn diese ist ihnen sowieso zu weit links. Was die AfD wiederum betrifft: Diese will ja sogar eine rechte Gegenkultur. Im Osten der Republik gab es ja auch schon Proteste gegen öffentliche Theater etc., weil deren Programme den AfD-Fans zu weit links waren. Jedenfalls gehört auch bei diesen die real existierende deutsche Kultur der Gegenwart nicht zu der von ihnen geforderten "Leitkultur".

Von der "Leitkultur" der Rechten, die bestimmt bald wieder gefordert wird, bleibt also nicht viel übrig. Es sei denn man zählt die "Leidkultur" dazu. Diese endete aber nicht 1945, sondern spukt in Form des NSU 2.0 immer noch in den Köpfen mancher Rechter herum. Solidarität ist also kein Wert, die die rechte Forderung nach einer Leitkultur ausmacht. Und Kulturförderung auch nicht. Bleiben also Sprüche wie "Jeder ist sich selbst der Nächste". Und eine Kulturwüste und Rückfall in barbarische Zeiten, wenn man sie weiter agieren lässt.
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Re: Die Leitkulturdebatte in der Corona-Krise

Beitrag von Tom Bombadil »

Was soll denn Objektivität der Werteordnung bedeuten? Werte, Regeln, Gesetze, alles unterliegt dem Wandel, weil sich eine Gesellschaft entwickelt. Besonders deutlich wird das in Deutschland mMn. an der Entkriminalisierung von Homosexualität, insbesondere der männlichen, bis hin zur Ehe für Homosexuelle. Dass so etwas aber auch in die andere Richtung laufen kann, sieht man zB. an der Türkei.
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