naddy hat geschrieben:(17 Nov 2020, 12:34)
Also dann doch nochmal die "Fakten".
Nehmen wir 300 Leute, die sich für oder gegen irgendwas in Berlin versammelt haben. Was folgt daraus, wenn das in der medialen Darstellung wahlweise als "Demonstration", "Aufmarsch", "Protest" oder "Zusammenrottung" bezeichnet wird? Wie müßte die "faktenbasiert-korrekte" Bezeichnung lauten? Und ändert sich die, wenn unter den Versammelten 10 Figuren in Antifa- oder Neonazikluft identifiziert werden?
Bereits die
Wortwahl spiegelt Meinung wider, ebenso wie die Themenauswahl des "Berichtenswerten" überhaupt.
Gutes Beispiel.
Der Begriff
Demonstration gibt ein Faktum wieder: Es hat ein Ereignis stattgefunden, nämliche eine Demonstration (die zum Beispiel auch angemeldet sein muss, um den Begriff wasserdicht zu machen). Dass im Demonstrationszug auch Radikale mitlaufen, Antifa oder Neonazis, ändert nichts daran, dass es eine Demonstration ist. Demonstration beinhaltet ja immer: ein Grundrecht in Anspruch nehmen, wer immer da mitläuft, solange es friedlich bleibt.
Der Begriff
Aufmarsch ist definitiv schon negativ konnotiert. Er hat im Berichtsteil nichts verloren, wenn es sich um eine angemeldete Demonstration handelt, ist dem Kommentarteil vorbehalten.
Der Begriff
Protest ist eher kontextabhängig, aber noch neutral. Er würde eher bei einer kleinen Gruppe, die keine Demonstrationszugstärke hat, infrage kommen.
Der absolute Negativbegriff
Zusammenrottung ist eindeutig. Wobei er interessanterweise Rechtsradikalen vorbehalten ist. Bei einem G-7-Gipfel mit linken Randalierern würde die Tagesschau nicht von einer Zusammenrottung sprechen, bei Hooligans oder rechten Randalierern wohl eher.
naddy hat geschrieben:(17 Nov 2020, 12:34)
Guter Hinweis. Unter dem Namen des von meinen Eltern präferierten Blättchens stand als Selbstbeschreibung:
Man wußte also mit wem man es zu tun hatte und legte Wert darauf, deren Meinung kennenzulernen.
Die Medien dürfen gerne meinungsstark sein. Aber ich fürchte, die Unabhängigkeit und die Überparteilichkeit, die schon immer ein bisschen eine Illusion waren, sind heute schlicht verschwunden. Das ist im Zeitalter der Shitsorms nicht mehr durchzuhalten. Und die Leser halten auch immer weniger aus. Ich muss mir nur wöchentlich die Leserbriefe ("nicht mehr meine Zeitung", "kündige ich nach 30 Jahren", "kann ich nicht unterstützen" usw. usf.) anschauen, dann wird klar, warum Ausgewogenheit und Vielfalt beschworen, aber nicht geschätzt werden.
Ein Beispiel meinerseits. Im Studium (Mitte der Neunziger) wurden noch ein paar Subtilitäten der folgenden Art gelehrt:
Der Kanzler (wir hatten damals noch einen Herrn) sagte, die Wirtschaft hat sich gut erholt.
Der Kanzler sagte, die Wirtschaft habe sich gut erholt.
Der Kanzler sagte, die Wirtschaft hätte sich gut erholt.
Ich glaube, die wenigsten, die heute über den Kanzler (also die Kanzlerin) berichten, verstehen, was sie da jeweils tun. Sie schreiben halt.