Heute morgen beim Aufstehen (und die fernöstlichen Weisen sagen ja, nach dem Aufstehen ist man der Erleuchtung am nächsten) ist mir tatsächlich die Eingebung gekommen, die ich nun in einen Artikel zu fassen versuche.
Wichtig und bedeutsam ist: das ganze hat überhaupt nichts mit dem aktuellen politischen Geschehen zu tun, es kommt ganz woanders her und muss aus einem anderen Blickwinkel diskutiert werden.
Zunächst hatte ich also über die Ursache der Unzufriedenheit gegrübelt, und gedacht, es muss neben dem allfälligen Geschimpfe auch eine sachliche, intelligente (m.o.w. soziologische) Erklärung dafür geben. Die tauchte dann auch auf, und es war die These von den Filterblasen: Leute schaffen sich ihre eigene Wahrnehmung, indem sie selektiv rezipieren. Man liest einfach nur Medien, die das eigene Weltbild bestätigen, und damit ist die Welt in ordnung und alles ist so wie man eh glaubt dass es sei.
Das klingt erstmal sehr schlüssig und plausibel, und solche Filterblasen gibt es zweifellos - jede Verschwörungstheorie ist eine solche. Es gibt nur einen Haken bei der Erklärung: diese Dinger wachsen normalerweise nicht. Eher schrumpfen sie. Wenn wir uns die verbreiteten Verschwörungstheorien anschauen, meinetwegen die Ufo-Gläubigen oder die 9-11-Truther, dann gibt es da ein eingefleischtes Häuflein von Gläubigen, und die verschwinden auch nicht, aber an Bedeutung gewinnen sie auch nicht. Und das erscheint mir logisch, denn es passiert ja Kommunikation, und gelegentlich gerät ein Blick über den Tellerrand und die Unstimmigkeiten fallen auf. Und so diffundieren die Anhänger allmählich weg, und die Blase schrumpft vor sich hin.
Heute bin ich nun auf eine ganz andere Überlegung gekommen. Und zwar bin ich ja in einer Szene großgeworden, wo man einem guten Pfeifchen Hanf nicht abgeneigt war. Und da war es bis etwa 1985 so, dass man äußerst vorsichtig sein musste, das auch nur irgendwo zu erwähnen - denn wenn man es erwähnte, dann zeigte das ja, dass man etwas drüber weiss - und damit machte man sich automatisch verdächtig, zumindest ein sehr subversives Element zu sein oder womöglich gar ein gefährlicher Dealer. Es gab natürlich eine Szene, es gab subtile Erkennungszeichen, aber es gab keinerlei öffentliche Diskussion.
In der öffentlichen Meinung bestand vielmehr der Konsens, dass "Drogen" etwas ungemein gefährliches sind, dass folglich der "Kampf gegen Drogen" eminent wichtig ist, während man gleichzeitig nicht den Schimmer einer Idee hatte, was Drogen eigentlich sind. Wobei mit "Drogen" natürlich nur die verbotenen Drogen gemeint waren; Schnaps, Medis, Tabak und Fernsehen waren selbstverständlich keine "Drogen".
Erst nach 1985 begann eine ansatzweise öffentliche Diskussion, und eine wichtige Ursache dafür war, dass die ersten Computer-Netzwerke (Mailboxen) realisiert wurden, wo man sich unabhängig von den Medien austauschen konnte (woran ich durchaus nicht unbeteiligt war

Worauf ich hier aber hinaus will, ist die Rolle der Medien. Heute weiss man, dass es sich bei der ganzen jahrzehntelangen Hatz auf die Kiffer um eine gigantische Desinformationskampagne gehandelt hat (wer genaueres wissen will, möge unter dem Stichwort "Anslinger" in die Recherche einsteigen), die man geschickt unterfüttert hat mit Aversionen gegen Minderheiten, Kommunisten oder Anarchisten. Und die Medien (damit meine ich etablierten Rundfunk/Fernsehen und Zeitungen) haben in der ganzen Zeit nicht das geringste getan, um diesen Hoax aufzuklären! Sie haben erst berichtet, als es nicht mehr anders ging, weil die öffentliche Diskussion bereits lief.
Aber bis dahin wurde unisono nur der "Kampf gegen Drogen" thematisiert, und zwar egal welche politische Richtung ein Medium vertreten mochte! Die einzige Differenzierung war dann in der Frage, wie dieser "Kampf gegen Drogen" ausgeführt werden sollte, also ob man Drogengenießer eher bestrafen oder eher heilen solle - ohne je soweit zu gelangen, dass für die Mehrzahl der Kiffer keines von beiden irgendeinen Sinn macht. Die eigentlich nötige Differenzierung, nämlich zwischen verschiedenartigen Drogen, wie auch zwischen den verschiedenen Beweggründen für diesen "Kampf gegen Drogen", gab es nicht, sondern es wurde nur der unreflektierte common-sense befüttert, der da lautete: "Drogen = furchtbar schlimm, furchtbar böse".
Und da kann man sich jetzt überlegen, wie Medien funktionieren und was sie tun.
Es gibt noch einen weiteren Aspekt. Ich bin ein bischen rumgekommen in der Welt, und das auch und gerade in den abseitigeren Gegenden, über die nicht viele Leute was wissen. Ich war in verschiedenen Ländern in Afrika und Asien unterwegs - aber nicht als Tourist für Ferien, sondern als Backpacker, um Land und Leute kennenzulernen. Zuweilen in den ärmsten Ländern der Welt, Indonesien, Birma, wo es gar keine touristische Infrastruktur gibt, wo man unterwegs ist wie die Einheimischen - in Gasthäusern übernachtet wo es im ganzen Haus keine Dusche gibt, sondern man sich auf die alte Weise wäscht, mit Schöpfkelle und Bottich - die Übernachtung kostet da 4 Euro. Ich hab also das Leben der Menschen sehr intensiv mitgekriegt, nicht nur ein bischen zugeschaut, sondern richtig miterlebt. Ich hab auch Projekte der Entwicklungshilfe mitgekriegt, in Afrika, und hab geschaut was die machen, mich da mit den Leuten unterhalten und Erfahrungen ausgetauscht.
Ich hab dann gelegentlich im Fernsehen Reportagen gesehen, wo aus diesen Ländern berichtet wurde, machmal berichtet wurde von Orten, wo ich selber war, wo ich selber die Dinge mitgekriegt hab. Und was da berichtet wird, das wirkt auf mich sehr schräg - es passt überhaupt nicht zu dem was ich erlebt hab. Erstmal sind die Reportagen fast immer problemorientiert - es wird fast durchweg darüber geredet was die Leute alles für Probleme haben, wie schwierig es für sie ist, und wie wichtig es ist dass man da was tut. Das stimmt aber so gar nicht - die sitzen nicht da und haben Probleme und wissen nicht weiter, sondern sie leben ihr Leben - und die meisten haben dabei eine Erfülltheit und Lebendigkeit und Lebensfreude, wie ich sie hier kaum sehe. Ja, die Leute sind arm - in Indonesien hat man mir gesagt, das Monatseinkommen für einen einfachen Arbeiter läge bei umgerechnet rund 30 Euro. Ob man davon leben kann? Naja, wohl sehr sehr knapp - aber wenn hier eine Rentnerin mit 700 Euro zurechtkommen muss, bei den hiesigen Mieten, dann ist das auch sehr sehr knapp.
Auch hier erzählen diese Reportagen nicht die wirkliche Geschichte. Sondern eine Geschichte, die die Vorstellungen der Zuschauer bestätigt: dass die Menschen in anderen Ländern hilflos und bedürftig sind, man ihnen zeigen muss wie es richtig geht und man sie betreuen muss wie kleine Kinder. Das stimmt nicht - sie leben ihr eigenes Leben, und die meisten wirken dabei glücklicher als der Durchschnittsmensch hier auf der Straße oder im Einkaufszentrum.
Und noch eine weitere Facette: Ich hab auch etliche sog. Randgruppen kennengelernt - also schräge Vögel, die m.o.w. exotische Dinge treiben, die dem Normalverbraucher weitgehend unverständlich sind. Ich war zB. beim Chaos Computer Club dabei, noch ganz in der Anfangszeit als die Dinge in Bewegung kamen. Und ich war mit Pagans unterwegs - das sind naturreligiöse Leute, "Heiden", die den alten Religionen folgen, den vorchristlichen, und deren Riten zelebrieren.
Soetwas ist natürlich eine interessante Sache für Reporter, und da tauchen immer wieder Anfragen auf, ob man die Riten denn filmen dürfe und die Leute interviewen. Und da ist die Sache völlig klar und wird auch so ausgesprochen, kurz: die Leute haben die Schnauze restlos voll von den Medien! Weil nämlich das, was dann gesendet wird, durchweg überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was da gelebt wird - und wenn man diese Erfahrung immer wieder macht, dann wird man grantig.
Da wird dann z.B. gefragt, ob es denn am Beltane-Fest (die Goethe-Leser kennen es als Walpurgisnacht) sexuelle Orgien gibt - DAS interessiert die Fernsehleute natürlich - aber was die Leute bewegt, warum sie dieser Religion folgen, was ihnen dabei wichtig ist, das interessiert offenbar nicht. Sondern da wird aus den Interviews irgendetwas zusammengeschnitten, was leicht verdaulich ist und nur dazu dient, die Leute vorzuführen und lächerlich zu machen - um die Klischees des einfach gestrickten Zuschauers zu bestätigen.
Wenn man das nun in verschiedensten Zusammenhängen immer wieder so erkennt, dass also gar nicht authentisch beobachtet und recherchiert und beschrieben wird, sondern vielmehr nur ein geschmackloser Einheitsbrei produziert wird, gewürzt mit ein paar Aufregern und Skandälchen, um ihn an die Kartoffeln auf ihren Sofas (oder bei "Qualitätsmedien" auch an die Kartoffeln in ihren Aufsichtsratssesseln) zu verfüttern, dann muss man sich fragen, was die Medien eigentlich tun.
Und dann komme ich zu dem Gedanken, dass es da genau eine einzige Filterblase gibt, durch die alles gefiltert wird was in der Welt passiert, um es in leicht bekömmliche Medienkost umzuwandeln. wie sie der uninformierte Konsument erwartet.
Und die hat auch überhaupt nichts mit den aktuellen Aufregern zu tun, sondern die ist uralt, die war schon bei Hitlers Wochenschauen aktiv, und ihre Funktion ist weitgehend konstant. Ändern tut sich nur der Zeitgeist, mit jeder Generation, und so war der Aufreger eben in den 70ern der "Kampf gegen Drogen" und die bösen Freaks, und heute ist es der "Kampf gegen Rechts". Aber die dahinterstehende Mechanik, die gepushten Skandälchen, die Bestätigung der Klischees, und das ganze Prinzip der Einlullung und Abstumpfung ist immer dasselbe.
Wach auf, Neo.