schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2018, 09:30)
Das tut der Autor des verwiesenen Vortrags allerdings nicht.
Im Gegenteil.
Und genau das beanstande ich auch bei ihm. Er spricht über Verschwörungstheorie, ohne den Begriff zu definieren. Damit ignoriert er - beispielhaft - die "arabische '''''Verschwörung'''''" und konzentriert sich - anlehnend beispielhaft - auf die "finanzielle '''''Verschwörung'''''" als Maßstab der Verschwörungstheorie und karikiert einen seiner Leitsätze dieses Artikels selbst: "
Es war in der westlichen Welt bis circa 1960 völlig normal, an Verschwörungstheorien zu glauben." (Michael Butter) ... Heute also nicht mehr? Heute glauben wir weder an das Postulat der einen noch der anderen Verschwörung und glauben stattdessen ... Was eigentlich? Gar nichts mehr? Wirklich?
schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2018, 09:30)
Verschwörungstheorien zeichnen sich eben
gerade durch ihr konformistisches Potenzial aus.
Ist das so? Ich sehe - um beim Beispiel zu bleiben - an der "arabischen Verschwörung" keinerlei konformistisches Potenzial; aber sehr viel "Hoheits-Potenzial"; denn jeder, der anderes behauptet oder auch nur nicht ausschließt(!), wird als "Verschwörungstheoretiker" abgetan.
Entsprechendes gilt übrigens für weitere Sätze, die er in diesem Artikel postuliert: "
Verschwörungstheorien lassen sich wunderbar politisch instrumentalisieren." Setzen wir diesen Satz ins Verhältnis zur "9/11-Verschwörung", kommen wir zu einem interessanten Ergebnis: GERADE die "offizielle und vorgebliche Nicht-Verschwörungstheorie", die sich mit der Verschwörung religiöser Interessengruppen befasst, wurde politisch sogar MASSIV instrumentalisiert. Sie änderte die gesamte Weltsicht des Westens schlagartig; wie du etwa an den Rüstungsausgaben und Kriegsbestrebungen, insbesondere der USA und ihrer Verbündeten, nachvollziehen kannst.
Dem folgend müsste Butter hier tatsächlich zugrunde legen, die OFFIZIELLE Version sei eine Verschwörungstheorie; populistisch ausgeschlachtet und politisch instrulentalisiert. Doch obwohl er weiterhin in das gleiche Horn bläst, grenzt er sich interessanterweise NUR EINSEITIG ab: So leitet er vom unbestreitbaren Satz "
Was Verschwörungstheorien so attraktiv mache: Sie bieten einfache Wahrheiten in einer komplizierten Welt und geben dadurch Halt." auf "
Rechts-Populisten und ihre (beispielhafte) Austausch-Verschwörung" über.
(Es mag sein, dass er in seinen Vorträgen/Vorlesungen anders - abstrakter, vielleicht - argumentiert und veranschaulicht; doch dieser Artikel, auf den du hier verweist, ist unzweifelhaft tendenziös. Und GENAU DESHALB schrubte ich meine Eingangs-Einlassung genauso, wie sie ist.)
schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2018, 09:30)
Das dürfte vor allem an der einfachen Tatsache liegen, dass nicht verschwörungstheoretische Erklärungen im allgemeinen
anstrengend und oft schwer verständlich sind.
Das ist ein grundsätzlich fehlerhafter Erklärungsansatz. Auch vorgeblich "nicht verschwörungstheoretische Erklärungen" neigen zur drastischen Simplifizierung, sobald sie sich erklären müssen.
Das solltest du nicht mit dem Geschwurbel öffentlicher Erklärungen, etwa in der Politik, verwechseln! Selbiges dient im Regelfall nicht der Erklärung; sondern der Vernebelung von Tatsachen.
schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2018, 09:30)
Ein großer Teil der Vorlesung ist der Frage nach dem Zusammenhang von Populismus und VTs gewidmet.
Bedauerlich. Viel spannender wäre zu beleuchten, wie der Zusammenhang zwischen den Lücken der "nicht-verschwörungstheoretischen Theorie" und den Lückenfüllern und oft späteren Verschwörungstheorien ist. Denn
der Nährboden der "Verschwörungs-Theorie" (i.S.v. "Gegen-Theorie") ist IMMER die Lücke in der, nun, nennen wir sie Haupt-Theorie.
schokoschendrezki hat geschrieben:(07 Sep 2018, 09:30)
Und ansonsten gibts gleich am Anfang eine Aufzählung dreier wichtiger
Symptome, die auf einen verschwörungstheoretischen Ansatz hindeuten (ihn aber nicht zwangsläufig belegen müssen):
1. "Grundsätzliche Nichtzufälligkeit". Alles folgt einem System. Alles ist geplant. Nichts ist zufällig.
2. "Verbundenheit": Alles ist grundsätzlich immer mit allem verbunden.
3. "Nichts ist so wie es scheint". Und es gibt die, die fähig sind, "hinter die Kulissen" zu blicken und es gibt die, die das nicht tun oder nicht können oder nicht wollen.
Das mag auf viele Theorien zutreffen, doch bei Weitem nicht auf alle. Nun ist es ohne Zahlen schwer, ein Bauchgefühl sicher abzugrenzen; doch ich versteige mich zu der Behauptung, dass es auf die wenigsten "halbwegs ernsthaften" Verschwörungs-Theorien zutrifft. Insofern ist die behauptete "Grundsätzlichkeit" ein tönerner Fuß, mit dem lediglich versucht wird, auf populistische Art abzugrenzen, wo eine definitorische Abgrenzung nicht nur einfacher; sondern auch verständlicher wäre.
Was hingegen letztgenannten Punkt betrifft: So ist es. Die Geheimniskrämerei ist allgegenwärtig. Und nur selten gelingt es einigen Wenigen, "hinter den Vorhang zu blicken" (etwa Snowden) und daraus "sinnvolle/zutreffende Schlussfolgerungen zu ziehen" (etwa Assange). Den "ultimativen Wahrheitsanspruch" erhebt jedoch nahezu ausschließlich das Klientel der "Haupt-Theorie"; also der "offiziell von der Meinungshoheit abgesegneten Verschwörungstheorie", wenn du so willst: Wer nicht daran glaubt, wer daran auch nur zweifelt, ist ... wie überraschend! ... Häretiker und Verschwörungstheoretiker. (Schaue dich um, wo du willst: Sobald du auf Nonkonformisten triffst, triffst du auch auf "Verschwörungstheoretiker"; doch (nahezu) nie auf der anderen Seite.)