Beitragvon Stephan » Do 28. Jul 2016, 16:26
Die alltagsmediale Berichterstattung zum Vorkommnis in München, die zudem die Bezeichnung nicht verdient, war, wie bereits beim Anschlag am 11. September in den USA, auf den Verlag in Paris, in Nizza oder anderen Anlässen ein Desaster. Es war medialer Aktionismus, situationsbezogene Hilflosigkeit, eine Abfolge des Versagens, von Unfähigkeit, Gerüchten und Fehlinformationen. Besonderes Gewicht bekommt all das durch seine abträgliche Quantität und Flächenabdeckung. Auch im München haben es diese Medien geschafft Kriminellen einmal im Leben und zum Abschluss ihres armseligen Daseins eine Plattform deren Destruktivität zu bieten. Parallel ging und geht die Destruktivität der Alltagsmedien mit ihnen eine Symbiose ein. Auf der Grundlage des medialen Selbstverständnisses, darunter pathologischer Selbstüberschätzung, wurde stundenlang über den Sand in der Wüste gelabert. Nicht einmal das reale Geschehen konnte mangels vorliegender Fakten sachlich beurteilt werden, geschweige denn Ursachen und Folgen. Worin besteht aber der reale Wert dessen für die Bürger und die Gesellschaft? Es gibt keinen, außer der nicht neuen Erkenntnis medialer Selbstbefriedigung und deren Armseligkeit. Sie störte die Wichtigtuer der ARD und anderer Strukturen keineswegs. Im Gegenteil. Dümmlich und verantwortungslos gegenüber der Gesellschaft wurde ununterbrochen spekuliert. Einmal mehr wurde in Teilen der der Bürgerschaft eine Atmosphäre der Hysterie und Furchtsamkeit erzeugt.
Immerhin gab es bei DR-Kultur in der Sendung „Fazit“ (23.7.16?) den alibihaften Versuch einer Selbstkritik an der Berichterstattung, doch wie fast immer aus dem eigenen Stall, hier von einer Journalistin und nicht von einer Medienkritikerin aus Überzeugung und Einsicht in die Notwendigkeit und Gründe. Dass diese Journalistin augenblinzelnd zum Ergebnis kam, dass die mediale Berichterstattung eine Anhäufung von Irrtümern und Fehlern war, Schnelligkeit an sich nicht das Primat vor realem Informationsgehalt haben sollte, wird gewiss zu keiner Änderung in Richtung konstruktiver, sozialer, weil auf Gemeinnützigkeit ausgerichteter Medienpolitik führen.
Ein besonders peinliches Bild gab das Fernsehen des BR ab, wobei es sich nicht grundsätzlich vom MDR und anderen medialen Spekulanten, einschließlich der asozialen Medien, unterschied. Sein Aktionismus war so absurd, peinlich und die Intelligenz des Zuschauers beleidigend, dass es schon wieder amüsant war zu sehen, wie sich der dazu verdammte Darsteller, damit die gesamte ARD, vor der Kamera intellektuell, kulturell und politisch entblößte. Es war aber keine der Offenbarungen im herkömmlichen, längst gebräuchlichen Sinne. Es war purer Exhibitionismus, somit Ausdruck krankhafter Formen medialen Selbstverständnisses und der sozialen Beziehungen in der Gesellschaft.
Weitere Anmerkungen zu qualitativen Fragen. Bemerkenswert war und ist der mediale Sprachgebrauch bei dem Anlass. Es ist nicht neu, dass die ritualisierte und fantasiebegabte Verwendung des Konjunktivs den Alltagsmedien dazu dient etwas von sich zu geben, ohne dass es von ihnen faktisch abgeklärt werden konnte oder man das will. Er dient in dem Kontext auch dazu, ihre weitreichende Pseudoinformation zu verschleiern. Er ist zudem Ausdruck der medialen Feigheit sich zu dem zu bekennen, worüber man sich auslässt oder, was noch signifikanter ist, nicht äußert. Der reale Informationswert infolge inflationärer Verwendung des Konjunktiv, also des Spekulativen, ist null und auch seine große Quantität ändert daran nicht. Der politische, kulturelle und ökonomische Schaden ist dagegen unermesslich. Ein hübsches Beispiel dafür war 2015 eine der sogenannten Nachrichtensendung des MDR-Info, bei der in vier Minuten, einschließlich des Wetterberichtes, 9x Formen des Konjunktiv verwendet wurden. Dazu passt auch, dass selbst lange nach der Pressekonferenz der Polizei am 23.7.16 mittags, mindestens der MDR und DLF noch Tage vom mutmaßlichen Täter und seinem mutmaßlichen Suizid sprachen. Welch eine schöne Einheit von Anmaßung und intellektueller Armut!
Sprachlich und damit auch politisch bemerkenswert war und ist beim Vorkommnis das Jonglieren mit und zwischen den Begriffen „Amok“ und „Terrorismus“. Der Terrorismusbegriff ist völlig undefiniert und eine rein politische Kategorie, die stets beliebig verwendet wurde und wird. Diese Praxis dessen reicht von Erdogan, über die USA, ihre NATO, Frankreich, die EU, bis zum allgemeine Sprachgebrauch der Bürger, dem der Parteien, Legislativen, Exekutiven oder Medien der BRD. Tatsächlich unterscheiden sich die Auswirkungen und Folgen von Amok und Terrorismus nicht. Nur aus politischen Gründen, somit auch manipulativ, wird von den Medien, Parteien, Administrationen, Staaten oder Bünden eine Unterscheidung zwischen Amok, anderer Kriminalität, dem Terrorismus der Anderen und der eigenen Kriegsführung vorgenommen. Allein die Folgen und die gesellschaftlichen Ursachen des asozialen Handelns der Art durch Staaten, Staatenbünde, Gruppen oder Individuen sind entscheidend für Gesellschaft und Bürger. Nicht entscheidend sind begriffliche politisch-ideologische Spitzfindigkeiten, in dem Fall die Behauptung von der Existenz grundsätzlicher Unterschiede und Bewertungen.
Bereits das hier nur grob beschriebene mediale Desaster ist schwer zu überbieten. Es stellt sich deshalb die Frage, wie sich die Alltagsmedien und ihre, ökonomischen, politischen, konfessionellen und anderen Auftraggeber verhalten werden, wenn es zu einer offenen flächendeckenden Gefahrenlage in der BRD und/oder darüber hinaus kommt? Diese wird in Folge einer sich längst abzeichnenden neuen Qualität kultureller, politischer und ökonomischer Degeneration, Barbarisierung und Entsozialisierung der Gesellschaften und Zivilisation, einschließlich der in der BRD, mit Sicherheit eintreten. Es ist eine Frage der Zeit und die Alltagsmedien tragen durch ihr Unvermögen zu einer derartigen Entwicklung bei. Die vergangenen und aktuellen Erfahrungen mit ihnen lassen die Vermutung zu, dass die elektronischen und nicht elektronischen Medien, wie bei der oben genannten Konstellationen, auch weiterhin versagen werden.