Über zehn Jahre Bologna

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Was haltet Ihr von der Reform?

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daimos
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"Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von daimos »

Stiefkind Bachelor

Von Alexandra Straush

[...] Ohne Zweifel haben sich die neuen Abschlüsse an den Hochschulen durchgesetzt. 67 Prozent aller Studiengänge an deutschen Universitäten und Fachhochschulen schließen inzwischen mit dem Bachelor oder Master ab, 48 Prozent der Studienanfänger haben sich im Wintersemester 2006/07 dafür eingeschrieben. Nach der letzten Absolventenbefragung der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) in Hannover sind sie mit Lehrangebot, Ausstattung und Betreuung auch zufrieden. Allerdings wagen sie nur selten den frühen Absprung. Je nach Studiengang liegen die Übergangsquoten ins Master-Programm zwischen 30 und 100 Prozent. „In den meisten Köpfen ist das Vollstudium noch fest verankert“, sagt HIS-Forscher Karl-Heinz Minks. „Die jungen Leute wollen sich möglichst hochwertig qualifizieren.“

Mittelständler sind unwissend

Diese Vorsicht ist berechtigt. Eine Employability-Studie der Universität Freiburg ergab, dass Bachelor-Absolventen tatsächlich benachteiligt sind. [...] Als die Freiburger Forscher Vertreter von 3000 Firmen zu ihren Erwartungen an den Bachelor befragen wollten, stießen sie zuerst auf breites Unwissen. „Manche Personalverantwortliche waren der Meinung, der Bachelor entspräche dem Abschluss der Berufsakademie oder dauere zehn Semester“, sagt Rouven Sperling vom Projekt „Berufsfeldorientierte Kompetenzen“. „Da mussten wir erst mal Aufklärungsarbeit leisten.“

Forschung will promovierte Absolventen

Nachdem diese Unklarheiten ausgeräumt waren, äußerten sich die Befragten sehr unterschiedlich. Das verschulte Studium kommt gut an, bemängelt wird hingegen, dass Praxisphasen aus den Diplom-Studiengängen wegfallen. Die Kürze des Studiums sehen nicht alle als Pluspunkt. Unternehmen, die sich mit Grundlagenforschung befassen, erteilten dem Bachelor in der Freiburger Studie eine Absage. „Für unsere Forschung und Entwicklung liegt der Fokus weiterhin auf Absolventen mit Promotion“ sagt Birgit Huber, zuständig für Personalrecruiting und -marketing beim internationalen Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis. Bachelor-Studenten seien als Praktikanten und Werkstudenten bereits voll integriert, im technischen Bereich sei auch ein Einsatz denkbar, der dem von Fachhochschul-Ingenieuren gleicht. „Die Leitungspositionen werden jedoch den Master-Absolventen vorbehalten bleiben.“
Weniger kritisch wird die Verkürzung im Bereich Controlling, Marketing oder Personal gesehen, aber auch hier könnten Probleme auftreten, meint Ingo Kowalczyk, Leiter der Personalentwicklung der WAZ-Mediengruppe. Bei Einstellungen im Bereich Finanz- und Rechnungswesen hat er die Erfahrung gemacht, dass den Bachelor-Absolventen in Fachdiskussionen schnell die Luft ausgehe. Oberhalb der Sachbearbeiter-Ebene würde er deshalb für diese Kandidaten nur Einstiegsjobs als Trainees empfehlen.

Infrastruktur für interne Weiterbildung fehlt

Anders als im angelsächsischen System passen die halbfertigen Absolventen schlechter in den Betrieb. „In Deutschland fehlt die Infrastruktur der internen Weiterbildung“, meint Rouven. „Die Personalabteilungen erwarten fertige Leute.“ Deshalb gaben die Firmen in der Umfrage oft an, sie würden, wenn sie die Wahl hätten, lieber einen Bewerber mit einem bewährten Abschluss einstellen. [...]

Ein Kompass für die neue Hochschulwelt

„Wir brauchen einen Kompass für die neue Hochschulwelt, mit dem wir feststellen können, welcher Studiengang gut ist“, sagt Oliver Maassen vom Arbeitskreis für Personalmarketing e.V. Der Zusammenschluss von 43 deutschen Unternehmen erstellte in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh eine eigene Studie zur Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen. Das Ergebnis der Bewertung von insgesamt 550 Bachelor-Studiengängen: Unter den 31 Spitzenreitern mit Höchstwertung waren gerade mal zwei Universitäten. Die restlichen Plätze belegten Fachhochschulen, die schon seit jeher für eine ausgeprägte Berufsorientierung bekannt sind.

Quelle: süddeutsche.de


Wie sieht ihr das? Musste diese Umstellung im Rahmen des Bologna-Prozesses denn unbedingt sein? Hätte man es nicht auch einfach bei den bewährten und international anerkannten Diplom-Abschlüssen belassen können? Mir scheint, man hat einfach ohne weiter darüber nachzudenken einfach ein englisches Konzept übernommen, ohne dass es dir erforderlichen Passstellen in der deutschen Arbeitswelt gibt. Was passiert mit den Bachelor-Absolventen, die keine Master-Zulassung erhalten oder sie sich nicht leisten können (von bis zu 800 € Studiengebühren pro Master-Semester wird gesprochen)?
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Mind-X
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Mind-X »

Hm, das ist recht interessant, zumal mir das auch bevor steht....

Jedoch denke ich, dass ein angepasstes System besser ist. Schon allein, wenn man die stetig wachsende Internationalität sieht. Da sollte Deutschland keine Ausnahme machen.
Ein Unternehmen, welches im internen seine Leute weiterbildet ist, denke ich, auf lange Sicht stärker. Eine gute Jugendarbeit sozusagen

Andererseits ist Deutschland für seine hochqualifizierten Kräfte(wenn die Sparte passt) bekannt. Das liegt aber sehr am alten System.
"und du wirst wahnsinnig werden von dem, was deine Augen sehen müssen." (5. Mose 28,34)

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lostsoul
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von lostsoul »

Mind-X hat geschrieben:Jedoch denke ich, dass ein angepasstes System besser ist. Schon allein, wenn man die stetig wachsende Internationalität sieht. Da sollte Deutschland keine Ausnahme machen.
das einzige was beim bachelor/master-system internationalisiert wurde ist der name das abschlusses. die gelehrten inhalte sind nach wie vor völlig unterschiedlich und werden sich auch eher nicht annähern. wer sollte das auch durchsetzen können? die bewertung der leistungen und durchführung der prüfungen ist ebenfalls völlig unterschiedlich. das bachelor/master-system führt mit seinem baukastenprinzip eher dazu, dass die abschlüsse selbst innerhalb deutschlands weniger vergleichbar werden. und wozu? damit die eu-bürokraten sagen können sie haben die namen abschlüsse vergleichbar gemacht. echt ein super ding.
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daimos
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von daimos »

Mind-X hat geschrieben:Hm, das ist recht interessant, zumal mir das auch bevor steht....
Worin hast du dich denn eingeschrieben, wenn man fragen darf?
Mind-X hat geschrieben:Jedoch denke ich, dass ein angepasstes System besser ist. Schon allein, wenn man die stetig wachsende Internationalität sieht. Da sollte Deutschland keine Ausnahme machen.
Naja, ich denke, da kann man anders weit effizienter die Absolventen auf die internationale Berufswelt vorbereiten. Viel mehr als den Studiengang zu anglisieren, wurde ja nicht erreicht. Den heutigen Arbeitgebern kommt es doch auf soft skills und möglichst fließendes Fachenglisch an. In diesem Bereich sollte man lieber verstärkt aktiv werden.
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Mithrandir
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Mithrandir »

daimos hat geschrieben:Hätte man es nicht auch einfach bei den bewährten und international anerkannten Diplom-Abschlüssen belassen können? [...] Was passiert mit den Bachelor-Absolventen, die keine Master-Zulassung erhalten oder sie sich nicht leisten können (von bis zu 800 € Studiengebühren pro Master-Semester wird gesprochen)?
Ganz einfach: Die kosten den Staat kein Geld, sondern bezahlen im Idealfall sogar Steuern.
Bachelor: 3 Jahre Studium (Möglichkeit zum folgenden Master nicht für alle), Diplom: z. B. 5+ Jahre Studium.
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Cash!
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Cash! »

Mithrandir hat geschrieben: Ganz einfach: Die kosten den Staat kein Geld, sondern bezahlen im Idealfall sogar Steuern.
Bachelor: 3 Jahre Studium (Möglichkeit zum folgenden Master nicht für alle), Diplom: z. B. 5+ Jahre Studium.
Nunja. Mit dem alleinigen Bachelorabschluss kannst du in 95% der Fäller nichts anfangen. Der Master ist für fast alle Berufe unabdingbar, so dass man sagen kann, dass das neue Studium auch nur 5 Jahre gehen sollte. Was sich geändert hat ist halt der Druck, dass es bitteschön auch nicht mehr als 5 Jahre sind am ENde. Weil man sonst das Bafög kürzt und auch sonst die Studenten ziemlich triezt.

Mehr als eine unnötige Selektionschwelle hat man mit der Trennung Bachelor/Master wohl nicht erreicht.....
Tatsache ist doch, dass erst seit der Anwesendheit von Cash das Forum den Bach runtergeht.
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Der Bayer
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Der Bayer »

Ich bin heilfroh, dass ich noch den letzten Diplom-Studiengang erwischt hab.
Der Bekanntheitsgrad des Bachelors wird sich zwar im Laufe der Zeit erhöhen, aber es gibt noch ein weiteres Problem.
Bachelor ist nicht gleich Bachelor.
In einigen Hochschulen ist der Bachelor fast gleich mit dem Diplom, in anderen nicht. Dazu kommt noch, dass man in jedem Tiki-Taka-Land einen Bachelor machen kann und ich hab so meine Zweifel, dass die alle die gleichen Bildungsstandards wie wir haben.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit - Rammstein
Vila
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Vila »

Der Bachelor in der BRD ist ein Witz...leider

Hail Diplom!
Hail Magister!
:cheers:
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Enigma
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Enigma »

na toll ich bin schon schön verunsichert wenn ich das hier alles so lese :nails:
[url=http://www.youtube.com/watch?v=LTQqFGLDdJ0]Do you think that money is the root of all evil?[/url]
[url=http://studentsforliberty.org/wp-conten ... sm-PDF.pdf]The Morality of Capitalism[/url]
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von DK2008 »

Enigma hat geschrieben:na toll ich bin schon schön verunsichert wenn ich das hier alles so lese :nails:
Wer jetzt mit dem Bachelor anfängt braucht nicht verunsichert sein. Man hat sowieso keine Wahl. Als Studienanfänger kann man praktisch gar Nichts anderes mehr machen als den Bachelor. Versuch mal irgendwo noch ein Diplom-Studiengang zu finden...

Und bis man dann in drei bzw fünf Jahren fertig ist weiß auch der letzte Mittelständler was Bachelor und Master ist. Diplom-Absolventen gibts dann sowieso nicht mehr. Also ist da für Bachelor- und Master-Absolventen kein Nachteil zu erwarten.
Ob man auch mit dem Bachelor-Abschluss alleine gute Berufsperspektiven hat wird sich zeigen.
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Enigma
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von Enigma »

DK2008 hat geschrieben: Wer jetzt mit dem Bachelor anfängt braucht nicht verunsichert sein. Man hat sowieso keine Wahl. Als Studienanfänger kann man praktisch gar Nichts anderes mehr machen als den Bachelor. Versuch mal irgendwo noch ein Diplom-Studiengang zu finden...

Und bis man dann in drei bzw fünf Jahren fertig ist weiß auch der letzte Mittelständler was Bachelor und Master ist. Diplom-Absolventen gibts dann sowieso nicht mehr. Also ist da für Bachelor- und Master-Absolventen kein Nachteil zu erwarten.
Ob man auch mit dem Bachelor-Abschluss alleine gute Berufsperspektiven hat wird sich zeigen.
nenene plane eh noch nen master dranzuhängen ;)
[url=http://www.youtube.com/watch?v=LTQqFGLDdJ0]Do you think that money is the root of all evil?[/url]
[url=http://studentsforliberty.org/wp-conten ... sm-PDF.pdf]The Morality of Capitalism[/url]
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daimos
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von daimos »

Enigma hat geschrieben: nenene plane eh noch nen master dranzuhängen ;)
Klar, ist ja auch nur logisch. Aber für den Master musst du dich mit deinem Bachelor-Abschluss bewerben - und es gibt nicht für jeden Bachelor einen Master-Studienplatz.
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AntonH
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von AntonH »

Personalrecruiting

Wenn ich das schon lese vadrads ma d farb.

Diese Veramerikanisierung des Hochschulwesens soll doch nur die Mißstände an den deutschen Universitäten übertünchen.
Dieser Pätschler ist doch im Grunde nichts als ein Vordiplom mit zwei Ehrenrunden.
Diesen Pätschler gab es früher schon in der DDR, daß war ein 6Sem. Studium an einer Höheren Fachschule, der Abschluß wurde dem BRD Meister gleichgesetzt und später konnte man Nachdiplomieren zum Diplinsch (FH).
Es geht bergab.
DK2008
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Re: "Was bitte ist ein Bätscheler?" - Der Bologna-Prozess

Beitrag von DK2008 »

daimos hat geschrieben:Klar, ist ja auch nur logisch. Aber für den Master musst du dich mit deinem Bachelor-Abschluss bewerben.
Ich nicht. :)
Nach meinem Bachelor werde ich automatisch ohne Zulassungsbeschränkung für den Master zugelassen. Und das gleich an 9 verschiendenen universitäten in Deutschland. :D

TU9 machts möglich!
FelixKrull
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Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von FelixKrull »

was ist aus denen geblieben?

mal wieder eine grosse luftblase von angepassten studenten? - hauptsache, dass ich so schnell wie möglich fertig studieren kann? stört meine kreise deshalb nicht?

es war einmal, da konnte man in deutschland tatsächlich wirklich sinnig studieren...

rb
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Platon
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Platon »

Semesterferien?

http://www.bildungsstreik.net/aufruf-zu ... ling-2010/

dazu ist es meines Wissens durchaus angedacht diverse Studiengänge zu verändern, Nachbesserungen zur Bologna-Reform aufgrund der Proteste, 4-Jahre-Bachelor usw.
Zuletzt geändert von Platon am Mittwoch 7. April 2010, 12:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Choelan
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Choelan »

raba hat geschrieben:was ist aus denen geblieben?

mal wieder eine grosse luftblase von angepassten studenten? - hauptsache, dass ich so schnell wie möglich fertig studieren kann? stört meine kreise deshalb nicht?

es war einmal, da konnte man in deutschland tatsächlich wirklich sinnig studieren...

rb
Man wird sehen.
Am 17. Mai ist eine Bologna-Konferenz von HRK, KMK, BMBF, Gewerkschaften und Studierendenvertretern. Die wird life auf Phoenix übertragen. Desweiteren laufen gerade in Niedersachsen große Kampagnen gegen die Studiengebühren an. Auch planen wohl irgendwelche Helden eine bundesweite Protestwoche im Juni, ob das was wird, steht aber in den Sternen.

Grundsätzlich gilt aber: das Ganze war immer so gedacht, dass man sich stufenweise durch die Hierarchien im Bildungswesen arbeitet. Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich an den Unis bereits einiges getan hat - nächster Addressat wären dann die Landespolitiker, und das wird gerade überall geplant.

PS: Ja, wir sind in Deutschland mit der demokratischen Mitbestimmung der Studierenden an den Unis mittlerweile soweit, dass die mitspracherechte in den Gremien dermaßen zusammengestutzt wurden, dass man an der eigenen Uni ohne öffentlichen Druck nichts mehr erreicht. Traurig ist das. Früher gegen den Vietnam-Krieg, heute gegen die Prüfungsordnung.
Zuletzt geändert von Choelan am Mittwoch 7. April 2010, 15:08, insgesamt 1-mal geändert.
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DK2008
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von DK2008 »

raba hat geschrieben:was ist aus denen geblieben?
Der Bildungsstreik war von Anfang an eine Privatveranstaltung einiger weniger Hobby-Demonstranten. Die große Mehrheit der Studenten hat sich dafür wenig interessiert. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass aus der ganzen Sache Nichts geworden ist.
Choelan
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Choelan »

DK2008 hat geschrieben: Der Bildungsstreik war von Anfang an eine Privatveranstaltung einiger weniger Hobby-Demonstranten. Die große Mehrheit der Studenten hat sich dafür wenig interessiert. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass aus der ganzen Sache Nichts geworden ist.
Ist es schlimm Demonstrieren als Hobby zu haben?
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hafenwirt
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von hafenwirt »

DK2008 hat geschrieben: Der Bildungsstreik war von Anfang an eine Privatveranstaltung einiger weniger Hobby-Demonstranten. Die große Mehrheit der Studenten hat sich dafür wenig interessiert. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass aus der ganzen Sache Nichts geworden ist.
Hat sicher viele Gründe.

Verkürztes Studium: Die Leute sagen sich ab dem 3. Semester "ich muss eh nur noch 1,2,3 Semester durchhalten" - was danach kommt ist mir egal.
TINA-Prinzip: Bei allem lässt sich öffentlich von den Verantwortlichen mit "Globalisierung" alles rechtfertigen.

und noch einiges mehr.
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von DK2008 »

Choelan hat geschrieben:Ist es schlimm Demonstrieren als Hobby zu haben?
Nö!
Fraglich ist nur inwiefern man solche Demonstrationen ernst nehmen kann. Wenn sich am "bundesweiten Bildungsstreik" immer nur die "üblichen Verdächtigen" (ASTA-Leute, Antifa, etc.) beteiligen und eben grade nicht die "normalen" Studenten, dann braucht man sich nicht wundern, wenn der Protest nicht ernst genommen wird und letztendlich wirkungslos verpufft.
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Platon
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Platon »

DK2008 hat geschrieben: Nö!
Fraglich ist nur inwiefern man solche Demonstrationen ernst nehmen kann. Wenn sich am "bundesweiten Bildungsstreik" immer nur die "üblichen Verdächtigen" (ASTA-Leute, Antifa, etc.) beteiligen und eben grade nicht die "normalen" Studenten, dann braucht man sich nicht wundern, wenn der Protest nicht ernst genommen wird und letztendlich wirkungslos verpufft.
Das ist ja vergleichsweise irrelevant, da die Proteste bekannterweise keineswegs wirkungslos verpufft sind sondern zu Reaktionen in Politik in Gesellschaft führten sowie dem Hinterfragen welche Fehler in den vergangenen Jahren gemacht wurden. Das Hauptproblem der Bildungsstreiksproteste war ja letztlich, dass sie in vielen Fällen offene Türen einrennten da kaum jemand bestreiten konnte, dass die Bachelor-Studiengänge so wie sie jetzt existieren verschiedene Ziele des Bologna-Prozesses einfach nicht erreichen bzw. gänzlich verfehlen.
Zuletzt geändert von Platon am Dienstag 13. April 2010, 18:26, insgesamt 1-mal geändert.
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DK2008
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von DK2008 »

hafenwirt hat geschrieben:Hat sicher viele Gründe.

Verkürztes Studium: Die Leute sagen sich ab dem 3. Semester "ich muss eh nur noch 1,2,3 Semester durchhalten" - was danach kommt ist mir egal.
TINA-Prinzip: Bei allem lässt sich öffentlich von den Verantwortlichen mit "Globalisierung" alles rechtfertigen.

und noch einiges mehr.
Ein Grund ist sicherlich die pragmatische Grundeinstellung vieler Studenten. Ein ebenso wichtiger Grund dürfte jedoch sein, dass viele eine andere Erwartungshaltung an ihr Studium haben als (vielleicht) früher. Dieser Punkt wird von den Bildungsstreik-Organisatoren konsequent ignoriert.
Ein nicht unerheblicher Teil der Studenten betrachtet ihr Studium tatsächlich als Ausbildung. Sie streben keine akademische Laufbahn an, sondern wollen ihr Studium schnell und sicher absolvieren um rasch in das Berufsleben einsteigen zu können. Das Studium ist für sie eine Alternative zur Berufsausbildung von der Sie sich bessere Chancen erhoffen. Eine Verschulung, Verkürzung und Strukturierung des Studiums kommt diesen Studenten entgegen. Sie brauchen keine Wahlmöglichkeiten und freuen sich über Praxisbezug und schematische Prüfungen. Mit irgendwelchen alten Idealen (Humboldt...) können sie nichts anfangen. Sie stimmen dem Protest schon inhaltlich nicht zu.
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Fire81 »

Ich finde es auch nicht gut das die Grenze zwischen hochschulen und Fachhochschulen zu sehends verwischt werden. Die FHs die vorher auf den praktischen Teil spezialisiert waren kommen mit dem Bachelor auch deutlich besser zurecht. Das alte System mit Dipl. Ing und Dipl. Ing (FH) war besser.
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Fire81 »

DK2008 hat geschrieben: Ein Grund ist sicherlich die pragmatische Grundeinstellung vieler Studenten. Ein ebenso wichtiger Grund dürfte jedoch sein, dass viele eine andere Erwartungshaltung an ihr Studium haben als (vielleicht) früher. Dieser Punkt wird von den Bildungsstreik-Organisatoren konsequent ignoriert.
Ein nicht unerheblicher Teil der Studenten betrachtet ihr Studium tatsächlich als Ausbildung. Sie streben keine akademische Laufbahn an, sondern wollen ihr Studium schnell und sicher absolvieren um rasch in das Berufsleben einsteigen zu können. Das Studium ist für sie eine Alternative zur Berufsausbildung von der Sie sich bessere Chancen erhoffen. Eine Verschulung, Verkürzung und Strukturierung des Studiums kommt diesen Studenten entgegen. Sie brauchen keine Wahlmöglichkeiten und freuen sich über Praxisbezug und schematische Prüfungen. Mit irgendwelchen alten Idealen (Humboldt...) können sie nichts anfangen. Sie stimmen dem Protest schon inhaltlich nicht zu.
Ich gebe ehrlich zu ich bin so einer, ich habe überhaupt keine Lust auf theoretische Forschung. Ich habe allerdings viele Leute in meinem Studium die die 30 schon deutlich überschritten haben. Ein Teil muss nebenbei bei Arbeiten weil sie schon ein Haus/ fFamillie zu versorgen haben. Das war beim alten Dipl. deutlich einfacher.
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von hafenwirt »

DK2008 hat geschrieben: Ein Grund ist sicherlich die pragmatische Grundeinstellung vieler Studenten. Ein ebenso wichtiger Grund dürfte jedoch sein, dass viele eine andere Erwartungshaltung an ihr Studium haben als (vielleicht) früher. Dieser Punkt wird von den Bildungsstreik-Organisatoren konsequent ignoriert.
Ja, leider (aus meiner Sicht). Der Zeitgeist bzw. die Medien haben da beste Arbeit geleistet. Denn gut ist ja nur, wer so schnell wie möglich viel Geld verdienen kann. Vermutlich liegt darin auch die hohe SoWi-Quote der Bildungsstreiker. Da wird dieses Geld-über-Alles noch hinterfragt. :wall:

Wobei ich es nicht verstehen kann. Eine Streckung des BA-Systems auf 8 Semester hindert ja niemanden, trotzdem in 6 Semestern zu studieren. Wenn ich meinen Stundenplan anschaue wären sogar 4 möglich, wenn man richtiges Hardcore-Humankapital-einhämmern betreibt.

Und der zweite große Punkt - Studiengebühren - kann ja nun auch wirklich niemanden gefallen. Aber vielleicht hat dieser Punkt dann auch etwas mit der deutschen Duck-Mentalität zu tun. Irgendwie durchkommen und danach "wirds schon gehen mit den Schulden".
Zuletzt geändert von hafenwirt am Dienstag 13. April 2010, 20:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Platon »

Bundesweite Studentenproteste für bessere Bildung

Berlin (dpa) - Tausende Schüler und Studenten haben am Mittwoch bundesweit gegen Missstände im Bildungssystem protestiert. In mehreren Bundesländern zogen sie mit Tröten und Trillerpfeifen durch Städte und demonstrierten für eine gerechtere Bildungspolitik.

Nach Angaben des Bündnisses «Bildungsstreik», das zu den Protesten aufgerufen hatte, beteiligten sich insgesamt 70 000 Menschen in 40 Städten an den Demonstrationen. Der Zorn richtete sich in erster Linie gegen Studiengebühren, Einsparungen und eine mangelhafte Umsetzung der Schul- und Studienreformen.

An diesem Donnerstag wollen Bund und Länder in Berlin über eine bessere Finanzierung von Bildung und Forschung beraten. Zu diesem Anlass ist eine Fahrrad-Demonstration zum Kanzleramt angekündigt. Am Mittwoch machten in der Hauptstadt nach Polizeiangaben etwa 1000 junge Leute mit Plakataufschriften wie «Geld für Bildung, nicht für Banken» ihrem Ärger Luft.

Gebäude müssten dringend renoviert werden, überall fehle es an Lehrmaterial, hieß es. Wegen der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge beklagen Studierende zudem verkürzte Lernzeiten und stärkere Prüfungsbelastungen. In Karlsruhe demonstrierten nach Angaben der Polizei zeitweise 2500 Teilnehmer, in Stuttgart waren es etwa 1000 Demonstranten.

Auch in den hessischen Städten Kassel und Wiesbaden zogen am Vormittag etwa 1000 Schüler und Studenten durch die Innenstädte und skandierten unter anderem «1,2,3,4 - für die Bildung kämpfen wir». In der Landeshauptstadt Wiesbaden sprachen sich die Demonstranten gegen den Sparkurs der CDU/FDP-Landesregierung in der Bildung aus, die im kommenden Jahr 30 Millionen Euro bei den Hochschulen und 45 Millionen Euro bei den Schulen sparen will.

In Freiburg besetzten mehr als 300 Schüler und Studenten nach einem Demonstrationszug den Hauptbahnhof und blockierten eines der Gleise. Der Bahnverkehr musste vorübergehend gestoppt werden. In Konstanz kam es nach der Abschlusskundgebung zu einer nicht genehmigten Demonstration mit Sitzblockaden. Sie wurde von der Polizei aufgelöst, vier Teilnehmer wurden vorläufig festgenommen.
http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/998980

In Heidelberg waren es bestimmt so gut 2000-2500 Leute, davon allerdings ~60% Schüler.
Dieser Beitrag ist sehr gut.
Choelan
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Choelan »

Platon hat geschrieben: http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/998980

In Heidelberg waren es bestimmt so gut 2000-2500 Leute, davon allerdings ~60% Schüler.
Joah. An den Unis tobt das Spaltertum....
Was ich aber ok finde - ich denke, jetzt ist "Bildungsstreik" endlich vorbei, und man kann sich neuen Dingen widmen - ein Ende der Bildungsproteste ist eher nich absehbar.
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Mithrandir
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von Mithrandir »

Platon hat geschrieben:In Heidelberg waren es bestimmt so gut 2000-2500 Leute, davon allerdings ~60% Schüler.
Die Schüler sollten auch ein großes Interesse daran haben. Ich dagegen stehe z. B. kurz vor dem Abschluss (Diplom) und habe wenn ich das egoistisch betrachte eigentlich überhaupt kein Interesse daran, dass die Leute, die nachkommen und mit mir vielleicht am Arbeitsmarkt konkurrieren eine besonders gute Bildung und Ausbildung mitbekommen…
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frems
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Re: Bachelor Proteste? - Bildungsstreit -

Beitrag von frems »

In Hamburg versammelten sich zu dem Aktionstag laut Polizei etwa 100 Demonstranten auf dem Gelände der Universität.
http://www.ndr.de/nachrichten/bildungsstreik130.html

Soviel ich weiß haben Hamburgs Hochschulen rund 70.000 Studenten. :?
Zuletzt geändert von frems am Freitag 11. Juni 2010, 18:02, insgesamt 1-mal geändert.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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frems
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Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Ende der 90er entschlossen sich zahlreiche europäische Länder dazu, bis 2010 einen gemeinsamen Hochschulraum zu verwirklichen. Stichwort Bologna-Prozeß:

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Anfangs kämpften Länder und ihre Hochschulen gegen übereifrige Bundespolitiker, ältere Professoren nannten das System "verschult" und Vorurteile gegenüber den neuen Abschlüsse machten sich breit. Teilweise wurden die alten Titel (Mecklenburg-Vorpommern) wieder zugelassen, teilweise auch fünfjährige Studiengänge (Sachsen) angeboten, was beides nicht gegen die Erklärung verstößt und in anderen Ländern (z.B. Norwegen) völlig üblich ist. Dennoch gab's Anfangsschwierigkeiten und starken Widerstand, u.a. durch die Annäherung von Fachhochschulen und Universitäten. Vor allem Absolventen übten Kritik und nannten das neue System, mit dem sie sich nicht auseinandersetzen woll(t)en, minderwertig.

Daher wollte ich mal fragen, wie Euer Fazit ist und welche Erfahrungen Ihr gemacht habt. Das richtet sich speziell an Studenten, Absolventen und jene, die im Berufsalltag mit jungen Akademikern zu tun haben -- sowohl was die Reform an sich sowie ihrer Umsetzung betrifft.

Bitte kein plumpes "Wer (nach drei Jahren) einen Bachelor macht, hat geringere Qualifikationen als jemand, der (nach fünf Jahren) sein Diplom machte". Bezüglich der Karte ist ein "Die Türkei ist nicht europäisch" auch nicht diskussionsfördernd.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Muninn »

frems » Sa 21. Jul 2012, 14:24 hat geschrieben:Ende der 90er entschlossen sich zahlreiche europäische Länder dazu, bis 2010 einen gemeinsamen Hochschulraum zu verwirklichen. Stichwort Bologna-Prozeß:



Anfangs kämpften Länder und ihre Hochschulen gegen übereifrige Bundespolitiker, ältere Professoren nannten das System "verschult" und Vorurteile gegenüber den neuen Abschlüsse machten sich breit. Teilweise wurden die alten Titel (Mecklenburg-Vorpommern) wieder zugelassen, teilweise auch fünfjährige Studiengänge (Sachsen) angeboten, was beides nicht gegen die Erklärung verstößt und in anderen Ländern (z.B. Norwegen) völlig üblich ist. Dennoch gab's Anfangsschwierigkeiten und starken Widerstand, u.a. durch die Annäherung von Fachhochschulen und Universitäten. Vor allem Absolventen übten Kritik und nannten das neue System, mit dem sie sich nicht auseinandersetzen woll(t)en, minderwertig.

Daher wollte ich mal fragen, wie Euer Fazit ist und welche Erfahrungen Ihr gemacht habt. Das richtet sich speziell an Studenten, Absolventen und jene, die im Berufsalltag mit jungen Akademikern zu tun haben -- sowohl was die Reform an sich sowie ihrer Umsetzung betrifft.

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Eigentlich ganz typisch für "das Europa". Ein bewährtes und geachtetes System wird gegen ein unausgegorenes und wenig geachtetes System ersetzt.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Muninn » Sa 21. Jul 2012, 15:30 hat geschrieben:

Eigentlich ganz typisch für "das Europa". Ein bewährtes und geachtetes System wird gegen ein unausgegorenes und wenig geachtetes System ersetzt.
Ist es denn noch wenig geachtet und unausgegoren? Wenn ja, woran liegt bzw. scheitert es?
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Muninn »

frems » Sa 21. Jul 2012, 14:38 hat geschrieben: Ist es denn noch wenig geachtet und unausgegoren? Wenn ja, woran liegt bzw. scheitert es?


Weil die Welt Dipl. Ingenieure will und keine Bachelor oder Master.

Das hat in der deutschen Regierung natürlich niemanden interessiert... Aber wir sind da schlechtes gewohnt.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Muninn » Sa 21. Jul 2012, 15:47 hat geschrieben: Weil die Welt Dipl. Ingenieure will und keine Bachelor oder Master.

Das hat in der deutschen Regierung natürlich niemanden interessiert... Aber wir sind da schlechtes gewohnt.
Naja, Ingenieure sind ja nicht die einzigen Absolventen von Hochschulen. Ist denn beispielsweise ein heutiger Maschinenbauer* von einer TU weniger nachgefragt als es seine Kollegen vor zehn Jahren waren? :?:

* also ein vergleichbarer, sprich, Master-Absolvent. In MV wird er den Titel Dipl.-Ing. nach Erwerb des Master-Zeugnisses tragen dürfen, in Sachsen hat er wohlmöglich ein fünfjähriges Studium wie gehabt durchgezogen. Letztendlich unterscheiden sich die Absolventen der beiden Länder in den Qualifikationen aber nicht von Maschinenbauern aus Hamburg, NRW oder Bayern. Also müßte es wohl inhaltlich irgendwelche Defizite geben, die den Ingenieur "schlechter" machen. Und gibt's die? Was ist mit Soziologen, Lehrern, Juristen, Medizinern, Betriebswirten, Historikern, Informatikern etc.pp.?
Zuletzt geändert von frems am Samstag 21. Juli 2012, 16:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von NMA »

Erstaunlich, dass immer noch die gleiche Kritik geäußert wird. Irgendwann ist dann doch was dran?
http://www.tagesschau.de/inland/bologna118.html
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Seeheimer » Di 14. Aug 2012, 09:09 hat geschrieben:Erstaunlich, dass immer noch die gleiche Kritik geäußert wird. Irgendwann ist dann doch was dran?
http://www.tagesschau.de/inland/bologna118.html
Was denn? Daß es an manchen Hochschulen mittlerweile eine Anwesenheitspflicht für manche Seminare gibt? :?:

Dieser angeblich neue Leistungsdruck ist übrigens uach eher dem Gejammere geschuldet, das man seit Ewigkeiten kennt.
Die Klagen von Studenten in Bachelor-Studiengängen über zu viel Stress und zu enge Lehrpläne sind zumindest einer Studie der Universität Hamburg zufolge übertrieben. Nach der "Zeitlaststudie" arbeiten nur wenige Studenten pro Woche 40 Stunden oder mehr für ihr Studium. Im Durchschnitt kamen die Bachelor-Studenten auf 26 Stunden Einsatz pro Woche.
http://nachrichten.rp-online.de/politik ... -1.2952916

Noch eine Ergänzung:
Hippler erneuerte auch seine Kritik daran, dass die Hochschulen bald nicht mehr in der Lage sein könnten, den Ansturm der Erstsemester zu verkraften. Wenn sie nicht mehr Geld bekämen, müssten sie den Zugang zu einem Studium "praktisch flächendeckend mit einem lokalen Numerus clausus beschränken"

Der Kritik Hipplers widersprach das Bundesbildungsministerium. Eine Sprecherin von Ministerin Annette Schavan (CDU) sagte, Bachelor-Absolventen würden auf dem Arbeitsmarkt gut zurechtkommen. Wer ins Master-Studium wechseln wolle, finde meist seinen Wunschstudienplatz. Auch die Bologna-Ziele mehr Internationalität und schnelleres Studieren sieht Schavan als erfüllt an. Laut Ministerium schaffte die Hälfte der Bachelor-Absolventen ihren Abschluss im Jahr 2010 nach höchstens 6,5 Semstern. Nur zwei bis drei Prozent seien nach dem Studium arbeitslos oder unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt. Vor diesem Hintergrund sei die Reform trotz aller Kritik "eine europäische Erfolgsgeschichte".
http://www.spiegel.de/unispiegel/studiu ... 49933.html

Wenn die Studierendenzahlen steigen und immer mehr Menschen studieren möchten, hat das doch erstmal nichts mit Kritik an der Reform zu tun. :?:
Zuletzt geändert von frems am Mittwoch 15. August 2012, 17:21, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Helmuth_123 »

Das alte deutsche Sytem der Diplom-und Magisterabschlüsse muss wieder eingeführt werden. Außerdem muss die Trennung zwischen Universität und Fachhochschule wieder deutlicher sein.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Helmuth_123 » Sa 18. Aug 2012, 18:57 hat geschrieben:Das alte deutsche Sytem der Diplom-und Magisterabschlüsse muss wieder eingeführt werden. Außerdem muss die Trennung zwischen Universität und Fachhochschule wieder deutlicher sein.
Warum? :?:
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gallerie
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von gallerie »

frems » So 19. Aug 2012, 00:24 hat geschrieben: Warum? :?:
…weil eine Verschulung an Universitäten nur Leistungsempfänger hervorbringt, kreative Kräfte und somit Führungskräfte für die Wirtschaft können dort nicht mehr gedeihen.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Helmuth_123 »

frems » Sa 18. Aug 2012, 18:24 hat geschrieben: Warum? :?:
Antwort ist bereits von "gallerie" gegeben wurden.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

gallerie » Sa 18. Aug 2012, 19:31 hat geschrieben: …weil eine Verschulung an Universitäten nur Leistungsempfänger hervorbringt, kreative Kräfte und somit Führungskräfte für die Wirtschaft können dort nicht mehr gedeihen.
Gibt's dafür irgendeine Begründung, daß das nun unmöglich sei und wenn ja, warum? Und irgendwie wird mir nicht klar, was mit "Verschulung" immer gemeint ist.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von John Galt »

Bekloppt ist an der Reform nur der teilweise mangelnde Übergang von Bachelor zu Master.

Unnötiger Papierkrieg und mit Pech kriegt man den Platz nicht, weil man kein tolles 08/15 Motivationsschreiben geschrieben hat. :dead:
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Platon »

Also in der Islamwissenschaft war es so, dass die ersten Studienordnungen ziemlicher Mist waren und in den letzten Semestern überholt wurden. Stichwort Verschulung und Flexibilität. Ich weiß nicht ob hinterher eventuell irgendwelche Rahmenbedingungen geändert wurden, aber das was ursprünglich als BA-Prüfungsordnung verfasst und bejammert wurde, wurde mittlerweile auch wieder entschärft. Es gibt da wohl durchaus mehr oder wieder mehr Verhandlungsspielraum als ursprünglich gedacht.

Grundsätzlich ist aber das größte Problem beim BA, dass drei Jahre schlichtweg nicht genug sind um ein Fach ernsthaft zu studieren. Man besucht doch ein paar einführende Vorlesungen und steht dann schon kurz vor der BA-Arbeit. Vor allem wenn man aufgrund des Inhalts des Faches neben der Vermittlung von den eigentlichen Inhaltlichen Grundlagen auch noch eine oder gar mehrere Fremdsprachen erlernen muss, wo drei Jahre je nach Sprachen dann auch schon fast ein Unding sind.
Aus diesem Grund ist der Bachelor als erster Studienabschluss auch kaum was wert. Entweder man macht den MA weiter oder man sieht den BA in irgendeinem Fach als Bonus an, welcher gut aussieht, während die eigentliche Ausbildung in einem Bereich liegt wo man sich "richtig" ausgebildet hat. Ein BA ist halt nur der Nachweis mal was mit wissenschaftlichem Arbeiten in diesem Fach zu tun gehabt zu haben und bestenfalls über grundlegende Kenntnisse des Faches zu verfügen, mehr aber auch nicht.

Dazu zeigt sich, zumindest in den orientalischen Fächern, dass bisher die Master-Programme nicht angenommen werden. Es gibt einfach keine Bewerber - im Gegensatz zum Bachelor - ich weiß auch nicht was da los ist. Möglicherweise ist das bei einigen Spartenfächern der Fall, während bei Fächern mit einer großen Breitenwirkung das Problem genau anders herum sein mag.
Zuletzt geändert von Platon am Samstag 18. August 2012, 22:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Platon »

frems » Sa 18. Aug 2012, 20:00 hat geschrieben: Gibt's dafür irgendeine Begründung, daß das nun unmöglich sei und wenn ja, warum? Und irgendwie wird mir nicht klar, was mit "Verschulung" immer gemeint ist.
Das Problem bei der Verschulung ist, dass man in einem Studium eigentlich ein umfassendes Grundlagenwissen vermittelt bekommen sollte, welche ein Überblick über das Fach erlaubt. Man spezialisiert sich später ja dann und da ist es sehr wichtig am Anfang auch aus anderen Bereichen was mitbekommen zu haben.
Wenn der erste Studienabschluss aber schon nach 6 Semestern fällig ist ist man gezwungen sich dieses Grundlagenwissen innerhalb von ein paar Semestern anzueignen und sich im 5ten und 6ten dann schon durch weiterführende Vorlesungen zu spezialisieren. Dies führt dann dazu, dass man im BA in erster Linie damit beschäftigt ist diese Grundlagen zu pauken, und für die eigenen Interessen weniger Zeit verbleibt als dies der Fall wäre wenn eine längere Zeit bis zum ersten Studienabschluss vergehen würde.

Wobei hier die Verhältnisse auch von Fach zu Fach und Student zu Student abweichen, je nachdem wie viele Grundlagen es sind - in der Islamwissenschaft hat man es da z.B. vergleichsweise gut, weil jedes Semester viele unterschiedlich gelagerte Themen zur Auswahl stehen und das was jeder lernen muss letztendlich nur die Sprachen sind, während in den Naturwissenschaften wie z.B. Biologie da unter "Grundlagenwissen" schon ein bisschen mehr verstanden wird.
Dazu kommt natürlich die Frage ob man unbedingt nach 6 Semestern fertig sein muss (z.B. wegen Bafög etc.), man arbeiten muss usw. oder ob man es ruhiger angehen lässt und dafür Eigeninitiative zeigt sich auch zu Themenbereichen Bücher auszuleihen und zu lesen die jetzt nicht auf den "Stundenplan" stehen.
Zuletzt geändert von Platon am Samstag 18. August 2012, 22:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

@Platon: Danke für die Antworten.

Zum Teil kann ich's aber auch nicht unterschreiben. Zumindest aus eigener Erfahrung, wobei mein Studiengang nun auch kein "Massenfach" ist. Kann auch dadran liegen, daß wir von einer TU kommen und es stets vor allem eins war: eine Ausbildung, die mit'm Dipl-Ing abschloß. Und daher würde ich sagen, daß wir ziemlich viele Freiheiten haben, um mal nach rechts und links zu schauen, wozu wir auch ermutigt werden und fachfremde Seminare, auch anderer Hochschulen, angerechnet kriegen können. Hinzu kommt noch ein Studium generale und vielfältige Themen bei Projektarbeiten, sodaß man sich in den letzten zwei, drei (von sechs) Semestern größtenteils nur noch mit Dingen beschäftigt, die man selbst wählte. Das war zu Diplom-Zeiten teilweise noch anders, wo deutlich mehr vorgegeben wurde und man sich gleichzeitig nach der Schule direkt entscheiden mußte, was man denn die nächsten fünf, sechs Jahre studieren möchte. Daher verstehe ich den Vorwurf des "verschulten" Systems nicht wirklich -- erst recht nicht, wieso es per se schlecht sein soll. Das mag vielleicht bei Geisteswissenschaften teilweise so sein, aber auch in den 90ern besuchte man ein Fach der Ingenieurswissenschaften, um später als Ingenieur in der Wirtschaft oder Verwaltung tätig zu sein. Nur wenige blieben im Hochschulbetrieb.

Ein Bekannter von mir hat beispielsweise nach der Schule erstmal mit BWL angefangen, was er auch in Ordnung fand.Hat sich in den Vorlesungen meist auf logistische Themen spezialisiert (bzw. sich dafür interessiert) und einen entsprechenden Master gemacht, womit er in einem Unternehmen seinen "Traumjob" fand mit guter Bezahlung. Er hätte aber auch Wirtschaftsrecht, -journalismus oder was auch immer studieren können, je nach Interessensgebiet. Das empfand er als deutlich besser, als sich nur mal ein Buch zum Thema zu lesen oder eine Vorlesung pro Semester zu haben, die für ihn relevant war, wie es während des Bachelors war.

Problem ist dabei, wie Karl Murx erwähnte, oftmals der Übergang von Bachelor zu Master. Mein Bekannter hätte nämlich wahrscheinlich den konsekutiven Master-Studiengang an seiner Uni nicht machen können, weil sich Leute, teilweise mit sehr guten Abschlüssen anderer Hochschulen, in Massen dort bewarben, während die Zahl an Studienplätzen niedriger war als die der Bachelor-Absolventen. Gerade bei Lehramtsstudenten habe ich nie verstanden, wieso man nicht eine fünfjährige Regelstudienzeit einführt. Rechtlich ist das scheinbar machbar, wie man in anderen Ländern sieht oder an manch deutscher TU.

Die Berufsaussichten als Bachelor-Absolventen sind auch alles andere als schlecht, wie man hin und wieder zu hören kriegt. Ebenso schauen Behörden mittlerweile, ob sie Bachelor-Absolventen nicht in manchen Bereichen auch in den höheren Dienst einsetzen können. Aber natürlich sollte man nicht den Bachelor mit dem Diplom verwechseln und die selben Ergebnisse erwarten. Das tut aber auch eigentlich niemand in der Wirtschaft. Ebenso ist es ja kein Problem, wenn jemand länger studiert. Der Durchschnitt benötigt bei uns 7,8 Semester bis zum Abschluß, also rund vier statt drei Jahre. Das können längere Praktika sein, fachfremde Auslandssemester oder einfach Urlaubssemester.

Was aber stimmt: Die ersten Bachelor- sowie Master-Prüfungsordnungen waren bei uns auch ziemlicher Mist, wenn ich das Klagen jener höre, die dort studieren mußten. Etliche Klausuren auf kurzem Raum und viele Vorgaben. Das lag aber weniger an Bologna als an der Uni. Mittlerweile gibt es halt das Komplementärstudium, mehr Wahloptionen, auf mehrere Semester gestreckte Veranstaltungen (mit nur einem Leistungsnachweis) oder die Zusammenlegung mehrere Veranstaltungen in einem Modul. Ist halt immer die Frage, was die Unis draus machen. Und unter "berufsqualifizierend" verstand wohl jeder etwas anderes.

Und zum Aufwand:
Die Klagen von Studenten in Bachelor-Studiengängen über zu viel Stress und zu enge Lehrpläne sind zumindest einer Studie der Universität Hamburg zufolge übertrieben. Nach der "Zeitlaststudie" arbeiten nur wenige Studenten pro Woche 40 Stunden oder mehr für ihr Studium. Im Durchschnitt kamen die Bachelor-Studenten auf 26 Stunden Einsatz pro Woche.
http://nachrichten.rp-online.de/politik ... -1.2952916
In zwei Dritteln der Unternehmen erhalten demnach Bachelor-Absolventen das gleiche Einstiegsgehalt wie Absolventen alter Abschlüsse etwa mit Diplom. Das höchste Einstiegsgehalt erzielten Bachelor-Ingenieure der Fachhochschulen mit knapp 38.000 Euro, das geringste Universitäts-Absolventen der Sprach- und Kulturwissenschaften mit knapp 25.000 Euro.
http://www.n-tv.de/politik/Bachelor-ver ... 40921.html
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von Armstrong »

frems » Mi 15. Aug 2012, 13:52 hat geschrieben:Was denn? Daß es an manchen Hochschulen mittlerweile eine Anwesenheitspflicht für manche Seminare gibt?
Ein Hochschulstudium ist Erwachsenenbildung und keine Grundschule. :rolleyes: Die Uni macht Angebote, die man so nutzen kann wie man sie braucht, um letztlich die geforderten Leistungsnachweise zu erbringen. Jedenfalls verstehe ich das unter Erwachsenenbildung und studentischer Freiheit, Selbstorganisation des Studiums und Eigeninitiative. Beim Bachelor fehlt wohl nur noch, dass man für die Seminare Hausaufgaben einführt, deren Anfertigung dann in der "nächsten Stunde" vom Dozenten mit rotem Lehrerkalender überprüft wird. Und wenn sie nicht gemacht sind, gibts nen Strich. :D

Ich frage mich bis heute, welche Intention der Bachelor/Master überhaupt hat. Das deutsche Diplom war ein international hoch anerkannter Abschluss. Diesen Abschluss durch einen anderen zu ersetzen erfordert ja schon SEHR GUTE Gründe.

Also was konkret sollte der Bachelor/Master gegenüber dem Diplom an positivem bringen? :?:
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Re: Über zehn Jahre Bologna

Beitrag von frems »

Armstrong » So 19. Aug 2012, 15:10 hat geschrieben: Ein Hochschulstudium ist Erwachsenenbildung und keine Grundschule. :rolleyes: Die Uni macht Angebote, die man so nutzen kann wie man sie braucht, um letztlich die geforderten Leistungsnachweise zu erbringen. Jedenfalls verstehe ich das unter Erwachsenenbildung und studentischer Freiheit, Selbstorganisation des Studiums und Eigeninitiative. Beim Bachelor fehlt wohl nur noch, dass man für die Seminare Hausaufgaben einführt, deren Anfertigung dann in der "nächsten Stunde" vom Dozenten mit rotem Lehrerkalender überprüft wird. Und wenn sie nicht gemacht sind, gibts nen Strich. :D
Sehe ich ähnlich, aber die Anwesenheitspflicht ist immer noch die Entscheidung der Hochschule bzw. des Dozenten und nicht Brüssels. Deshalb verstehe ich nicht, wieso Kritiker auf diese verweisen, um den Prozeß zu kritisieren.

Bei uns gibt's, so als Beispiel, nur in wenigen Fällen Anwesenheitspflicht (mit einer bestimmten Anzahl an Terminen, die man unentschuldigt fehlen darf), z.B. bei freiwilligen Sprachkursen, für die die Uni die VHS-Gebühren übernimmt. Oder Exkursionen und Projektarbeit, wo es nicht sein kann, daß sich ein Prof mit zwei Betreuern einen ganzen Tag freinimmt, aber von den zehn Teilnehmern vielleicht nur drei anwesend sind. Aber bei normalen Vorlesungen? Da hat doch niemand Lust druff, die Listen zu kontrollieren. :?
Ich frage mich bis heute, welche Intention der Bachelor/Master überhaupt hat. Das deutsche Diplom war ein international hoch anerkannter Abschluss. Diesen Abschluss durch einen anderen zu ersetzen erfordert ja schon SEHR GUTE Gründe.

Also was konkret sollte der Bachelor/Master gegenüber dem Diplom an positivem bringen? :?:
Das überschneidet sich gerade etwas mit http://politik-forum.eu/viewtopic.php?f=15&t=32111
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