Bewiesen ist gar nichts. Es gibt Untersuchungen zum Feinstaub, da wurden bei deutlich höherer Konzentration als im Straßenverkehr Wirkungen festgestellt.
Die epidemiologischen Beobachtungen zum Feinstaub, speziell Partikeln aus Autoabgasen, kann man inzwischen gut beim Menschen plausibel machen und experimentell nachvollziehen, dazu gibt es viele Arbeiten vor allem aus einer schwedischen Arbeitsgruppe. So kann man zeigen, dass es u.a. um Effekte auf die Gefäßfunktion geht, dass es sich um die (ultrafeine) Partikelfraktion aus Auto- und speziell aus Dieselabgasen handelt, nicht um die Gase und auch nicht um andere Umweltpartikel, usw. Zwar sind die gewählten Konzentrationen viel höher (8-10x) als diejenigen in der Umwelt, doch ist der Abstand zu den Umweltkonzentrationen nicht extrem groß (siehe Anmerkungen zum NO2 unten). Ferner scheinen die Pathomechanismen, die anzunehmen oder zu detektieren sind, plausibel, vor allem sind auch experimentell Personen, die Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems aufweisen, empfindlicher.
Das alles passt aus der Sicht eines (experimentell versierten) Wissenschaftlers derart zusammen, dass man den epidemiologischen Daten im Wesentlichen glauben kann, wenn auch mit jener gewissen Reserve, die jeder haben muss, der diese analytischen Prozeduren und ihre Schwächen kennt; wir haben aber nichts Besseres. Aus diesen Gründen sind wir bei Partikeln längst über das Stadium der Korrelation hinaus und können von Kausalität ausgehen.
Beweis wäre für mich letztendlich wirklich eine höhere Todesrate, die wird sich aber niemals feststellen lassen. Bei NO2 sieht es noch viel entspannter aus
Für NO2 gilt das nicht, außer vermehrten Symptomen bei Kindern mit Asthma bei hoher Innenraumbelastung durch Gasöfen und -herde; das ist seit ca. 30 Jahren bekannt, wird durch neue Daten gestützt und ist primär ein US-Problem. Es passt zu den experimentellen Befunden, dass NO2 bei Asthmatikern die Atemwegsempfindlichkeit verstärken kann. Solide Hinweise auf Zusammenhänge mit der Mortalität und ein Neuauftreten von Erkrankungen gibt es jedoch von dieser Seite nicht.
Sie stellen einige Überlegungen zu den NO2-Grenzwerten an, die ich beachtlich finde, weil Sie als Laie auf der richtigen Spur sind, denn die gerne vorgebrachte und akzeptierte Argumentation z.B. des UBA, dass der eine Wert für gesunde Arbeiter und der andere für empfindliche Personen gelte, ist m.E. irreführend. Die entscheidende Frage (jedenfalls für solche, die selber denken und das auch können) ist nämlich nicht, ob jemand solche Unterschiede macht, sondern ob sie berechtigt sind, umso mehr, als der politische Einfluss auf die Grenzwertfestsetzung mit Händen zu greifen ist.
Zum Arbeitsplatzgrenzwert ist folgendes festzustellen. Der Wert lag in Deutschland bis vor wenigen Jahren bei 5 ppm, d.h. dem Zehnfachen des heutigen Grenzwertes von 0,5 ppm (ca. 950 µg/cbm), ohne dass Probleme bekannt geworden wären, der Grenzwert durfte und darf ja sogar mehrfach am Tage kurzzeitig überschritten werden. Die Absenkung erfolgte im Wesentlichen auf der Basis von Tierversuchen, solide Daten beim Menschen liegen nicht vor (ich hielt und halte die Absenkung in dieser Höhe für übertrieben und nicht gut begründet). Experimentell beobachtet man beim Menschen nur geringe oder gar keine Effekte von NO2 auch bei hohen Konzentrationen, vor allem keine, die man sinnvoll mit Erkrankungen in Verbindung bringen könnte, es ist alles komplett unspezifische Reizwirkung.
In Übereinstimmung damit ist es auch unplausibel (selbst wenn man Auswahleffekte besonders robuster Personen am Arbeitsplatz in Rechnung stellt, healthy worker effect), dass eine Belastung mit 950 µg/cbm entsprechend 0,5 ppm (oder gar 5 ppm) über 40 Jahre an 5 Tagen die Woche für jeweils 8 Stunden bei einem Arbeiter folgenlos bleibt, während die nur temporären Belastungen der Allgemeinbevölkerung, auch Kranker, Alter und Kinder mit 40 µg/cbm deletäre Effekte haben.
Als Folge des Ganzen sehe ich mit Bedauern, dass eine verfahrene Situation eingetreten ist. Da sind auf der einen Seite die Fanatiker, die NO2 als Vehikel ihrer Öko- und Weltrettungsphantasien benutzen, und leider sind auch opportunistische Wissenschaftler dabei. Auf der anderen Seite stehen Leute wie Dieter Köhler, die mit teils übertriebenen, unhaltbaren Pauschalargumenten skeptische Laien, die sich von der Politik veralbert fühlen, zu überzeugen versuchen und diese ihrerseits aufs Glatteis führen. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich würde zwischen (a) Feinstaub und (b) NO2 genau differenzieren und sehr anraten, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Am wichtigsten scheint mir Punkt (1), d.h. dass rationale Abwägungen statt hysterischer Anfälle die Politik bestimmen sollten. Sonst wird es für dieses Land und seine ökonomische Zukunft düster aussehen, zumal es ja noch genug andere Baustellen gibt, an denen sich der Fortbestand einer modernen Wissens- und Technologiegesellschaft entscheidet.
In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Anmerkungen bei der Einschätzung der Sache geholfen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rudolf A. Jörres
Experimentelle Umweltmedizin
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der LMU München
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