H2O » Sa 2. Jan 2016, 23:17 hat geschrieben:
Dann ist der Eiertanz mit öffentlichen Ausschreibungen für
Regionalverkehr auf dem Bahnnetz und auch für Fernlinien
aber gar nicht mehr zu verstehen.
Fernverkehr wird ja nicht ausgeschrieben, sondern eigenwirtschaftlich betrieben, egal ob von der DB oder einem anderen Anbieter. Ausschreibungen gibt's beim Regional- und Nahverkehr. Und da konkurriert der Staat teilweise mit sich selbst. Da findet man dann Bewerber mit so unverdächtigen Namen wie Friedrich Müller Omnibusunternehmen, KOS GmbH, Stadtbus Herford, A. Philippi GmbH, Sumava Bus, Südbadenbus oder Hanekamp Busreisen. Gehören alle komplett der DB. Daneben gibt's noch Stadtwerke und andere Verkehrsbetriebe, die Ländern und Gemeinden gehören, teilweise auch überregional. So besitzt die HHA die Agilis Eisenbahngesellschaft im Osten Bayerns und bietet dort Regionalverkehre an. Die HHA gehört wiederum zu 100% der Stadt Hamburg. Da setzt man NE-Bahnen ("nicht-bundeseigene") mit Privatbahn gleich, obwohl es sich um ein komplett staatliches Unternehmen handelt.
Nebenbei sind Ausschreibungen auch häufig so klar auf einen Anbieter zugeschnitten, daß Konkurrenz erst gar nicht auftaucht bzw. zeitnah abspringt, z.B. beim Berliner S-Bahnnetz.
Der Druck war groß, als der damalige Verkehrssenator Michael Müller (51, SPD) 2012 endlich wenigstens das Teilnetz ausschreiben ließ. Zunächst mit weltweitem Echo – es gab Bewerber aus Hongkong, Japan, Paris und Großbritannien. Aber einer nach dem anderen stieg aus. Kein Wunder, sagen Verkehrsexperten.
„Der Senat hat von vornherein auf die Deutsche Bahn gesetzt“, kritisiert Stefan Gelbhaar (39, Grüne). „Niemand anderes hätte die überzogenen Anforderungen erfüllen können. Es bleibt der Eindruck, dass es sich um eine Scheinausschreibung gehandelt hat.“
http://www.bz-berlin.de/berlin/s-bahn-w ... nen-kosten
In der Praxis sieht es dann so aus, daß man z.B. bei den Anforderungen an die Züge die aktuelle Flotte als Maßstab nimmt und keine Änderungen zulässt, selbst wenn es für die Kunden keine Verschlechterung bedeuten würde. Das können selbst so lächerliche Kleinigkeiten sein wie die Bildschirmgrößen, die 20 Zoll haben sollen. Haben die festeingebauten Anzeigen in der Flotte des Bewerbers 22 Zoll, muß er sie ausbauen und welche mit 20 Zoll besorgen, sonst wird das Angebot nicht akzeptiert. Schwieriger wird's bei größeren Themen wie der Art des Motors, Klimaanlagen, Sitzpolster usw., sodaß es mit einer schnellen Umrüstung nicht getan ist. Das kann ein neuer Betreiber aber nicht im Sortiment haben, sondern höchstens neu bestellen. Macht man die Zeiträume dann noch kürzer, lohnt es sich gar nicht erst, weil man so schnell keine Fahrzeuge kriegt. Einzelne Ausnahmen gibt's natürlich, z.B. besitzt das Land Niedersachsen eigene Fahrzeuge und schreibt "nur" den Betrieb aus. Fand die DB gar nicht cool, auch wenn sie noch immer die meisten Verbindungen anbietet.
Wenn kein als vernünftig erkanntes Verkehrskonzept einseh-
bar ist, dann kann man doch dem Wettbewerb wirklich freie
Hand lassen. Der Auslastungsunterschied von 30% Bahn zu
80% Bus zeigt doch einen überzeugenden Systemunterschied!
Freier Wettbewerb ist ja nicht gewünscht und man hofft, daß man die Auslastung wieder gehoben kriegt. War aber vor der Liberalisierung schon nicht der Fall. Durch die hohen Preise hat es sich ja auch gelohnt solche Durchschnittsverbindungen anzubieten. Hauptsache sie werfen Geld ab. Nun landet ein kleiner Bruchteil davon eben bei Fernbussen.
Die sollte man aber auch nicht überbewerten. Alle Fernbusunternehmen haben 2014 zusammen einen Umsatz von 400 Millionen erzielt. Die meisten schrieben rote Zahlen. Mittlerweile verdienen sie auch Geld auf ihren Strecken, aber nicht sehr viel und das Wachstum ist nach der anfänglichen "Explosion" nun auch deutlich gesunken. Nur zum Vergleich: alleine die S-Bahn Berlin macht einen Umsatz von über 600 Millionen Euro. Der gesamte DB-Konzern 40 Milliarden, sprich, wir reden von gerade einmal 1%, wenn man davon ausgeht, daß alle Fernbuskunden alternativ die Bahn nehmen würden. Nach repräsentativen Umfragen bevorzugten die Kunden aber "nur" zu 44% vorher die Bahn, der Rest Pkw, Mitfahrgelegenheiten oder fuhren manche Strecken erst gar nicht, weil sie es sich nicht leisten konnten. Und in diesen 400 Millionen Euro Umsatz sind die mehreren Fernbusuntenrehmen (BerlinLinienBus, IC-Bus, BEX etc.), die der DB AG gehören, auch schon mit drin.