Das ist das wissenschaftspolitische Grundproblem. Man sucht den Briefkastenschlüssel unter der Straßenlaterne und weiß ganz genau, dass der eigentliche Haustürschlüssel irgendwo weit vor der Stadt im Wald liegt oder gar nicht existiert.Die Fusionsforschung konzentriere sich auf Probleme, für die eine Lösung denkbar erscheint, anstatt sich mit den Fragen zu befassen, für die bisher überhaupt keine Antwort in Sicht ist.
Dass man ein Plasma in einem Tokamak stabil halten kann und dass man für Sekunden (und künftig am ITER "sogar" für Minuten) eine Kernfusionsreaktion aufrechterhalten kann, weiß man seit langem. Ein Kernfusionskraftwerk jedoch, dass auch ökonomisch als kalorisches Leistungskraftwerk arbeiten soll, muss jedoch erstens mehrere Stunden arbeiten und muss zweitens eine nicht geringe Mindestgröße haben. So. Und es gibt schlicht und einfach im näheren Universum kein Material, dass die Temperaturen und den Neutronenbeschuss so lange aushalten kann und gleichzeitig in irgendeiner Form eine ökonomisch sinnvolle Nutzwärmeableitung gewährleistet.
Fazit Michael Dittmar
Die Beteiligten an der Kernfusionsforschung in Deutschland sind zum großen Teil Ende der 70er und Anfang der 80er als junge Wissenschaftler eingestiegen und stehen jetzt kurz vor der Rente. Die ziehen nicht einfach einen Schlussstrich und werfen sich auf ein neues Projekt. Das muss die Gesellschaft tun. Es ist von einer "Mauer des Schweigens" die Rede. Die einen interessiert es nicht, die anderen wollen - vielleicht verständlicherweise - den jahrzentelang gewohnten einträglichen Forschungsgeldtransfer nicht gefährden.Also von 1985 sind wir jetzt 35 Jahre weiter und letztendlich sind wir eigentlich keinen Schritt vorangekommen. Außer, dass wir 20 Milliarden statt fünf Milliarden Euro in das Projekt schon investiert haben –also mindestens viermal teurer als was ursprünglich geplant war und erlaubt war. Und da sind weder die Experimentierkosten für die Jahre danach noch die Kosten, die diese Deuterium-Tritium-Experimente erfordern, enthalten. Mein Vorschlag wäre, dass all diese Punkte in einer offenen und ehrlichen Diskussion diskutiert werden.
Noch schlimmer sieht es auf EU-Ebene aus. Ungefähr die Hälfte aller Förderungsgelder der EU in Richtung Energieerzeugung geht für dieses völlig aussichtslose Vorhaben Kernfusion drauf.
Das wichtigste Argument zum Schluss: Die Begründung, dass Kernfusion eine klimafreundliche Art der Energieerzeugung ist oder besser wäre: Zählt nicht mehr. Selbst der Zeithorizont der sogenannten "Fusionskonstanten" von etwa 30 Jahren ("Zu jedem beliebigen Zeitpunkt t ist ein Durchbruch in der Fusionstechnologie spätestens in t plus 30 Jahren zu erwarten") liegt bereits deutlich hinter den entscheidenden Klimaveränderungszeiträumen.
https://www.swr.de/swr2/wissen/illusion ... 0-100.html