Keoma hat geschrieben:(23 Aug 2019, 10:06)
Nur, dass die UNO in der Nahostfrage ein selten mieses Spiel spielte und spielt.
Da sagst du was. Jedoch ist "die UNO" als Subjekt eher eine Verschleierung, was los ist. Ich messe der UNO nicht so viel Bedeutung zu.
Die ganze Geschichte ist ziemlich mies, von den haeufig wenig glaubhaften Versprechungen der Briten an die Juden und an andere, von der Internierung nach Palästina geflohener Juden auf Mauritius bis 1945 oder der Internierung auf Zypern bis 1949, die Geschichte ist hart und zynisch. Die Kooperation teilweise auch damals stark antisemitischer Anführer muslimischer Aufstände mit den deutschen Nazis - furchtbar. Der Boykott der Arabischen Liga gegen Israel und seine Vorläufer seit 1946, die Massaker und Attentate der Irgun (an Briten, Juden, Muslimen) oder das muslimische Massaker von Hebron (an Juden) alles furchtbar.
Die Kriegserklaerungen gegen Israel und die Kriegshandlungen beider Parteien - brutal. Alles Folgende - hier tausendmal durchgenommen - furchtbar. Man weiss gar nicht, wo man da eingrenzen, anfangen, aufhoeren soll. Meine genannte Auswahl ist so beliebig wie kritikabel, darum geht es gar nicht.
Was ist aber gemessen an all dieser realen Aktion und Brutalität "die UNO"? Real handeln Staaten und quasistaatliche Gruppen. Beschluesse der UNO - gut gemeinte, wohlklingende, furchtbare - sind zunaechst folgenlos. Deutschland, sicher kein Feind Israels, stimmt fleiszig in der UNO mit. Von 28 Resolutionen, um dieses oder jenes zu verurteilen, drehten sich 21 um Israel. Insgesamt 16 mal stand Deutschland bei den Befürwortern der Beschlusstexte, nur einmal lehnte Deutschland ab. Zum Vergleich: Iran und Syrien kamen einmal dran.
Solche Beschluesse haben keine konkrete Wirkung. Wer Masznahmen vor hat und durchsetzen kann, wird sie mit oder ohne Beschluss durchfuehren. Ansonsten ist Papier sehr geduldig. Umgekehrt scheint es eine ganze Jura-Industrie fuer papierne Ersatzbefriedigung zu geben unter den Staaten, die Israel ans Leder wollen. Was stimmt Deutschland eigentlich zu, wenn es da so haeufig mittut? Resolutionen der UN-Generalversammlungen sind so zahlreich und im Allgemeinen irrelevant, dass die meisten von ihnen es nicht einmal als Eintrag in Online-Nachschlagewerke fanden. Ermuedende Diskussionen um vielzitierte Ausnahmen wie die Resolution 194 von 1948 kann man sich im Prinzip sparen. Sie wurde in Teilen butterweich und interpretierbar formuliert, bestimmte Aspekte wurden nie umgesetzt, es ist ein Steinbruch fuer Argumente, wenn man sonst keine hat. Ich nehme das nicht so ernst, wie gesagt. Trotzdem ist es seltsam, wenn Deutschland an der Produktion immer neuer Verurteilungen teilnimmt. Man findet in den Tagesmedien, wenn die Resolutionitis aufgespieszt wird, meist eher haltungsmaeszige Kommentare, ob es fuer Deutschland richtig sei, da zuzustimmen oder wie oft Israel Thema sei und andere nicht, wie es denn sein koenne, dass eine Kritik an der Hamas kaum je zur Abstimmung komme und dann auch noch scheitere... usw.
Selten geht es um den konkreten Inhalt.
Ich habe mir einmal wahllos welche angesehen.
Haeufig geht es um die Frage, inwieweit Israel berechtigt ist, in Gebieten wie dem besetzten Golan eigenes Recht und eigene Institutionen zu installieren oder fordert die Installation irgendwelcher UN-Bueros zur Untersuchung und Berichtung ueber diverse Aspekte der Lebensrealitaet im Westjordanland, es gibt auch welche, die die Mauer kritisieren. Andere beschaeftigen sich mit der Jerusalem-Thematik und zitieren dabei einen elenden Rattenschwanz an vorherigen Beschluessen und sonstigen Dokumenten aus Jahrzehnten der Befassung.
Haeufig werden ganze Buendel solcher Resolutionen an historisch markanten Jahrestagen ausgekippt. Mir tut der ganze Koerper an qualifizierten Juristen leid, der im Auftrag Deutschlands, anderer Laender, der EU usw diesen ganzen Korpus sichten muss, Handlungsempfehlungen an Leitungsbeamte und Politiker aufschreibt und gewissenhaft versucht zu trennen zwischen Forderungen an die Konfliktparteien (in der Praxis aufgrund der Vorlagen einseitig an Israel), die fuer sich genommen legitim und vernuenftig sind und solchen, die unerhoert sind. Diese gewaltige Verschwendung von Lebenszeit und Sachverstand ist aber zum Glueck fast die einzige praktische Konsequenz dieser Art von Lawfare.
Bei einer Gelegenheit kommentierte ein Vertreter Israels in der Versammlung, es sei eine Schande, dass die UN so viele Mittel auf dieses Schauspiel verwendeten, von der Bindung von Personal in der Befassung mit den Antraegen bis zur Schaffung von Stabsstellen, Behoerden, Erfassungen von Statistiken ueber die Lebensqualitaet und Folgen der Politik im Westjordanland. Das ist zweifellos richtig. Es stimmt auch, dass man sich ein Hundertstel dieser Gruendlichkeit fuer so manchen anderen Konflikt in der Welt, oft gar nicht so weit weg, aufheben muesste und damit schon viel erreicht haette. Es stimmt auch, dass die Einseitigkeit im nachschauen und wegschauen, im verurteilen und schweigen skandaloes und unuebersehbar ist. Jedoch macht das aus etlichen Beschluessen, denen Deutschland zustimmte, nicht skandaloese Entscheidungen und insbesondere keine realen Nachteile fuer Israel.
Wenn die UN derart wenig auf die ganze Chose wirkt, kann uns das "miese Spiel", das du korrekt so nennst, aber nicht von der Sache ablenken, die odiug benannte. Es gibt die Menschen, es gibt den Staatswillen, es gibt Differenzen darueber, ob und in welchen Grenzen ein weiterer Staat existieren sollte oder Land und Leute diesem oder jenem existierenden Staat angehoeren sollten. Was will uns die tausendste Thematisierung, dass die, die als Palästinenser nach Staatlichkeit streben, ueberwiegend Araber seien, eigentlich mitteilen? Was traegt sie zum Gespraech bei? Wir benoetigen die UNO und ihre Beschluesse nicht, um ueber die Frage von Voelkern zu befinden. In Fragen des Separatismus, also des kollektiven Strebens von Menschen in einem Gebiet, einen eigenen Staat zu errichten, reden wir haeufig ueber Gewalt und Friedfertigkeit, ueber die Legitimitaet, das Streben zu unterbinden oder die korrekte Form, darueber zu befinden - ob gewaltsam wie bei den Basken und Iren, kriegfoermig wie haeufig in Afrika oder jetzt neulich in Indien, einvernehmlich wie im Falle der Tschechoslowakei oder rechtsstaatlich wie im Falle der Saarland-Abstimmung. Wir fuehren da doch keine Gespraeche ueber ethnologische oder sprachwissenschaftliche Feinheiten. Entsprechend unangebracht erscheint es, bei allem Unterschied einer Sezession von der Situation im vorliegenden Fall, nun damit anzufangen.
Der Beitrag antwortet mehr situativ deinem Statement, einige Ausfuehrungen betreffen Themen, die andere angerissen haben. Keinerlei Vorhaltung intendiert