Beitragvon Bobo » Fr 6. Mai 2016, 12:17
Ich habe mir kürzlich die Positionen und den Verlauf von Camp David II mal reingezogen und wurde überrascht, wie einfach sogenannten „Staatsmänner“ gestrickt sein können. Und das galt m. E. für alle Beteiligten, ganz vorne Weg, die US-Administration, weil Clinton sich unbedingt einen tragenden Erfolg ins Stammbuch schreiben wollte.
Warum war Camp David II scheitern im Vorwege erkennbar? Die Hinweise waren zahlreich!
Die israelischen Fehler:
Ehud Barak lehnte es kategorisch ab, persönlich mit Arafat zu sprechen! Er begründete seinen Vorbehalt damit; die persönliche Begegnung könne Arafat aufwerten. Da ihn niemand davon abbringen konnte, hätte man die Konsequenz der Bedingung nur zu Ende denken müssen:
Wenn Barak Arafat schon durch die persönliche Begegnung unzulässig aufgewertet sah, waren Zusagen und Kompromisse, die nach einem palästinensischen Verhandlungserfolg aussähen, von vorn herein ausgeschlossen, weil jeder Erfolg in Richtung Einigung Arafat in der Tat aufgewertet hätte.
Ehud Barak wirkte nicht wirklich auf die Gespräche vorbereitet. Die vorherige sorgfältige Abstimmung mit dem Parlament zu möglichen Konzessionen kann es nicht gegeben haben. Das sagt sein ausschließlich auf die eigenen politische Zukunft ausgerichtetes Zaudern. Er wusste allem Anschein nach selbst nicht, was er zusagen konnte und was nicht, ohne dafür später in der Knesset zerlegt zu werden.
Die direkte Begegnung hätte Barak erkennen lassen, dass Arafat – den eigenen Worten zufolge – bereit war, auf die Teilung Jerusalems zu verzichten, wenn die Palästinenser dafür die Kontrolle über den Tempelberg bekämen. Barak lehnte das kategorisch ab, ohne zu hinterfragen, was präzise die Palästinenser unter „Kontrolle“ verstanden. Somit blieb verborgen, welche Kompromisse dazu noch möglich gewesen wären. Dass der Preis dafür die israelische Kontrolle über ganz Jerusalem war, erfuhr Barak vermutlich erst mit der Veröffentlichung der mediengerechten Aufarbeitung des Treffens.
Die Verweigerung des direkten Gesprächs erhöhte das Risiko zu Missverständnissen signifikant. Aber es kam schlimmer! Die US-Beauftragen verbogen die Worte beider Parteien, wenn es ihnen wichtig erschien und machten sich zu Bittstellern zu einem Erfolg, der auf keiner Seite wirklich möglich war.
Die US-Vermittler
Sie haben es m. E. sträflich versäumt, die angedeuteten Konzessionen beider Seiten zur Zeit ihrer Erwähnung bis in die maximale Tiefe auszuloten und den Repräsentanten angemessen zuzuhören. Stattdessen handelten sie mit Schlagworten, die sie nach eigenem Ermessen auch noch manipulierten. So wie die Verhandelnden auch. Dadurch wurden sie zu Bittstellern anstelle der harten Vermittler, als die sie hätten auftreten sollen. Im Falle unangemessener mangelnder Flexibilität, trotz maximaler Geduld, hätte man den Ansprechpartner direkt verabschieden sollen. Verhandlungen über Leben und Tod, bzw. die Zukunft zweier Völker sind keine Veranstaltung für trotzige Rotznasen, sondern Aufträge für verantwortungsbewusste Staatsmänner.
Die, trotz klarer Vorabsignale, grobe Fehleinschätzung der Situation im Nahen Osten sowie die Positionen beider Völker ließ die USA als Vermittler maximal schlecht aussehen.
Intensive Vorgespräche mit beiden Seiten hätten einen Erfolg wahrscheinlicher machen können oder aber allen an Camp David II Beteiligten eine Blamage erspart.
Die palästinensische Seite
Arafats Ausgangslage war noch schlechter, als die Baraks. Arafat machte sich keine erkennbaren Gedanken zur politischen Zukunft, aber auch keine Illusionen. Ihm schien es mehr um die Wertschätzung seiner Person zu gehen. Wie Barak auch, deutete er mögliche Zusagen an, die aber nie kamen. Während Camp David II war er nicht nur körperlich, sondern auch politisch nur noch ein Schattenbild ohne große Bedeutung. Seine Macht reichte kaum noch über die engsten Anhänger im direkten Umfeldes hinaus. Ich glaube nicht, dass er über das infernalische Selbstmordattentat der Hamas, welches wie eine Bombe in die Verhandlungsphase einschlug, informiert war. Dieses Attentat führte zur Eroberung seines Amtssitzes durch die Israelis und dem Hausarrest, weil die Israelis es fälschlicher Weise gleichzeitig als Beweis für seine hoffnungslose Orientierung zum islamistischen Terror werteten. Wobei Israels Irrtum eher auf die Annahme zu treffend war, Arafat habe mit dem Attentat zu tun, als auf dessen Verbindung zum islamistischen Terror.
Den starken Hinweis darauf, das Arafat um die Gunst von Islamisten buhlte, lieferte Arafat selbst, während eines unbedachten Interviews in Camp David, als er sinngemäß sagte: „was interessiert mich die Teilung Jerusalems? Ich will den Tempelberg!“ Er gab in weiteren Worten zu verstehen, dass er von palästinensischer Seite keine Chance zur Akzeptanz für einen Tempelberg unter israelischer Kontrolle sah! Selbst die örtlich geteilte Verantwortung, so Arafat, sei inakzeptabel.
Die Schlussfolgerung wurde auch durch Arafats Ausflüchte bekräftig, als die US-Administration ihn in seinem abgeriegelten Hauptquartier in Ramalah aufforderte, dafür zu sorgen, dass die Selbstmordanschläge sofort aufhörten. Arafat verärgerte seinen Besucher, in dem er den Israelis und dem Hausarest die Schuld an seiner Machtlosigkeit aufzubürden versuchte. Als müsse er mit einem Dienstwagen persönlich bei jedem Islamisten vorsprechen. Er versuchte seine Machtlosigkeit zu überspielen, denn Kameras wurden Zeuge, wie er vor dem US-Besuch dafür sorgte, dass seine Vertrauten draußen sind - "Wo er sie brauchte", so sagte es Arafat. Passend dazu hatte die PLO seit Gründung der radikal islamistischen Hamas erheblich an Einfluss eingebüßt. Er hätte nichts verhindern können, so wie er die in Camp David in Aussicht gestellten Antworten auf wichtige Fragen nicht liefern konnte! Er war längst zu einer Legende mit sehr geringem Einfluss geworden und hatte erklärt, eher Ost-Jerusalem abgeben zu wollen, als auch nur einen Teil der Kontrolle über den Tempelberg.
Das Resümee
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche muslimische Klientel sich für eine Teilung Jerusalems und für die Teilung der Hoheit über den Tempelberg entscheiden täte, und welche zu Gunsten der vollen Herrschaft über den Tempelberg auf die Teilung Jerusalems verzichten täte! Immerhin der wiederholte Ausgangspunkt für künstlich herauf beschworener, blutiger Aufstände. Auch mal nach plumper israelischer Steilvorlage. Auf die Unterstützung der letzteren Klientel hoffte Arafat gemäß den eigenen Erklärungen. Und die setzt sich ohne jeden Zweifel aus radikal islamistischen Gruppen zusammen. Allen voran, die Hamas, als bekannter Saboteur von Camp David II.
Unterm Strich kam ich nun zu dem Schluss, dass die Israelis sehr wohl an einer tragfähigen Übereinkunft mit den Palästinensern interessiert sind. Nur braucht es einen Verhandlungspartner, der von einer breiten Mehrheit des Volkes gewählt wurde, dessen Wort also im Volk Gewicht hat, und dem keine radikal islamistischen Stigmata anhängen. Jemanden, der bereit ist, Schritt um Schritt zu machen und selbst die detailliert und verlässlich zu klären.
Eine Wahl, aus der die Hamas gestärkt hervorginge, wäre der GAU für den palästinensischen Staat, weil es unter deren Führung weder einen Staat noch eine breite internationale Unterstützung gäbe. Von den traditionellen Islamisten und Antisemiten abgesehen.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass eine Lösung des Palästina-Konfliktes nur funktionieren kann, wenn die Verhandlungen ausschließlich zwischen Palästinensern und Israelis stattfänden. Das hieße, keine Einmischung seitens Dritter und keine Verquickung der Verhandlungen mit Umständen, die kein israelisch- palästinensisches Problem sind. Z. B. die Golanhöhen. Sie sind Teil eines anderen Konfliktes zwischen Syrien und Israel.
Ohne diese oder ähnliche Voraussetzungen sehe ich ein stetig wachsendes Israel, in dem es immer weniger Raum für radikal islamistische Terrorgruppen geben wird. Ein Land, in dem deren Wirken von allen Bürgern vergleichbar abartig empfunden wird, wie heute in jeder europäischen Großstadt. So dürfte es kommen, wenn die Beteiligten an kommenden Verhandlungen sich vergleichbar naiv und durchschaubar gäben, wie während der Verhandlungen zu Camp David II.
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