Entwicklung in Belarus (Weißrussland)
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Entwicklung in Belarus (Weißrussland)
Aus Weißrussland - und zwar offiziell - kommen zur Zeit erstauliche Meldungen, z.B.:
http://finance.yahoo.com/news/belarus-o ... 55338.html
Was soll das bedeuten?
Weißrussland ist das einzige aktuelle Akteur, den ich nicht beurteilen kann. Die USA, die EU, Russland, China und der Ukraine selbst handeln alle so, wie ich mir vorstellen konnte (vorstellen, nicht voraussehen, immerhin bin ich kein Hellseher ).
Mit dem Hintergrund des weißrussischen Politik seit Lukaschenkos Regierung habe ich nicht erwartet, dass er die maximal mögliche Anti-Putin-Politik fährt - unter Berücksichtigung, dass Weißrussland wirtschaftlich total von Russland abhängig ist, es viele russische Truppen im Land gibt und Lukaschenko sich bisher mehr antiwestlich und pro "alte russischen Werte" verhielt als Jeltzin und Putin selbst. Ausserdem wurde das politische Überleben Lukaschenkos in den letzten Jahren massiv von Putin unterstützt.
Auf der anderen Seite wurde Weißrussland wegen Demokratiedefiziten und Verletzung der Menschenrechte durch den Westen sanktioniert.
Warum diese Änderung?
Eigentlich passiert in Weißrussland nichts, das nicht Lukaschenko genehmigt. Aber jetzt haben wir:
- einige erstaunliche Aussagen pro Souveränität der Ukraine,
- Akzeptanz der Ergebnisse des Maidan als Ukrainisches "Problem" (obwohl Vergleichbares in Minsk undenkbar ist),
- vorsichtige Kritik an Putins Imperialismus ("Weißrussland würde sich gegen einen Eindringling auch verteidigen ..."),
- Aktivitäten für den Frieden in der Ukraine (Minsker Verhandlungen),
- heimliche Umgehung der russischen Sanktionen gegen die EU (Weißrussischer Lachs),
- und jetzt dieses Interview zur Zusammenarbeit mit der EU ....
Ich denke dass Lukaschenko tatsächlich einen sehr gefährlichen Kurs fährt , und ich verstehe nicht, warum. Vielleicht fürchtet er das Schicksal von Janukowitch zu erleiden, wenn er keine Neutralitätspolitik fährt. Oder er sieht Putin in der Ukraine beschäftigt und seine Chance, sich aus der russischen Umklammerung zu lösen.
Wer weiß?
Die EU sollte alte Vorbehalte vergessen und so weit neue Beziehungen zu Weißrussland eröffnen, wie diese wollen (Dabei natürlich die demokratischen Sitation nicht vergessen, aber einen Weg der Zusammenarbeit finden).
http://finance.yahoo.com/news/belarus-o ... 55338.html
Was soll das bedeuten?
Weißrussland ist das einzige aktuelle Akteur, den ich nicht beurteilen kann. Die USA, die EU, Russland, China und der Ukraine selbst handeln alle so, wie ich mir vorstellen konnte (vorstellen, nicht voraussehen, immerhin bin ich kein Hellseher ).
Mit dem Hintergrund des weißrussischen Politik seit Lukaschenkos Regierung habe ich nicht erwartet, dass er die maximal mögliche Anti-Putin-Politik fährt - unter Berücksichtigung, dass Weißrussland wirtschaftlich total von Russland abhängig ist, es viele russische Truppen im Land gibt und Lukaschenko sich bisher mehr antiwestlich und pro "alte russischen Werte" verhielt als Jeltzin und Putin selbst. Ausserdem wurde das politische Überleben Lukaschenkos in den letzten Jahren massiv von Putin unterstützt.
Auf der anderen Seite wurde Weißrussland wegen Demokratiedefiziten und Verletzung der Menschenrechte durch den Westen sanktioniert.
Warum diese Änderung?
Eigentlich passiert in Weißrussland nichts, das nicht Lukaschenko genehmigt. Aber jetzt haben wir:
- einige erstaunliche Aussagen pro Souveränität der Ukraine,
- Akzeptanz der Ergebnisse des Maidan als Ukrainisches "Problem" (obwohl Vergleichbares in Minsk undenkbar ist),
- vorsichtige Kritik an Putins Imperialismus ("Weißrussland würde sich gegen einen Eindringling auch verteidigen ..."),
- Aktivitäten für den Frieden in der Ukraine (Minsker Verhandlungen),
- heimliche Umgehung der russischen Sanktionen gegen die EU (Weißrussischer Lachs),
- und jetzt dieses Interview zur Zusammenarbeit mit der EU ....
Ich denke dass Lukaschenko tatsächlich einen sehr gefährlichen Kurs fährt , und ich verstehe nicht, warum. Vielleicht fürchtet er das Schicksal von Janukowitch zu erleiden, wenn er keine Neutralitätspolitik fährt. Oder er sieht Putin in der Ukraine beschäftigt und seine Chance, sich aus der russischen Umklammerung zu lösen.
Wer weiß?
Die EU sollte alte Vorbehalte vergessen und so weit neue Beziehungen zu Weißrussland eröffnen, wie diese wollen (Dabei natürlich die demokratischen Sitation nicht vergessen, aber einen Weg der Zusammenarbeit finden).
Почему, Россия? (Warum, Russland?)
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ganz einfach. Lukaschenko befürchtet, dass Weissrussland von Putin demnächst in Neurussland 2 umbenannt wird.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ja vielleicht schon - aber fördert er das mit seiner aktuellen Politik nicht ?Marcin » Fr 14. Nov 2014, 09:24 hat geschrieben:Ganz einfach. Lukaschenko befürchtet, dass Weissrussland von Putin demnächst in Neurussland 2 umbenannt wird.
Und wollte er das über die letzten 20 nicht so haben und Jeltzin und Putin haben abgewunken, weil er Ihnen zu gefährlich war?
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Eine wirkliche Richtungswechsel von Lukaschenko wird es nicht geben.
Zwischen Russland und Weissrussland gibt es ab und zu Spannungen. So eng sind die Beziehungen nicht, wie der Threadersteller andeuten will.
Aber Weissrussland ist eine autoritärer Staat, westliche Werte sind der Regierung fremd, allerdings ist man auf Russland angewieseen, wegen der wirtschaftlichen Verflechtung. Das Land kann auch so kaum überleben. Macht Putin die Grenze dicht, sind die innerhalb einer Woche am verhungern.
Zwischen Russland und Weissrussland gibt es ab und zu Spannungen. So eng sind die Beziehungen nicht, wie der Threadersteller andeuten will.
Aber Weissrussland ist eine autoritärer Staat, westliche Werte sind der Regierung fremd, allerdings ist man auf Russland angewieseen, wegen der wirtschaftlichen Verflechtung. Das Land kann auch so kaum überleben. Macht Putin die Grenze dicht, sind die innerhalb einer Woche am verhungern.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich war zuletzt im April 2012 in Minsk, schönes Land.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Spätestens seit dem "Gasstreit" vor ein paar Jahren sind die Beziehungen schlecht.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich gehe ja mit Deinen Aussagen (auch in dem vorherigen Post konform), habe dann aber eine ketzerische Frage:garfield336 » Fr 14. Nov 2014, 09:43 hat geschrieben:Spätestens seit dem "Gasstreit" vor ein paar Jahren sind die Beziehungen schlecht.
Kann sich Lukaschenko schlechte Beziehungen zu Russland überhaupt leisten?
Seine Position ist doch noch schlechter als die der Ukraine, zumal er im Westen als "Schmuddelkind" gilt, stärker noch als Janukowitsch war.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Deshalb mein Letzter Satz vorhin.Europa2050 » Fr 14. Nov 2014, 09:49 hat geschrieben: Ich gehe ja mit Deinen Aussagen (auch in dem vorherigen Post konform), habe dann aber eine ketzerische Frage:
Kann sich Lukaschenko schlechte Beziehungen zu Russland überhaupt leisten?
Seine Position ist doch noch schlechter als die der Ukraine, zumal er im Westen als "Schmuddelkind" gilt, stärker noch als Janukowitsch war.
Macht Putin die Grenze dicht, verhungert die Weissrussen innerhalb weniger Wochen. und "verhungern" meine ich hier wörtlich!
Lukaschenko sucht sich deshalb Partner in Lateinamerika. Aber die werden niemals Russland als Wirtschaftspartner ersetzen können.
Chavez wurde seinerzeit dort sehr verehrt. Kommunisten sind halt gerne unter sich.
Zuletzt geändert von garfield336 am Fr 14. Nov 2014, 10:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Natürlich will Weissrussland unabhängiger von Russland werden, das wollen sie schon seit langer Zeit.
Leider fehlen ihnen die Partner dazu. Der Westen (also die EU), verbindet mit einer engeren Partnerschaft immer auch Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Die wird ist aber dort nicht geben, das ist in weiter Entfernung. Eine Revolution wie auf dem Maidan sehe ich da nicht kommen.
Jedenfalls nicht in den nächsten 5 Jahren.
Lukaschenko hat sein Land fest im Griff.
Aber fest steht auch, das Land ist wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Sie sind auf Energieimporte und Lebensmittelimporte angewiesen und haben selbst kaum das Geld für diese Importe zu zahlen.
In grossen Teilen Weissrussland liegt die Landwirtschaft noch immer brach. Sie neuzubeleben wird auch ein Schlüssel dazu sein, wieder wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Aber das wird schwierig, denn es scheitert daran, dass die Menschen eine Kartoffel mit Stempel "Made in Belarus" wohl unweigerlich mit Chernobyl verbinden werden. Auch nach 30 Jahren hat sich das Land nicht von dieser Katastrophe erholt.
Das Land ist nach wievor auf Hilfslieferungen angewiesen,
Wenn sich die EU, dieses kapute Land ans Bein bindet, dann wird das finanziell kein Schnäppchen.
Leider fehlen ihnen die Partner dazu. Der Westen (also die EU), verbindet mit einer engeren Partnerschaft immer auch Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Die wird ist aber dort nicht geben, das ist in weiter Entfernung. Eine Revolution wie auf dem Maidan sehe ich da nicht kommen.
Jedenfalls nicht in den nächsten 5 Jahren.
Lukaschenko hat sein Land fest im Griff.
Aber fest steht auch, das Land ist wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Sie sind auf Energieimporte und Lebensmittelimporte angewiesen und haben selbst kaum das Geld für diese Importe zu zahlen.
In grossen Teilen Weissrussland liegt die Landwirtschaft noch immer brach. Sie neuzubeleben wird auch ein Schlüssel dazu sein, wieder wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Aber das wird schwierig, denn es scheitert daran, dass die Menschen eine Kartoffel mit Stempel "Made in Belarus" wohl unweigerlich mit Chernobyl verbinden werden. Auch nach 30 Jahren hat sich das Land nicht von dieser Katastrophe erholt.
Das Land ist nach wievor auf Hilfslieferungen angewiesen,
Wenn sich die EU, dieses kapute Land ans Bein bindet, dann wird das finanziell kein Schnäppchen.
Zuletzt geändert von garfield336 am Fr 14. Nov 2014, 10:36, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Haufen Halbwahrheiten.
Lukaschenko hat das weiche Vorgehen Janukowitschs ebenfalls kritisiert sowie die Maßnahmen der gegenwärtigen ukrainischen regierung in der Ostukraine, verurteilt.
Wenn Russland die Grenzen dicht macht, verhungert keiner in Weißrussland. Weißrussland exportiert Lebensmittel in großen Still nach Russland und gerade wird die Produktion erhöht um in die Lücken zu springen, die die Sanktionen gegen Europa verursachen.
Lukaschenko hat das weiche Vorgehen Janukowitschs ebenfalls kritisiert sowie die Maßnahmen der gegenwärtigen ukrainischen regierung in der Ostukraine, verurteilt.
Wenn Russland die Grenzen dicht macht, verhungert keiner in Weißrussland. Weißrussland exportiert Lebensmittel in großen Still nach Russland und gerade wird die Produktion erhöht um in die Lücken zu springen, die die Sanktionen gegen Europa verursachen.
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Und wieder Schönrednereien.
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Gerade wird Lukashenko in vielen Medien ein Sinneswandel nachgesagt, welche ihn vor Jahren als einen der schlimmsten Autokraten in Europa dargestellt haben. Europäer können gerade nicht genung Verbündete gegen Russland auftreiben. Da wird schon mal in der eu-Presse einiges "schöngeredet". Richtig erkannt.zollagent » Fr 14. Nov 2014, 12:54 hat geschrieben:Und wieder Schönrednereien.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Natürlich ist Lukaschenko nach wie vor Autokrat erster Güte, und Weißrussland das letzte verbliebene Relikt der UdSSR. Und die Aktion mit dem Saulus und dem Paulus kommt auch nicht so oft vor, insbesondere, da er ja auch schon darauf hingearbeitet hat, seinem Sohn (Nordkorea stile mässig) ein Land als Erbe zu hinterlassen. Und für dumm halte ich ihn auch nicht, sonst wäre er nicht da, wo er ist.Ikarus » Fr 14. Nov 2014, 13:04 hat geschrieben:Gerade wird Lukashenko in vielen Medien ein Sinneswandel nachgesagt, welche ihn vor Jahren als einen der schlimmsten Autokraten in Europa dargestellt haben. Europäer können gerade nicht genung Verbündete gegen Russland auftreiben. Da wird schon mal in der eu-Presse einiges "schöngeredet". Richtig erkannt.
Aber gerade deshalb ist mir die aktuelle Aussenpolitik so unklar. Wer fährt denn so einen Harakirikurs um zwischen dem Machtanspruch Putins und dem Demokratisierungsanspruch der EU aufgerieben zu werden?
Da ist doch was faul im Staate Belarus
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Er ist ein diktator und das wird nirgendwo verschwiegen.Ikarus » Fr 14. Nov 2014, 14:04 hat geschrieben:
Gerade wird Lukashenko in vielen Medien ein Sinneswandel nachgesagt, welche ihn vor Jahren als einen der schlimmsten Autokraten in Europa dargestellt haben. Europäer können gerade nicht genung Verbündete gegen Russland auftreiben. Da wird schon mal in der eu-Presse einiges "schöngeredet". Richtig erkannt.
Das problem hat wohl eher putin. Nichtmal die treuesten verbündeten diktatoren, die letzten 2 mitglieder seiner "eurasischen union"... nichtmal die trauen putin noch.
Diese extreme isolation ist der preis für die krim. Vom für russland ruinösen ölpreis mal abgesehen.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Am 9. August finden in Weißrussland Präsidentschaftswahlen statt. Anders als in den Jahren zuvor sprechen Experten von einer Wechselstimmung. Stürzt Lukaschenko?
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Durch Wahlen?Rautenberger hat geschrieben:(04 Jul 2020, 21:42)
Am 9. August finden in Weißrussland Präsidentschaftswahlen statt. Anders als in den Jahren zuvor sprechen Experten von einer Wechselstimmung. Stürzt Lukaschenko?
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Durch Wahlen oder einen Aufstand nach einer gefälschten Wahl. Solange das Volk einen Autokraten mehrheitlich stützt oder es gelingt, alle aussichtsreichen Gegenkandidaten schon weit im Voraus aus dem Weg zu räumen, sind Wahlen logischerweise kein großes Problem, wenn das nicht der Fall ist, wirds für solche Regime lebensgefährlich. Anders als in den vergangenen 26(!) Jahren von Lukaschenkos Präsidentschaft soll es dieses Mal eine echte Wechselstimmung geben. Um Lukaschenko nochmal zum Sieg zu verhelfen, wären dieses Mal also massivste Eingriffe und Manipulationen notwendig. Je mehr und je dreister manipuliert werden muss, desto größer wird die Gefahr, dass Eliten und Beamte ins grübeln kommen und sich vielleicht weigern, das weiter mitzumachen. Wenn man den richtigen Zeitpunkt zum Absprung verpasst, kann einem das schließlich nach einer Revolution massiv auf die Füße fallen... Keine Ahnung, was passieren wird. Auf jeden Fall wird's interessant.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich denke nein. Der aktuelle Lebensstandard lässt sich mit Revoluzzer-Kapriolen nicht halten. Tritt Lukaschenko wieder an, dann wird er auch gute Aussichten auf die Mehrheit haben. Wenn Russland nicht einen Gegenkandidaten materiell unterstützt, hat er keine Sorgen.Rautenberger hat geschrieben:(04 Jul 2020, 21:42)
Am 9. August finden in Weißrussland Präsidentschaftswahlen statt. Anders als in den Jahren zuvor sprechen Experten von einer Wechselstimmung. Stürzt Lukaschenko?
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Davon gehe ich auch aus. Lukaschenka ist es im Gegensatz zu vielen anderen Autokraten gelungen, eben nicht aufgrund der Machtfülle und der unvermeidlichen „Jasager“ im Inneren größenwahnsinnig zu werden.imp hat geschrieben:(05 Jul 2020, 22:47)
Ich denke nein. Der aktuelle Lebensstandard lässt sich mit Revoluzzer-Kapriolen nicht halten. Tritt Lukaschenko wieder an, dann wird er auch gute Aussichten auf die Mehrheit haben. Wenn Russland nicht einen Gegenkandidaten materiell unterstützt, hat er keine Sorgen.
Er hat Putin auf Distanz gehalten, im Ukraine-Konflikt eine anerkannte Vermittlerrolle gespielt, mit der EU einen Modus Vivendi gefunden. Nachbar Polen gibt momentan auch kein pluralistisch demokratisches Vorbild ab und ist unter der PIS auch von der ULB-Doktrin abgerückt, wird zudem in Belarus auch nicht so als Vorbild gesehen, wie in der Ukraine. Zu der pflegt Lukaschenka ein entspanntes Verhältnis.
Wirtschaftlich könnte es besser laufen, nur sind die Voraussetzungen in Belarus nicht wirklich prickelnd und mit der Ukraine kann man sich allemal vergleichen. Hier hätten ein prosperierendes Polen und Litauen evtl. Sogwirkung, aber dort ist es auch ruhiger geworden.
Bei Corona hat Lukaschenka total daneben gelegen, das hat auch zu Kritik geführt, aber da ist er ja bekanntlich nicht der einzige.
Weitere große Böcke hat er eigentlich nicht geschossen, deshalb glaube ich eher nicht an eine Wechselstimmung.
Die „schützt die Errungenschaften aus der Befreiung von den Nazis“-Karte hat er letztens auch gespielt, wobei sich die Verbalakrobatik gegenüber dem heutigen Deutschland (im Gegensatz zu manch anderen... gell Herr Duda) eher in Grenzen hält. Ich glaube aber auch nicht, dass man im heutigen Belarus mit instrumentalisierter Deutschfeindlichkeit viel gewinnen kann.
Undemokratische Maßnahmen, wie das Wegsperren von Oppositionskandidaten sind wohl eher der Autokratenmanie geschuldet, dass Wahlen unter 99% irgendwie schlecht seien. Da ist Lukaschenka kein Gramm besser, als die anderen...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Das reale heutige Deutschland ist für die Menschen in Minsk nicht nur geographisch sondern auch lebensweltlich viel weiter weg als für die Unionsbürger in Lodz und Stettin. Sich daran abzuarbeiten, hat keine interessante Perspektive. Der Wohlstand in Belarus hat sich über die vergangenen Jahrzehnte im Vergleich zur Ukraine gut erhalten können, aber die Basis dessen erodiert. Für die Zukunft hat die Ukraine, genau wie Russland, alle Basis, sich zu verbessern und da ist die Frage, in welcher Nische das Belarus gelingen kann. Ohne tragfähige Partnerschaften wird es sehr schwer.Europa2050 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 08:32)
Davon gehe ich auch aus. Lukaschenka ist es im Gegensatz zu vielen anderen Autokraten gelungen, eben nicht aufgrund der Machtfülle und der unvermeidlichen „Jasager“ im Inneren größenwahnsinnig zu werden.
Er hat Putin auf Distanz gehalten, im Ukraine-Konflikt eine anerkannte Vermittlerrolle gespielt, mit der EU einen Modus Vivendi gefunden. Nachbar Polen gibt momentan auch kein pluralistisch demokratisches Vorbild ab und ist unter der PIS auch von der ULB-Doktrin abgerückt, wird zudem in Belarus auch nicht so als Vorbild gesehen, wie in der Ukraine. Zu der pflegt Lukaschenka ein entspanntes Verhältnis.
Wirtschaftlich könnte es besser laufen, nur sind die Voraussetzungen in Belarus nicht wirklich prickelnd und mit der Ukraine kann man sich allemal vergleichen. Hier hätten ein prosperierendes Polen und Litauen evtl. Sogwirkung, aber dort ist es auch ruhiger geworden.
Bei Corona hat Lukaschenka total daneben gelegen, das hat auch zu Kritik geführt, aber da ist er ja bekanntlich nicht der einzige.
Weitere große Böcke hat er eigentlich nicht geschossen, deshalb glaube ich eher nicht an eine Wechselstimmung.
Die „schützt die Errungenschaften aus der Befreiung von den Nazis“-Karte hat er letztens auch gespielt, wobei sich die Verbalakrobatik gegenüber dem heutigen Deutschland (im Gegensatz zu manch anderen... gell Herr Duda) eher in Grenzen hält. Ich glaube aber auch nicht, dass man im heutigen Belarus mit instrumentalisierter Deutschfeindlichkeit viel gewinnen kann.
Undemokratische Maßnahmen, wie das Wegsperren von Oppositionskandidaten sind wohl eher der Autokratenmanie geschuldet, dass Wahlen unter 99% irgendwie schlecht seien. Da ist Lukaschenka kein Gramm besser, als die anderen...
Corona war tatsächlich ein Desaster, aber da haben auch Putin, Trump, Bolsonaro und andere bisher eher eine schlechte Figur gemacht und die Fähigkeit des Landes, so wie Deutschland mal eben sehr geordnet und unter großen Kosten monatelang in den Schlafmodus zu gehen ist vielleicht einfach nicht gegeben. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls steht man als großer Narr da, wenn man ein weltweit grassierendes Virus zuhause wegerklärt und dann trotzdem in merklichen Zahlen Tote und Kranke vorweist, die man sonst um die Jahreszeit nicht hat.
Die gewisse Erstarrung des Landes kann in der Jugend zu Desillusionierung, innerer Ablehnung führen. Die große Klammer, für die ganz Alten der Weltkrieg und für die Jüngeren die halbwegs überstandenden 90er, das sind Themen, die - ähnlich der Revolutionszeit in Kuba - für die Jüngeren zunehmend zu einer tausendmal gehörten Fabel wird, zu der sie zwischen Instergramm und Twitter kaum eigene Bezug haben. Das hat vielleicht einige Ähnlichkeit zur Spätphase der DDR. Lukaschenko muss eine Wachstumsperspektive finden und auf dieser Basis auch gesellschaftliche Reformen erlauben. Anderenfalls ist sein Staatsmodell, nicht nur seine persönliche Herrschaft, akut in der Krise. Ohne eine gewisse Anlehnung an Russland, Kina oder - unwahrscheinlicher - die EU kann dieser Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft kaum gelingen. Derweil fressen die Kredite, Wandelanleihen, Unternehmensbeteiligungen Russlands an den Staatskonzernen sich immer tiefer in die Autonomie. Deshalb meine ich, das Land ist am Scheideweg.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich glaube, da täuschst du dich. Lukaschenka muss nicht nur befürchten, dass er kein "schönes Ergebnis" bekommt - er muss um seine Macht fürchten! In vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion findet im Moment ein Generationswechsel statt. Die jungen Leute erwarten und fordern mehr von ihren Regierungen als die älteren, die noch von der Sowjetunion geprägt sind. Sie wollen Veränderungen, die es mit den alten Langzeitherrschern wie Putin und Lukaschenka nicht geben wird. Das Regime ist auffallend nervös, nervöser als bei den vorangegangenen Wahlen. Die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen wurde untersagt, gegen Oppositionskandidaten werden hektisch Strafverfahren konstruiert. Wären diese Kandidaten ungefährlich für das Regime, könnte man sie zulassen. Mir sieht es sehr danach aus, dass sich da - vielleicht auch im Zusammenhang mit Corona - eine Dynamik entwickelt hat, mit der man nicht gerechnet hatte. Ansonsten wäre man doch sehr viel früher gegen mögliche Konkurrenten vorgegangen.Europa2050 hat geschrieben:(07 Jul 2020, 08:32)
Undemokratische Maßnahmen, wie das Wegsperren von Oppositionskandidaten sind wohl eher der Autokratenmanie geschuldet, dass Wahlen unter 99% irgendwie schlecht seien. Da ist Lukaschenka kein Gramm besser, als die anderen...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Lukaschenko-Rivale von Präsidentschaftskandidatur in Belarus ausgeschlossen
Die belarussische Wahlkommission hat den wichtigsten politischen Rivalen von Präsident Alexander Lukaschenko, den Geschäftsmann Viktor Babaryko, von einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im August ausgeschlossen. Die Kommission stimmte am Dienstag einstimmig gegen die Zulassung Babarykos, nachdem die Vorsitzende des Gremiums eine Reihe von Vorwürfen gegen den Oppositionspolitiker verlesen hatte, darunter Steuerdelikte und die Annahme ausländischer Unterstützung für seine Wahlkampagne
Babaryko war im Juni wegen angeblicher Finanzdelikte festgenommen worden. Zuvor hatte er mehr als 100.000 Stimmen für seine Präsidentschaftskandidatur gesammelt. Menschenrechtsorganisationen hatten die Strafverfolgung Babarykos als politisch motiviert kritisiert.
Der 56-jährige Ex-Banker gilt als einflussreichster politischer Rivale von Präsident Lukaschenko, der sich bei der Wahl am 9. August um eine sechste Amtszeit bewirbt. Trotz steigender Infektionszahlen mit dem neuartigen Coronavirus in Belarus hat Lukaschenko eine Verschiebung der Wahl kategorisch ausgeschlossen.
Die Wahlkommission schloss am Dienstag auch den ehemaligen belarussischen Botschafter in den USA, Valery Zepkalo, von der Präsidentschaftskandidatur aus. Sie begründete dies damit, dass Zepkalo nicht genügend Unterschriften von Anhängern eingesammelt habe. Als Kandidatin zugelassen wurde dagegen unerwartet die Frau des inhaftierten Video-Bloggers Sergej Tichanowsky, Swetlana Tichanowskaja. Ursprünglich hatte sich Tichanowsky als Präsidentschaftskandidat beworben.
Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 mit eiserner Faust. Die Ergebnisse der vergangenen vier Präsidentschaftswahlen wurden von den Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wegen Betrugs und Einschüchterungen nicht anerkannt.
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... r-BB16IuDX
Lukaschenko macht das Rennen
Die belarussische Wahlkommission hat den wichtigsten politischen Rivalen von Präsident Alexander Lukaschenko, den Geschäftsmann Viktor Babaryko, von einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im August ausgeschlossen. Die Kommission stimmte am Dienstag einstimmig gegen die Zulassung Babarykos, nachdem die Vorsitzende des Gremiums eine Reihe von Vorwürfen gegen den Oppositionspolitiker verlesen hatte, darunter Steuerdelikte und die Annahme ausländischer Unterstützung für seine Wahlkampagne
Babaryko war im Juni wegen angeblicher Finanzdelikte festgenommen worden. Zuvor hatte er mehr als 100.000 Stimmen für seine Präsidentschaftskandidatur gesammelt. Menschenrechtsorganisationen hatten die Strafverfolgung Babarykos als politisch motiviert kritisiert.
Der 56-jährige Ex-Banker gilt als einflussreichster politischer Rivale von Präsident Lukaschenko, der sich bei der Wahl am 9. August um eine sechste Amtszeit bewirbt. Trotz steigender Infektionszahlen mit dem neuartigen Coronavirus in Belarus hat Lukaschenko eine Verschiebung der Wahl kategorisch ausgeschlossen.
Die Wahlkommission schloss am Dienstag auch den ehemaligen belarussischen Botschafter in den USA, Valery Zepkalo, von der Präsidentschaftskandidatur aus. Sie begründete dies damit, dass Zepkalo nicht genügend Unterschriften von Anhängern eingesammelt habe. Als Kandidatin zugelassen wurde dagegen unerwartet die Frau des inhaftierten Video-Bloggers Sergej Tichanowsky, Swetlana Tichanowskaja. Ursprünglich hatte sich Tichanowsky als Präsidentschaftskandidat beworben.
Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 mit eiserner Faust. Die Ergebnisse der vergangenen vier Präsidentschaftswahlen wurden von den Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wegen Betrugs und Einschüchterungen nicht anerkannt.
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... r-BB16IuDX
Lukaschenko macht das Rennen
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Da wird sich das Ausland in den Arsch beißen. Nicht, dass ich den Vorgang gutheiße - die Ära Lukaschenko ist an ihrem Ende und wenn in einem echten Stimmungstest noch eine Amtszeit rauskäme (wahrscheinlich) dann wäre es hoffentlich erstens die letzte und zweitens keine volle. Jedoch muss man sagen: Personalien sind nie alternativlos, politische Kurse sind aber manchmal begründet.Audi hat geschrieben:(14 Jul 2020, 19:27)
Lukaschenko-Rivale von Präsidentschaftskandidatur in Belarus ausgeschlossen
Die belarussische Wahlkommission hat den wichtigsten politischen Rivalen von Präsident Alexander Lukaschenko, den Geschäftsmann Viktor Babaryko, von einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im August ausgeschlossen. Die Kommission stimmte am Dienstag einstimmig gegen die Zulassung Babarykos, nachdem die Vorsitzende des Gremiums eine Reihe von Vorwürfen gegen den Oppositionspolitiker verlesen hatte, darunter Steuerdelikte und die Annahme ausländischer Unterstützung für seine Wahlkampagne
Da kannst du aber einen drauf lassen.Menschenrechtsorganisationen hatten die Strafverfolgung Babarykos als politisch motiviert kritisiert.
Kennst du dich da aus? Ist das eine echte Kandidatin oder nur "die Frau von"?Als Kandidatin zugelassen wurde dagegen unerwartet die Frau des inhaftierten Video-Bloggers Sergej Tichanowsky, Swetlana Tichanowskaja. Ursprünglich hatte sich Tichanowsky als Präsidentschaftskandidat beworben.
Er hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne diesen Eingriff gewonnen. Es dürfte schwer werden, jetzt noch ein Ergebnis bei der EU vorzeigbar zu machen. Jetzt ist die Frage nur noch: Wer bringt die Kredite für die nächsten Jahre? Russland? Kina? Beide?Lukaschenko macht das Rennen
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Da bin ich mir nicht so sicher. Die Opposition sollte jetzt zur Wahl eines Kandidaten oder eine Kandidatin aufrufen. Ich vermute, dass Swetlana Tichanowskaja die besten Chancen hätte. Natürlich werden sie Lukaschenka ein schönes Ergebnis zurechtfälschen, aber es macht einen großen Unterschied, ob man ein Ergebnis von 55 auf 70, von 45 auf 60 oder aber von 30 auf 55 % fälscht. Die Weißrussen werden sich nicht alles bieten lassen. Es könnte nach der Wahl zum Knall kommen. Ich vermute, dass Lukaschenkos Zustimmungswerte - anders als bei vorherigen Wahlen - jetzt weit unter 50% liegen und ich bezweifle, dass man sich als Autokrat mit so schlechten Zustimmungswerten in einem europäischen Land lange an der Macht halten kann.Audi hat geschrieben:(14 Jul 2020, 19:27)
Lukaschenko macht das Rennen
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Es gab heute hunderte Festnahmen. Laut kukaschenko wird es keine Revolution geben
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Es gibt da leider keine Anzeichen, dass die Leute da in irgendwen Hoffnungen setzen und allein für ein weg mit dem Amtsinhaber dürfte eher ein Minderheitenpublikum sein.Audi hat geschrieben:(15 Jul 2020, 16:46)
Es gab heute hunderte Festnahmen. Laut kukaschenko wird es keine Revolution geben
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Schon mal was von Babariko oder Tichanowskaja gehört? Vielleicht informierst du dich erstmal bevor du hier völlig ahnungslos draufloskommentierst.imp hat geschrieben:(15 Jul 2020, 16:49)
Es gibt da leider keine Anzeichen, dass die Leute da in irgendwen Hoffnungen setzen und allein für ein weg mit dem Amtsinhaber dürfte eher ein Minderheitenpublikum sein.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ja, ich kannte die Namen zwar, war aber recht überrascht über die Reportage gestern Abend in den Tagesthemen.Rautenberger hat geschrieben:(23 Jul 2020, 03:09)
Schon mal was von Babariko oder Tichanowskaja gehört? Vielleicht informierst du dich erstmal bevor du hier völlig ahnungslos draufloskommentierst.
Nicht, dass es einem findigen Reporter gelingt, jemand zu finden, der etwas kritisches ins Mikro sagt. Das sagt noch gar nichts.
Aber die Menge und Deutlichkeit und auch dieser Mut ist schon auffällig, in anderen Autokratien sind die Leute eingeschüchterter. Das wirkt schon etwas wie DDR im Frühjahr 1989. Und das obwohl Lukashenka von der Ausstrahlung schon in einer ganz anderen Liga spielt als Honecker seinerzeit.
Aber so souverän, wie er schon war, ist er auch nicht mehr. Seine chauvinistischen Sprüche „Präsident ist nichts für Frauen, das ist anspruchsvoll“ und die Abwertung anderer Länder „Litauen hatte eine Präsidentin, aber die musste sich nur hinstellen und winken, Belarus dagegen ist ein richtiges Land“ könnten von „The Donald“ stammen, da hatte ich dem Alexjandr mehr zugetraut. Zumal er ja in den letzten Jahrzehnten anerkanntermaßen mit mieser Ausgangsposition auch einiges erreicht hat.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Lukaschenka an der Macht bleibt - aber nur zu horrenden Kosten im Sinne einer (womöglich blutigen) Niederschlagung von Protesten und einer weiteren, massiven Verschärfung seines Regimes.
Ich frage mich, welche Rolle Putin spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er keine Vorkehrungen für den Fall eines Umsturzes getroffen hat. Der Kreml wird wohl kaum tatenlos zusehen, sollte Weißrussland der Ukraine folgen und auf Westkurs geraten...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Das kommt drauf an. Lukashenka, der letzte Kommunist Europas und Putins faschistisches Russland teilen sich außer dem Antiliberalismus recht wenig.Rautenberger hat geschrieben:(23 Jul 2020, 13:54)
...
Ich frage mich, welche Rolle Putin spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er keine Vorkehrungen für den Fall eines Umsturzes getroffen hat. Der Kreml wird wohl kaum tatenlos zusehen, sollte Weißrussland der Ukraine folgen und auf Westkurs geraten...
In den Jahren direkt nach Jelzin strebte Lukashenka sogar eine UdSSR 2.0 aus Belarus und Russland an und gab die Pläne erst auf, als Putin seine Macht soweit gesichert hatte, dass er klar machen konnte, wer da der Chef ist. Und Lukashenka ist auch einer der wenigen, denen es regelmäßig gelingt, dem Fuchs Putin auf strategischem Feld Paroli zu bieten. Auf rein persönlicher Ebene würde ich deshalb soweit gehen, die beiden als verfeindet zu betrachten.
Dennoch hätte ich dir bis vor einem Jahr recht gegeben. Inzwischen stelle ich aber bei bei Putin, wie bei so vielen Autokraten, auch fest (Corona!) dass Allmachtstsphantasien über strategisches Kalkül dominieren. Und deshalb das von mir oben geschriebene doch relevant werden könnte.
Mögliches Szenario: Lukashenka gewinnt mit Wahlbetrug - Demonstrationen - Neuwahlen - Oppositionskandidat führt nach erster Runde - Putin lässt prorussischen Aufstand erzeugen - Umsturz und Angliederung an Russland.
Sieger: Putin
Verlierer1: Lukashenka
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich hörte vor einigen WOchen in einer eigentlich guten und professionellen Sendereihe die ANsicht: Belarus lebe im Prinzip davon, dass es russische Rohstoffe billig bekommt und teuer als Benzin in den Westen verkauft. Das hat mich stutzig gemacht. Ganz verkehrt ist es nicht. Aber dennoch sehr sehr verkürzt.
Belarus ebenso wie Kasachstan sind in gewisser Hinsicht abhängig von Russland und dennoch nicht ganz unmächtig und unselbständig.
Transnistrien ... das ist tatsächlich eine solche mafiöse Petro-Republik von Moskaus Gnaden und letztendlich unter Verwaltung des Sheriff-Konzerns. Nur die Fußball-Bosse von FC Tiraspol dort sind - wie überall in der Welt - noch mächtiger als die Poltiker und Unternehmer.
Belarus ebenso wie Kasachstan sind in gewisser Hinsicht abhängig von Russland und dennoch nicht ganz unmächtig und unselbständig.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Putin hat im Prinzip dasselbe in der Ukraine versucht. Was hat er bekommen? Die Krim und mit Müh und Not einen im Grunde lächerlich kleinen Teil der sonstigen russischsprachigen Ukraine. Die Weißrussen haben von ihrem Diktator Lukaschenka die Schnauze voll. Warum sollten sie sich da sofort wieder für den nächsten Autokraten einspannen lassen?Europa2050 hat geschrieben:(23 Jul 2020, 14:12)
Mögliches Szenario: Lukashenka gewinnt mit Wahlbetrug - Demonstrationen - Neuwahlen - Oppositionskandidat führt nach erster Runde - Putin lässt prorussischen Aufstand erzeugen - Umsturz und Angliederung an Russland.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Belarus ist nicht die Ukraine. Ich weiß nicht, in wie weit Du in der Geschichte der Lubliner Union, der polnischen Teilungen und letztlich der russischen/sowjetischen Okkupation bis hin zu Kurapaty fit bist.Rautenberger hat geschrieben:(23 Jul 2020, 16:05)
Das kann ich mir nicht vorstellen. Putin hat im Prinzip dasselbe in der Ukraine versucht. Was hat er bekommen? Die Krim und mit Müh und Not einen im Grunde lächerlich kleinen Teil der sonstigen russischsprachigen Ukraine. Die Weißrussen haben von ihrem Diktator Lukaschenka die Schnauze voll. Warum sollten sie sich da sofort wieder für den nächsten Autokraten einspannen lassen?
Aber aus dem Viererpärchen Polen-Litauen-Belarus-Ukraine war Bekarus das einzige Land, von dem kein noch so kleiner Teil seit 1794 außerhalb dem russischen Machtbereich lag, wo sich die eigenständige Kultur Belarus erhalten konnte.
Von den Zaren bis Stalin wurde den Belarusiern eingebläut, sie seien Russen und alles was aus dem Westen komme sei Mist. Was die Deutschen im letzten Jahrhundert dann ja auch zweimal und die Polen einmal bestätigt haben....
Dabei war ihre Kultur, durch die Zugehörigkeit zu Litauen seit dem frühen Mittelalter und auch während der Aufklärung mitteleuropäisch geprägt, während die Rusen vom Osten geprägt wurden.
Zudem nutzt sich Lukashenka zwar ab, wandelt sich vom kommunistischen Superman zum schrulligen Opa, aber ob ihn die Masse loswerden will, bin ich mir nicht sicher. In sofern werden die Belarusier mehrheitlich dahin tendieren, wo sie ihre Ruhe haben. Und das kann auch Putin sein, zumal wenn er an die antiwestlichen Resentiments appelliert und mit Rubeln winkt.
Zudem wirkt das nationalistische PIS-Polen an der Westgrenze auch weniger attraktiv, als seinerzeit bei der Ukraine das Welt- und Europaoffene Tusk-Polen...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Damit, dass sich die Ukraine signifikant von Weißrussland unterscheidet, hast du sicher recht. Die Ukrainer haben sich im Gegensatz zu den Weißrussen und anderen Nationen der ehemaligen SU keine Autokratie aufdrücken lassen. Ich bin mir aber absolut nicht sicher, ob die "Stabilitätsliebe" der Weißrussen so weit geht, dass sie sich ihre Unabhängigkeit einfach so abnehmen lassen. Wenn ihnen die Stabilität über alles ginge, könnten sie einfach Lukaschenka behalten, wonach es aber absolut nicht aussieht...Europa2050 hat geschrieben:(23 Jul 2020, 17:39)
Belarus ist nicht die Ukraine. Ich weiß nicht, in wie weit Du in der Geschichte der Lubliner Union, der polnischen Teilungen und letztlich der russischen/sowjetischen Okkupation bis hin zu Kurapaty fit bist.
Aber aus dem Viererpärchen Polen-Litauen-Belarus-Ukraine war Bekarus das einzige Land, von dem kein noch so kleiner Teil seit 1794 außerhalb dem russischen Machtbereich lag, wo sich die eigenständige Kultur Belarus erhalten konnte.
Von den Zaren bis Stalin wurde den Belarusiern eingebläut, sie seien Russen und alles was aus dem Westen komme sei Mist. Was die Deutschen im letzten Jahrhundert dann ja auch zweimal und die Polen einmal bestätigt haben....
Dabei war ihre Kultur, durch die Zugehörigkeit zu Litauen seit dem frühen Mittelalter und auch während der Aufklärung mitteleuropäisch geprägt, während die Rusen vom Osten geprägt wurden.
Zudem nutzt sich Lukashenka zwar ab, wandelt sich vom kommunistischen Superman zum schrulligen Opa, aber ob ihn die Masse loswerden will, bin ich mir nicht sicher. In sofern werden die Belarusier mehrheitlich dahin tendieren, wo sie ihre Ruhe haben. Und das kann auch Putin sein, zumal wenn er an die antiwestlichen Resentiments appelliert und mit Rubeln winkt.
Zudem wirkt das nationalistische PIS-Polen an der Westgrenze auch weniger attraktiv, als seinerzeit bei der Ukraine das Welt- und Europaoffene Tusk-Polen...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ich war zumindest mal Anfang der 80er in Belarus. Was das geschichtliche anbelangt eine Warnung: Bitte nicht das "Massaker von Katyn" ("Катынский расстрел") in Russland in der Nähe von Smolensk mit dem Massaker von "Chatyn" (Хатынь) in Weißrussland verwechseln. Es handelt sich in beiden Fällen um sehr dramatische aber grundsätzlich ganz verschiedene Ereignisse. Beim Masskaer von Chatyn 1942 in Weißrussland handelt es sich um eine Racheaktion der deutschen SS auf die weißrussische Zivilbevölkerung als Antwort auf eine enstprechende Widerstandsaktion von Partisanen. Beim Massaker von Katyn 1940 handelt es sich um Massenerschießungen polnischer Armeeangehöriger auf Befehl Stalins. Bitte: Nicht verwechseln! Das kann zu sehr unangenehmen Missverständnissen führen.Europa2050 hat geschrieben:(23 Jul 2020, 17:39)
Belarus ist nicht die Ukraine. Ich weiß nicht, in wie weit Du in der Geschichte der Lubliner Union, der polnischen Teilungen und letztlich der russischen/sowjetischen Okkupation bis hin zu Kurapaty fit bist.
Ich war Anfang der 80er sowohl in Minsk als auch in der nationalen weißrussischen Gedenkstätte in Хатынь. Ein riesiges, auf Pathos und Gedenken ausgerichtetes Gelände. Was soll ich dazu sagen. Außer vielleicht: Haben deutsche Politiker jemals eigentlich irgendwas entsprechendes zu dem Brandtschen Kniefall gegenüber Belarus von sich gegeben? Nicht dass ich wüsste. Minsk war zumindest Anfang der 80er in meiner Erinnerung eine einzige riesige Plattenbausiedlung mit zwei oder drei historischen Gebäuden als Touristenattraktion. Ergebnis natürlich des 2. WKs. In den Touristenhotels gab es auf den Etagen eine "Deschurnaja", die aufpasste, ob da alles ordnungsgemäß läuft. Unvergesslich ist mir der Abend in der Tanzbar im Hotelfoyer. Irgendwie zwanziger, dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Steif und förmlich. Aber eigentlich auch stylish und interessant im Nachhinein gesehen. Und die ganze Stadt Minsk war voll von unfassbar hübschen und netten Mädels ...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Nein, ich meine das:schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Jul 2020, 20:26)
Ich war zumindest mal Anfang der 80er in Belarus. Was das geschichtliche anbelangt eine Warnung: Bitte nicht das "Massaker von Katyn" ("Катынский расстрел") in Russland in der Nähe von Smolensk mit dem Massaker von "Chatyn" (Хатынь) in Weißrussland verwechseln. Es handelt sich in beiden Fällen um sehr dramatische aber grundsätzlich ganz verschiedene Ereignisse. Beim Masskaer von Chatyn 1942 in Weißrussland handelt es sich um eine Racheaktion der deutschen SS auf die weißrussische Zivilbevölkerung als Antwort auf eine enstprechende Widerstandsaktion von Partisanen. Beim Massaker von Katyn 1940 handelt es sich um Massenerschießungen polnischer Armeeangehöriger auf Befehl Stalins. Bitte: Nicht verwechseln! Das kann zu sehr unangenehmen Missverständnissen führen.
Ich war Anfang der 80er sowohl in Minsk als auch in der nationalen weißrussischen Gedenkstätte in Хатынь. Ein riesiges, auf Pathos und Gedenken ausgerichtetes Gelände. Was soll ich dazu sagen. Außer vielleicht: Haben deutsche Politiker jemals eigentlich irgendwas entsprechendes zu dem Brandtschen Kniefall gegenüber Belarus von sich gegeben? Nicht dass ich wüsste. Minsk war zumindest Anfang der 80er in meiner Erinnerung eine einzige riesige Plattenbausiedlung mit zwei oder drei historischen Gebäuden als Touristenattraktion. Ergebnis natürlich des 2. WKs. In den Touristenhotels gab es auf den Etagen eine "Deschurnaja", die aufpasste, ob da alles ordnungsgemäß läuft. Unvergesslich ist mir der Abend in der Tanzbar im Hotelfoyer. Irgendwie zwanziger, dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Steif und förmlich. Aber eigentlich auch stylish und interessant im Nachhinein gesehen. Und die ganze Stadt Minsk war voll von unfassbar hübschen und netten Mädels ...
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kurapaty
wo Stalin mit der belarusischen Intelligenzia den letzten Rest des kulturellen Belarus vernichtete, den die Zaren noch übrig gelassen hatten.
Aus naheliegenden Gründen gibt es da natürlich keine nationale Gedenkstätte, vielmehr sollte das Gelände nach dem Willen der regierenden Kommunisten unter einer Autobahn und einem Supermarkt verschwinden.
Die deutschen Verbrechen in Belarus, dem Land mit den meisten Opfern des WK2, sind ein anderes, für Belarus nicht minder traumatisches Verbrechen. Hier ging es nicht mehr nur um die kulturelle, sondern die physische Vernichtung Belarus‘.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Siehe auch hier: http://represii.net/en/e_aboutEuropa2050 hat geschrieben:(23 Jul 2020, 20:35)
Nein, ich meine das:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kurapaty
wo Stalin mit der belarusischen Intelligenzia den letzten Rest des kulturellen Belarus vernichtete, den die Zaren noch übrig gelassen hatten.
Aus naheliegenden Gründen gibt es da natürlich keine nationale Gedenkstätte, vielmehr sollte das Gelände nach dem Willen der regierenden Kommunisten unter einer Autobahn und einem Supermarkt verschwinden.
Betreiber dieses Projekts ist die (offiziell nicht registrierte) Belarussische christdemokratische Partei. Projektpartner die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ich bin bei der Beurteilung auch oppositioneller politischer Parteien und Organisationen aus dem postsowjetischen Raum allerdings vorsichtig. Nicht selten, wie z.B. beim aktuellen Fall des verhafteteten Chabarowsker Regionalpolitikers Furgal um Leute, die selbst nocheinmal um einiges fragwürdiger (in dem Fall: rechtspopulistischer) sind als die der offiziellen Regierung in Moskau.
Man sollte auch zum weltbekanntesten Regimekritiker Solschenizyn und seinen Schriften und Äußerungen ein kritisches Verhältnis finden.
Und auch in einem Land wie Georgien, das quasi frontal auf Gegenkurs zu RUssland und auf Pro-Westen liegt, gibt es (wegen der Herkunft des Diktators) einen bizarren Stalinkult.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Sorry, Europa2050, du verwendest immer mal wieder solche und ähnliche Formulierungen wie "Putins faschistisches Russland". Das ist falsch. Dass es in Russland Elemente von Entdemokratisierung und starke Züge einer autokratisch geführten Gesellschaft gibt, bedeutet noch lange nicht, dass das gesamte riesengroße föderale Gebilde Russland faschistisch ist. Mit so einer Kategorisierung verstellt man sich den Blick auf einzelne wirklich faschistoide Tendenzen und Akteure im Land. Letztere näher zu analysieren, fänd ich gut. Aber in Bezug auf das gesamte Russland als Staat sind solche Formulierungen eine unzulässige Pauschalisierung.Europa2050 hat geschrieben:(23 Jul 2020, 14:12)
Das kommt drauf an. Lukashenka, der letzte Kommunist Europas und Putins faschistisches Russland teilen sich außer dem Antiliberalismus recht wenig.
In den Jahren direkt nach Jelzin strebte Lukashenka sogar eine UdSSR 2.0 aus Belarus und Russland an und gab die Pläne erst auf, als Putin seine Macht soweit gesichert hatte, dass er klar machen konnte, wer da der Chef ist. Und Lukashenka ist auch einer der wenigen, denen es regelmäßig gelingt, dem Fuchs Putin auf strategischem Feld Paroli zu bieten. Auf rein persönlicher Ebene würde ich deshalb soweit gehen, die beiden als verfeindet zu betrachten.
Dennoch hätte ich dir bis vor einem Jahr recht gegeben. Inzwischen stelle ich aber bei bei Putin, wie bei so vielen Autokraten, auch fest (Corona!) dass Allmachtstsphantasien über strategisches Kalkül dominieren. Und deshalb das von mir oben geschriebene doch relevant werden könnte.
Mögliches Szenario: Lukashenka gewinnt mit Wahlbetrug - Demonstrationen - Neuwahlen - Oppositionskandidat führt nach erster Runde - Putin lässt prorussischen Aufstand erzeugen - Umsturz und Angliederung an Russland.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Ja, das ist ein seit 1989 zu beobachtendes Phänomen, in das Belarus auch noch schlittern könnte.schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2020, 06:10)
Siehe auch hier: http://represii.net/en/e_about
Betreiber dieses Projekts ist die (offiziell nicht registrierte) Belarussische christdemokratische Partei. Projektpartner die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung.
Ich bin bei der Beurteilung auch oppositioneller politischer Parteien und Organisationen aus dem postsowjetischen Raum allerdings vorsichtig. Nicht selten, wie z.B. beim aktuellen Fall des verhafteteten Chabarowsker Regionalpolitikers Furgal um Leute, die selbst nocheinmal um einiges fragwürdiger (in dem Fall: rechtspopulistischer) sind als die der offiziellen Regierung in Moskau.
Man sollte auch zum weltbekanntesten Regimekritiker Solschenizyn und seinen Schriften und Äußerungen ein kritisches Verhältnis finden.
Und auch in einem Land wie Georgien, das quasi frontal auf Gegenkurs zu RUssland und auf Pro-Westen liegt, gibt es (wegen der Herkunft des Diktators) einen bizarren Stalinkult.
Als Alternative zum abgewirtschafteten „real existierenden Sozialismus“ wird nicht ein liberales Gesellschaftssystem gesehen, sondern ein nationalistisches religiöses gesehen.
Ich sehe als Ursache eine Prägung der Menschen (natürlich nicht jedes Einzelnen sondern einer gesellschaftlich relevanten Gesamtmenge) auf Unterordnung in einer Gesellschaft und antiwestlichen Resentiments.
Bei gleichzeitigem Hass auf den untergegangenen Sozialismus und dessen internationalistischen Ansatz bleibt dann eben Nationalismus bis hin zum Faschismus übrig - in verschiedenen
Ausprägungen von Eisenach bis Wladiwostok.
Solschenizyn als Kritiker und Aufdecker des Stalinismus und des Gulag-Systems hat eine wichtige Rolle gespielt. Dass seine Triebfeder nicht Liberalismus, sondern Iljins Faschismus war, wurde eben erst offenbar, als es möglich wurde, diesen auszuleben.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Innenpolitisch ist Putins Russland weit entfernt vom Faschismus, was sein außenpolitisches Denken angeht, jedoch gar nicht so sehr. In diesem Denken gibt es praktisch verschiedene Kategorien von Völkern: Solche, die ein Recht haben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, und solche, die dieses Recht nicht haben und gefälligst tun sollen, was Moskau ihnen vorschreibt - z. B. die Ukrainer und die Georgier. Man kann das Imperialismus nennen, wenn man schärfer formulieren will aber auch Faschismus (In dem Sinne war der Kolonialismus natürlich auch Faschismus).Selina hat geschrieben:(24 Jul 2020, 06:40)
Sorry, Europa2050, du verwendest immer mal wieder solche und ähnliche Formulierungen wie "Putins faschistisches Russland". Das ist falsch. Dass es in Russland Elemente von Entdemokratisierung und starke Züge einer autokratisch geführten Gesellschaft gibt, bedeutet noch lange nicht, dass das gesamte riesengroße föderale Gebilde Russland faschistisch ist. Mit so einer Kategorisierung verstellt man sich den Blick auf einzelne wirklich faschistoide Tendenzen und Akteure im Land. Letztere näher zu analysieren, fänd ich gut. Aber in Bezug auf das gesamte Russland als Staat sind solche Formulierungen eine unzulässige Pauschalisierung.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
- Führerprinzip (+Ämtervergabe von oben + pseudoreligiöse Überhöhung des Führers)Rautenberger hat geschrieben:(24 Jul 2020, 10:38)
Innenpolitisch ist Putins Russland weit entfernt vom Faschismus, was sein außenpolitisches Denken angeht, jedoch gar nicht so sehr. In diesem Denken gibt es praktisch verschiedene Kategorien von Völkern: Solche, die ein Recht haben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, und solche, die dieses Recht nicht haben und gefälligst tun sollen, was Moskau ihnen vorschreibt - z. B. die Ukrainer und die Georgier. Man kann das Imperialismus nennen, wenn man schärfer formulieren will aber auch Faschismus (In dem Sinne war der Kolonialismus natürlich auch Faschismus).
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Bei Faschismus denke ich an Massenmord an politischen Gegnern und/oder bestimmten Bevölkerungsgruppen.Europa2050 hat geschrieben:(24 Jul 2020, 10:56)
- Führerprinzip (+Ämtervergabe von oben + pseudoreligiöse Überhöhung des Führers)
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Faschismus fängt nicht erst bei Hitler an, Mussolini, Dollfuss, Franco oder Pinochet gehören auch zu dazu...Rautenberger hat geschrieben:(24 Jul 2020, 11:11)
Bei Faschismus denke ich an Massenmord an politischen Gegnern und/oder bestimmten Bevölkerungsgruppen.
Aber zurück zu Belarus. Da steht Faschismus aktuell nicht auf der Tagesordnung, höchstens dass Antiliberalismus als Antifaschismus verkauft wird ...
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Das ständige Säbelrasseln der Nato vor Russlands Grenzen und die Zuspitzung des Kalten Krieges sind keine "Verschwörung", die sich jemand zusammenspinnt, sondern sie sind real existent. Darüber müssen beide Seiten endlich wieder nachdenken, sie müssen abrüsten und wieder aufeinander zugehen. Ansonsten spitzt sich die Krise immer weiter zu. Lebensgefährlich für uns alle. So in etwa hat sich auch Gorbatschow in den letzten Jahren immer mal wieder geäußert. Und der Mann weiß wahrlich, wovon er spricht.Europa2050 hat geschrieben:(24 Jul 2020, 10:56)
- Führerprinzip (+Ämtervergabe von oben + pseudoreligiöse Überhöhung des Führers)
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Nein, das sind schwachsinnige Behauptungen, mit denen die Dummen von den permanenten Drohungen Russlands gegen seine ehemaligen Satelliten oder Zwangs-UDSSR-Mitglieder abgelenkt werden sollen.Selina hat geschrieben:(24 Jul 2020, 11:49)
Das ständige Säbelrasseln der Nato vor Russlands Grenzen und die Zuspitzung des Kalten Krieges sind keine "Verschwörung",....
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Es ist bezeichnend, dass du vom "Säbelrasseln der Nato vor Russlands Grenzen" sprichst, aber das Säbelrasseln Russlands vor den Grenzen der Nato unerwähnt lässt. Ganz offensichtlich bist du Putin auf den Leim gegangen. Die Werbeabteilung der NATO, die für den Beitritt neuer Mitgliedsstaaten wirbt, befindet sich nämlich nicht in Brüssel, sondern in Moskau, genauer gesagt: im Kreml. Wenn Putin die Expansion der NATO stoppen oder umkehren wollen würde, würde er nicht in einem Zeitungsbeitrag die alte Stalinsche Lüge von der Rechtmäßigkeit der "Angliederung" des Baltikums an die Sowjetunion wieder aufwärmen, er würde unterbinden, dass in manchen russischen Staatsmedien wieder geraunt wird, Katyn sei vielleicht doch das Werk der Nazis gewesen (eine weitere Stalinsche Lüge) und natürlich würde er nicht Teile benachbarter Länder abspalten oder dort Separatisten unterstützen.Selina hat geschrieben:(24 Jul 2020, 11:49)
Das ständige Säbelrasseln der Nato vor Russlands Grenzen und die Zuspitzung des Kalten Krieges sind keine "Verschwörung", die sich jemand zusammenspinnt, sondern sie sind real existent. Darüber müssen beide Seiten endlich wieder nachdenken, sie müssen abrüsten und wieder aufeinander zugehen. Ansonsten spitzt sich die Krise immer weiter zu. Lebensgefährlich für uns alle. So in etwa hat sich auch Gorbatschow in den letzten Jahren immer mal wieder geäußert. Und der Mann weiß wahrlich, wovon er spricht.
Nenne mir einen einzigen Grund, warum Esten, Letten, Litauer, Polen, Ukrainer oder Georgier angesichts des oben beschriebenen russischen Verhaltens auf ihre NATO-Mitgliedschaft bzw. eine Annäherung an die NATO und gemeinsame Manöver verzichten sollten!
Niemand kann bezweifeln, dass Putin durch sein Verhalten den benachbarten Ländern ständig gute Argumente für eine NATO-Mitgliedschaft liefert, was seiner offiziellen Position, die NATO-Expansion stoppen zu wollen, diametral entgegensteht. Da er nicht dumm oder verrückt zu sein scheint, gibt es dafür nur eine Erklärung: Die Konfrontation ist in seinem Interesse.
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Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Das ist die eine Sicht der Dinge. Willst du einmal etwas mehr über eine andere Sicht wissen? Dann empfehle ich dir, den folgenden Text zu lesen. Da sind viele Aussagen drin, die ich hundertprozentig unterschreibe. Es gibt nunmal ein ostdeutsches und ein westdeutsches Verständnis für die Russland-Fragen. Das hängt unter anderem auch mit unserer unterschiedlichen Sozialisation zusammen.Rautenberger hat geschrieben:(24 Jul 2020, 21:27)
Es ist bezeichnend, dass du vom "Säbelrasseln der Nato vor Russlands Grenzen" sprichst, aber das Säbelrasseln Russlands vor den Grenzen der Nato unerwähnt lässt. Ganz offensichtlich bist du Putin auf den Leim gegangen. Die Werbeabteilung der NATO, die für den Beitritt neuer Mitgliedsstaaten wirbt, befindet sich nämlich nicht in Brüssel, sondern in Moskau, genauer gesagt: im Kreml. Wenn Putin die Expansion der NATO stoppen oder umkehren wollen würde, würde er nicht in einem Zeitungsbeitrag die alte Stalinsche Lüge von der Rechtmäßigkeit der "Angliederung" des Baltikums an die Sowjetunion wieder aufwärmen, er würde unterbinden, dass in manchen russischen Staatsmedien wieder geraunt wird, Katyn sei vielleicht doch das Werk der Nazis gewesen (eine weitere Stalinsche Lüge) und natürlich würde er nicht Teile benachbarter Länder abspalten oder dort Separatisten unterstützen.
Nenne mir einen einzigen Grund, warum Esten, Letten, Litauer, Polen, Ukrainer oder Georgier angesichts des oben beschriebenen russischen Verhaltens auf ihre NATO-Mitgliedschaft bzw. eine Annäherung an die NATO und gemeinsame Manöver verzichten sollten!
Niemand kann bezweifeln, dass Putin durch sein Verhalten den benachbarten Ländern ständig gute Argumente für eine NATO-Mitgliedschaft liefert, was seiner offiziellen Position, die NATO-Expansion stoppen zu wollen, diametral entgegensteht. Da er nicht dumm oder verrückt zu sein scheint, gibt es dafür nur eine Erklärung: Die Konfrontation ist in seinem Interesse.
Zitat:
Druschba, Freundschaft. Das wünschen sich viele Ostdeutsche. Doch die Beziehungen zu Russland zeigen alle Symptome eines neuen Kalten Krieges. Jüngsten Umfragen zufolge befürworten 54 Prozent der Westdeutschen eine neue Annäherung an Russland, bei den Ostdeutschen sind es 72 Prozent. Und die Russlandpolitik des Westens finden wohl fast ähnlich viele falsch.
https://www.weser-kurier.de/deutschland ... 47625.html
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Dass die Ostdeutschen an Russland hängen, hängt damit zusammen, dass ihnen die Demokratie immer noch fremd ist. Die Spuren des Tausendjährigen und die DDR-Diktatur wirken eben nach.
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
So wie die 54% im Westen? Das ist aber kein Ruhmesblatt der Demokraten
18% Unterschied
18% Unterschied
Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?
Millionen sind aus dem Osten gekommen. Und bei uns gibt es natürlich auch Nazis und Stalinisten.Audi hat geschrieben:(24 Jul 2020, 23:08)
So wie die 54% im Westen? Das ist aber kein Ruhmesblatt der Demokraten
18% Unterschied