https://www.bild.de/regional/berlin/ber ... .bild.htmlGewaltbereite Eltern, prügelnde Kinder, Drogenszenen auf dem Schulhof – Doris Unzeitig, Schulleiterin der Spreewald-Grundschule in Berlin, hat jahrelang um ihre Schule gekämpft, versucht, mit Wachschutz die Situation in den Griff zu bekommen. Für BILD hat sie aufgeschrieben, warum sie ihren Job an der Brennpunktschule hinwirft.
Ich kam von einer oberösterreichischen Dorfschule in Nussdorf am Attersee. Aber ich suchte eine Herausforderung – und fand sie in Berlin. Als ich vor knapp fünf Jahren die Leitung der Spreewald-Grundschule übernahm, war ich voller Ideen, voller Energie. Ich wollte alles besser machen – für die Kinder, denn sie haben es verdient.
Die Schülerinnen und Schüler mochten mich, weil sie merkten, ich fand Aufgaben für sie, die ihnen Spaß machten und sie merkten, dass sie Schreiben oder Rechnen konnten. Die mittlerweile vom Senat bereitgestellten Bonus-Mittel machten es möglich, eine auf Dauer angelegte Kooperation mit der Uni Potsdam einzugehen und ein auf die Schule zugeschnittenes Sprachförderkonzept gemeinsam mit den Kollegen/innen zu entwickeln und umzusetzen.
Aber es galt weitere Hindernisse zu überwinden, die mit der eigentlichen pädagogischen Arbeit wenig zu tun hatten: Jahrelang blieb unsere Schule ungesichert gegenüber unautorisierten Besuchern, weil die einmal für die Kontrolle der Haupteingangstür eingerichtete Gegensprechanlage nicht funktionierte und durch den Träger nicht repariert wurde.
Immer wieder kamen schulfremde Personen ins Gebäude, rissen die Tür im Unterricht auf, wollten ein Kind besuchen – oder auch Ärger machen. Der ungehinderte Zugang in unser Schulgebäude führte bisweilen zur Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Familienangehörigen unserer Schüler.
Im Frühjahr war die Situation nicht mehr haltbar. Das Aggressionspotenzial unter den Schülern stieg. Wir hatten mehr als 30 Gewaltvorfälle, einige Mitarbeiter trauten sich kaum mehr in die Schule. Die Schulkonferenz beschloss zu versuchen, mit einem Wachschutz mit dem andere Berliner Schulen bereits gute Erfahrungen gemacht haben, Abhilfe für unsere Probleme zu schaffen.
Die meisten Eltern waren erleichtert, schickten ihre Kinder mit einem besseren Gefühl zu Schule, es kehrte Ruhe ein, ein Gefühl von Sicherheit. Doch schon nach einigen Wochen untersagte mir die Bildungsverwaltung, die Bonusgelder der Schule für den Wachschutz auszugeben. Der Bezirk wollte die Kosten nicht übernehmen – man fand den Wachschutz überflüssig. Nachdem der Wachschutz auf Anordnung des Trägers wieder abberufen war, ereigneten sich sofort wieder Gewaltvorfälle.
99 Prozent der Schülerschaft hat Migrationshintergrund, ein Großteil empfängt Transferleistungen. Wir bräuchten dringend hochqualifizierte Pädagogen. Doch viele neue Lehrkräfte sind nicht für die Grundschule ausgebildet. In diesem Jahr konnten trotz der Quereinsteiger fünf Stellen nicht besetzt werden. Das wurde mir von der Senatsverwaltung zum Vorwurf gemacht, weil ich mich weigerte, Leute aufzunehmen, die über keine einschlägige Fachausbildung als Grundschullehrer verfügten. Die Bildungsverwaltung riet mir, doch pädagogische Unterrichtshilfen einzustellen. Doch das hilft in unserer Schule nicht.
Auch hat der Bezirk es leider über die Sommerferien nicht geschafft, den Zaun um den Schulhof höher zu machen. Die Folge: Obdachlose und Junkies haben in den letzten Wochen hier ihr Quartier aufgeschlagen. Es liegen Matratzen auf dem Schulhof, dort schlafen Halbnackte. Überall Müll und Dreck. Unser Hausmeister wollte einen Drogensüchtigen vertreiben. Der entgegnete nur: „Ich setz mir noch den Druck, dann geh ich.“ Wie soll ich das den Kindern erklären? Das vertrage ich ja selbst kaum, meine Kollegen auch nicht.
Ich informierte das Bezirksamt, bat um Hilfe. Das Ordnungsamt vertritt die Auffassung, dass die Schulleitung als verantwortlicher Grundstückseigner die Aufgabe hätte, täglich Matratzen, Spritzen und Ähnliches zu entfernen. Das können wir aber nicht verlässlich. Und so können wir die Kinder auch nicht schützen.
Ich fühle mich in einer schwierigen Situation allein gelassen, vom Bezirksamt, vom Schulamt und von der Bildungsverwaltung. Es ist schade, denn ich bin überzeugt davon, dass diese Schule sehr wohl ihren Bildungsauftrag erfüllen könnte, wenn es möglich wäre, qualifiziertes Personal durch zusätzliche Zeichen der Wertschätzung an die Schule zu binden und die nötigen Baumaßnahmen umgesetzt werden würden.
Nun, ein tatsächlicher Bildungsauftrag rückt bei solchen Verhältnissen in die Ferne. Vor allem wenn Bildungsferne Eltern einfach so in den Unterricht spazieren weil irgendwas zu klären ist (Die Frage stellt sich, wieso die offensichtlich den ganzen Tag Zeit haben?).
Allgemein ist ja durch Security an Schulen (Über eine solche man in den 80ern noch über die Verhältnisse in einigen Schulen in den USA noch müde gelächelt hat) inzwischen teilweise notwendig um überhaupt noch sowas wie einen normalen Schuldbetrieb aufrecht zu erhalten, sowie schulfremde Personen von den Klassenräumen und dem Schulgelände an sich fern zu halten.
Wie kann so ein Desaster wieder in normale Bahnen gelenkt werden? Und wer hat Schuld an alles?