Was ist eigentlich "Kultur"?

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Sextus Ironicus
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

PeterK hat geschrieben:(17 Nov 2017, 23:05)

Das ist - bezogen auf das Handeln - falsch.
Dann lässt sich das begründen. Alles, was falsch ist, ist falsch aus einem Grund.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 00:40)

Kannst du mal ein Beispiel für menschliches Handeln geben, das außerhalb eines kulturellen Kontextes vollzogen werden kann?
Alles menschliche Handeln hat selbstverständlich auch etwas mit Kultur im weiteren Sinne zu tun. Mein Ansatz ist nur ein anderer: Ich glaube nicht, dass die Kultur alleine über den Fortschritt oder Rückschritt in einer Gesellschaft entscheidet, sondern dass dafür viele Faktoren zusammenkommen müssen. Beispiel: In Verhältnissen, wo die Leute keine Zeit mehr haben, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, werden sie "auf Verschleiß gefahren". In Verhältnissen, wo sie sich quasi arm arbeiten, nutzt ihnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur gar nichts. Höchstens für den Moment, wo man ihnen einredet, sie seien in dieser oder jener "kulturellen" Gruppe oder Verbindung stark und selbstbewusst und könnten mit ihr auch politisch und damit schließlich auch ökonomisch und sozial etwas für sich erreichen, erfüllt diese Kultur-Bezogenheit mal einen kurzlebigen Zweck. Bis die Leute dann merken, dass sie da irgendjemandem mächtig auf den Leim gegangen sind. Weil sich nichts ändert für sie, sich ihr Leben nicht verbessert. Im Gegenteil.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 22:55)

Naja, da biste schon etwas frei in der Interpretation meiner Worte. Ich finde einfach, du überbetonst die Rolle der Kultur.
ich beobachte eure Diskussion schon ein Weilchen. Mein Eindruck. Du verlierst in der Diskussion. Nicht weil du Unrecht hast, sondern weil du dich einfach nicht auf das einlässt, was andere sagen ... er hingegen schon ...

Meine Meinung ....
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 01:12)

ich beobachte eure Diskussion schon ein Weilchen. Mein Eindruck. Du verlierst in der Diskussion. Nicht weil du Unrecht hast, sondern weil du dich einfach nicht auf das einlässt, was andere sagen ... er hingegen schon ...

Meine Meinung ....
Ja, so etwas kann durchaus vorkommen bei stark divergierenden Ansichten, dass der Eindruck entsteht, man rede aneinander vorbei oder einer ließe sich nicht genügend auf den anderen ein. Das gibt es an anderen Stellen im Forum ebenfalls. Wie ist denn deine Meinung zum Thema? Welchen der verschiedenen Kulturbegriffe bevorzugst du und warum?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 08:19)

Ja, so etwas kann durchaus vorkommen bei stark divergierenden Ansichten,
Sich den Kulturbegriff deskriptiv oder normativ zu nähern sind ja keine divergierenden Ansichten sondern nur verschiedene Sichtweisen auf ein und das selbe Thema. Durchaus auch sehr hilfreich seine eigene Einstellung zu dem Thema zu reflektieren. Er hat das ja erkannt und dir auch erklärt. Das wäre ja mal was, was man einfach so annehmen könnte und von da aus auch mal weiterdiskutieren könnte, wenn man einfach mal darüber nachdenkt.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 08:48)

Sich den Kulturbegriff deskriptiv oder normativ zu nähern sind ja keine divergierenden Ansichten sondern nur verschiedene Sichtweisen auf ein und das selbe Thema. Durchaus auch sehr hilfreich seine eigene Einstellung zu dem Thema zu reflektieren. Er hat das ja erkannt und dir auch erklärt. Das wäre ja mal was, was man einfach so annehmen könnte und von da aus auch mal weiterdiskutieren könnte, wenn man einfach mal darüber nachdenkt.
Ich gehe einfach von einer Beschreibung des Ist-Zustandes aus. Das ist dann wohl eher "deskriptiv". Das "normative Annähern" ans Thema wird mir nur immer unterstellt; ich widersprach da schon mehrfach. Da existiert halt überall eine große Vielfalt an ausländischen Einflüssen und Gegebenheiten, die nicht mehr wegzudenken sind aus unserem Leben. Kulturen verschmelzen und vermischen sich. Und das überall rund um den Globus. Das ist nunmal objektiv so und hat nichts damit zu tun, was sich der eine oder andere zum Thema so denkt. Schau dir die Universitäten, Kliniken, künstlerischen Einrichtungen und Institute an, dort ist die Internationalisierung schon lange an der Tagesordnung. Ich glaube nicht, dass dort einer wieder zurück will in die 50er oder 60er Jahre. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Welchen Kulturbegriff bevorzugst du selbst?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 01:03)

Alles menschliche Handeln hat selbstverständlich auch etwas mit Kultur im weiteren Sinne zu tun. Mein Ansatz ist nur ein anderer: Ich glaube nicht, dass die Kultur alleine über den Fortschritt oder Rückschritt in einer Gesellschaft entscheidet, sondern dass dafür viele Faktoren zusammenkommen müssen. Beispiel: In Verhältnissen, wo die Leute keine Zeit mehr haben, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, werden sie "auf Verschleiß gefahren". In Verhältnissen, wo sie sich quasi arm arbeiten, nutzt ihnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur gar nichts. Höchstens für den Moment, wo man ihnen einredet, sie seien in dieser oder jener "kulturellen" Gruppe oder Verbindung stark und selbstbewusst und könnten mit ihr auch politisch und damit schließlich auch ökonomisch und sozial etwas für sich erreichen, erfüllt diese Kultur-Bezogenheit mal einen kurzlebigen Zweck. Bis die Leute dann merken, dass sie da irgendjemandem mächtig auf den Leim gegangen sind. Weil sich nichts ändert für sie, sich ihr Leben nicht verbessert. Im Gegenteil.
Alles was du beschreibst IST Kultur. Ist Bestandteil einer ganz bestimmten Kultur.
Du machst nur immer wieder den gleichen Fehler - du wertest, du unterliegst immer wieder dem Sein-Sollen-Fehlschluss.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Nein, ich werte nicht. Ich beschreibe. Aber selbstverständlich beschreibe ich die Verhältnisse und Gegebenheiten auf eine andere Art und Weise, als das etwa sehr konservative oder gar rechtspopulistische Menschen tun. Einen völlig neutralen Kulturbegriff, der nichts mit den jeweils herrschenden Verhältnissen zu tun hat, gibt es nicht. Je nach Sozialisation, Interessenlage und je nach sozialer Stellung wird jeder den Kulturbegriff anders erläutern. Fast nichts ist so stark interpretierbar wie der Kulturbegriff. Daher stürzen sich ja Leute jeglicher Couleur so intensiv und voller Begeisterung auf diesen Begriff. Im Moment ist er allerdings eines der Lieblingsthemen der Neuen Rechten. Warum? Weil man mit dem Kulturbegriff Ab- und Ausgrenzung betreiben kann. Interessant ist die folgende Beschreibung eines ganz bestimmten Kulturverständnisses. Nur zur Verdeutlichung:

Zitat:

Die AfD bekennt sich zur deutschen Leitkultur. Diese fußt auf den Werten des Christentums, der Antike, des Humanismus und der Aufklärung. Sie umfasst neben der deutschen Sprache auch unsere Bräuche und Traditionen, Geistes- und Kulturgeschichte. Damit eng verbunden sind unser liberaler Rechtsstaat, unsere Wertschätzung von Bildung, Kunst und Wissenschaft sowie die soziale Marktwirtschaft als Ausdruck menschlicher Kreativität und Schaffenskraft. Die Ideologie des Multikulturalismus gefährdet alle diese kulturellen Errungenschaften. „Multi-Kultur“ ist Nicht-Kultur. Sie löst die Gemeinschaft auf und befördert die Entstehung von Parallelgesellschaften. Dauerhafte existierende Parallelgesellschaften führen sehr oft zu innenpolitischen Konflikten und können letztlich sogar den Zerfall eines Staates bewirken. Die AfD wird nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz sein kulturelles Gesicht verliert.

https://www.afd.de/wp-content/uploads/s ... 210717.pdf
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 09:25)

Ich gehe einfach von einer Beschreibung des Ist-Zustandes aus. Das ist dann wohl eher "deskriptiv".
Den beurteilst du aber und das geht ja primär über eine rein deskriptive Betrachtung hinaus.
Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Welchen Kulturbegriff bevorzugst du selbst?
.

Das steht auch nicht zur Debatte. Ich bin auch nur zufällig hier reingekommen. Mich interessiert die Diskussion wenig. Zumindest nicht in der Art wie sie hier diskutiert wird oder wie sie der Threaderöffner ins Spiel gebracht hat.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:00)

Nein, ich werte nicht. Ich beschreibe. Aber selbstverständlich beschreibe ich die Verhältnisse und Gegebenheiten auf eine andere Art und Weise, als das etwa sehr konservative oder gar rechtspopulistische Menschen tun. Einen völlig neutralen Kulturbegriff, der nichts mit den jeweils herrschenden Verhältnissen zu tun hat, gibt es nicht.

Doch du wertest, du beschreibst nicht. Du begehst nicht nur Sein-Sollen-Fehlschlüsse, sondern auch informelle und du greifst immer wieder auf Argumentum ad hominem zurück - "das sagen rechtspopulistische Menschen (wobei DU festlegst, wer rechtspopulistisch ist) und was die sagen, das muss falsch sein"
Es gibt sehr wohl einen neutralen Kulturbegriff und genau diesen Kulturbegriff benutze ich und habe ich versucht diesen zu erläutern und diesen Kulturbegriff benutzt der User Sextus Ironicus und versucht ihn dir zu erläutern.
Du gehst mit keiner Silbe darauf ein, sondern leierst dein Mantra runter und bedienst dich dabei aller schlechten Argumente, deren sich man nur bedienen kann.
Es gibt nichts außerhalb von Kultur! Das, was du angeblich beschreibst, die "herrschenden Verhältnisse" sind Bestandteil einer Kultur und zwar einer ganz bestimmten. "Herrschende Verhältnisse existieren nicht azßerhalb von Kultur und bestimmen diese auch nicht, sondern sind Bestandteil dieser Kultur und haben sich IN dieser Kultur überhaupt erst entwickelt.
Niemand hat bestritten, dass Kulturen externe Einflüsse aufnehmen und miteinander wechselwirken, aber Kulturen vermischen sich nicht, sie werden zu keinem Einheitsbrei, sondern behalten immer ihre Spezifica, die auf unterschiedlichen Usprüngen und Wurzeln basieren.
Wir sprechen hier darüber was Kultur ist, also kannst du dein Strohmannargument mit der "Leitkultur" mal langsam in die Tonne treten.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 19:36)
Aber Kultur ist viel mehr - sofern man sich nicht die Losung "Das Private ist politisch" zu eigen macht. Politik ist ein Teilbereich der Kultur.
Genau diese Losung hat Userin Selina verinnerlicht und aus dieser Perspektive heraus "diskutiert" sie.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 18:48)

Meine Intentionen sind ganz andere. Selbstverständlich leben wir immer in bestimmten kulturellen Zusammenhängen, lernen oft in Gruppen (Elternhaus, Geschwister, Schulklasse, Seminar an der Hochschule etcpp), das ist ne Binse. Ich finde halt nur, dass diese Diskussion, die seit einigen Jahren über Kulturen und den "Kampf der Kulturen" geführt werden, immer auch gleichzeitig etwas mit Abgrenzung und Zensuren-Verteilen (um im Schulbild zu bleiben) zu tun haben.
Selbstverständlich haben Kulturen immer etwas mit "Abgrenzung" zu tun - woher würdest du den Plural nehmen, wenn das nicht so wäre? Ich hatte es schon einmal erwähnt: Am Anfang aller Erkenntnis steht die Einsicht, dass etwas dieses und nicht jenes ist (Liessmann).
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Billie Holiday »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:59)

Selbstverständlich haben Kulturen immer etwas mit "Abgrenzung" zu tun - woher würdest du den Plural nehmen, wenn das nicht so wäre? Ich hatte es schon einmal erwähnt: Am Anfang aller Erkenntnis steht die Einsicht, dass etwas dieses und nicht jenes ist (Liessmann).
Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:04)

Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
Das ist die angewandte Form von Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen".
Vor allem Linksliberale fallen leicht auf die invasive Standortpolitik Dritter herein.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 00:41)
Dann lässt sich das begründen. Alles, was falsch ist, ist falsch aus einem Grund.
Korrekt: Viele Handlungsweisen des Menschen entspringen der Natur, nicht der Kultur ;).
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

PeterK hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:26)

Korrekt: Viele Handlungsweisen des Menschen entspringen der Natur, nicht der Kultur ;).
Aber Ihre Bedeutung ergibt sich ggf. nur aus dem kulturellen Kontext.

Doch um meinen Ausgangssatz zu verbessern: Ich ersetze "Handeln" durch "Interaktion", damit wir das Kopfkratzen nicht kulturell aufladen müssen. ;)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von think twice »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:04)

Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
Och, fuehlst du dich von den Libanesen-Clans ausgegrenzt? :(
Duldsamkeit heißt nicht, dass ich auch billige, was ich dulde.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren. Weil dieser Kulturbegriff ihren Alltagserfahrungen entspricht. Sobald aber eine "gewisse Homogenität im Volk" (Götz Kubitschek) gefordert wird und im Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen der Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden" steht, dann sträuben sich eben vielen die Nackenhaare. Und das zurecht. Und wenn dann noch als Krönung die Kultur so etwas wie die "nationale, deutsche Identität" zum Ausdruck bringen soll, wie ich es auch schon las, dann wirds einfach nur noch albern.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:36)

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren. Weil dieser Kulturbegriff ihren Alltagserfahrungen entspricht. Sobald aber eine "gewisse Homogenität im Volk" (Götz Kubitschek) gefordert wird und im Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen der Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden" steht, dann sträuben sich eben vielen die Nackenhaare. Und das zurecht. Und wenn dann noch als Krönung die Kultur so etwas wie die "nationale, deutsche Identität" zum Ausdruck bringen soll, wie ich es auch schon las, dann wirds einfach nur noch albern.
In einer offenen Zivilgesellschaft, kann es sein, daß sich verschiedene Kulturen überlagern.
Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte, Differenzen, oder gar Ausschlüsse.
Kultur ist dann eventuell, wie man damit umgeht?
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

unity in diversity hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:47)

In einer offenen Zivilgesellschaft, kann es sein, daß sich verschiedene Kulturen überlagern.
Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte, Differenzen, oder gar Ausschlüsse.
Kultur ist dann eventuell, wie man damit umgeht?
Ja, damit kann ich leben.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:36)

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren. Weil dieser Kulturbegriff ihren Alltagserfahrungen entspricht. Sobald aber eine "gewisse Homogenität im Volk" (Götz Kubitschek) gefordert wird und im Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen der Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden" steht, dann sträuben sich eben vielen die Nackenhaare. Und das zurecht. Und wenn dann noch als Krönung die Kultur so etwas wie die "nationale, deutsche Identität" zum Ausdruck bringen soll, wie ich es auch schon las, dann wirds einfach nur noch albern.
Da waren wir schon.

Oben hatte der User 3x Schwarzer Kater eine Bemerkung (nicht unrecht, verlieren) gemacht. Wenn man die auf eine "Formel" bringt, könntest du den Unterschied sehen. Es ist, so lautet meine "Formel" dazu, davon auszugehen, dass das Ringen um einen deskriptiven Begriff zum Verständnis dessen, was ist, im Ergebnis zu einem auf einen Sachverhalt bezogenen Begriff führt, während das Ringen um einen normativen Begriff zur Herstellung von ideologischer Einheit zu Sieg und Niederlage auf der allgemeinen politischen und/oder der individuellen moralischen Ebene führt. Darin sehe ich den Unterschied zwischen unseren beiden Ansätzen. Du setzt dasjenige (Emanzipation, Freiheit, Liberalität), dessen Definition erst innerhalb eines ganz bestimmten, kulturellen Horizontes geleistet wird, schon in den Begriff der Kultur selbst. Das ist im Grunde die säkulare Variante der Kulturschöpfungsgeschichte. Im Anfang war das Wort Kultur, und das Wort war beim Sozialkonstruktivisten, und der Sozialkonstruktivist war das Wort, um das mal etwas zugespitzt zu sagen, und von da aus wird dann das, was sein soll, als Seiendes konstruiert.

Und weil du immer wieder irgendwelche politischen Figuren erwähnst. Die interessieren mich auf der Ebene des Deskriptiven nur mäßig - Frau Göring-Eckhardt oder Herr Kubitschek interessieren mich hier überhaupt nicht, ihre Ansichten sind für den Kulturbegriff als solchen völlig uninteressant, denn auch sie arbeiten, wie du das tust, nur auf der normativen Ebene innerhalb der Kultur mit einem politischen Kulturbegriff, der für einen Teil steht, aber nicht fürs Ganze.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Ja, sorry, ich verstehe zwar die Angst vieler Leute vor einer politischen Sicht der Dinge (übrigens kurios in einem Politik-Forum). Aber ich denke halt, dass es irgendeinen neutralen Kulturbegriff, der frei jeglicher Bezüge zu den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen ist, nicht geben kann. Und es wird auch keinen neutralen Kulturbegriff geben, der frei von eigenen Anschauungen, Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen ist. Wenn ihr Hübschen hier schon davon ausgeht, dass Kultur quasi alles ist, was ich - und nicht nur ich - einfach als den "weiteren Kulturbegriff" bezeichne, dann ist dieses "alles" in der theoretischen Debatte natürlich auch beeinflusst von dem, was der jeweilige User mitbringt an persönlichen Erfahrungen, Erlebnissen und gesellschaftlichen Vorstellungen. Daher sind die Ergebnisse bei der Kultur-Begriffs-Debatte auch so vielfältig.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:36)

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren.
Womit wir wieder bei dem Punkt sind, den ich ja schon vorher angemerkt habe. Es geht um den Kulturbegriff an sich, werturteilsfrei und in diesem Sinne deskriptiv. Also woran machen Menschen (hier im Forum, im Leben, im Fernsehen, im allgemeinen Sprachgebrauch) den Begriff "Kultur" fest. Die grundsätzliche Ausprägung einer Kultur, wie du sie wieder ins Spiel bringst ist nicht Gegenstand der Diskussion hier. Darüber kann man sich erst dann unterhalten, wenn man sich mal einig geworden ist, worüber man spricht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:40)

Aber ich denke halt, dass es irgendeinen neutralen Kulturbegriff, der frei jeglicher Bezüge zu den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen ist, nicht geben kann. Und es wird auch keinen neutralen Kulturbegriff geben, der frei von eigenen Anschauungen, Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen ist.
Natürlich gibt es den. Man kann ja aber das Verständnis, was "Kultur" im Sinne einer Metadiskussion diskutieren. Und zwar werturteilsfrei. Warum sollte das nicht möglich sein? Ganz im Gegenteil. Sich darüber einig zu sein über was man eigentlich spricht ist sogar Grundvoraussetzung jeder Kommunikation.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:44)

Natürlich gibt es den. Man kann ja aber das Verständnis, was "Kultur" im Sinne einer Metadiskussion diskutieren. Und zwar werturteilsfrei. Warum sollte das nicht möglich sein? Ganz im Gegenteil. Sich darüber einig zu sein über was man eigentlich spricht ist sogar Grundvoraussetzung jeder Kommunikation.
Ja klar, deswegen ist es beim Kulturbegriff ja so schwierig, weil es davon mehrere verschiedene gibt. Ich kann mir da fast nicht vorstellen, dass man einen Nenner finden kann zum Kulturbegriff. Hat nix mit bösem Willen zu tun.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Manchmal schadet es auch nichts, die Erkenntnisse so, wie sie genannt werden und so konträr sie auch zu sein scheinen, einfach nebeneinander stehen zu lassen. Ein relativ unabhängiger User (also keiner der streitenden Parteien) sammelt diese Erkenntnisse dann und zieht Schlüsse daraus bzw. versucht, das Gesagte irgendwie zu bündeln. Er bindet den Sack zu, wie man so schön sagt. Auch das sind einfache Regeln der Kommunikation.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:19)
Aber Ihre Bedeutung ergibt sich ggf. nur aus dem kulturellen Kontext.

Doch um meinen Ausgangssatz zu verbessern: Ich ersetze "Handeln" durch "Interaktion", damit wir das Kopfkratzen nicht kulturell aufladen müssen. ;)
LOL! Ich meinte eher Dinge wie Empathie, Aggression oder Angst, die ja durchaus unser Handeln beeinflussen. Aber ich stimme Dir darin zu, dass viele dieser in unserer Natur begründeten Handlungen bzw. Interaktionen kulturell bedingt unterschiedliche "flavours" haben können.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von krone »

Das ist z.b. ein Teil unserer westlichen Kultur.

Ein Chor ,ein Saal der "because the night " singt .

Findet man nicht im Islam .
Der Islam ist einfach nur dunkler Irrsinn .
Mag mich damit nicht identifizieren
[youtube][/youtube]
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:54)

Ja klar, deswegen ist es beim Kulturbegriff ja so schwierig, weil es davon mehrere verschiedene gibt. Ich kann mir da fast nicht vorstellen, dass man einen Nenner finden kann zum Kulturbegriff. Hat nix mit bösem Willen zu tun.
Bakterienkultur z.B. um es mal überspitzt zu sagen. Daher ist es auch wichtig sich darüber einig zu werden über was man spricht. So habe ich auch die Intention des Threaderstellers verstanden, auch wenn der Eingangsbeitrag für eine Threaderstellung mal allenfalls unteres Mittelmaß war.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

krone hat geschrieben:(18 Nov 2017, 14:15)

Findet man nicht im Islam .
Was findet man anstelle dann dort?
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:56)

Manchmal schadet es auch nichts, die Erkenntnisse so, wie sie genannt werden und so konträr sie auch zu sein scheinen, einfach nebeneinander stehen zu lassen. Ein relativ unabhängiger User (also keiner der streitenden Parteien) sammelt diese Erkenntnisse dann und zieht Schlüsse daraus bzw. versucht, das Gesagte irgendwie zu bündeln. Er bindet den Sack zu, wie man so schön sagt. Auch das sind einfache Regeln der Kommunikation.
Du solltest vielleicht mal auf die Reihe kriegen, dass Diskussion zwar eine Teilmenge von Kommunikation ist, aber dennoch Unterschiede bestehen.
Während (reine) Kommunikation lediglich ein Austausch von Meinungen ist - ein gegenseitiges Geben und Nehmen, geht es bei einer Diskussion um die Untersuchung eines bestimmten Themas auf der Basis von Argumenten.
Bei einer Diskussion werden jeweils die Argumente der "Gegenseite" auf ihre Stichhaltigkeit geprüft und ggf widerlegt werden.
Dazu ist es allerdings notwendig, auf die vorgebrachten Argumente einzugehen, sich mit diesen (inhaltlich) auseinanderzusetzen, sie zu prüfen.
Aber genau das tust du nicht, du gehst nicht auf Argumente ein, du prüfst nicht, du wiederholst immer wieder nur das gleiche, obwohl es inhaltlich widerlegt wurde.
Diskussion bedeutet eben nicht "das Gesagte irgendwie bündeln und den Sack zubinden", sondern einen gemeinsamen Nenner finden, zu einem Ergebnis kommen.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von BlueMonday »

Was man jetzt unter der Kultur eines Volkes versteht, das dürfte ungefähr auf eine bildliche Anwendung des Wortes Leben hinauslaufen; im eigentlichen Sinne ist Leben ein physiologischer Begriff und bezieht sich nur auf das Individuum; wie ein Volk lebt, abgesehen von den physiologischen Bedingungen des Einzellebens, das etwa faßt man unter dem Begriffe Kultur zusammen. Wie und was wir essen und trinken, wie und was wir lernen, wie und was wir glauben, wie und wohin wir reisen, wie wir uns kleiden, wie wir wohnen, wie wir unsere Nächte erhellen, womit wir spielen und uns künstlerisch erheben, wie wir Kriege führen, das alles und hundert andere Äußerungen unseres Lebens benennen wir mit dem Summenworte Kultur. Noch kurz vorher nannte man alle diese Lebensäußerungen die Sitten der Völker. Und weil man die eigene Sitte gern mit einem besondern Worte von fremden Sitten unterscheidet, so wie man den eigenen Aberglauben gern den richtigen Glauben nennt, so stellte sich für die eigene Sitte allmählich das Wort Kultur ein. Die rechte Höhe war immer die, zu welcher wir uns just entwickelt hatten; zu der sich zu erheben die Pflicht der Menschheit gewesen war. So schlich sich in den Kulturbegriff heimlich der Sollbegriff ein, und mit allen Leichen des Sollbegriffs wurde die Kultur belastet, die doch nur das Leben bedeutet hatte. [...]

Eine kleine sprachliche Bemerkung mag den Grund bezeichnen, der eine Verständigung über den Kulturbegriff verhindert. Kultur, in der Einzahl und ohne Artikel, bedeutet in noch höherem Maße als das geschätzte Wort Bildung einen Höhepunkt, eine Sehnsucht, ein Ziel, eigentlich einen Grenzbegriff für das Leben der Völker; eine Aufgabe, eine Pflicht, ein Sollen; ein Volk, ein Mensch soll Kultur haben. Nur daß niemand genau zu sagen weiß, was Kultur im Grunde sei. Abgesehen davon, objektiv, hat jedes Volk irgendeine Kultur, irgend eine Summe von Sitten, und mit diesen Sitten oder Kulturen beschäftigt sich die vergleichende Kulturwissenschaft. Wir haben hier also wieder den gar nicht so seltenen Fall, daß die Mehrzahl gar nicht die Mehrheit der Einzahl ausdrückt. Kultur ist der Sollzustand, zu welchem sich ein Mensch oder ein Volk hinaufentwickeln mag; die Kulturen der verschiedenen Völker bezeichnen einen Istzustand. Menschenfresserei kann einer bestimmten Kultur angehören, beileibe aber nicht einem Volke, welches Kultur hat.
F. Mauthner
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Nov 2017, 14:42)

Du solltest vielleicht mal auf die Reihe kriegen, dass Diskussion zwar eine Teilmenge von Kommunikation ist, aber dennoch Unterschiede bestehen.
Während (reine) Kommunikation lediglich ein Austausch von Meinungen ist - ein gegenseitiges Geben und Nehmen, geht es bei einer Diskussion um die Untersuchung eines bestimmten Themas auf der Basis von Argumenten.
Bei einer Diskussion werden jeweils die Argumente der "Gegenseite" auf ihre Stichhaltigkeit geprüft und ggf widerlegt werden.
Dazu ist es allerdings notwendig, auf die vorgebrachten Argumente einzugehen, sich mit diesen (inhaltlich) auseinanderzusetzen, sie zu prüfen.
Aber genau das tust du nicht, du gehst nicht auf Argumente ein, du prüfst nicht, du wiederholst immer wieder nur das gleiche, obwohl es inhaltlich widerlegt wurde.
Diskussion bedeutet eben nicht "das Gesagte irgendwie bündeln und den Sack zubinden", sondern einen gemeinsamen Nenner finden, zu einem Ergebnis kommen.
Jemand, der nicht ein Mindestmaß an Kommunikationsregeln beherrscht, der anderen ruppig und arrogant über den Mund fährt, der ungeduldig und fordernd argumentiert, aber nicht sachlich, der seine Meinung stets und ständig für das Nonplusultra hält, und das alles zumeist in einem grenzwertigem Tonfall (betrifft viele deiner Postings an mehrere User), der will mir erklären, wie Kommunikation geht. Das ist wirklich der Lacher.

Und mal ganz nebenbei: Es gibt hier in solchen Diskussionen nicht einen einzigen User, der vollumfänglich auf jedes Wort der anderen User ständig eingeht. Das möchte ich mal sehen, wie so etwas ablaufen soll. Es gibt einfach verschiedene Weltsichten, verschiedene Einsichten und verschiedene Erfahrungen. Das wirst du nicht verhindern können. Auch nicht mit noch so hoch erhobenem Zeigefinger. Und zu Gedanken anderer, die ich überlegenswert finde, äußere ich mich schon.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:20)
Es gibt nichts außerhalb von Kultur!
Selbstverständlich gibt es etwas außerhalb von Kultur. Man nennt es Natur - ohne die es Kultur nicht gäbe.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:40)

Aber ich denke halt, dass es irgendeinen neutralen Kulturbegriff, der frei jeglicher Bezüge zu den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen ist, nicht geben kann.
Ein neutraler Begriff Kulturbegriff, der so formuliert wäre, dass er die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen nicht abbildet oder enthält, wäre irgendwas, aber kein brauchbarer Kulturbegriff. Die von mir gelieferte Definition lässt diese auch nicht außer Acht, sie enthält halt den Ausgangspunkt für das, was Bourdieu wollte (und uns auch nicht weiter zu interessieren braucht). Nochmal das Zitat:
eine jeweilige Gesamtheit symbolischer, ideeler und materieller Ausdrucksformen
Diese können sich auf konkrete Interaktionsverhältnisse, Institutionen, gruppen- oder gesellschaftsspezifische Ritualisierungen beziehen, die bewusst oder unbewusst vollzogen werden und somit als Stabilität garantierende normen- und wertbezogene Bindungen verstanden werden.
Das schließt alle von dir genannten Verhältnisse mit ein, denn Wirtschaft, soziale Beziehungen, Politik laufen in Form konkreter Interaktionsverhältnisse ab. Auch unsere Diskussion hier ist ein konkretes Interaktionsverhältnis, es richtet sich nach den Regeln, die hier im Forum gelten und ihrerseits an die in unserem gemeinsamen Kulturkreis geltenden Normen (bestehend aus Rechts-, Sitten- und Moralnormen) angelehnt sind. Der vorgestellte Kulturbegriff muss nicht erschöpfend sein, aber man kann ihn kritisieren und die Gründe angeben. Ein falsches Argument wäre dabei aber, etwas aus normativen Gründen zu verwerfen, weil man damit auf die falsche Ebene gerät. Er hat ein paar Gemeinsamkeiten mit dem von Blue Monday zitierten, allerdings vermischt Mauthner schon wieder ein wenig das Deskriptive und Normative.
Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 13:40)
Ja, sorry, ich verstehe zwar die Angst vieler Leute vor einer politischen Sicht der Dinge (übrigens kurios in einem Politik-Forum).
Diesen Einwand kann man machen. Man kann ihn aber auch umkehren. Ich zum Beispiel verstehe die Angst vieler Leute vor Politikern, die gar nicht wissen, wovon sie überhaupt sprechen, wenn sie den Begriff "Kultur" verwenden. Nur wenn ich einen Begriff von Kultur habe, kann ich mir ihre Funktionsweise vor Augen führen, dabei mehr und mehr ein Verständnis davon gewinnen, weshalb etwas so und so ist und weshalb etwas so und so sein sollte und ob es überhaupt so und sein kann, ob die Bedingungen überhaupt vorhanden sind usw. Das gehört dazu, und es weist über normative Aspekte hinaus. Und über hundert Jahre nach Mauthner, im Zeitalter der Neurowissenschaften (wie unterschiedlich dort die Ansätze auch sein mögen), weiß man sogar, dass im Rahmen der soziokulturellen Umstände noch nicht einmal von den "physiologischen Bedingungen des Einzellebens" (siehe den Mauthner-Beitrag) abgesehen werden kann, wenn man über Kultur spricht. Man denke an Kaspar Hauser, der ein spannendes Objekt für eine neurophysiologische Untersuchung wäre.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von krone »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 14:34)

Was findet man anstelle dann dort?
Auf keinen Fall auch nur eine winzigkeit mit der ich mich identifizieren kann und möchte.

Wie schaut's denn bei dir aus ?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

krone hat geschrieben:(18 Nov 2017, 16:51)

Auf keinen Fall auch nur eine winzigkeit mit der ich mich identifizieren kann und möchte.

Wie schaut's denn bei dir aus ?
Auch wenn ich Patti Smith sehr schätze. Muss ich deswegen mit eine Chor identifizieren der den Song mehr schlecht als Recht darbringt?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von krone »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 17:06)

Auch wenn ich Patti Smith sehr schätze. Muss ich deswegen mit eine Chor identifizieren der den Song mehr schlecht als Recht darbringt?
Es ist ein ganzer Saal der den Song da schmettert und sichtlich Spass dran hat.

Kommt doch da überhaupt nicht auf die Qualität an.
Fakt ist,das findet man nicht im Islam.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

krone hat geschrieben:(18 Nov 2017, 17:25)

Es ist ein ganzer Saal der den Song da schmettert und sichtlich Spass dran hat.

Kommt doch da überhaupt nicht auf die Qualität an.
Fakt ist,das findet man nicht im Islam.
Ist das was besonderes?

was ist denn der "Islam". Was meinst du denn damit konkret damit.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von krone »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 17:30)

Ist das was besonderes?
it.
Nö, in unserer Kultur nicht.

In islamischen Nationen aber undenkbar .
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

krone hat geschrieben:(18 Nov 2017, 17:36)

Nö, in unserer Kultur nicht.

In islamischen Nationen aber undenkbar .
Was wäre da undenkbar?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 15:55)

Jemand, der nicht ein Mindestmaß an Kommunikationsregeln beherrscht, der anderen ruppig und arrogant über den Mund fährt, der ungeduldig und fordernd argumentiert, aber nicht sachlich, der seine Meinung stets und ständig für das Nonplusultra hält, und das alles zumeist in einem grenzwertigem Tonfall (betrifft viele deiner Postings an mehrere User), der will mir erklären, wie Kommunikation geht. Das ist wirklich der Lacher.

Und mal ganz nebenbei: Es gibt hier in solchen Diskussionen nicht einen einzigen User, der vollumfänglich auf jedes Wort der anderen User ständig eingeht. Das möchte ich mal sehen, wie so etwas ablaufen soll. Es gibt einfach verschiedene Weltsichten, verschiedene Einsichten und verschiedene Erfahrungen. Das wirst du nicht verhindern können. Auch nicht mit noch so hoch erhobenem Zeigefinger. Und zu Gedanken anderer, die ich überlegenswert finde, äußere ich mich schon.
Statt immer nur von Kommunikation und Kommunikationsregeln zu palavern, solltest du dich mal mit Diskussion und deren Regeln beschäftigen, vor allem damit wie man argumentiert.
User Sextus Ironicus hat im Genderforum einen wunderbaren Link gesetzt - "Das illustrierte Buch der schlechten Argumente". Tja - nachdem ich mir das durchgelesen habe, kann ich nur sagen, du bedienst so ziemlich jeden Aspekt, der dort angesprochen wird - beginnend mit Strohmannargumenten (verschwurbeln des Kulturbegriffes mit "Leitkultur") über "informelle Fehlschlüsse", "Übereilte Verallgemeinerungen" (du verallgemeinerst deine persönlichen Erfahrungen in deinem eigenen kleinen Umfeld), "keine echten Schotten", "genetische Fehlschlüsse" (du machst die Gültigkeit vorgebrachter Argumente, von der "Herkunft" der Person abhängig, die das Argument bringt), über "Schuld durch Zugehörigkeit" ( bääh der ist rääächts, damit beschäftige ich mich nicht) bis Argumentum ad hominem (wieder bääh der ist rääächts, der hat schon dasundas gesagt)

Und du willst anderen erklären, wie man diskutiert, beschwerst dich darüber, dass andere sich angeblich nicht an die "Regeln der Kommunikation" halten? DAS ist der Witz in Tüten!
Sorry, aber lerne erst mal selbst, sauber zu argumentieren, ehe du andere belehrst!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 16:05)

Ein neutraler Begriff Kulturbegriff, der so formuliert wäre, dass er die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnissen nicht abbildet oder enthält, wäre irgendwas, aber kein brauchbarer Kulturbegriff. Die von mir gelieferte Definition lässt diese auch nicht außer Acht, sie enthält halt den Ausgangspunkt für das, was Bourdieu wollte (und uns auch nicht weiter zu interessieren braucht). Nochmal das Zitat:

Das schließt alle von dir genannten Verhältnisse mit ein, denn Wirtschaft, soziale Beziehungen, Politik laufen in Form konkreter Interaktionsverhältnisse ab. Auch unsere Diskussion hier ist ein konkretes Interaktionsverhältnis, es richtet sich nach den Regeln, die hier im Forum gelten und ihrerseits an die in unserem gemeinsamen Kulturkreis geltenden Normen (bestehend aus Rechts-, Sitten- und Moralnormen) angelehnt sind. Der vorgestellte Kulturbegriff muss nicht erschöpfend sein, aber man kann ihn kritisieren und die Gründe angeben. Ein falsches Argument wäre dabei aber, etwas aus normativen Gründen zu verwerfen, weil man damit auf die falsche Ebene gerät. Er hat ein paar Gemeinsamkeiten mit dem von Blue Monday zitierten, allerdings vermischt Mauthner schon wieder ein wenig das Deskriptive und Normative.

Diesen Einwand kann man machen. Man kann ihn aber auch umkehren. Ich zum Beispiel verstehe die Angst vieler Leute vor Politikern, die gar nicht wissen, wovon sie überhaupt sprechen, wenn sie den Begriff "Kultur" verwenden. Nur wenn ich einen Begriff von Kultur habe, kann ich mir ihre Funktionsweise vor Augen führen, dabei mehr und mehr ein Verständnis davon gewinnen, weshalb etwas so und so ist und weshalb etwas so und so sein sollte und ob es überhaupt so und sein kann, ob die Bedingungen überhaupt vorhanden sind usw. Das gehört dazu, und es weist über normative Aspekte hinaus. Und über hundert Jahre nach Mauthner, im Zeitalter der Neurowissenschaften (wie unterschiedlich dort die Ansätze auch sein mögen), weiß man sogar, dass im Rahmen der soziokulturellen Umstände noch nicht einmal von den "physiologischen Bedingungen des Einzellebens" (siehe den Mauthner-Beitrag) abgesehen werden kann, wenn man über Kultur spricht. Man denke an Kaspar Hauser, der ein spannendes Objekt für eine neurophysiologische Untersuchung wäre.
Zu deinem Bourdieu-Zitat: Ja, kann ich mit leben, bis auf die Formulierung "als Stabilität garantierende normen- und wertbezogene Bindungen". Welche Stabilität? Kulturelle Beziehungen, auch die erwähnte Interaktion auf allen Gebieten, aber auch die hier gerne außen vor gelassenen künstlerischen Verhältnisse und Erscheinungen leben gerade davon, dass sie immer wieder alles in Frage stellen, eben keine Stabilität sichern. Die Kultur, die ich im Blickfeld habe, ist offen, frei, experimentell, Grenzen auslotend, alles hinterfragend, zweifelnd. Ja, auch so eine Diskussion hier ist damit gemeint. Der Zweifel an bestimmten Thesen ist mir da ein besserer Ratgeber als das sich ständige gegenseitige Bestätigen.

Du sagst "ein falsches Argument wäre dabei aber, etwas aus normativen Gründen zu verwerfen, weil man damit auf die falsche Ebene gerät". Nein, es gibt keine "falschen Argumente" und auch keine "falsche Ebene", schon gar nicht bei dem schwer eingrenzbaren Kulturbegriff. Und irgendetwas aus normativen Gründen zu verwerfen, das kann schon durchaus mal nötig werden. Wenn mir zum Beispiel eine "Bewegung" oder Partei erklärt, die einzig akzeptable Familie sei die aus Vater, Mutter, Kind bestehende und alles andere, wie zum Beispiel Familien mit homosexuellen Partnern und Kind, entspräche nicht der gewünschten Norm, dann entgegne ich halt recht "normativ": Nee, die Realität des Familienlebens vollzieht sich auf vielfältige Art und Weise, mit hetero- und homosexuellen Eltern. Ob man das nun will oder nicht, es ist einfach so.

Und wenn du sagst, du verstehst "die Angst vieler Leute vor Politikern, die gar nicht wissen, wovon sie überhaupt sprechen, wenn sie den Begriff 'Kultur' verwenden", dann weiß ich jetzt nicht, welche Politiker du genau meinst. Da gibt es einige, die sehr genau mit Begrifflichkeiten umgehen und andere wiederum nicht. Für mich ist die ganze Kulturbegriffs-Debatte eine Scheindebatte. Warum wird sie geführt, was soll sie bringen? Wer braucht sie? Wofür? Wer ein liberales, freies, humanes und kreatives Leben bevorzugt, das weltoffen und tolerant ist, wer sich nicht in "kulturellen Gruppen" abgrenzt von anderen, der lebt eigentlich ganz gut. Er tut sich selbst und anderen gut. Auch ohne einen fein ziselierten und fest umrissenen Kulturbegriff.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von krone »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 17:54)

Was wäre da undenkbar?
:rolleyes:
Jede einzelne Sekunde des von mir verlinkten Videos .
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Nov 2017, 18:09)
Sorry, aber lerne erst mal selbst, sauber zu argumentieren, ehe du andere belehrst!
So? (sachlich falsch)
Dark Angel hat geschrieben:(16 Nov 2017, 12:34)
Und diese Aussage ist eben falsch. Das Stimmrecht und Bürgerrecht - nicht Staatsbürgerschaft - war an eine Pflicht gekoppelt, nämlich die der Verteidigung der Polis und diese Pflicht hatten weder Frauen, noch Sklaven oder Metöken (Fremde).
Oder so? (sachlich falsch und sprachlich fehlerhaft)
Dark Angel hat geschrieben:(10 Nov 2017, 22:05)
Es gibt kein "Kollektiv der Deutschen", es gibt nur ein Deutsches Volk und das wiederum definiert sich a) über kulturelle Gemeinsamkeiten über die Sprache hinaus und b) über die Staatszugehörigkeit und das wiederum bedeutet c) das Volk, im Gegensatz zu Kollektiv kein homogenes Gebilde ist.
Oder so? (sachlich falsch)
Dark Angel hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:20)
Es gibt nichts außerhalb von Kultur!
Und damit kommen wir hoffentlich BTT: Eine Aussage wie "Es gibt nichts außerhalb von Kultur!" ist IMO recht verwegen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 18:25)



Du sagst "ein falsches Argument wäre dabei aber, etwas aus normativen Gründen zu verwerfen, weil man damit auf die falsche Ebene gerät". Nein, es gibt keine "falschen Argumente" und auch keine "falsche Ebene", schon gar nicht bei dem schwer eingrenzbaren Kulturbegriff. Und irgendetwas aus normativen Gründen zu verwerfen, das kann schon durchaus mal nötig werden.
Wir kommen nicht weiter, deshalb nur zu diesem Gedanken von dir einen Satz aus dem Büchlein, das ich noch einmal verlinke. Es heißt dort auf Seite 10:
Beim Berufen auf die Folgen [bei dir hier: kann nötig werden] argumentiert man für oder gegen die Gültigkeit einer Aussage, indem man sich auf die Folgen des Akzeptierens oder Ablehnens derselben beruft. Nur weil eine Aussage zu einem ungünstigen Ergebnis führt, bedeutet dies aber nicht, dass sie falsch ist.
Wenn du dieser Aussage zustimmst, ist kannst du deine Aussage "irgendetwas aus normativen Gründen zu verwerfen, das kann schon durchaus mal nötig werden." in Bezug auf das, was wir hier diskutieren, nicht aufrechterhalten.
Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 18:25)
Zu deinem Bourdieu-Zitat: Ja, kann ich mit leben, bis auf die Formulierung "als Stabilität garantierende normen- und wertbezogene Bindungen". Welche Stabilität? Kulturelle Beziehungen, auch die erwähnte Interaktion auf allen Gebieten, aber auch die hier gerne außen vor gelassenen künstlerischen Verhältnisse und Erscheinungen leben gerade davon, dass sie immer wieder alles in Frage stellen, eben keine Stabilität sichern. Die Kultur, die ich im Blickfeld habe, ist offen, frei, experimentell, Grenzen auslotend, alles hinterfragend, zweifelnd. Ja, auch so eine Diskussion hier ist damit gemeint. Der Zweifel an bestimmten Thesen ist mir da ein besserer Ratgeber als das sich ständige gegenseitige Bestätigen.
Es wurde nichts außen vor gelassen. Deinen Einwand gegen die Stabilität müsstest du inhaltlich daraufhin überdenken, ob du damit nicht eigentlich sagst, du würdest um des Rebellierens willens rebellieren. Denn wenn das Ziel deiner Rebellion nicht eine andere Stabilität (Ordnung) ist, ist die Rebellion eigentlich reiner Selbstzweck, also reine Egozentrik. Oder du erweiterst deinen Begriff der Stabilität um den Gedanken, dass ein Teil des Erfolgs (und damit der Stabilität) der westlich geprägten Kulturen gerade in ihrer Fähigkeit zur ständigen Infragestellung aller sie prägenden Dinge, im permanenten Hinterfragen, Ändern, Wechseln, Neuschöpfen usw. besteht. Diese Fähigkeit, sich von innen heraus immer wieder zu erneuern, das ist eine wesentliche Grundlage ihrer inzwischen schon sehr lange anhaltenden Stabilität. Eine Fähigkeit übrigens, die im Augenblick aus vielen Gründen und von vielen Seiten her schwer unter Druck gerät.

Der letzte Abschnitt hat aber mit dem Begriff der Kultur nichts zu tun, da sind wir wieder auf der "falschen" Ebene dazu.

Und hier noch der Link zu diesem netten Büchlein:

https://bookofbadarguments.com/de/
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 18:25)

Zu deinem Bourdieu-Zitat: Ja, kann ich mit leben, bis auf die Formulierung "als Stabilität garantierende normen- und wertbezogene Bindungen". Welche Stabilität? Kulturelle Beziehungen, auch die erwähnte Interaktion auf allen Gebieten, aber auch die hier gerne außen vor gelassenen künstlerischen Verhältnisse und Erscheinungen leben gerade davon, dass sie immer wieder alles in Frage stellen, eben keine Stabilität sichern. Die Kultur, die ich im Blickfeld habe, ist offen, frei, experimentell, Grenzen auslotend, alles hinterfragend, zweifelnd. Ja, auch so eine Diskussion hier ist damit gemeint. Der Zweifel an bestimmten Thesen ist mir da ein besserer Ratgeber als das sich ständige gegenseitige Bestätigen.

Du sagst "ein falsches Argument wäre dabei aber, etwas aus normativen Gründen zu verwerfen, weil man damit auf die falsche Ebene gerät". Nein, es gibt keine "falschen Argumente" und auch keine "falsche Ebene", schon gar nicht bei dem schwer eingrenzbaren Kulturbegriff. Und irgendetwas aus normativen Gründen zu verwerfen, das kann schon durchaus mal nötig werden. Wenn mir zum Beispiel eine "Bewegung" oder Partei erklärt, die einzig akzeptable Familie sei die aus Vater, Mutter, Kind bestehende und alles andere, wie zum Beispiel Familien mit homosexuellen Partnern und Kind, entspräche nicht der gewünschten Norm, dann entgegne ich halt recht "normativ": Nee, die Realität des Familienlebens vollzieht sich auf vielfältige Art und Weise, mit hetero- und homosexuellen Eltern. Ob man das nun will oder nicht, es ist einfach so.

Und wenn du sagst, du verstehst "die Angst vieler Leute vor Politikern, die gar nicht wissen, wovon sie überhaupt sprechen, wenn sie den Begriff 'Kultur' verwenden", dann weiß ich jetzt nicht, welche Politiker du genau meinst. Da gibt es einige, die sehr genau mit Begrifflichkeiten umgehen und andere wiederum nicht. Für mich ist die ganze Kulturbegriffs-Debatte eine Scheindebatte. Warum wird sie geführt, was soll sie bringen? Wer braucht sie? Wofür? Wer ein liberales, freies, humanes und kreatives Leben bevorzugt, das weltoffen und tolerant ist, wer sich nicht in "kulturellen Gruppen" abgrenzt von anderen, der lebt eigentlich ganz gut. Er tut sich selbst und anderen gut. Auch ohne einen fein ziselierten und fest umrissenen Kulturbegriff.
Wenn die Diskussion - was Kultur ist bzw Kultur ausmacht - für dich nur eine Scheindebatte ist, die nix bringt und die keiner braucht, warum beteiligst du dich dann überhaupt daran?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

krone hat geschrieben:(18 Nov 2017, 18:29)

:rolleyes:
Jede einzelne Sekunde des von mir verlinkten Videos .
aus welchem Grund?
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Nov 2017, 19:23)

Wenn die Diskussion - was Kultur ist bzw Kultur ausmacht - für dich nur eine Scheindebatte ist, die nix bringt und die keiner braucht, warum beteiligst du dich dann überhaupt daran?
Gute Frage. Die kann ich dir aber erst dann beantworten, wenn mir jemand meine Fragen beantwortet, die ich in meinem letzten Beitrag stellte. Also hier nochmal: Ich fragte, warum wird diese Diskussion um den Kulturbegriff überhaupt geführt, was soll sie bringen? Wer braucht sie? Wofür? Wenn mir das jemand überzeugend erklären und beantworten könnte, könnte ich meinerseits auch entscheiden, ob ich weiter mitdiskutiere oder eher nicht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 20:06)

Gute Frage. Die kann ich dir aber erst dann beantworten, wenn mir jemand meine Fragen beantwortet, die ich in meinem letzten Beitrag stellte. Also hier nochmal: Ich fragte, warum wird diese Diskussion um den Kulturbegriff überhaupt geführt, was soll sie bringen? Wer braucht sie? Wofür? Wenn mir das jemand überzeugend erklären und beantworten könnte, könnte ich meinerseits auch entscheiden, ob ich weiter mitdiskutiere oder eher nicht.
Stell dir mal vor, man müsste einem Besucher vom Mars versuchen zu erklären, was ein Film eigentlich ist und es ist gerade kein Strom da, um einen zu zeigen, und der Mann muss wieder abfliegen, bevor der Strom zurück sein wird. Wir beide werden auserwählt, das zu tun. Wir fragen einander: Was sagen wir ihm? Dann fällt mir eine halbwegs griffige, allgemeine Definition ein, die alles enthält, was zum Entstehen eines Films notwendig ist, alle Gegenstände, Beteiligten, Features, Techniken und Warums und Wozus etc. Du aber lehnst den Begriff des Films ab und sagst: Nein, wenn der Begriff des Films auch Filme einschließt, die Gewaltszenen enthalten, ist er falsch. Im Klartext hieße das: du möchtest grob gesprochen über Gewalt in der filmischen Darstellung und ihre Folgen und wie das zu überwinden wäre diskutieren, ich aber wollte anhand dessen, was ich über Filme und ihre Entstehung und ihre Voraussetzungen weiß, dem Marsbewohner einen Begriff des Filmes vermitteln.
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