schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Jul 2017, 13:02)
Das sollte man ohnehin und unabhängig vom Gang der Dinge in Osteuropa.
Aber es wird schwierig. Dass es Wirtschaft und Industrie ungebrochen nach Ostmitteleuropa zieht, hatte ich schon geschrieben. Ganz tagesaktuell baut sich aber noch eine Allianz und Stärkung der V4 von vielleicht noch größerer Tragweite auf. Heute weilt Netanjahu als erster israelischer Ministerpräsident überhaupt zu einem Besuch in Budapest. Nachdem bereits Trump mit seinem Vorzugsbesuch in Warschau die Präferenzen in Hinsicht auf Europa klargestellt hat. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Visegrád-Staaten mehr als jemals zuvor die USA und Israel hinter sich haben. Auch in ihrer Position zu den anderen EU-Staaten. Man muss sich vorstellen: Gerade erst wurde in Ungarn eine große staatliche Plakataktion beendet, die den lachenden jüdischen ungarischstämmigen Milliardär Soros zeigt, mit der Unterschrift (sinngemäß): Sorgt dafür, dass nicht Soros am Ende lacht". Mit Absicht auch auf den Boden öffentlicher Verkehrsmittel angebracht, damit die Leute drauf rumtrampeln. Auch in israelischen Medien ist man zum Teil empört. Stört das das Verhältnis der beiden Staatsmänner Orbán und Netanjahu? Nicht im mindesten. Im Gegenteil. Soros gehört bekanntlich auch zu den Privatfeinden des letzteren. Und Netanjahu wird morgen bei einem V4-Treffen (ich glaube in Prag) dabeisein.
Na schön, das sind Gesten von der Art des ausgestreckten Mittelfingers. Soll'n se doch! Ändert ja nichts an den sachlichen Vorwürfen hinsichtlich der EU-Vertragsverletzungen, die tatsächlich ziemlich handfest sind. Und die Polen werden allmählich wach, sogar Präsident Duda wird jetzt energisch. Der hat das schlimme Spiel erkannt, mit dem Kaczior seine Gegner mit Rache bedroht.
Dazu muß man auch sagen, daß die Beschäftigung mit der unabhängigen Justiz überhaupt nicht verwerflich ist, wenn einer Partei oder einer Gruppe von Mitbürgern da Merkwürdigkeiten begegnen, etwa das Konzept der Ernennung von hohe Justizbeamten. Diese Abläufe kann man in Ruhe besprechen, meinetwegen auch erbost kritisieren und auf Änderung bestehen, etwa in Form eines langwierigen Prozesses.
Ich habe verstanden, daß die hohe Richterschaft Polens sich aus sich selbst erneuert und ermächtigt, und daß sie eine Art Kaste im Staate bildet, der sich dem Volkswillen auch nicht auf verschlungenen Pfaden stellen muß.
In Deutschland werden hohe Richter vom Bundestag mit den gerade einmal geltenden politischen Mehrheiten entschieden. Natürlich müssen das ausgewiesene und bewährte Fachleute sein, die aus der großen Zahl von Gerichtspräsidenten in den Bundesländern ausgewählt werden. Und es werden nur begrenzte Amtszeiten (15 Jahre?) vergeben. Damit ist ein plötzlicher Umbau der Verfassungsgerichte gar nicht möglich, allenfalls also ein schleichender Übergang der Verantwortung für eine verfassungsgemäße Gesetzgebung und verfassungsgemäßes Handeln der Politik. Entsprechend hoch ist der Respekt vor diesen unabhängigen Bundesrichtern.
Wie jetzt auf Landesebene und Kommunalebene diese innere Erneuerung der Führungskräfte abläuft... also ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Jurist beschließen kann, "ich werde darin eine Führungsfunktion übernehmen", sondern auch da dürfte es geordnete Ernennungsverfahren geben, die die fachliche Qualifikation und die Persönlichkeit eines Bewerbers/Anwärters in den Vordergrund stellen.
In Polen sind diese Abläufe allein innerhalb dieser Fachkreise ohne Eingriff der Politik möglich gewesen. Also im wahrsten Sinne des Wortes eine "unabhängige Justiz". Dabei wird mir auch unwohl... wie sollen diese Kreise geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen und politischen Machtwechseln "nachschleichen"?
Natürlich ist es der helle Wahnsinn, daß nun eine Regierungspartei sich ihre Justiz gleich mit der Regierung oder durch die Regierung ernennen kann. Das angemessenen Werkzeug, eine solche Änderung zu erarbeiten, wäre eine Versammlung der politisch repräsentativen Kräfte im Lande zu einem Verfassungskonvent, in dem man sich um die beste Lösung zur Besetzung unabhängiger Gerichte aller Entscheidungsstufen bemüht. Diesen Vorschlag legt man dem Wahlvolk vor, das dann über Annahme oder weitere Bearbeitung entscheidet. Daß Kaczior meint, durch geduldige Strippenzieherei aus dem Hintergrund eine so kniffelige Sache durchsetzen zu können, das ist ausgeprägter Größenwahn.
Wenn also der Streit mit der EU und ihren gestandenen Demokratien dahin führt, daß am Ende eine sinnvolle Erneuerungsstrategie für höchste polnische Richterämter dadurch in Gang gesetzt wird... auch gut! Hoffentlich verlieren die unabhängigen Polen nicht die Lust, ihren Autokraten auf die Füße zu treten!
Noch ist Polen nicht verloren... auch dann nicht, wenn der machtbesessene Kaczior sich zunächst durchsetzen kann!