Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(17 Jul 2017, 06:44)

Es scheint das die Polnische Regierung um Einfluss in der E.U eifert. Sie will so scheint es ihren eigenen Weg in der E.U gehen.Dabei ist gerade ein geschlossenes auftreten als E.U die einzige Möglichkeit gegen die anderen Macht/Handelsblöcke aufzutreten. Es ist an der Zeit den Ungarn, Polen klarzumachen das dies nicht besonders solidarisch ist und folgen hat Rechtsstaatliche Wege zu verlassen. Gerade Polen sollte Wissen wie es ist zwischen grossen Machtzentren zu liegen. Statt dessen Schwächen sie mit den anderen Querulanten die weitere Entwicklung die Europa so dringend braucht.
Bisher lag meine Hoffnung das Polen von Lage und Einfluss her prädestiniert wäre die OstEU
zu führen, da habe ich die Polnische Regierung
wohl überschätzt. Schade um diese Chance für Europa!
So wenig, wie Polen sich nicht mit einer "Gängelung" durch die Gemeinschaft abfinden möchte, so wenig sind seine kleineren Nachbarn bereit, sich mit einer polnischen Führung ohne erkennbaren Mehrwert ab zu finden. Genau diese Erkenntnis läßt die Visionen Visegrad, Międzymorze und Trójmorze als Tagträume erscheinen. Das einigende Band dieser Gruppierungen ist das Bestreben, sich auferlegten Lasten durch die Gemeinschaft entziehen zu wollen. Kurzformel: Rechte ja, Pflichten nein.

Die Eurogruppe sollte sich ein Verfahren überlegen, das Zuwendungen und Mitwirkung bei Gemeinschaftsentscheidungen mit dem Erfüllungsgrad der übernommenen Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber verknüpft.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Olympus »

H2O hat geschrieben:(17 Jul 2017, 08:01)

So wenig, wie Polen sich nicht mit einer "Gängelung" durch die Gemeinschaft abfinden möchte, so wenig sind seine kleineren Nachbarn bereit, sich mit einer polnischen Führung ohne erkennbaren Mehrwert ab zu finden. Genau diese Erkenntnis läßt die Visionen Visegrad, Międzymorze und Trójmorze als Tagträume erscheinen. Das einigende Band dieser Gruppierungen ist das Bestreben, sich auferlegten Lasten durch die Gemeinschaft entziehen zu wollen. Kurzformel: Rechte ja, Pflichten nein.

Die Eurogruppe sollte sich ein Verfahren überlegen, das Zuwendungen und Mitwirkung bei Gemeinschaftsentscheidungen mit dem Erfüllungsgrad der übernommenen Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber verknüpft.
Ich vermute, das wird mit Polen nichts mehr. Wenn die letzte Mauer der Demokratie fällt, die der Gerichte, ist es dunkel gestellt. Wer hält die PiS jetzt noch auf? Wann werden wohl die ersten freien Journalisten inhaftiert? Immer das selbe Schema.
Jetzt, nachdem der "mächtigste" Mann der Welt Polen als das Herz Europas dargestellt hat, denken einige erst recht, sie könnten jetzt tun was sie wollen.
Ich denke auch das diese Worte absichtlich so gewählt wurden. Das war kein einfach dahingebabbelter Satz von Trump. Es stinkt nach Putin um Europa zu spalten. Könnte auch eine Bannon-Note haben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(17 Jul 2017, 00:00)

Auch wieder richtig; nur ist jedes Mitglied der EU an Verträge gebunden, die rechtskräftig vereinbart und ratifiziert wurden. Deshalb hat die EU-Kommission auch dann ein Einspruchsrecht, aus meiner Sicht sogar die Einspruchsverpflichtung, wenn solche Beschlüsse über die Rechtsstaatlichkeit in Polen mit Volksabstimmung und 2/3-Mehrheiten beschlossen wurden. Mit dem Vertrag von Lissabon gibt es ein Austrittsverfahren, das Polen anstrengen kann. Polen hätte sich damit der Lästlinge in Brüssel entledigt.

Vermutlich liegen Sie aber auch gedanklich nicht richtig: Die EU-Kommission kann keineswegs auf dem Rechtswege auf polnische Regierungsbeschlüsse einwirken. Sie kann aber feststellen, daß ein Beschluß nach Geist und Buchstaben nicht mit den geschlossenen Verträgen übereinstimmt und dementsprechend wirtschaftlichen und politischen Druck aufbauen bis hin zum Entzug des Stimmrechts in EU-Angelegenheiten. Im Vorfeld dazu gibt es geschicktere Maßnahmen.

Ich habe allerdings nicht ganz uneigennützig die Hoffnung, daß die Polen auch ohne Maßnahmen der EU diesem Regierungstreiben ein Ende setzen. Immerhin möchten 87% der Polen ihr Land in der EU halten.
Wis soll der wirtschaftliche Druck konkret aussehen? Ich habe eher den Eindruck, dass es gerade die hervorragend gute Wettbewerbssituation von Unternehmen wie Audi, VW, Mercedes usw. usf. in Poznan, Bratislava, Györ usw. usf. ist, die die wirklichen Trümpfe von Politikern wie Kaczynski, Orbán usw. sind und die die eigentliche Basis für ihr ungebrochenes Selbsbewusstsein nach innen wie nach außen bildet. Und ich glaube vor allem auch nicht, dass sich Unternehmen wie die genannten die Geschäfte durch Politiker vermasseln lassen möchten. Gerade hat ein großes Logistik-Unternehmen aus dem Thyssen-Krupp-Umfeld verkündet, dass es diese Logistik-Funktion als Alleinherrscher in der Autoindustrie Ostmitteleuropas übernehmen wird (https://www.imperial-international.com/ ... nd-ungarn/)
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

@olympus & @schokoschendretzki:

Bauen wir auf das deutsch-französische Tandem, das sich mit Präsident Macron wiederbeleben läßt. Die Aussöhnung mit Frankreich und die inzwischen gewachsene Freundschaft und das Vertrauen auf einander sind ein ganz dickes Pfund, das Europa wieder in die Spur bringen wird. Auf jeden Fall sollte unsere Bundesregierung alles tun, damit daraus auch etwas wird. Vielleicht der Kern Europas, dem sich weitere Partner nähern.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(17 Jul 2017, 14:13)

@olympus & @schokoschendretzki:

Bauen wir auf das deutsch-französische Tandem, das sich mit Präsident Macron wiederbeleben läßt.
Das sollte man ohnehin und unabhängig vom Gang der Dinge in Osteuropa.

Aber es wird schwierig. Dass es Wirtschaft und Industrie ungebrochen nach Ostmitteleuropa zieht, hatte ich schon geschrieben. Ganz tagesaktuell baut sich aber noch eine Allianz und Stärkung der V4 von vielleicht noch größerer Tragweite auf. Heute weilt Netanjahu als erster israelischer Ministerpräsident überhaupt zu einem Besuch in Budapest. Nachdem bereits Trump mit seinem Vorzugsbesuch in Warschau die Präferenzen in Hinsicht auf Europa klargestellt hat. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Visegrád-Staaten mehr als jemals zuvor die USA und Israel hinter sich haben. Auch in ihrer Position zu den anderen EU-Staaten. Man muss sich vorstellen: Gerade erst wurde in Ungarn eine große staatliche Plakataktion beendet, die den lachenden jüdischen ungarischstämmigen Milliardär Soros zeigt, mit der Unterschrift (sinngemäß): Sorgt dafür, dass nicht Soros am Ende lacht". Mit Absicht auch auf den Boden öffentlicher Verkehrsmittel angebracht, damit die Leute drauf rumtrampeln. Auch in israelischen Medien ist man zum Teil empört. Stört das das Verhältnis der beiden Staatsmänner Orbán und Netanjahu? Nicht im mindesten. Im Gegenteil. Soros gehört bekanntlich auch zu den Privatfeinden des letzteren. Und Netanjahu wird morgen bei einem V4-Treffen (ich glaube in Prag) dabeisein.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Jul 2017, 13:02)

Das sollte man ohnehin und unabhängig vom Gang der Dinge in Osteuropa.

Aber es wird schwierig. Dass es Wirtschaft und Industrie ungebrochen nach Ostmitteleuropa zieht, hatte ich schon geschrieben. Ganz tagesaktuell baut sich aber noch eine Allianz und Stärkung der V4 von vielleicht noch größerer Tragweite auf. Heute weilt Netanjahu als erster israelischer Ministerpräsident überhaupt zu einem Besuch in Budapest. Nachdem bereits Trump mit seinem Vorzugsbesuch in Warschau die Präferenzen in Hinsicht auf Europa klargestellt hat. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Visegrád-Staaten mehr als jemals zuvor die USA und Israel hinter sich haben. Auch in ihrer Position zu den anderen EU-Staaten. Man muss sich vorstellen: Gerade erst wurde in Ungarn eine große staatliche Plakataktion beendet, die den lachenden jüdischen ungarischstämmigen Milliardär Soros zeigt, mit der Unterschrift (sinngemäß): Sorgt dafür, dass nicht Soros am Ende lacht". Mit Absicht auch auf den Boden öffentlicher Verkehrsmittel angebracht, damit die Leute drauf rumtrampeln. Auch in israelischen Medien ist man zum Teil empört. Stört das das Verhältnis der beiden Staatsmänner Orbán und Netanjahu? Nicht im mindesten. Im Gegenteil. Soros gehört bekanntlich auch zu den Privatfeinden des letzteren. Und Netanjahu wird morgen bei einem V4-Treffen (ich glaube in Prag) dabeisein.
Na schön, das sind Gesten von der Art des ausgestreckten Mittelfingers. Soll'n se doch! Ändert ja nichts an den sachlichen Vorwürfen hinsichtlich der EU-Vertragsverletzungen, die tatsächlich ziemlich handfest sind. Und die Polen werden allmählich wach, sogar Präsident Duda wird jetzt energisch. Der hat das schlimme Spiel erkannt, mit dem Kaczior seine Gegner mit Rache bedroht.

Dazu muß man auch sagen, daß die Beschäftigung mit der unabhängigen Justiz überhaupt nicht verwerflich ist, wenn einer Partei oder einer Gruppe von Mitbürgern da Merkwürdigkeiten begegnen, etwa das Konzept der Ernennung von hohe Justizbeamten. Diese Abläufe kann man in Ruhe besprechen, meinetwegen auch erbost kritisieren und auf Änderung bestehen, etwa in Form eines langwierigen Prozesses.

Ich habe verstanden, daß die hohe Richterschaft Polens sich aus sich selbst erneuert und ermächtigt, und daß sie eine Art Kaste im Staate bildet, der sich dem Volkswillen auch nicht auf verschlungenen Pfaden stellen muß.

In Deutschland werden hohe Richter vom Bundestag mit den gerade einmal geltenden politischen Mehrheiten entschieden. Natürlich müssen das ausgewiesene und bewährte Fachleute sein, die aus der großen Zahl von Gerichtspräsidenten in den Bundesländern ausgewählt werden. Und es werden nur begrenzte Amtszeiten (15 Jahre?) vergeben. Damit ist ein plötzlicher Umbau der Verfassungsgerichte gar nicht möglich, allenfalls also ein schleichender Übergang der Verantwortung für eine verfassungsgemäße Gesetzgebung und verfassungsgemäßes Handeln der Politik. Entsprechend hoch ist der Respekt vor diesen unabhängigen Bundesrichtern.

Wie jetzt auf Landesebene und Kommunalebene diese innere Erneuerung der Führungskräfte abläuft... also ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Jurist beschließen kann, "ich werde darin eine Führungsfunktion übernehmen", sondern auch da dürfte es geordnete Ernennungsverfahren geben, die die fachliche Qualifikation und die Persönlichkeit eines Bewerbers/Anwärters in den Vordergrund stellen.

In Polen sind diese Abläufe allein innerhalb dieser Fachkreise ohne Eingriff der Politik möglich gewesen. Also im wahrsten Sinne des Wortes eine "unabhängige Justiz". Dabei wird mir auch unwohl... wie sollen diese Kreise geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen und politischen Machtwechseln "nachschleichen"?

Natürlich ist es der helle Wahnsinn, daß nun eine Regierungspartei sich ihre Justiz gleich mit der Regierung oder durch die Regierung ernennen kann. Das angemessenen Werkzeug, eine solche Änderung zu erarbeiten, wäre eine Versammlung der politisch repräsentativen Kräfte im Lande zu einem Verfassungskonvent, in dem man sich um die beste Lösung zur Besetzung unabhängiger Gerichte aller Entscheidungsstufen bemüht. Diesen Vorschlag legt man dem Wahlvolk vor, das dann über Annahme oder weitere Bearbeitung entscheidet. Daß Kaczior meint, durch geduldige Strippenzieherei aus dem Hintergrund eine so kniffelige Sache durchsetzen zu können, das ist ausgeprägter Größenwahn.

Wenn also der Streit mit der EU und ihren gestandenen Demokratien dahin führt, daß am Ende eine sinnvolle Erneuerungsstrategie für höchste polnische Richterämter dadurch in Gang gesetzt wird... auch gut! Hoffentlich verlieren die unabhängigen Polen nicht die Lust, ihren Autokraten auf die Füße zu treten!

Noch ist Polen nicht verloren... auch dann nicht, wenn der machtbesessene Kaczior sich zunächst durchsetzen kann!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

@H2O: Sorry. Was ich aktuell zu den Vorgängen in Polen weiß: Im Kern geht es darum, den bislang unabhängigen Landesrichterrat aufzulösen, und das Nachfolgegremium direkt der Regierung zu unterstellen. Die kann dann quasi nach Belieben neue Richter ernennen oder auch nicht genehme in den Ruhestand schicken. Das sich selbst Präsident Duda als PIS-Mitglied daegegen stellt, ist - neben den anhaltenden Massenprotesten - ein sicheres Symptom für die Radikalität dieses Schritts. Ich weiß momentan nicht, wo ich einen "Kaczior" einzuordnen habe ... :?:

Fakt ist andererseits, dass EU-Sanktionen einstimmig zu erfolgen haben. Und Ungarn hat bereits offiziell angekündigt, dass es eine solche Sanktion gegen Polen wegen Justizreform nicht unterstützen wird. Das wars denn auch damit von EU-Seite aus.

Womit wir wieder beim Netanjahu-Besuch wären. Das V4+Israel-Treffen fand gestern in Budapest (nicht in Prag) statt. Und es gibt ein Foto der fünf, das ganz auf Einigkeit zielt. Und Äußerungen Netanjahus, die Politik der (übrigen) EU-Staaten gegenüber Israel sei im Gegensatz zu der Polens/Tschechiens/Ungarns/Slowakeis (wörtlich) "absolut verrückt".

Ich komme mir momentan irgendwie nur noch von Verrücktigkeiten umgeben vor ... Die de facto Abschaffung der Gewaltenteilung in Polen, ein israelischer MP in einem Budapest, das noch bis letztem Samstag mit antisemitischen Plakaten beklebt war ...
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Jul 2017, 09:00)

Fakt ist andererseits, dass EU-Sanktionen einstimmig zu erfolgen haben. Und Ungarn hat bereits offiziell angekündigt, dass es eine solche Sanktion gegen Polen wegen Justizreform nicht unterstützen wird. Das wars denn auch damit von EU-Seite aus.
das ungarn gegen ist, ist keine neuigkeit. denn dort handelt man genauso autoritär wie in polen. oder ist es fascistisch?
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

Nomen Nescio hat geschrieben:(20 Jul 2017, 10:41)

das ungarn gegen ist, ist keine neuigkeit. denn dort handelt man genauso autoritär wie in polen. oder ist es fascistisch?
Nein. Ist nicht faschistisch. Ich bin vorsichtig mit dem inflationären Gebrauch solcher Attribute. Auch ist die Person Orbán selbst nicht im mindesten antisemitisch eingestellt. Nicht mal seine ärgsten Feinde würden ihm das unterstellen. Und insbesondere der verstorbene Bruder Kaczynskis war in Israel einer der willkommensten ausländischen Israel-Freunde. Und schließlich: So wie Sanktionen gegen Polen in der EU von Ungarn blockiert wird, wird der Ausschluss der Fidesz aus der EVP blockiert. Und ich kann dir auch sagen von wem: Von der deutschen CSU und insbesondere EVP-Chef Manfred Weber.

Das waren jetzt nur mal so zusammengetragene Gedankenfetzen, die solche geschlossenen Pro- und Anti-Weltbilder relativieren sollen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Jul 2017, 09:00)

@H2O: Sorry. Was ich aktuell zu den Vorgängen in Polen weiß: Im Kern geht es darum, den bislang unabhängigen Landesrichterrat aufzulösen, und das Nachfolgegremium direkt der Regierung zu unterstellen. Die kann dann quasi nach Belieben neue Richter ernennen oder auch nicht genehme in den Ruhestand schicken. Das sich selbst Präsident Duda als PIS-Mitglied daegegen stellt, ist - neben den anhaltenden Massenprotesten - ein sicheres Symptom für die Radikalität dieses Schritts. Ich weiß momentan nicht, wo ich einen "Kaczior" einzuordnen habe ... :?:

Fakt ist andererseits, dass EU-Sanktionen einstimmig zu erfolgen haben. Und Ungarn hat bereits offiziell angekündigt, dass es eine solche Sanktion gegen Polen wegen Justizreform nicht unterstützen wird. Das wars denn auch damit von EU-Seite aus.

Womit wir wieder beim Netanjahu-Besuch wären. Das V4+Israel-Treffen fand gestern in Budapest (nicht in Prag) statt. Und es gibt ein Foto der fünf, das ganz auf Einigkeit zielt. Und Äußerungen Netanjahus, die Politik der (übrigen) EU-Staaten gegenüber Israel sei im Gegensatz zu der Polens/Tschechiens/Ungarns/Slowakeis (wörtlich) "absolut verrückt".

Ich komme mir momentan irgendwie nur noch von Verrücktigkeiten umgeben vor ... Die de facto Abschaffung der Gewaltenteilung in Polen, ein israelischer MP in einem Budapest, das noch bis letztem Samstag mit antisemitischen Plakaten beklebt war ...
Den Sachverhalt um die polnische Gewaltenteilung herum haben Sie besser beschrieben, als ich das vor Tagen getan habe. Der Richterrat ist das Gremium, das bisher Richter ernannt hatte. Ich hatte diesen Richterrat gleich noch mit dem Verfassungsgericht verbunden, an dem Kaczior & Co. auch schon herum gedreht hatten. Kaczior ist eine Verniedlichung von Kaczyński; kommt dem Wort "Erpel = kaczor" sehr nahe ;) und "jeder" weiß, wer gemeint ist. Auf jeden Fall ein äußerst vertragswidriger Vorgang, mit dem sich die EU befassen muß. Die polnische Regierung meint, mit der erforderlichen Einstimmigkeit bei Ausschluß des Stimmrechts ein As im Ärmel zu haben. Da halte ich es mit dem ehemaligen Präsidenten Hollande: "Ihr habt Prinzipien, und wir vergeben die Mittel!"

Um die Sache mit der Einstimmigkeit mache ich mir deshalb keine Sorgen. Das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist im Vertrag von Lissabon ausdrücklich zugelassen. Der Haushalt der Eurogruppe wird es richten. In der Eurogruppe mit eigenem Parlament und eigenem Finanzminister haben die Widerborste nichts zu sagen und auch nichts zu verlangen. Der allgemeine EU-Haushalt benötigt Einstimmigkeit. Mal sehen, wessen eine Stimme den Ausschlag geben wird! :cool:

Der Zug rollt schon bald in diese Richtung, und niemand wird ihn aufhalten. Präsident Macron und Kanzlerin Merkel werden sehr bald nach den Bundestagswahlen die Katze aus dem Sack lassen. Aber ein immerhin denkbarer Kanzler Schulz ist noch deutlich "angefressener".

Ich verlasse mich einstweilen auf die polnische außerparlamentarische Opposition KOD. Die wird munter werden, wenn die Regierung Szydło die Karre endgültig in den Graben gefahren hat. Noch ist Polen nicht verloren!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Jul 2017, 11:14)

Nein. Ist nicht faschistisch. Ich bin vorsichtig mit dem inflationären Gebrauch solcher Attribute. Auch ist die Person Orbán selbst nicht im mindesten antisemitisch eingestellt.
moment. fascistisch ist nicht gleich antisemitisch.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2017, 14:01)

Kaczior ist eine Verniedlichung von Kaczyński; kommt dem Wort "Erpel = kaczor" sehr nahe ;) und "jeder" weiß, wer gemeint ist.
:p ... ja, danke. Gut zu wissen!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

Nomen Nescio hat geschrieben:(20 Jul 2017, 15:32)

moment. fascistisch ist nicht gleich antisemitisch.
Natürlich nicht. Schon insofern als dass der Begriff Faschismus "von Historikern als „gewissermaßen inhaltsleer“ beschrieben (wird), da er „so gut wie nichts über das Wesen dessen aus[sagt], was faschistisch ist oder sein soll“. (Wikipedia). Während Antisemitismus sehr wohl ganz konkret ist.

Mit "rechtskonservative, nationalkonservative Demokratie mit autoritären Zügen" ist der aktuelle politische Zustand Ungarns hinreichend genau beschrieben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

die nachtrichten von 23 uhr melden daß lech walesa sich gegen die handlungen der PiS ausließ.
was seine worte jetzt noch für wert haben? k.a.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(22 Jul 2017, 23:09)

die nachtrichten von 23 uhr melden daß lech walesa sich gegen die handlungen der PiS ausließ.
was seine worte jetzt noch für wert haben? k.a.
Na ja, der Mann ist schon noch ein geachteter Teil der außerparlamentarischen Opposition. Insofern gelangen seine Äußerungen immer noch in die Schlagzeilen der Medien.

Noch ist Polen nicht verloren...

Nachtrag:
Heute, 24. Juli 2017, hat Polens Präsident Duda die Gesetzentwürfe für die Wahl der Mitglieder des polnischen Richterrats und des Höchsten Gerichts erst einmal zurück gewiesen. In 2 Monaten will er deren Prüfung abgeschlossen haben. Justizminister Ziobro spricht von Verrat. Mit dieser Art von Verrat werden die Polen leben können. :eek:

Die EU sollte unbeirrt das Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen fortsetzen, damit dieser grobe Unfug in Polen endlich einmal aufhört. Es gibt unendlich viele Baustellen, die das Land weiter voran bringen können. Dazu gehört nicht zuletzt auch ein freundlicherer Umgang mit der EU und Deutschland.
Zuletzt geändert von H2O am Mo 24. Jul 2017, 10:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

soeben hörte ich in den nachrichten daß der polnische präsident, duda, die angenommen gesetze zur reform der richterlichen macht nicht unterzeichnen wird.

unser korrespondent fügte hinzu daß duda zuerst noch mit einem richter des höchsten gerichtsa gesprochen hat.
außerdem, so sagte er, sind im 1. und 2. kammer zwei verschiedene texte angenommen worden, die hier und da sogar einander gegensprechen.

nirgendwo fand ich im netz eine bestätigung.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 10:43)

soeben hörte ich in den nachrichten daß der polnische präsident, duda, die angenommen gesetze zur reform der richterlichen macht nicht unterzeichnen wird.

unser korrespondent fügte hinzu daß duda zuerst noch mit einem richter des höchsten gerichtsa gesprochen hat.
außerdem, so sagte er, sind im 1. und 2. kammer zwei verschiedene texte angenommen worden, die hier und da sogar einander gegensprechen.

nirgendwo fand ich im netz eine bestätigung.
Doch, hier:

http://www.rp.pl/Sedziowie-i-sady/30723 ... .html#ap-1

aber auf Polnisch...
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

Ich halte nichts von einer Zuspitzung zwischen EU-Kommission und polnischer Regierung. Polen hat ein demokratisch legitimiertes Parlament und überdies eine starke Zivilgesellschaft, wie der dortige öffentliche Diskurs zeigt.

Von einer frankozentrischen Sichtweise halte ich auch nichts, so schön die Wahlen in Frankreich auch gewesen sein mögen. Das europäische Haus fußt auf Multilateralität, auf Konsultativgesprächen, nicht auf Kommandos der stärkeren Partner. Das ist auch ein Unterschied zu Imperien, die dann nicht selten als Zwangskorsett wahrgenommen werden.
>>We’ll always have Paris<<
[Humphrey Bogart als Rick Blaine in >Casablanca<, 1942]
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 10:58)

Doch, hier:

http://www.rp.pl/Sedziowie-i-sady/30723 ... .html#ap-1

aber auf Polnisch...
Dass Duda ein Veto eingelegt hat, ist inzwischen auch in den deutschen Medien durch. Nur als Beispiel: http://www.sueddeutsche.de/politik/eil- ... -1.3600807 Er hats in einer "überraschend einberufenen Pressekonferenz" offiziell verkündet:
"Die Änderungen müssen so erfolgen, dass Gesellschaft und Staat nicht gespalten werden", sagte er. Die neuen Gesetze müssten der Bevölkerung Sicherheit geben und verfassungskonform sein.
Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:12)

Ich halte nichts von einer Zuspitzung zwischen EU-Kommission und polnischer Regierung. Polen hat ein demokratisch legitimiertes Parlament und überdies eine starke Zivilgesellschaft, wie der dortige öffentliche Diskurs zeigt.

Von einer frankozentrischen Sichtweise halte ich auch nichts, so schön die Wahlen in Frankreich auch gewesen sein mögen. Das europäische Haus fußt auf Multilateralität, auf Konsultativgesprächen, nicht auf Kommandos der stärkeren Partner. Das ist auch ein Unterschied zu Imperien, die dann nicht selten als Zwangskorsett wahrgenommen werden.
Da bin ich völlig gegensätzlicher Meinung. In einer Wertegemeinschaft nehmen die Partner am politischen Leben ihrer Nachbarn beobachtend und kommentierend und bewertend teil. Wer sich davon ausschließen möchte, der suche sich eine andere Wertegemeinschaft. Darum geht es hier.

Ich bin sicher, daß die politische Öffentlichkeit Polens diese Zusammenhänge erkannt hat; denn weshalb sonst hätte sie mit Europaflaggen neben den Nationalflaggen an den Protesten teilnehmen sollen? Präsident Duda hat das große Verdienst, daß er die Nervenstärke besaß, sich mit seinen Fachkollegen aus den höchsten Gerichten gründlich und sachlich aus zu tauschen... und er seinem Gewissen gefolgt ist und nicht etwa einer Art Nibelungentreue zu Kaczyński.

Vielleicht bringt er weiterhin die Stärke auf, einen Konvent zur Beratung notwendiger Veränderungen des Gerichtswesens in Polen vor zu schlagen, der unabhängig von Parteiinteressen ein Gesetz erarbeitet, das der klassischen Gewaltenteilung europäischer Verfassungen gerecht wird... und über dessen Annahme am Ende das Volk entscheidet, damit endlich wieder an der Entwicklung des Landes gearbeitet werden kann.

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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
inzwischen habe ich nähere auskünfte bekommen.
es scheint daß duda findet, daß der justizminister zu viel macht bekommt. die gerichte sollten ja nur gummistempel sein.
dennoch ist hiermit alles nicht vorbei. es gab ja vier gesetzentwürfe und zwei müssen noch behandelt werden. außerdem will die bevölkerung offensichtlich auch daß die korruption bestritten wird und die viele sachen aus der kommunistischen zeit (oder mit kommunistischen prägung) geändert werden.
vermutlich muß dieses problem in zwei monaten gelöst sein !!! ???

übrigens soll, wenn der korrespondent gut informiert ist, frau merkel heut morgen auch noch duda angerufen haben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Dass Duda ein Veto eingelegt hat, ist inzwischen auch in den deutschen Medien durch. Nur als Beispiel: http://www.sueddeutsche.de/politik/eil- ... -1.3600807 Er hats in einer "überraschend einberufenen Pressekonferenz" offiziell verkündet:


Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
Na ja also. Und weil Duda zufällig Präsident ist und die richtige Ansicht hat, gibt es in dem Fall gar keinen Konflikt zwischen EU-Kommission und Polen. So einfach ist das. ;)
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Jul 2017, 11:49)

Dass Duda ein Veto eingelegt hat, ist inzwischen auch in den deutschen Medien durch. Nur als Beispiel: http://www.sueddeutsche.de/politik/eil- ... -1.3600807 Er hats in einer "überraschend einberufenen Pressekonferenz" offiziell verkündet:


Man muss dabei beachten, dass Duda selbst Jurist ist. Da steht seine Konformität zur PiS gegen die Konformität zu seinen Juristenkollegen, die die anstehenden Gesetzesänderungen mehrheitlich für verfassungswidrig halten.
Bei aller Genugtuung, daß der Gesetzentwurf der Einparteienregierung nicht einfach durchgewunken wurde: Man wird den Antrieb dieser Regierung wohl auch zu berücksichtigen haben. Es muß Gründe geben, die eine Änderung bei der Ernennung von Richtern nahe legen. Ein solches Theater veranstaltet auch eine Einparteienregierung nicht zum Zeitvertreib. Dieses Verfahren muß vermeiden, daß sich eine Kastenherrschaft als Staat im Staate für die Justiz zuständig sieht, die sich nur aus sich selbst erneuert. Eine sinnvolle Prise "Volkswille" muß dabei auf jeden Fall hinzu kommen. Mit der Ernennung der Richter durch die amtierende Regierung wurde der "Volkswille" sicher zu weit getrieben. :D

Mal sehen, was Präsident Duda auf dem Weg dahin nach tüchtiger Beratung vorschlägt!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:08)

Da bin ich völlig gegensätzlicher Meinung. In einer Wertegemeinschaft nehmen die Partner am politischen Leben ihrer Nachbarn beobachtend und kommentierend und bewertend teil. Wer sich davon ausschließen möchte, der suche sich eine andere Wertegemeinschaft. Darum geht es hier.
Beobachten und kommentieren ist ja etwas anderes als mit wenig legitimierten Instrumenten den Kurs eines Nachbarn bestimmen zu wollen. Es widerspricht der Gemeinschaft nicht, wenn die gegenwärtige polnische Regierung die EU-Kommission beobachtet und kommentiert, sei es nun nachvollziehbar oder nicht.
Die EU-Kommission sollte sich aus Europa nicht ausschließen.
Ich bin sicher, daß die politische Öffentlichkeit Polens diese Zusammenhänge erkannt hat; denn weshalb sonst hätte sie mit Europaflaggen neben den Nationalflaggen an den Protesten teilnehmen sollen? Präsident Duda hat das große Verdienst, daß er die Nervenstärke besaß, sich mit seinen Fachkollegen aus den höchsten Gerichten gründlich und sachlich aus zu tauschen... und er seinem Gewissen gefolgt ist und nicht etwa einer Art Nibelungentreue zu Kaczyński.

Vielleicht bringt er weiterhin die Stärke auf, einen Konvent zur Beratung notwendiger Veränderungen des Gerichtswesens in Polen vor zu schlagen, der unabhängig von Parteiinteressen ein Gesetz erarbeitet, das der klassischen Gewaltenteilung europäischer Verfassungen gerecht wird... und über dessen Annahme am Ende das Volk entscheidet, damit endlich wieder an der Entwicklung des Landes gearbeitet werden kann.

Noch ist Polen nicht verloren!
Sagte ja, die innenpolitischen Vorgänge sprechen für eine starke Zivilgesellschaft. Dennoch kommt man als Demokrat nicht an der Akzeptanz von Wahlen vorbei.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:27)

Beobachten und kommentieren ist ja etwas anderes als mit wenig legitimierten Instrumenten den Kurs eines Nachbarn bestimmen zu wollen. Es widerspricht der Gemeinschaft nicht, wenn die gegenwärtige polnische Regierung die EU-Kommission beobachtet und kommentiert, sei es nun nachvollziehbar oder nicht.
Die EU-Kommission sollte sich aus Europa nicht ausschließen.
Die EU versteht sich als Schicksalsgemeinschaft; jedenfalls die EU, die wir Europäer bauen wollen. Die "Legitimation der EU Kommission" ist die politische Mehrheit, so wie sie für den Ministerrat und das EU-Parlament vereinbart und besiegelt wurden. Insofern bestimmt die EU schon den Kurs der Gemeinschaft und damit auch den Kurs ihrer einzelnen Mitglieder. Es gibt die Möglichkeit, sich davon nachhaltig aus zu schließen. Das muß Wahlfreiheit genug sein.

Natürlich soll jedes Mitglied das Wirken der EU Kommission kommentieren und bewerten; das halte ich für eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Ernennung der Kommission und ihrer Mitglieder. Da ist niemand ausgeschlossen. Nur kann kein einzelner Partner der großen Mehrheit der Partner seinen Willen aufnötigen... siehe oben. Dann kann es schon einmal 26:1 stehen.
Sagte ja, die innenpolitischen Vorgänge sprechen für eine starke Zivilgesellschaft. Dennoch kommt man als Demokrat nicht an der Akzeptanz von Wahlen vorbei.
Ja, als Europäer hätte ich auch politisch starke Bauchschmerzen, wenn die Menschen in Polen auf großen Kundgebungen öffentlich Europaflaggen verbrännten. Das tun sie aber zu 87% ganz gewiß nicht. Dann muß wohl die Regierung mit Blick auf die EU-Kommission und die EU den Volkswillen falsch verstanden haben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:10)

inzwischen habe ich nähere auskünfte bekommen.
es scheint daß duda findet, daß der justizminister zu viel macht bekommt. die gerichte sollten ja nur gummistempel sein.
dennoch ist hiermit alles nicht vorbei. es gab ja vier gesetzentwürfe und zwei müssen noch behandelt werden. außerdem will die bevölkerung offensichtlich auch daß die korruption bestritten wird und die viele sachen aus der kommunistischen zeit (oder mit kommunistischen prägung) geändert werden.
vermutlich muß dieses problem in zwei monaten gelöst sein !!! ???

übrigens soll, wenn der korrespondent gut informiert ist, frau merkel heut morgen auch noch duda angerufen haben.
Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll. Präsident Duda ist unversehens zu einem Makler zwischen der parlamentarischen sowie der außerparlamentarischen Opposition und der Regierung geworden. Damit ist Präsident Duda ab sofort ein politischer Machtfaktor in Polen unabhängig von Herrn Kaczyński. Hoffentlich weiß er diese Position klug zu nutzen, um nicht Rachehandlungen dieses Strippenziehers aus dem Hinterzimmer zum Opfer zu fallen. Für mich ist Präsident Duda der politische Gewinner des Tages.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 13:04)

Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll. Präsident Duda ist unversehens zu einem Makler zwischen der parlamentarischen sowie der außerparlamentarischen Opposition und der Regierung geworden. Damit ist Präsident Duda ab sofort ein politischer Machtfaktor in Polen unabhängig von Herrn Kaczyński. Hoffentlich weiß er diese Position klug zu nutzen, um nicht Rachehandlungen dieses Strippenziehers aus dem Hinterzimmer zum Opfer zu fallen. Für mich ist Präsident Duda der politische Gewinner des Tages.
was aber bedeutet das für sein verhältnis mit K ?
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Nomen Nescio hat geschrieben:(24 Jul 2017, 14:33)

was aber bedeutet das für sein verhältnis mit K ?
Das bedeutet, daß er sich aus einer Abhängigkeit befreit hat, die ihn ansonsten als Staatsoberhaupt beschädigt hätte. Zugleich hat er sein Ansehen im Wahlvolk verbessert mit Blick auf eine zweite Amtszeit.

Früher oder später hätte Präsident Duda sich ohnehin von Herrn Kaczyńskis Gängelband losreißen müssen, um als Politiker und Persönlichkeit Mehrheiten gewinnen zu können. Sein erster Wahlsieg war mehr oder weniger unerwartet, weil er gegenüber Herrn Komorowski erfrischender auftrat und damit die Herzen der jungen Wähler gewinnen konnte. Als Persönlichkeit und Staatsmann steht er nun als Präsident aller Polen auf sicheren Beinen. Er ist der politische Gewinner des Tages!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 12:53)

Die EU versteht sich als Schicksalsgemeinschaft; jedenfalls die EU, die wir Europäer bauen wollen. Die "Legitimation der EU Kommission" ist die politische Mehrheit, so wie sie für den Ministerrat und das EU-Parlament vereinbart und besiegelt wurden. Insofern bestimmt die EU schon den Kurs der Gemeinschaft und damit auch den Kurs ihrer einzelnen Mitglieder. Es gibt die Möglichkeit, sich davon nachhaltig aus zu schließen. Das muß Wahlfreiheit genug sein.

Natürlich soll jedes Mitglied das Wirken der EU Kommission kommentieren und bewerten; das halte ich für eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Ernennung der Kommission und ihrer Mitglieder. Da ist niemand ausgeschlossen. Nur kann kein einzelner Partner der großen Mehrheit der Partner seinen Willen aufnötigen... siehe oben. Dann kann es schon einmal 26:1 stehen.
Die Union ist im Staatenverbund eine Gemeinschaft, die das Schicksal der einzelnen Nation jedoch nicht auflöst. Die UNO ist auch eine Gemeinschaft, geht aber am Selbstbestimmungsrecht nicht vorbei. Wir kennen den Föderalismus, die konkurrierende Gesetzgebung und die kommunale Selbstverwaltung.
Und da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann man die gewählten Parlamente nicht einfach für obsolet erklären.
Ja, als Europäer hätte ich auch politisch starke Bauchschmerzen, wenn die Menschen in Polen auf großen Kundgebungen öffentlich Europaflaggen verbrännten. Das tun sie aber zu 87% ganz gewiß nicht. Dann muß wohl die Regierung mit Blick auf die EU-Kommission und die EU den Volkswillen falsch verstanden haben.
Man sollte der Argumentation der Regierungsnahen, wonach ein von außen gesteuerter Putsch im Gange sei, nicht unnötig Nahrung geben. Niemand hat etwas davon, wenn die polnische Zivilgesellschaft gespalten ist und sich die Situation zuspitzt. Polen ist durchaus diskursfähig, wie die jüngste Entscheidung von Präsident Duda zeigt. Kurz, Ratschläge von außen dürften derzeit eher kontraproduktiv sein.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(25 Jul 2017, 03:19)

Die Union ist im Staatenverbund eine Gemeinschaft, die das Schicksal der einzelnen Nation jedoch nicht auflöst. Die UNO ist auch eine Gemeinschaft, geht aber am Selbstbestimmungsrecht nicht vorbei. Wir kennen den Föderalismus, die konkurrierende Gesetzgebung und die kommunale Selbstverwaltung.
Und da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann man die gewählten Parlamente nicht einfach für obsolet erklären.
Die Sache verhält sich höchst einfach: Im Gegensatz zur UNO hat die EU sehr weitgehende Verträge für ihre Gemeinschaft geschlossen, die Teile ihrer Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft übertragen; diese Verträge sind ein zu halten. Wenn der Wähler als maßgeblicher Entscheider dafür stimmt, daß sein Land diese Verträge nicht mehr erfüllen sollte, dann bedeutet das ...XIT. Dagegen ist nichts zu sagen, auch wenn man das bedauern mag. Als Störenfried in der Gemeinschaft Stimmung machen, das ist weitaus unangenehmer für alle Beteiligten. Über dieses Verhalten reden wir hier.
Man sollte der Argumentation der Regierungsnahen, wonach ein von außen gesteuerter Putsch im Gange sei, nicht unnötig Nahrung geben. Niemand hat etwas davon, wenn die polnische Zivilgesellschaft gespalten ist und sich die Situation zuspitzt. Polen ist durchaus diskursfähig, wie die jüngste Entscheidung von Präsident Duda zeigt. Kurz, Ratschläge von außen dürften derzeit eher kontraproduktiv sein.
Das Gegenteil ist wahr. Ohne ernsthafte Vorhaltungen wäre den polnischen Nachbarn gar nicht klar, daß die Gemeinschaft sich den gemeinschaftsschädigenden Auftritt ihrer Regierenden nicht länger gefallen lassen will. Die Polen wollen aber zu 87% dieser Gemeinschaft angehören; man kann dieses Umfrageergebnis nicht oft genug wiederholen. Wie soll denn den Polen deutlich gemacht werden, daß sie bei fortgesetzter Stänkerei ihrer Regierungsmitglieder aus der EU hinaus gedrängt werden? Die Zeitungen in Polen sind voll mit Kommentaren dieser Art. Frans Timmermans ist dort allgegenwärtig mit "der Atombombe", nämlich dem drohenden Vertragsverletzungsverfahren.

Hier sind wir schon einige Schritte weiter, indem wir über die Umgestaltung der Eurogruppe nachdenken. Dann braucht man gar keine Vertragsverletzungsverfahren mehr. Dann ist man dabei oder draußen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(24 Jul 2017, 13:04)

Wenn die Kanzlerin den Präsidenten Duda angerufen haben sollte, dann sicher aus Besorgnis um den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ich halte das für einen Beweis der Wertschätzung unseres Nachbarn, dem politisches Ungemach erspart bleiben soll.
Ganz genau und im Gegenteil der Mangel an Wertschätzung von D gegenüber PL wird in einem aktuellen SZ-Artikel als eine der Ursachen für die Schwierigkeit gesehen, diplomatische Lösungswege zur besseren EU-Integration Polens zu finden. Es wird etwa darauf hingewiesen, dass die deutsche Botschaft in Warschau so etwas wie ein Abladeplatz für nicht gebrauchsfähige Diplomaten war. Dass man es jahrelang nicht hinbekam, einen Botschafter zu entsenden, der halberwegs die Landessprache spricht. Was in Paris/Rom/London/Madrid usw. völlig unmöglich wäre.
http://www.sueddeutsche.de/politik/pole ... -1.3601614

Und das stimmt! Und ich ergänze mal: Zwischen Berlin und der entfernungsmäßig nächsten Großstadt (über 400 000 EW) Stettin gibts eine eingleisige unelektrifizierte Strecke, auf der passagenweise Radfahrtempo gefahren wird. Nix passiert. In Swinemünde gibts ein modernes LNG-Terminal und ein Angebot seitens Polen, dieses auch von deutscher Seite zu nutzen. Nix passiert. Es gab in dradio mal einen hintergrund zum Thema LNG-Pläne für Deutschland. Die Autorin wusste noch nicht mal etwas über das LNG in Swinemünde. Von weitgehender Ignoranz eines großen bedeutenden Nachbarn würde ich da eher sprechen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Ger9374 »

Es ist positiv zu sehen das Duda sein Veto eingelegt hat. Ob er sich damit von der PIS
distanziert bleibt abzuwarten. Es scheint aber das die Polnische Öffentlichkeit beginnt zu erkennen das nicht alles was die PIS will auch gut für ein Europäisches Polen ist.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Dieter Winter »

Ger9374 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:34)

Es ist positiv zu sehen das Duda sein Veto eingelegt hat. Ob er sich damit von der PIS
distanziert bleibt abzuwarten. Es scheint aber das die Polnische Öffentlichkeit beginnt zu erkennen das nicht alles was die PIS will auch gut für ein Europäisches Polen ist.
Die Bevölkerung Polens ist wohl ähnlich gespalten, wie die der Türkei. Hier wie da gibt es einen großen Anteil an eher weltoffenen Bürgern und auf der anderen Seites eine knappe Mehrheit an stockkonservativen und demokratiekritischen Vertretern.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Dieter Winter hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:43)

Die Bevölkerung Polens ist wohl ähnlich gespalten, wie die der Türkei. Hier wie da gibt es einen großen Anteil an eher weltoffenen Bürgern und auf der anderen Seites eine knappe Mehrheit an stockkonservativen und demokratiekritischen Vertretern.
Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(25 Jul 2017, 11:34)

Ganz genau und im Gegenteil der Mangel an Wertschätzung von D gegenüber PL wird in einem aktuellen SZ-Artikel als eine der Ursachen für die Schwierigkeit gesehen, diplomatische Lösungswege zur besseren EU-Integration Polens zu finden. Es wird etwa darauf hingewiesen, dass die deutsche Botschaft in Warschau so etwas wie ein Abladeplatz für nicht gebrauchsfähige Diplomaten war. Dass man es jahrelang nicht hinbekam, einen Botschafter zu entsenden, der halberwegs die Landessprache spricht. Was in Paris/Rom/London/Madrid usw. völlig unmöglich wäre.
http://www.sueddeutsche.de/politik/pole ... -1.3601614

Und das stimmt! Und ich ergänze mal: Zwischen Berlin und der entfernungsmäßig nächsten Großstadt (über 400 000 EW) Stettin gibts eine eingleisige unelektrifizierte Strecke, auf der passagenweise Radfahrtempo gefahren wird. Nix passiert. In Swinemünde gibts ein modernes LNG-Terminal und ein Angebot seitens Polen, dieses auch von deutscher Seite zu nutzen. Nix passiert. Es gab in dradio mal einen hintergrund zum Thema LNG-Pläne für Deutschland. Die Autorin wusste noch nicht mal etwas über das LNG in Swinemünde. Von weitgehender Ignoranz eines großen bedeutenden Nachbarn würde ich da eher sprechen.
Wir sollten uns nicht auf die polnische Dauerkränkung einlassen. Ich bin ganz sicher, daß von deutscher Seite aus gesehen jede sich beiderseits lohnende Zusammenarbeit unterstützt wird. Unsere Wirtschaft ist in dem Sinne nicht nationalistisch. Die will Geld verdienen. Die polnische Seite fürchtet Überfremdung durch Deutsche, die eine Zusammenarbeit unvermeidlich ins Land brächte.

Sehen Sie ganz einfach einmal die Randlage Stettins/Swinemündes durch diese Brille. Das Gelände war und wäre Berlins Seehafen und Sommerfrische. Das müßte Polen ermöglichen, und schon wird diese Region aufblühen.

Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob 100.000 Polen in Berlin leben und arbeiten, oder ob eine ähnlich hohe Anzahl Deutscher in die Stettiner Region einwanderte.

Deshalb ist das dort so wie Sie das beklagen. Hilft doch nichts, hier um den heißen Brei herum zu reden. Und das paßt auch in keiner Weise zum europäischen Geist, den die EU fördern möchte. Da muß in Polen ein Umdenken einsetzen... oder das wird nie etwas!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Dieter Winter »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt.
So lange kohle aus Brüssel kommt, will auch PiS und ihr Häuptling nicht darauf verzichten. Nur sollte sich die EU halt nicht gerade in Dinge einmischen, die Polen was angehen: Flüchtlinge, Gewaltenteilung (bzw. deren Aufhebung) u. ä. Kleinigkeiten.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Dieter Winter hat geschrieben:(25 Jul 2017, 15:18)

So lange kohle aus Brüssel kommt, will auch PiS und ihr Häuptling nicht darauf verzichten. Nur sollte sich die EU halt nicht gerade in Dinge einmischen, die Polen was angehen: Flüchtlinge, Gewaltenteilung (bzw. deren Aufhebung) u. ä. Kleinigkeiten.
Klar, bei dem Gedanken, daß dieser leicht erworbene Besitzstand verloren gehen könnte, werden dort auch national gesonnene Politiker munter. Dennoch sehen Sie die Sache zu einfach. Die Polen, die mir begegnet sind, waren durchweg europäisch gesonnen. Vor allem habe ich viel Gelegenheit zu solchen Begegnungen, weil ich dort zeitweise wohne.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Europa2050 »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
Der Vergleich hinkt tatsächlich.
In Polen, das Widerstand gegen alles und jeden seit 1793 in regelmäßigem Turnus übt, wäre es undenkbar, tausende Oppositionelle einzusperren und Hunderttausende auf die Straße zu werfen. Das haben nicht einmal die Zaren, die Nazis oder die Sowjets wirklich geschafft.
Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
Und die Europabegeisterung speist sich im Wesentlichen nicht aus den Subventionen, sondern aus dem Gefühl Europa könnte das polnische Dilema der bedrohlichen NachbarnDeutschland und Russland lösen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Nomen Nescio »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 16:54)

Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
vor ± 7-8 jahren hörte ich von polnischen bekannten daß auch da die kirche auf den rückzug war. was meine mutter sogar kemmentarierte mit »not lernt beten«.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

H2O hat geschrieben:(25 Jul 2017, 14:52)

Nein, das ist mir zu "neutral". In Polen wollen 87% der befragten Mitbürger, daß Polen Mitglied in der EU bleibt. Deshalb flattern auf sämtlichen Demonstrationen zur Beibehaltung des demokratischen Rechtsstaats und der Gewaltenteilung neben den Landesflaggen Weiß-Rot auch die EU-Flaggen mit dem Sternenkranz. Die Polen wissen genau, wofür die EU steht.
Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Europa2050 »

Hyde hat geschrieben:(25 Jul 2017, 17:58)

Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
Doch, das würde ich schon ernsthaft behaupten :eek:

Und zwar unabhängig vom Handeln der aktuellen Regierung und ihrer frömmelnd-nationalen Klientel.

Ein Volk, dass jeweils eines der größten Ausländerkontigente in Deutschland, Grossbrittanien und USA stellt, ist eventuell schon weltoffen.

Und seinerzeit ist man in Polen mit Englisch besser durchgekommen als in allen anderen ComeCon-Ländern.

Und die ersten, die man mit Rucksack und Zelt aber ohne Geld nach 1989 im Westen überall sah, ob Stadt oder Alpen, um das unbekannte neue zu entdecken waren - Polen.

Und wessen Nationalheld Tadeusz Kośziuszko in drei Ländern als Held verehrt wird und sich zwischendrin noch für die Schwarzen in den USA stark gemacht hat könnte eventuell auch als weltoffen gelten?

Wie gesagt: die PiS gehört zu Polen, aber sie ist nicht Polen.
Zuletzt geändert von Europa2050 am Di 25. Jul 2017, 18:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 16:54)

Der Vergleich hinkt tatsächlich.
In Polen, das Widerstand gegen alles und jeden seit 1793 in regelmäßigem Turnus übt, wäre es undenkbar, tausende Oppositionelle einzusperren und Hunderttausende auf die Straße zu werfen. Das haben nicht einmal die Zaren, die Nazis oder die Sowjets wirklich geschafft.
Und auch wenn eine starke katholische konservative Strömung herrscht (die vielleicht mit der islamistischen in der Türkei vergleichbar ist), ist der liberale Geist aus der polnischen Gesellschaft nicht zu verdrängen.
Und die Europabegeisterung speist sich im Wesentlichen nicht aus den Subventionen, sondern aus dem Gefühl Europa könnte das polnische Dilema der bedrohlichen NachbarnDeutschland und Russland lösen.
Ja, das kann die EU bestimmt leisten; wenn Polen in dem Sinne kein Staat ist, daß es da etwas ein zu gemeinden gibt, weil es ohnehin wie selbstverständlich dazu gehört. So kann ich mir aus der Ferne vorstellen, daß die deutsche Schweiz nicht ernsthaft erwägt, Teile der französischen oder italienischen Schweiz ihrem Kanton oder ihren Kantonen zu zu schlagen. Und in Genf wird sich vermutlich niemand aufregen, wenn sich jemand in der Kneipe angeregt mit seinem Nachbarn im Schweizerdeutsch unterhält. Zumindest stelle ich mir das jetzt einmal so vor.

Wer das Sprachgebiet wechselt, der muß eben die dortige Umgangssprache erlernen. Heutzutage stehen audiovisuelle Medien und Kursangebote zur Verfügung, mit denen die jeweilige Landessprache in überschaubaren Zeiträumen erlernt werden kann... ein Pflichtprogramm, an das die Aufenthaltsgenehmigung geknüpft ist. Es muß unmöglich sein, durch Lernverweigerung eine schleichende Gebietserweiterung zu ertrotzen. Der Streit zwischen Flamen und Wallonen entzündet sich genau an solchen Vorgängen. So etwas gibt es in stadtnahen ländlichen Siedlungen ja auch: Zuerst die Landlust der Städter und dann Gerichtsverfahren gegen den Mistbauern gegenüber oder den Hahn, der zur Unzeit kräht. Hilft nichts, da müssen Bestandsgarantien greifen... auch für Sprachgebiete. Also keine öffentlichen Schulen, die in einer anderen Sprache unterrichten als in der Landessprache. Notfalls dann eben Internate im alten Sprachgebiet.

Hat man das alles geklärt, dann kann aus der EU auch für Polen ein ganz gemütlicher Lebensraum werden, in dem sich keine Sprachgruppe zum Lieblingsfeind der anderen Sprachgruppe entwickeln kann. Wer sich die Sprachwechsel nicht antun mag, der muß ja sein ursprüngliches Sprachgebiet nicht verlassen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(25 Jul 2017, 17:58)

Weltoffenheit muss nichts mit EU-Freundlichkeit zu tun haben. Dass die polnische Bevölkerung weltoffen wäre, kann niemand ernsthaft behaupten.
Na ja, lieber Hyde, die Polen, denen ich in Westpommern begegne, sind schon sehr weltoffen. Die haben eigentlich nur den schlimmen Fehler, daß sie Polnisch sprechen und nicht etwa Deutsch. Wirklich aufgeschlossene Leute, die auch neugierig fremde Ansichten aufnehmen und von ihren Erfahrungen berichten. Und genau diese Aufgeschlossenheit begegnet mir auch in den Ämtern. Ich gehe wirklich ohne Herzbeklemmungen und das Gefühl des ausgeliefert Seins dort hin. Die Leute merken ja nach meinem dritten polnischen Wort, daß ich kein Pole bin, und dann schalten sie um von dienstlich auf hilfsbereit.

Natürlich kann ich nicht über Ostpolen urteilen, oder über irgendwelche Erzkatholiken... die sind mir nie begegnet. Angeblich soll es die aber geben. Tatsächlich kann man Radio Maryja hören... übrigens astreines Polnisch... aber nicht so sehr mein Programm!
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

Europa2050 hat geschrieben:(25 Jul 2017, 18:27)

Doch, das würde ich schon ernsthaft behaupten :eek:

Und zwar unabhängig vom Handeln der aktuellen Regierung und ihrer frömmelnd-nationalen Klientel.

Ein Volk, dass jeweils eines der größten Ausländerkontigente in Deutschland, Grossbrittanien und USA stellt, ist eventuell schon weltoffen.
Wenn Weltoffenheit daran festgemacht wird, wie viele Menschen auswandern, dann ist Deutschland eines der am wenigsten weltoffenen Länder (weil kaum jemand von hier weg geht), während alle Dritte Welt Länder extrem weltoffen wären. Diese Kategorisierung macht keinen Sinn.

Wenn 80, 90% der Bevölkerung am liebsten keinen einzigen Moslem ins Land lassen würde, wenn allenfalls 10, 15% der Bevölkerung die Homo-Ehe gutheißen würde, wenn eine Partei wie PiS eine solche Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, dann kann man diese Bevölkerung schwerlich als weltoffen bezeichnen.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(26 Jul 2017, 01:52)

Wenn Weltoffenheit daran festgemacht wird, wie viele Menschen auswandern, dann ist Deutschland eines der am wenigsten weltoffenen Länder (weil kaum jemand von hier weg geht), während alle Dritte Welt Länder extrem weltoffen wären. Diese Kategorisierung macht keinen Sinn.

Wenn 80, 90% der Bevölkerung am liebsten keinen einzigen Moslem ins Land lassen würde, wenn allenfalls 10, 15% der Bevölkerung die Homo-Ehe gutheißen würde, wenn eine Partei wie PiS eine solche Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, dann kann man diese Bevölkerung schwerlich als weltoffen bezeichnen.
Sind Sie mit Ihren Schlußfolgerungen nicht doch etwas einseitig vorgepolt? Was denn, wenn die Polen verfügbare Nachrichten über Terror und jede Menge Integrationsärger mit Moslems in ihren Nachbarländern so deuten, daß man sich diesen Ärger besser von vorn herein ganz energisch vom Halse hält? Was die Homo-Ehe betrifft, so gehöre ich auch zu der Minderheit, die darin keine staatstragende Veranstaltung erkennen kann. Meine Haltung zu diesem Thema ist aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Meinetwegen bin ich schon deshalb ein verstockter Hinterwäldler.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

H2O hat geschrieben:(26 Jul 2017, 09:17)

Sind Sie mit Ihren Schlußfolgerungen nicht doch etwas einseitig vorgepolt? Was denn, wenn die Polen verfügbare Nachrichten über Terror und jede Menge Integrationsärger mit Moslems in ihren Nachbarländern so deuten, daß man sich diesen Ärger besser von vorn herein ganz energisch vom Halse hält?
Die gleiche Argumentation bringen auch Trump und AfD-Anhänger. Und die würde man auch nicht unbedingt als weltoffen bezeichnen. Oder würden Sie Trumps Einreisestopp als weltoffen bezeichnen?
Mag sein, dass Ihnen die Polen am Herzen liegen. Aber deswegen braucht man nicht gleich auf jegliche Objektivität verzichten oder meinen, die polnische Bevölkerung nicht kritisieren zu dürfen, nach dem Motto "right or wrong, my country".
Bei der vorliegenden Sachlage ist es mehr als berechtigt, an den Polen hinsichtlich Weltoffenheit Kritik zu üben. Gerade wenn man ein Polen-Freund ist, sollte man das tun, anstatt solche Probleme totzuschweigen und unter den Tisch zu kehren.
Was die Homo-Ehe betrifft, so gehöre ich auch zu der Minderheit, die darin keine staatstragende Veranstaltung erkennen kann. Meine Haltung zu diesem Thema ist aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Meinetwegen bin ich schon deshalb ein verstockter Hinterwäldler.
Solange man sich dann nicht selbst als tolerant und weltoffen bezeichnet, sondern das eigene Hinterwäldlertum einsieht, lebt man wenigstens nicht in Lüge zu sich selbst.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Hyde hat geschrieben:(26 Jul 2017, 15:23)

Die gleiche Argumentation bringen auch Trump und AfD-Anhänger. Und die würde man auch nicht unbedingt als weltoffen bezeichnen. Oder würden Sie Trumps Einreisestopp als weltoffen bezeichnen?
Mag sein, dass Ihnen die Polen am Herzen liegen. Aber deswegen braucht man nicht gleich auf jegliche Objektivität verzichten oder meinen, die polnische Bevölkerung nicht kritisieren zu dürfen, nach dem Motto "right or wrong, my country".
Bei der vorliegenden Sachlage ist es mehr als berechtigt, an den Polen hinsichtlich Weltoffenheit Kritik zu üben. Gerade wenn man ein Polen-Freund ist, sollte man das tun, anstatt solche Probleme totzuschweigen und unter den Tisch zu kehren.
Was man den Polen vorwerfen kann und muß, das ist die Weigerung, sich an den durch Flüchtlinge verursachten Lasten zu beteiligen. Das halte ich für einen Treuebruch. Aber daß sie sich keinerlei moslemische Zuwanderung antun wollen, dafür habe ich volles Verständnis. Die Polen sind in der Hinsicht lernfähig. Ihnen einen Mangel an Weltoffenheit durch Lernfähigkeit vorhalten zu wollen, das ist eben ein Hyde-Special. :)
Solange man sich dann nicht selbst als tolerant und weltoffen bezeichnet, sondern das eigene Hinterwäldlertum einsieht, lebt man wenigstens nicht in Lüge zu sich selbst.
Es gibt im Leben Gelegenheiten, bei denen man zwischen zwei Übeln wählen muß. Ich habe mich in dem Punkt auf "Hinterwäldler" festgelegt und kann damit gut leben.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von H2O »

Die EU-Kommission gibt der polnischen Regierung noch einen Monat Bedenkzeit zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und der unabhängigen Justiz. Etwas unglücklich in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt dieser Ansage, weil man sie mit der Zurückweisung der Gesetze für die Ernennung von Richtern für das Oberste Gericht und den Richterrat verbinden konnte.

Nein, das ist davon losgelöst. Im wesentlichen richtet sich diese Ansage auf das Verfahren zur Besetzung des polnischen Verfassungsgerichts. Die beiden von Präsident Duda zurückgewiesenen
Pakete und ein schon zugelassenes Gesetz für die Besetzung von "Amtsgerichten" werden dabei sicher auch betrachtet.

Spannend ist die Definition des Zugriffs auf das nationale Recht der EU-Mitglieder: Die EU vertritt den Standpunkt, daß das nationale Recht formal Gemeinschaftsrecht ist. Jede gerichtliche Entscheidung soll also anhand des nationalen Rechts in jedem Mitgliedsstaat geprüft werden, ob sie zum vergleichbaren Ergebnis geführt hätte. Kommt mir als Rechtslaien irgendwie plausibel vor. Es darf ja nicht sein, daß Verfehlungen aller Art grundsätzlich unterschiedlich bewertet werden.

Au weia, das war mir bisher überhaupt nicht klar, verdeutlicht aber die Sprengkraft eines Verfahren gegen die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit eines Mitglieds!

Ein Sprecher der polnische Regierung wies die Einmischung der EU in die inneren Angelegenheiten Polens zurück mit dem Hinweis, daß das polnische Volk sich sein Staatswesen selbst ausgestalten will. Im Lichte obiger Erkenntnisse hätte Polen dann auch gleich seinen Austritt aus der EU erklären können.

Aus meiner Sicht ist es ganz schlecht, daß die polnische Regierung in Richtung Brüssel nur mit Megaphon spricht, anstatt sich mit der Kommission auf passender Augenhöhe sachlich aus zu tauschen. In dem Sinne hatte sich auch EU-Kommissar Timmermanns geäußert. Auf die Weise hätten die Polen sich und der EU insgesamt viel Ärger ersparen können.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von Hyde »

Dass für den Stimmrechtsentzug Einstimmigkeit unter allen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, halte ich für eine unsinnige Regel. Denn natürlich werden dann die Bad Boys zusammenhalten, so wie in diesem Fall Polen und Ungarn. Es kann nicht sein, dass eine Sanktion der EU wegen Rechtsstaatsverletzung am Ende allein an Victor Orban scheitert.

Wenn zumindest bloß eine 4/5-Mehrheit dazu notwendig wäre statt der utopischen Einstimmigkeit, dann könnte man solchen unsäglichen Missbrauch verhindern.
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Re: Will Polen die Entwicklung der EU behindern?

Beitrag von unity in diversity »

Hyde hat geschrieben:(27 Jul 2017, 02:48)

Dass für den Stimmrechtsentzug Einstimmigkeit unter allen EU-Mitgliedsstaaten notwendig ist, halte ich für eine unsinnige Regel. Denn natürlich werden dann die Bad Boys zusammenhalten, so wie in diesem Fall Polen und Ungarn. Es kann nicht sein, dass eine Sanktion der EU wegen Rechtsstaatsverletzung am Ende allein an Victor Orban scheitert.

Wenn zumindest bloß eine 4/5-Mehrheit dazu notwendig wäre statt der utopischen Einstimmigkeit, dann könnte man solchen unsäglichen Missbrauch verhindern.
Die Polen wollen anscheinend nicht gegen ihre Verfassungsfälscher demonstrieren, oder auf dem Plac Zamkowy blaue Zelte aufstellen. Da müssen sie dann notfalls ohne EU durch.
Wie die Despotie am Bosporus.

Ergänzung:
Polen ist traditionell pro-amerikanisch, damit keiner Angst hat, die könnten, ohne EU, ins Putinlager wechseln.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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