Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

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Krümel
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Krümel »

Ger9374 hat geschrieben:(08 May 2017, 11:48)

Das einzige was der E.U wirklich gefährlich werden könnte wäre Stillstand. Nichts entwickelt sich weiter wenn nur gebremst wird. Was sich am Ende am besten für Europa herausstellt wird sich zeigen. Für ein besseres Europa muss auch mal
das ewige zögern aufhören. Geben und Nehmen .
Nur so wird auch den Europagegnern klar werden das nichts so einfach zurückgedreht
werden kann .
Stimme ich dir genau zu! Meiner Meinung nach muss etwas getan, etwas gewagt werden! Natürlich nicht wild drauf los revolutionieren, aber eine Weiterentwicklung und Änderung muss kommen, um die EU zu retten. Man sieht ja, wo es hinführt, wenn die EU genau so verbleibt, wie sie jetzt ist.. Wie du schon gesagt hast, es muss klar werden, dass sich etwas in der EU bewegt - zum positiven!
,,Die Politik ist keine Wissenschaft, [...], sondern eine Kunst.'' - Otto von Bismarck
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H2O
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Krümel hat geschrieben:(08 May 2017, 19:27)

Stimme ich dir genau zu! Meiner Meinung nach muss etwas getan, etwas gewagt werden! Natürlich nicht wild drauf los revolutionieren, aber eine Weiterentwicklung und Änderung muss kommen, um die EU zu retten. Man sieht ja, wo es hinführt, wenn die EU genau so verbleibt, wie sie jetzt ist.. Wie du schon gesagt hast, es muss klar werden, dass sich etwas in der EU bewegt - zum positiven!

Die EU wollte sich weiterentwicklen zu einer staatenähnlichen Gemeinschaft.Viele Vorleistungen dazu wurden erbracht, aber der entschiedene Wille zur Überragung staatlicher Hoheitsrechte auf die EU fehlt. Ein Lösungsansatz für diese Stagnation wäre, die EU in einen Verein der Willigen mit einer gemeinsamen demokratisch kontrollierten Regierung zu entwickeln, Der Rest der EU wird sich dann mit einer zerstrittenen EU zufrieden gebenn müssen.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Senexx »

Es dürfen keine staatliche Hoheitsrechte auf die EU übertragen werden.
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Soldmann
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Soldmann »

Hyde hat geschrieben:Erst durch die Zeiten der Krisen der letzten Jahre hat, meine ich, die Zivilgesellschaft begonnen, sich intensiver mit Europa auseinander zu setzen. Finanzkrise, Eurokrise, Ukraine-Konflikt, Flüchtlingskrise, antieuropäische Stimmungen, Populismus: plötzlich merken wir, dass all die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr nationale Phänomene sind, sondern Phänomene, die uns alle in Europa etwas angehen. Das hat dazu geführt, dass wir alle angefangen haben, europäischer zu denken. Die Politik ist europäischer geworden, die Nachrichten sind europäischer geworden. Wir interessieren uns mehr als früher dafür, was in unseren Nachbarländern politisch und wirtschaftlich geschieht, weil es auch uns als "Europäer" und uns als EU-Bürger etwas angeht. Es macht auch für uns einen großen Unterschied, ob Le Pen oder Macron Präsident wird, denn wir spüren und erleben immer stärker, dass wir nicht mehr nur Deutsche sind, sondern auch EU-Bürger.
Allerdings erleben wir es nicht unbedingt als positiv. Früher hätte es uns nicht gekümmert, ob Griechenland einen Staatsbankrott hinlegt, inzwischen tut es das, weil Deutschland für die Schulden mit haftet. Die Frage ist, ob ich es will, dass es mich betrifft, wen die Franzosen zum Präsidenten wählen. Oder umgekehrt, ob die Griechen wollen, dass es sie betrifft, wen die Deutschen zum Kanzler wählen. Da bin ich noch nicht überzeugt von.

@H2O
Welches sind denn die Willigen für eine Umwandlung der EU von einem Staatenbund in einen Bundesstaat. Deutschland, gut, wir würden den Bundesstaat dann immerhin auch dominieren. Und wer noch?
Rom wurde auch nicht an einem Tag zerstört.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Wähler »

Senexx hat geschrieben:(09 May 2017, 00:01)
Es dürfen keine staatliche Hoheitsrechte auf die EU übertragen werden.
Die Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den einzelnen Nationalstaaten ist genau im völkerrechtlichen Vertrag von Lissabon geregelt. Ebenso die Möglichkeit, das Prinzip der unterschiedlichen Geschwindigkeiten für noch mehr Integration umzusetzen.
Wähler hat geschrieben:Re: Wie läßt sich die EU verbessern?(11 Dec 2016, 10:51)
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_v ... abgrenzung
Schon interessant, wie der Lissabon-Vertrag für einzelne Politik-Felder ganz unterschiedliche Entscheidungsverfahren vorschreibt. Ob diese Unterscheidungen immer mit dem Subsidiaritätsprinzip begründet werden können? Eine Wirtschaftsregierung könnte zum Beispiel nur eingeschränkt Industriepolitik betreiben und das nur auf Initiative einzelner EU-Länder.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(09 May 2017, 07:10)

Die Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den einzelnen Nationalstaaten ist genau im völkerrechtlichen Vertrag von Lissabon geregelt. Ebenso die Möglichkeit, das Prinzip der unterschiedlichen Geschwindigkeiten für noch mehr Integration umzusetzen.
Man muß sehen, daß die europäischen Völker daran gewöhnt waren, daß sie sich gegenseitig Schaden zufügen. Vielen Mitbürgern scheint es unendlich schwer zu fallen zu erkennen, daß sie mit diesem Umstand selbst im Inland schon auf der Hut sein müssen. Das Mißtrauen ist ganz in Ordnung. Aber Erfahrungen belehren jeden von uns, daß es in Europa anderswo doch nicht so viel anders zugeht als bei uns.

Mir ist das vor Jahren ganz entscheidend in Italien so ergangen. Auf einer Dienstreise kam ich in Süd-Italien ohne Kreditkarten und Führerschein an. Die Dokumente waren mir in Deutschland bei einem Sturz auf Glatteis unbemerkt verloren gegangen. Kein Leihwagen möglich ohn Führerschein. Und schon setzte eine Welle der Hilfsbereitschaft ein. Das Hotel bestellte ein Taxi auf Kredit und ließ mich wie geplant wohnen. Die Arbeitskollegen vor Ort (Italiener) holten mich morgens ab und brachten mich abends wieder in Hotel. In der Kantine war ich ihr Gast. Irgendwann regelte sich mein Alltag wieder, und natürlich gab es dann eine "Revanche". Leute wie Sie und ich eben.

Und ob Sie es glauben oder nicht: Einen Umschlag mit Hotelrechnung und Bargeld am Flugschalter verloren. Jemands hat den Fund ordentlich bei den Carabinieri abgegeben; das verlassene Hotel rief mich in Norditalien an und teilte mir meinen Verlust mit. Bei der nächsten Dienstreise konnte ich meinen Umschlag dort in der Flughafenwache der Carabinieri entgegen nehmen.

Durch solche Erfahrungen gewitzt halte ich es für voreingenommen, einem deutschen Politiker mehr zu vertrauen als einem italienischen. Mit Blick auf Europa: Ja, wenn wir doch nur gemeinsam unsere Politiker wählen könnten. Natürlich gehe ich davon aus, daß unsere westliche rechtsstaatliche Demokratie mit Gewaltenteilung überall gilt. Wenn wir also "mehr Europa" bekommen könnten, dann nur zu! Aber bitte auch mit Durchgriff der Bürger auf dessen Politik. Das muß verbessert werden.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »



Sie sollten mal versuchen Europa als Chance zu sehen, überall nur Risiken zu ahnen ist ärmlich.
Europa wird sich soweit entwickeln wie die Europäer es wollen. Das Tempo wird auch der Bürger durch Wählen mitentscheiden.Dann sind wie üblich die Mehrheitsentscheidungungen bindend. Nennt man Demokratie.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 09:10)

Sie sollten mal versuchen Europa als Chance zu sehen, überall nur Risiken zu ahnen ist ärmlich.
Europa wird sich soweit entwickeln wie die Europäer es wollen. Das Tempo wird auch der Bürger durch Wählen mitentscheiden.Dann sind wie üblich die Mehrheitsentscheidungungen bindend. Nennt man Demokratie.
Natürlich gibt es immer wieder Leute, die im hier und heute verharren möchten. Nach Goethes Faust würde diese Menschen irgendwann vorzeitig der Teufel holen. Aber es ist auch richtig, daß es keine Entmündigung der Bürger geben darf. Mit Verschiebung der Hoheitsrechte auf die übergeordnete Gemeinschaft muß auch das Wahlrecht auf die übergeordnete Funktion erweitert werden. Ich möchte auch keinen Finanzminister einer Euro-Finanzregierung haben, der in Hinterzimmern ausgekungelte Politik betreibt, auf die wir davon Betroffene nicht unmittelbar einwirken können.

Ich male gegen meine Gewohnheit einmal ein sehr böses Bild: Nehmen wir an, Präsident Macron sagt, daß Europa für französische Unbeweglichkeit ein zu stehen hat, und er nännte dies "Europapolitik", was aber ein-eindeutig Dienstbarmachung der Partner für französische Interessen wäre. Das könnte ihm mit geschickten Reden innerhalb der EU gelingen, und er könnte mit einigen Nutznießern dieser Politik den Rest der Euro-Gruppe "ausnehmen". Natürlich muß solchen immerhin denkbaren Varianten der Europapolitik ein demokratischer Riegel vorgeschoben werden. Ich würde also erwarten, daß die europäischen Mitbürger der Euro-Gruppe an der Besetzung dieses Finanzministeriums durch Wahlen beteiligt sind. Dann müßte es auch mehrere Bewerber um diese Amt geben, die ihre eigenen Vorschläge für ihre Amtszeit zur Wahl stellen.

Dann sollte es doch wohl mit em Teufel zugehen, wenn sich dort für längere Zeit jemand halten kann, der nationale Interessen mit europäischen Interessen verwechselt.
Senexx

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Senexx »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 09:10)

Sie sollten mal versuchen Europa als Chance zu sehen, überall nur Risiken zu ahnen ist ärmlich.
Europa wird sich soweit entwickeln wie die Europäer es wollen. Das Tempo wird auch der Bürger durch Wählen mitentscheiden.Dann sind wie üblich die Mehrheitsentscheidungungen bindend. Nennt man Demokratie.
Die EU maßt sich immer Kompetenzen an. Begonnen hat es mit Delors, als unter dem Vorwand des Wettbewerbs und der Abschaffung von Wettbewebshindernissen immer mehr Bereiche reguliert wurden.

Das ist das französische Zentralstaatsmodell.

Diametral entgegengesetzt dem deutschen Verständnis von Föderalismus.
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(09 May 2017, 10:38)

Die EU maßt sich immer Kompetenzen an. Begonnen hat es mit Delors, als unter dem Vorwand des Wettbewerbs und der Abschaffung von Wettbewebshindernissen immer mehr Bereiche reguliert wurden.
Geht doch gar nicht anders, selbst mit krummen Gurken nicht. Maße, Gewichte, Normen für Farben, Energieverbraucher, Materialnormen, Nahrungsmittel muß es doch geben, damit Waren und Dienstleistungen vergleichbar werden. Das war also gar kein Fehler soindern ein Fortschritt!
Das ist das französische Zentralstaatsmodell.

Diametral entgegengesetzt dem deutschen Verständnis von Föderalismus.
Dadurch ist Deutschland um einiges bunter als Frankreich, leider auch im Bildungssystem...

Mit Blick auf Europa muß Frankreich seinen Regionen mehr Selbständigkeit zubilligen, damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Menschen erleichtert wird. Da sind aber auch vernünftige Anfangsschritte vollzogen worden.
Ger9374

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

Es wird Länder geben die den Teufelskreis des
Misstrauens gegenüber Europäischen Partnerländern durchbrechen wollen.
Dieses Misstrauen basiert auf dem alten Bild" gebe ich den kleinen Finger nehmen die gleich die ganze Hand". Das treibt den E.U Norden um.
Die anderen fürchten die Dominanz der grossen
Länder! Obwohl vieles genau nach Einwohnerzahl der Nationen relativiert wird.Andere haben erst kurz ihre Souveränität zurück erlangt und wollen alles so lassen. Die Länder die den Kreis durchbrechen haben auch den € schon. Sie haben schon vieles an Bereitschaft gezeigt.Darum Deutschland, Frankreich, Benelux mein Tipp!
Ger9374

Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 16:05)

Es wird Länder geben die den Teufelskreis des
Misstrauens gegenüber Europäischen Partnerländern durchbrechen wollen.
Dieses Misstrauen basiert auf dem alten Bild" gebe ich den kleinen Finger nehmen die gleich die ganze Hand". Das treibt den E.U Norden um.
Die anderen fürchten die Dominanz der grossen
Länder! Obwohl vieles genau nach Einwohnerzahl der Nationen relativiert wird.Andere haben erst kurz ihre Souveränität zurück erlangt und wollen alles so lassen. Die Länder die den Kreis durchbrochen haben auch den € schon. Sie haben schon vieles an Bereitschaft gezeigt.Darum Deutschland, Frankreich, Benelux mein Tipp!
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(09 May 2017, 16:05)
Wir sollten alle Partner einladen, sich in den geplanten Integrationsschritt mit ein zu bringen. Auf der Grundlage des Euros als Gemeinschaftswährung und auf der Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats nach europäischem Muster. Dann ist es wenigstens der freie Wille des Partners, sich daran nicht beteiligen zu wollen. Finde ich besser als den Partner durch "Nichtnominierung" vor die Tür zu setzen. Daß die Sache am Ende auf die Kleingruppe BeNeLux, Frankreich, Deutschland und Italien hinaus laufen könnte, fände ich bedauerlich... aber viele große Dinge haben einmal klein angefangen :) .
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von Ger9374 »

H2O hat geschrieben:(09 May 2017, 20:19)

Wir sollten alle Partner einladen, sich in den geplanten Integrationsschritt mit ein zu bringen. Auf der Grundlage des Euros als Gemeinschaftswährung und auf der Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats nach europäischem Muster. Dann ist es wenigstens der freie Wille des Partners, sich daran nicht beteiligen zu wollen. Finde ich besser als den Partner durch "Nichtnominierung" vor die Tür zu setzen. Daß die Sache am Ende auf die Kleingruppe BeNeLux, Frankreich, Deutschland und Italien hinaus laufen könnte, fände ich bedauerlich... aber viele große Dinge haben einmal klein angefangen :) .

Es mag zu mehr Ländern reichen, aber ich stapele lieber tief und lasse mich positiv überraschen!
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Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Es ist nicht zu übersehen, die Eu steckt in einer tiefen Krise. Der Brexit ist nur das letzte einer ganzen Reihe von Alarmzeichen.

Hauptursache ist, dass die EU sich immer weitere Kompetenzen anmaßt. Entscheidungen werden von den Bürgern weg verlagert, ins ferne, gefräßige, fette Brüssel.

Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von ebi80 »

Noch schlanker? Ist doch fast nichts da. Neuerungen müssen her. Keine Zerstörungswut.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von unity in diversity »

Rückbau?
Der ist ein Selbstläufer geworden, wenn sich nichts ändert.
Ursache ist nicht die Kompetenzanmaßung Brüssels in immer unwichtiger werdenden Fragen.
Die richtig wichtigen Standortfragen gibt nämlich keiner von den zerstrittenen Zwergen irgendwohin ab.
Die verstecken sich hinter den Eurostabilitätskriterien, damit die Konvergenzkriterien unter den Tisch fallen können, die sie sich 1992 gegeben haben.
Einige EU-Länder sind schlicht abgegrast und wenn die rausgeschmissen werden, kommt schlechte Stimmung auf.
Läßt man die Abgehängten drin, greift die Deflation weiter um sich und das verarmt die Länder, in denen noch relativer Wohlstand herrscht, zusätzlich.
Insgesamt kann sich die EU immer weniger am Weltmarkt behaupten.
Weil die Innovationsschwäche unter deflationären Bedingungen kaum behoben werden kann.
Darum versucht man sich im Fach Insolvenzverschleppung, indem man veraltete Güter zu immer billigeren Preisen auf den Weltmarkt wirft.
Ob der immer ungleicher gewordene Hühnerstall jetzt noch zu einer koordinierten Standortpolitik fähig wird?
Vereinigte Staaten müssen in allen belangreichen Fragen mit einer Stimme auftreten.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Erster Posten wäre natürlich das EU-Parlament. Dieses veranstaltet mehrmals jährlich einen Wanderzirkus. Es gibt schon lange Vorschläge, diesen einzustellen.

Überhaupt ist es ziemlich überflüssig. Gesetzgeberische Kompetenzen hat es keine, kaum jemand nimmt an den Wahlen teil, niemand kennt seinen Abgeordneten, die ja auch keine Wahlkreisarbeit machen, sich nicht als Interessenvertreter ihrer Wähler verstehen, sondern als Promotoren Europas.

Das wäre in etwa so, als würde sich die Bundestagsabgeordneten als Agenten der Bundesrepublik verstehen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Auch bei der Kommission kann gespart werden, hat anscheinend auch Junker erkannt. Oettinger soll nicht Vizepräsident werden. Sensationelle 2000 Euro werden dadurch jeden Monat gespart.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/g ... 47112.html :thumbup:
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

Europa braucht mehr Kompetenzen und nicht weniger. Nur so könnten die EU-Aussengrenzen gesichert werden.....Deutschland weiss nicht, wie man Grenzen sichert. Wir brauchen Europa!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von ebi80 »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(11 May 2017, 07:49)

Europa braucht mehr Kompetenzen und nicht weniger. Nur so könnten die EU-Aussengrenzen gesichert werden.....Deutschland weiss nicht, wie man Grenzen sichert. Wir brauchen Europa!
Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
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Re: Die "neue" EU? Chance in der Krise?

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 00:24)

Es mag zu mehr Ländern reichen, aber ich stapele lieber tief und lasse mich positiv überraschen!
Ja, das ist nicht ganz verkehrt! Hoffentlich erleben wir keine böse Überraschung, nämlich daß einer von den "gesetzten Partnern" nicht mitspielen will.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Adam Smith »

ebi80 hat geschrieben:(11 May 2017, 07:54)

Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Adam Smith hat geschrieben:(11 May 2017, 08:13)

Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Die kritische Haltung einer Mehrheit der Polen in Hinsicht auf Flüchtlingsaufnahme hat nix mit der Haltung zur EU zu tun. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine positivere Haltung der Bevölkerung zur EU. Ich kann es nicht oft genug betonen. Dass die Polen gleichzeitig mit der PiS eine betont EU-kritische Regierung gewählt haben, gehört einfach zu den Widersprüchligkeiten einer komplexen politischen Weltlage. Die EU-Kritik dieser Regierung (ebenso wie die der ungarischen Regierung) zielt auch keineswegs - wie in UK - auf einen EU-Austritt sondern auf eine EU-Veränderung ab. Man hält sich für stark genug, dies zu bewirken. Meine persönliche Ansicht ist, dass dies mit der Rückendeckung zu tun hat, die diese Länder von seiten konservativer Kräfte in Europa wie etwa der deutschen CSU bekommen, die dies nur nicht so offen zur Schau stellen wollen. Es hat ganz sicher und hundertprozentig nix mit der Spitzenstellung bei den EU-Förderbeiträgen zu tun. Diese Argumentation geht selbst bei bei Netto-Einzahlern wie UK daneben. Auch dort werden Gemeindezentren oder Radwege mit EU-Fördergeldern bezahlt, die nun in Kürze nicht mehr fließen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

ebi80 hat geschrieben:(11 May 2017, 07:54)

Hast du eigentlich nichts anderes als Flüchtlinge im Kopf. Darum geht es hier gar nicht. :dead:
Ich sprach von Grenzsicherung und nicht von "Flüchtlingen". Das ist ein himmelweiter Unterschied. Eigentlich gibt es da gar keinen Zusammenhang.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

Adam Smith hat geschrieben:(11 May 2017, 08:13)

Die Polen wünschen sich in dieser Hinsicht weniger EU.
Es ist nicht so lange her, da hatten wir innerhalb Europas so gut wie keine Grenzkontrollen mehr. Schengen war keine Illusion sondern Realität. Die EU befindet sich diesbezüglich in einer Rückbauphase. So gibt es jetzt zum Beispiel wieder Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten Österreich und Slowenien. Die Ungarn streben ein Europa ohne interne Grenzkontrollen an. Darum sichern sie die Schengen-Außengrenze auf eine professionelle Weise.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(11 May 2017, 08:57)

Ich sprach von Grenzsicherung und nicht von "Flüchtlingen". Das ist ein himmelweiter Unterschied. Eigentlich gibt es da gar keinen Zusammenhang.
Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Sozialdemokrat »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 09:06)

Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Wir brauchen ein offenes und freies Europa. Das kann es nur geben mit funktionierender Sicherung der EU-Außengrenzen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 08:54)

Die kritische Haltung einer Mehrheit der Polen in Hinsicht auf Flüchtlingsaufnahme hat nix mit der Haltung zur EU zu tun. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine positivere Haltung der Bevölkerung zur EU. Ich kann es nicht oft genug betonen. Dass die Polen gleichzeitig mit der PiS eine betont EU-kritische Regierung gewählt haben, gehört einfach zu den Widersprüchligkeiten einer komplexen politischen Weltlage. Die EU-Kritik dieser Regierung (ebenso wie die der ungarischen Regierung) zielt auch keineswegs - wie in UK - auf einen EU-Austritt sondern auf eine EU-Veränderung ab. Man hält sich für stark genug, dies zu bewirken. Meine persönliche Ansicht ist, dass dies mit der Rückendeckung zu tun hat, die diese Länder von seiten konservativer Kräfte in Europa wie etwa der deutschen CSU bekommen, die dies nur nicht so offen zur Schau stellen wollen. Es hat ganz sicher und hundertprozentig nix mit der Spitzenstellung bei den EU-Förderbeiträgen zu tun. Diese Argumentation geht selbst bei bei Netto-Einzahlern wie UK daneben. Auch dort werden Gemeindezentren oder Radwege mit EU-Fördergeldern bezahlt, die nun in Kürze nicht mehr fließen.
Warum nicht klipp und klar sagen, daß die polnische Regierungspartei sich ein freigiebiges und zu allen denkbaren Wohltaten bereites Europa wünscht, in dem Polen den Ton angeben kann? Oder fällt Ihnen jetzt kurz ein Akt polnischer Solidarität ein, wenn wir erst einmal beide Augen zudrücken, was die Verteilung von Flüchtlingen in der EU betrifft? Der Vergleich Polens mit GB hinkt ein klein wenig, weil GB die Mittel, die es der EU zuführt höchstens in geschrumpfter Form für den Bau von "Radwegen" zurück erhält, also diese Mittel auch ohne EU umlenken könnte, wenn GB vergleichbare Regionalförderungen im Sinn hätte.

Dieses Kunststück muß die polnische Regierung erst noch lernen, denn die Fördermittel der EU laufen auf etwa 5% des Brutto-Sozialproduktes herauf... habe ich mir aus einem Ihrer Beiträge gemerkt. Wenn also die EU ihre Cents etwas sparsamer fließen ließe, dann gäbe es in Polen betretene Mienen. Und wenn westliche Investitionen ausblieben, und die Möglichkeit entfiele, im Westen ordentlich entlohnt zu werden, dann würden die Mienen lang und länger.

Nicht etwa, daß ich solche Ansichten verfolgte oder herbei wünschte... aber der Vergleich mit GB erschien mir denn doch zu gewagt! Daß der alltägliche Pole ein Pfundskerl ist, mit dem man zur Not auch Pferde stehlen kann, das sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Ich wohne da nämlich. Aber die Zahl meiner Pferde hält sich in Grenzen. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 09:06)

Realiter ist das Modell "Festung Europa" gerade die Geschäftsgrundlage für kommerziell arbeitende Schlepperbanden. Wir brauchen ein offenes Europa.
Auha, wenn ich an den Zustrom im Herbst 2015 denke, als das "offene" Europa seine volle Wirkung entfaltete, dann kämen wir in Mitteleuropa "spielend" auf 2 bis 4 Mio Flüchtlinge im Jahr von Bangladesch, Indien, Afghanistan, Pakistan, der arabischen Halbinsel und Nordafrika. Auf die Weise wäre Deutschland sehr bald eine Weltmacht von der Zahl seiner Einwohner her; wir bräuchten aber UNO-Spenden gegen alle möglichen Mangelerscheinungen.

Vielleicht ist die Festung Europa mitsamt dem Kampf gegen Schlepperbanden doch noch das kleinere Übel?
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Rückbau der EU bedeutet aus meiner Sicht die Beschränkung der EU auf jene Mitglieder, denen die stetig sich vertiefende Zusammenarbeit als Wegbeschreibung in eine europäische Föderation am Herzen liegt. Nur in einem gemeinsamen Staat ist eine Gemeinschaftswährung durch zu halten. Ansonsten gibt es immer wieder Pfiffikusse, die zum Nachteil der Partner einen groben Unfug mit der Gemeinschaftswährung veranstalten. Wer aber die Mitgliedschaft im Euro ablehnt, der will auch den gemeinsamen staatlichen Überbau nicht. Der will allenfalls einen Marktzugang.

Auch der gemeinsame Binnenmarkt kann ein gemeinsames Ziel sein. Mein Vorschlag für den Rückbau der EU: Der gemeinsame Binnenmarkt, an dem sich die europäische Föderation wie ein einziger Staat beteiligt. Dann wäre vermutlich sehr viel Verdruß über die EU erledigt: Keine Trittbrettfahrer mehr, keine unerfüllbaren Erwartungen mehr!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(11 May 2017, 09:24)

Warum nicht klipp und klar sagen, daß die polnische Regierungspartei sich ein freigiebiges und zu allen denkbaren Wohltaten bereites Europa wünscht, in dem Polen den Ton angeben kann? Oder fällt Ihnen jetzt kurz ein Akt polnischer Solidarität ein, wenn wir erst einmal beide Augen zudrücken, was die Verteilung von Flüchtlingen in der EU betrifft? Der Vergleich Polens mit GB hinkt ein klein wenig, weil GB die Mittel, die es der EU zuführt höchstens in geschrumpfter Form für den Bau von "Radwegen" zurück erhält, also diese Mittel auch ohne EU umlenken könnte, wenn GB vergleichbare Regionalförderungen im Sinn hätte.

Dieses Kunststück muß die polnische Regierung erst noch lernen, denn die Fördermittel der EU laufen auf etwa 5% des Brutto-Sozialproduktes herauf... habe ich mir aus einem Ihrer Beiträge gemerkt. Wenn also die EU ihre Cents etwas sparsamer fließen ließe, dann gäbe es in Polen betretene Mienen. Und wenn westliche Investitionen ausblieben, und die Möglichkeit entfiele, im Westen ordentlich entlohnt zu werden, dann würden die Mienen lang und länger.
Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(11 May 2017, 09:33)

Auha, wenn ich an den Zustrom im Herbst 2015 denke, als das "offene" Europa seine volle Wirkung entfaltete, dann kämen wir in Mitteleuropa "spielend" auf 2 bis 4 Mio Flüchtlinge im Jahr von Bangladesch, Indien, Afghanistan, Pakistan, der arabischen Halbinsel und Nordafrika. Auf die Weise wäre Deutschland sehr bald eine Weltmacht von der Zahl seiner Einwohner her; wir bräuchten aber UNO-Spenden gegen alle möglichen Mangelerscheinungen.

Vielleicht ist die Festung Europa mitsamt dem Kampf gegen Schlepperbanden doch noch das kleinere Übel?

Das Konzept "Offenes Europa" meint ja nicht wirklich und wörtlich komplett offene Außengrenzen ohne jegliche Kontrolle.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Adam Smith »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 10:19)

Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
Leben noch Polen im Iran?
Das ist Kapitalismus:

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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 May 2017, 10:19)

Naja, 5 Prozent sind eben einerseit nicht nichts, aber andererseits eben auch nicht so bedeutsam, dass sich ein Kaczynski davon maßgeblich beeinflussen ließe. Zumal lokale Infrastrukturprojekte, auf die EU-Förderung maßgeblich abzielt, wahrscheinlich ohnehin nicht so sehr im Fokus der PiS stehen. Bei Investitionen siehts schon ganz anders aus. Für die muss aber "nur" gewährleistet sein, dass man sich ohne Behinderung ansiedeln kann und dass ohne Behinderung Produkte (auf diesem sehr kurzen Weg) innerhalb Europas transportiert werden können. Das jedoch, diesen Zweck der EU-Vergemeinschaftung stellen weder Polen noch Ungarn auch nur irgendwie in Frage. Wäre ja auch einigermaßen töricht.

Was die Flüchtlingspolitik anbetrifft. Ich schrieb ja bereits: Die ist in Polen sehr sehr widersprüchlich. Da steht EU-Begeisterung der Bevölkerung gegen Offenheit in dieser Frage.

Ein hochinteressantes Detail in dieser Frage übrigens: Während des 2. Weltkriegs flohen zirka einhunderttausend Polen aus den durch die Sowjetunion okkupierten Landesteilen im Osten Polens - ausgerechnet! - nach Persien. Ich finde momentan leider den Podcast dazu nicht, den ich zu diesem Thema kürzlich hörte. Es war jedenfalls außerordentlich spannend. Insbesondere Gruppen von polnischen Kindern wurden im Iran aufgenommen und sogar persönlich vom damaligen Schah empfangen und mit Speiseeis und Süßigkeiten bewirtet. Es wird berichtet, dass diese polnischen Kinder nach den Schrecken des Kriegs und der Zwangsunterbringung in der SU übereinstimmend der Meinung waren, "ins Paradies" gekommen zu sein. Das sollte man gerade dem Teil der patriotisch veranlagten Polen, die sich gegen die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten wenden, mal als Argumentationshilfe mit auf den Weg geben.

Und der Vergleich UK Polen ist wenigstens insofern nicht ganz verkehrt, als dass beide Regierungsparteien (noch) die beiden einzigen maßgeblichen in der EU-Parlaments-Fraktion EKR, also quasi Schwesterparteien sind.
Sie können inzwischen sicher bewerten, daß ich nicht so entschieden auftrete, wie ich mich hier gebe :) . Das lernt man als Familienvater sehr schnell!

Ich möchte fast wetten, daß die polnischen Nachbarn durchaus sehen, wie die ehemalige sowjetische Zone aufgeblüht ist. Das erlebe ich jetzt in Westpolen zu meiner großen Freude: Überall wird gemauert, gemalt, werden Dächer erneuert, werden öffentliche Gebäude auf Hochglanz gebracht...und überall findet man auch das große Schild, daß dies mit beachtlichen Zuschüssen aus dem EU-Regionalfonds finanziert wurde... also die EU zu Arbeitsplätzen in Polen und mehr Lebensqualität beiträgt. Wenn das urplötzlich entfiele, dann blieben die Schlaglöcher in so mancher Nationalstraße einige Jahre offen, würde so mancher Verkehrsweg gar nicht erst gebaut. Gut, daß ich das noch erleben kann!

Vorsicht, Herr Kaczyński hatte schon die ganz große Meckerei begonnen, weil die großen deutschen Verlagshäuser sich in Polen all der notleidenden Zeitungsverlage angenommen hatten. Da war von Enteignung die Rede, da war von deutschen Supermärkten die Rede, die den polnischen Tante-Emma-Läden die Luft abdrücken. Daß auch das ein großer Schritt in die Neuzeit ist, das hat die PiS erst spät gemerkt. Deren nationalem Demokratieverständnis traue ich zu, daß zu gegebner Zeit die Meckerei auch wieder auflebt. Aber die PiS ist nicht Polen; inzwischen kämpfen liberalere Gruppen darum, daß das Schulwesen nicht zu stets fügsamen frommen Leuten erzieht, sondern zu selbstbewußten und kritikfähigen jungen Leuten... und das auch unter europäischen Flaggen. Noch ist Polen nicht verloren!
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Ger9374 »

Ich würde eher die E.U mit einem Baum vergleichen deren Äste ausgeschnitten werden müssen um besseres gedeihen zu ermöglichen.
Zuviel ausästen kann auch Schaden.
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 01:35)

Es ist nicht zu übersehen, die Eu steckt in einer tiefen Krise. Der Brexit ist nur das letzte einer ganzen Reihe von Alarmzeichen.

Hauptursache ist, dass die EU sich immer weitere Kompetenzen anmaßt. Entscheidungen werden von den Bürgern weg verlagert, ins ferne, gefräßige, fette Brüssel.

Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
Völlig falsche Prämisse. Die EU hat sich noch nie eine einzige Kompetenz "angemaßt", weil sie das gar nicht kann, da ihr die Kompetenzkompetenz fehlt. Jede Europäisierung muss von den Mitgliedsstaaten bestimmt werden. Daher hat man eher Zweifel am Bürger und nicht an Europa. Da muss nichts zurückgebaut werden.
Labskaus!

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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Sie sind vermutlich noch zu jung, um Delors zu kennen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 17:44)

Sie sind vermutlich noch zu jung, um Delors zu kennen.
Und Du bist einfach nur schlecht informiert. Es ist schon auffällig, dass die lautesten Europagegner häufig am wenigsten Ahnung von den Grundstrukturen der EU haben und dieses (aus ihrer Sicht) fremde, ferne, unbekannte, neue Wesen erstmal ablehnen, da ihnen die Fähigkeit zur Kritik mangels Wissen fehlt.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 13:23)

Ich würde eher die E.U mit einem Baum vergleichen deren Äste ausgeschnitten werden müssen um besseres gedeihen zu ermöglichen.
Zuviel ausästen kann auch Schaden.
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
Sicher, dieser Vergleich mit einem lebenden Baum mit Totholz ist sehr anschaulich und nachvollziehbar. Ich möchte dennoch daran erinnern, daß viele EU-Kritiker immer wieder auf ein unerträgliches Demokratiedefizit der EU hinweisen. Ein EU-Bürger muß aus meiner Sicht zu Recht das Gefühl haben, daß er mit seiner Wählerstimme die Politik der EU mitgestaltet.

Dazu muß er, wie schon eingeführt, die Abgeordneten des EU-Parlaments wählen können, aber diese Abgeordneten müssen auch Entscheidungsvollmachten erhalten, die ihnen Vorrang vor nationalen Entscheidern einräumen. Die EU-Gesetzgebung muß ganz dringend vom EU-Ministerrat mit seinen Fingerhakeleien auf das Parlament übergehen, wo Probleme von europäischem Rang bewegt werden müssen. Dazu werden die EU-Bürger mit ihrer Stimme bewußt beitragen. Der Wähler soll also in der Sache entscheiden und nicht lächelnde Gesichter zu Abgeordneten des EU-Parlaments ohne "harte Vollmachten" machen.

Den EU-Ministerrat kann man sich gut als 2. Kamnmer in Entscheidungen auf EU-Ebene vorstellen. Dort können entsandte Regierungsmitglieder der Nationalstaaten ihre Ablehnung oder Zustimmung zu Gesetzen des EU-Parlaments vortragen und durch Mehrheiten auch eine Wiedervorlage im EU-Parlament bewirken.

Die EU-Kommission sollte nur noch vom EU-Parlament ernannt werden, wobei auch dort eine sinnvolle Beteiligung der Mitgliedsstaaten festgelegt werden muß. 28 Kommissare sind sicher eine ganz ausgeuferte "Regierungsriege " der EU.

Ein Rückbau der EU wäre parallel dazu sinnvoll; nämlich Mitglieder von der Gestaltung der EU als übergeordnete Ordnungsmacht der EU und der Eurozone aus zuschließen, die dort keinen tragenden Beitrag leisten. Da muß man andere Formen der Beteiligung finden, die dem Maß entsprechen, in dem diese Mitglieder ihren Beitrag zum Gelingen der EU leisten.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Senexx »

Ger9374 hat geschrieben:(11 May 2017, 13:23).
Das E.U Parlament braucht gesetzgeberische Kompetenzen , sonst wird es dem Bürger immer suspekter werden.Und um Abgabe von Kompetenzen geht es doch überhaupt.
Wenn Brüssel jetzt eingeschränkt statt aufgewertet wird gehen wir rückwärts.
Tote äste weg ja, aber mit bedacht an die Zukunft denken.
Richtig erkannt: Das EU-Parlament wird als überflüssig angesehen, genießt keine Legitimitätsgeltung.

Etwas was nicht anerkannt wird, gehört einfach abgeschafft.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von frems »

Oje, und nun auch noch das Märchen der fehlenden Legitimation, wenn's mit der behaupteten Evokation schon nicht hinhaut.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Edmund »

Senexx hat geschrieben:(11 May 2017, 01:35)
Es kann keinen Zweifel geben, dass die EU verschlankt und zurückgebaut werden muss. Aber wie?

Vorschläge, was zu tun ist?
Zuerst könnte mal das EU-Parlament weg. Das kostet nur unnötig viel Geld und macht überhaupt keinen Sinn. Es genügt vollkommen, wenn die demokratisch gewählten Regierungen im Europarat über gemeinsame Regelungen beraten. Und die nationalen Parlamente können dann darüber abstimmen. Da braucht man nicht noch ein extra EU-Parlament mit einem ganzen Rattenschwanz von Beamten und Bürokraten mit dran.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Dazu muß er, wie schon eingeführt, die Abgeordneten des EU-Parlaments wählen können, aber diese Abgeordneten müssen auch Entscheidungsvollmachten erhalten, die ihnen Vorrang vor nationalen Entscheidern einräumen. Die EU-Gesetzgebung muß ganz dringend vom EU-Ministerrat mit seinen Fingerhakeleien auf das Parlament übergehen, wo Probleme von europäischem Rang bewegt werden müssen. Dazu werden die EU-Bürger mit ihrer Stimme bewußt beitragen. Der Wähler soll also in der Sache entscheiden und nicht lächelnde Gesichter zu Abgeordneten des EU-Parlaments ohne "harte Vollmachten" machen.
Nur stellt sich hier das Problem, dass das EU-Parlament nicht nach dem Prinzip der gleichen Wahl (one man, one vote) gewählt wird. Da die wichtigen Sachen in der Kommission entschieden werden, stört das im Moment wohl keinen großartig. Aber für ein echtes Parlament ist das Prinzip der gleichen Wahl eigentlich Voraussetzung.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 01:44)

Nur stellt sich hier das Problem, dass das EU-Parlament nicht nach dem Prinzip der gleichen Wahl (one man, one vote) gewählt wird. Da die wichtigen Sachen in der Kommission entschieden werden, stört das im Moment wohl keinen großartig. Aber für ein echtes Parlament ist das Prinzip der gleichen Wahl eigentlich Voraussetzung.
Tatsächlich ist es so, daß in großen Bundesstaaten die Stimmengewichte für Bundesländer nicht auf "One man, one vote" bezogen werden. Die Möglichkeit, daß dann volkreiche Staaten, etwa unser Land, fast sämtliche Entscheidungen prägten, wäre doch zu groß. Deshalb hatte man sich für Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die qualifizierte Mehrheit überlegt. Dort gilt ein Beschluß als angenommen, wenn die Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der darin befindlichen Einwohner in einer Abstimmung erzielt wird. Im Parlament geht so etwas nicht. Da käme mit 1:1 bei 450 Mio Einwohnern ein Abgeordneter je Million zu Stande. Malta hätte dann gar keinen Abgeordneten, und von Parteienmeinungen in Malta wäre im Parlament erst recht nichts zu spüren.

Da hat man sich dazu durchgerungen, daß derzeit Deutschland mit 96 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, und Malta eben mit 6. Das kann man besser in Wiki nachlesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann folgt die Zahl der Abgeordneten je Partnerstaat einer mathematischen Funktion, die dann zu diesen Ergebnissen führt. Das EU-Parlament ist auch mit 750 Abgeordneten viel zu groß für eine geordnete Arbeit; jedenfalls meine ich das so. Bei Verkleinerung der Zahl der Abgeordneten wird das Mißverhältnis zwischen großen und kleinen Staaten aber noch größer.

Man muß also sehr viele Kompromisse zulassen, damit ein gemeinsames Parlament überhaupt von allen Partnern anerkannt wird.

Ich finde, daß unter den gegebenen Bedingungen ein erträglicher Kompromiß gefunden wurde. Daran würde ich in den kommenden 100 Jahren nicht rütteln wollen. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Tatsächlich ist es so, daß in großen Bundesstaaten die Stimmengewichte für Bundesländer nicht auf "One man, one vote" bezogen werden. Die Möglichkeit, daß dann volkreiche Staaten, etwa unser Land, fast sämtliche Entscheidungen prägten, wäre doch zu groß. Deshalb hatte man sich für Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die qualifizierte Mehrheit überlegt. Dort gilt ein Beschluß als angenommen, wenn die Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der darin befindlichen Einwohner in einer Abstimmung erzielt wird. Im Parlament geht so etwas nicht. Da käme mit 1:1 bei 450 Mio Einwohnern ein Abgeordneter je Million zu Stande. Malta hätte dann gar keinen Abgeordneten, und von Parteienmeinungen in Malta wäre im Parlament erst recht nichts zu spüren.

Da hat man sich dazu durchgerungen, daß derzeit Deutschland mit 96 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, und Malta eben mit 6. Das kann man besser in Wiki nachlesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann folgt die Zahl der Abgeordneten je Partnerstaat einer mathematischen Funktion, die dann zu diesen Ergebnissen führt. Das EU-Parlament ist auch mit 750 Abgeordneten viel zu groß für eine geordnete Arbeit; jedenfalls meine ich das so. Bei Verkleinerung der Zahl der Abgeordneten wird das Mißverhältnis zwischen großen und kleinen Staaten aber noch größer.

Man muß also sehr viele Kompromisse zulassen, damit ein gemeinsames Parlament überhaupt von allen Partnern anerkannt wird.

Ich finde, daß unter den gegebenen Bedingungen ein erträglicher Kompromiß gefunden wurde. Daran würde ich in den kommenden 100 Jahren nicht rütteln wollen. :)
In welchen Bundesstaaten wäre das, dass die Stimmen der Bürger in großen Bundesländern weniger zählen bei der Wahl des Parlaments?

Ob der Kompromiss erträglich ist, liegt im Auge des Betrachters. Der Knackpunkt ist, dass das Verfahren nicht dem Standard westlicher Demokratie entspricht. Mit gleichem Argument könnte ich ein Zensus-Wahlrecht einführen, denn sonst bestünde die Gefahr, dass die ungebildeten Massen sämtliche Entscheidungen prägen, wogegen die kleine Gruppe der Reichen und Gebildeten gar keine Abgeordneten stellt. Die freie, gleiche, geheime Wahl ist nunmal Grundpfeiler der westl. Demokratie. Wobei ich mir sogar vorstellen könnte, dass die Deutschen das hinnehmen, dass ihre Wählerstimmen weniger zählen, falls sie das überhaupt mitkriegen. Bis mit den Stimmen Maltesischer Abgeordneter etwas beschlossen wird, was ihnen so gar nicht in den Kram passt. :)
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 14:50)

In welchen Bundesstaaten wäre das, dass die Stimmen der Bürger in großen Bundesländern weniger zählen bei der Wahl des Parlaments?
Haben Sie denn nicht mit einiger Überraschung gelernt, daß Frau Clinton etwa 1,5 Mio (!) Stimmen mehr hatte als Herr Trump, der es aber aufgrund der "Wahlmänner" zu einer Mehrheit für die Wahl des Präsidenten gebracht hatte? Ganz offensichtlich waren mehr Stimmen je Wahlmann in einigen Bundestaaten der USA erforderlich. Deshalb ist aber doch kein Volksaufstand losgebrochen, um nun aber Gerechtigkeit her zu stellen. Die Sache könnte ja einen Sinn haben, den wir mit unseren Kenntnissen nicht erfassen können.
Ob der Kompromiss erträglich ist, liegt im Auge des Betrachters. Der Knackpunkt ist, dass das Verfahren nicht dem Standard westlicher Demokratie entspricht.
Das trifft so nicht in Reinkultur zu; siehe oben.
Mit gleichem Argument könnte ich ein Zensus-Wahlrecht einführen, denn sonst bestünde die Gefahr, dass die ungebildeten Massen sämtliche Entscheidungen prägen, wogegen die kleine Gruppe der Reichen und Gebildeten gar keine Abgeordneten stellt.

Jetzt bin ich ziemlich verwirrt. Das Stimmrecht "one man, one vote" benachteiligt bekannte Minderheiten bei jeder Mehrheitsentscheidung. Diese Minderheit brächte es nie zu Sitz und Stimme in Parlamenten, etwa bei Anwendung der 5%-Klausel. Also hat man die Patei der dänisch gesonnenen Minderheit auch mit 3,5% in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt. Folglich zählt jede Stimme für deren Partei mehr als eine für deutsche Parteien.

Wenn man lange genug sucht, wird man genügend viele Beispiele finden, bei denen auch im Westen ungleiche Stimmengewichte nicht nur hingenommen werden, sondern sie sogar Gerant für den inneren Frieden sind.
Die freie, gleiche, geheime Wahl ist nunmal Grundpfeiler der westl. Demokratie.
Da gibt es wirklich kein Vertun!
Wobei ich mir sogar vorstellen könnte, dass die Deutschen das hinnehmen, dass ihre Wählerstimmen weniger zählen, falls sie das überhaupt mitkriegen. Bis mit den Stimmen Maltesischer Abgeordneter etwas beschlossen wird, was ihnen so gar nicht in den Kram passt. :)
Ooch nein, so schafsköpfig sind unsere lieben Mitbürger doch gar nicht. Ich meine, daß usere Mitbürger ganz gut erstehen, welche Kompromisse man in einem Vielvölkerstaat schließen muß, damit alle Beteiligten mitspielen.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von Soldmann »

H2O hat geschrieben:Haben Sie denn nicht mit einiger Überraschung gelernt, daß Frau Clinton etwa 1,5 Mio (!) Stimmen mehr hatte als Herr Trump, der es aber aufgrund der "Wahlmänner" zu einer Mehrheit für die Wahl des Präsidenten gebracht hatte? Ganz offensichtlich waren mehr Stimmen je Wahlmann in einigen Bundestaaten der USA erforderlich.
Richtig. Aber soweit ich weiß, ist das nicht absichtlich so eingerichtet worden, sondern durch Bevölkerungsverschiebungen gekommen. Ursprünglich sollte jede Stimme gleich viel zählen. Und auch wenn es keinen Volksaufstand gab, ist die Regelung durchaus umstritten in den USA.
Jetzt bin ich ziemlich verwirrt. Das Stimmrecht "one man, one vote" benachteiligt bekannte Minderheiten bei jeder Mehrheitsentscheidung. Diese Minderheit brächte es nie zu Sitz und Stimme in Parlamenten, etwa bei Anwendung der 5%-Klausel. Also hat man die Patei der dänisch gesonnenen Minderheit auch mit 3,5% in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt. Folglich zählt jede Stimme für deren Partei mehr als eine für deutsche Parteien.
Das ist doch ganz was anderes, als wenn jede Stimme eines Dänen 4 mal so viel zählt wie die eines Deutschen.
Wenn man lange genug sucht, wird man genügend viele Beispiele finden, bei denen auch im Westen ungleiche Stimmengewichte nicht nur hingenommen werden, sondern sie sogar Gerant für den inneren Frieden sind.
So? o_O
Ooch nein, so schafsköpfig sind unsere lieben Mitbürger doch gar nicht. Ich meine, daß usere Mitbürger ganz gut erstehen, welche Kompromisse man in einem Vielvölkerstaat schließen muß, damit alle Beteiligten mitspielen.
Das mag sein. Die Frage wäre dann, warum man sich einen Vielvölkerstaat suchen sollte, wenn man einen National-Staat bereits erreicht hat.
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Re: Rückbau der EU

Beitrag von H2O »

Soldmann hat geschrieben:(12 May 2017, 22:28)

Richtig. Aber soweit ich weiß, ist das nicht absichtlich so eingerichtet worden, sondern durch Bevölkerungsverschiebungen gekommen. Ursprünglich sollte jede Stimme gleich viel zählen. Und auch wenn es keinen Volksaufstand gab, ist die Regelung durchaus umstritten in den USA.
Das ist doch ganz was anderes, als wenn jede Stimme eines Dänen 4 mal so viel zählt wie die eines Deutschen.

So? o_O

Das mag sein. Die Frage wäre dann, warum man sich einen Vielvölkerstaat suchen sollte, wenn man einen National-Staat bereits erreicht hat.
Das mit dem Nationalstaat ist nun wirklich ein sehr weites Feld ohne gute Zukunft. Aber die zugehörige Erklärung führte auch zu weit. Nur so viel im Nationalstaat: Durch Wahlgesetz zählt auch die Stimme eines dänisch gesonnenen Wählers mehr als die eines Nur-Deutschen, wenn es um deren spezielle Partei SSW geht. Für die gilt die 5%-Hürde nicht. Diese Regelung dient sicher dem inneren Frieden in Schleswig-Holstein. Die CDU hatte 'mal gemeckert, als der SSW eine stabile Regierungskoalition SPD/Grüne/SSW ermöglicht hatte. Aber dieser Zorn hat sich längst gelegt... was ich auch Ihnen empfehle. Vielleicht bildet demnächst die CDU eine Regierungskoalition CDU/Grüne/SSW, und dann hat der Herrgott für einen Ausgleich gesorgt!
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