http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... ageIndex_1Deutschland ist zu Recht stolz auf sein System der dualen beruflichen Ausbildung. Wegen seiner hohen Qualität wird es weltweit bewundert. Die Vorteile: Wer Elektriker, Maler oder Einzelhandelskaufmann gelernt hat, schafft meist schnell den beruflichen Einstieg. Durch die Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen kommen die Absolventen gut ins Gleis von der Schul- in die Arbeitswelt. Doch die berufsspezifische Ausbildung kann auch Schattenseiten haben. Zum Problem wird es, wenn das Gleis sich später als Sackgasse entpuppt. Einige einst beliebte Ausbildungsberufe – beispielsweise Schneider, Weber, Drucker, Modistin, Foto- oder Filmlaborant – sind heute kaum noch gefragt. [...]
Unter den untersuchten 18 IALS- und 16 PIAAC-Ländern sind die Effekte in Ländern wie Deutschland, Dänemark, Österreich und der Schweiz besonders stark, die ein ausgeprägtes duales Berufsausbildungssystem haben. In diesen Ländern dreht sich der Beschäftigungsvorteil der Absolventen der beruflichen Ausbildung schon im Alter von 44 Jahren in einen Beschäftigungsnachteil um. Dabei geht es nicht um die Frage der Dauer eines Bildungsganges, denn deren Effekte werden in den Studien komplett herausgerechnet. Es geht darum, dass eine starke Fokussierung auf ein enges Berufsbild den Schritt von der Schul- in die Arbeitswelt erleichtert, aber gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer an eine sich wandelnde Wirtschaft verringert. Das gilt genauso für höhere Bildungsgänge. Deshalb ist die aktuell zu beobachtende Zersplitterung in eng ausgerichtete Studiengänge – zum Beispiel ein Bachelor in Cruise Tourism Management – auch sehr kritisch zu sehen.
Aber auch für unser duales Ausbildungssystem legen die Befunde Verbesserungspotentiale nahe – denn auch ein recht gut funktionierendes System hat immer noch Potential verbessert zu werden. Um das duale Ausbildungswesen zukunftsfähig zu halten, sollten wir die frühe Spezialisierung der Auszubildenden verringern, indem wir die Anzahl der spezifischen Ausbildungsberufe verringern, den allgemeinbildenden Anteil an den Ausbildungsinhalten ausweiten und die lebenslange Weiterbildung stärken.
Teilt Ihr die Kritik und Reformvorschläge der Forscher? Sprich, ist das deutsche Ausbildungswesen zwar ein guter Weg, um junge Menschen in die Berufswelt einsteigen zu lassen, aber kann sich zugleich schnell als Sackgasse erweisen, wenn Personen zu sehr spezialisiert sind und/oder ihr einst gelerntes (und angewandtes) Tätigkeitsfeld nach einigen Jahren "ausstirbt"? Und wenn ja, welche Vorschläge hättet Ihr? Sind die Unternehmen in der Pflicht, ihre Angestellten verstärkt weiterzubilden? Ist Eigeninitiative gefragt? Oder ein stärkeres staatliches Förderprogramm? Dass gerade ältere Mitarbeiter häufig Schwierigkeiten haben, wieder eine Tätigkeit zu finden, hört man ja hierzulande auch oft, z.B. bei der Debatte, ob man im hohen Alter länger ALG1 kriegen sollte, da die Jobsuche als erschwert angesehen wird.