Wasteland hat geschrieben:(11 Feb 2017, 21:12)
In meiner Erfahrung ist es so, dass jeder der das Wort Neger benutzt hat den ich je erlebt habe jemand war, der sehr negative Stereotypen von Schwarzen hatte.
Ich arbeite in der Altenpflege, meine Damen und Herren sind alle durchschnittlich in den 1930/40ern geboren - seit einigen Jahren haben wir eine schwarzafrikanische Pflegefachkraft, die bei den Bewohnern außerordentlich beliebt ist. Viele Bewohner unserer Station sind aufgrund ihrer dementiellen Erkrankung u. a. nicht mehr in der Lage, sich Namen merken zu können - eben jene farbige Mitarbieterin wird deswegen von vielen liebevoll " 's Negerle" gerufen.
Ich habe einige Bewohner mal darauf angesprochen, ob "Negerle", also jemanden aufgrund seiner dunklen Hautfarbe als "Neger" zu bezeichnen, nicht etwa rassistisch oder sonstwie negativierend wäre. Die Runde war sich schnell einig, dass "Neger" ein vollkommen neutraler Ausruck sei, der lediglich einen Menschen anhand seiner Hautfarbe benennt. Rassistisch o. ä. würde es erst werden, wenn man bspw. "Scheiß-Neger" sagen würde, also ein eindeutiges Negativum hinzufügte. Ich wollte dann wissen, ob hinsichtlich Neutralität der Begriff "Schwarze" nicht besser wäre - nein hieß es da, wenn bspw. eine Frau als "die Schwarze" bezeichnet wird, meint mensch die Haarfarbe ("die Blonde"/"die Brünette"/"die Rote" - weiß- oder grauhaarige wären "die Alte"). Freilich würde "die Schwarze" auf " 's Negerle" auch zutreffen, aber es könnte sich ja auch eine Frau mit lediglich schwarzen Haaren angesprochen fühlen. Unterscheidungskriterium ist dann eben die Hautfarbe.
Die Bewohner sind sich aber durchaus bewusst, dass "Neger" allgemein eher als Beleidigung und weniger als harmlose "Typisierung" aufgefasst wird. So sieht es übrigens auch betroffene Mitarbeiterin. Sie meint, jemand der dich "Negerle" ruft und dir dabei vertrauensvoll ins Gesicht schaut und dir bspw. hilfesuchend die Hände entgegenstreckt oder einfach deine Gesellschaft sucht, kann "Negerle" nicht böse meinen. Und wenn sogar Süßigkeiten "Negerkuss" heißen, kann der Begriff "Neger" ursprünglich nicht negativ sein.
Es würde aber keiner meiner Damen ud Herren einen wildfremden Menschen auf der Straße in Anbetracht seiner Hautfarbe mit "Neger" ansprechen; also bspw. "Entschuldigung Herr Neger, können sie mir sagen, wie spät es ist?". "Neger" ist eine private Bezeichnungs-, keine allgemeine Anspracheform. Außerdem verböte es der Anstand; man möchte ja auch nicht von wildfremden Menschen auf der Straße als "Oma" oder "Opa" angesprochen werden, nur weil man alt ist.
"Die/Der Farbige" käme als alternative Bezeichnung auch nicht in Betracht, dann wäre die oder der Betroffene ja "ein bunter Hund".
Anbei: Ich bin der einzigste männliche Mitarbeiter auf unserer Station; mich nennen die Bewohner vielmals " 's Bubele" - obgleich ich mit meinen 31 Jahren, meiner Größe von 1,85 m und meinem Bart ganz und gar nichts mehr mit einem Buben gemein habe. Aber ich bin im Gegensatz zu den Bewohern halt jung, deswegen bin ich vergleichsweise noch ein Bub. Da steckt nichts böses dahinter, also bspw. jung = dumm. Hier würde auch keiner auf die Idee kommen, die Bezeichnung "Bubele" zu ersetzen mit "Junger Mann".
Noch was - da bereits "Nonnenfürzle" genannt wurden: Ich arbeite in einer kirchlichen (katholischen) Pflegeeinrichtung und wenn es Maultaschen oder Schupfnudeln zum Essen gibt, bekommen unsere Nonnen statt einem Herzkasper eher einen Lachanfall, bzw. niemand steigt die Schamesröte aufgrund sexueller Anzüglichkeiten ins Gesicht, wenn die bei uns in Schwaben ebenfalls gebräuchlichen Zweitnamen "Herrgottsbescheißerle" für Maultaschen (entsprechend der Erfindung durch Mönche im Kloster Maulbronn) oder "Bubenspitzle" für Schupfnudeln (entsprechend deren Aussehen/Größe wie Penisse kleiner Jungen) fallen.
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner