Ist die Türkei noch eine Demokratie?

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King Kong 2006
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von King Kong 2006 »

Berlin wirft der Türkei vor Terrorismusunterstützer zu sein.
Bundesregierung wirft Türkei Terrorunterstützung vor

Die Bundesregierung betrachtet die Türkei und ihren Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios als aktive Unterstützer radikaler, bewaffneter Islamisten. Die ARD berief sich am Dienstag auf eine als vertraulich eingestufte Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, die dem Sender demnach vorliegt.

Hingewiesen wird darin demnach auf türkische „Unterstützungshandlungen“ für bewaffnete Islamisten in Syrien, ägyptische Muslimbrüder und die palästinensische Organisation Hamas. „Als Resultat der vor allem seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt“, zitierte das ARD-Hauptstadtstudio aus der Antwort der Regierung.

Veröffentlichen will die Bundesregierung dies aber nicht. Eine offene Beantwortung könne „aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen, schrieb dem Sender zufolge der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU).

– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/24597126 ©2016
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bennyh

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von bennyh »

Fuerst_48 hat geschrieben:(15 Aug 2016, 22:20)
Zu Ata Türks Zeiten war sie vermutlich eher ein demokratisch anmutendes Staatswesen.
Lächerliches Statement! Zu Atatürks Zeiten war die Türkei ein Einparteienstaat. So ziemlich das Gegenteil eines demokratischen Staatswesens.
Fuerst_48 hat geschrieben:(15 Aug 2016, 22:20)
Heute?? Am Weg ins Gegenteil...
Am Weg ins Gegenteil oder auf dem Weg ins Gegenteil?
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schokoschendrezki
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich sehe Staaten wie die heutige Türkei oder Russland als "Mehrheitsautokratien": Die Regierungen sind (ursprünglich) durch demokratische Wahlen zustande gekommen und repräsentieren faktisch tatsächlich auch den Willen einer Mehhrheit. Insofern kann man diese Systeme nicht einfach als den Demokratien diametral gegenüberstehende Autokratien sehen. Aber alle weiteren demokratischen Prinzipien, vor allem das der Gewaltenteilung sind geschwächt oder außer Kraft gesetzt. Insbesondere damit auch Pressefreiheit. Und potenziell ist mit dem Mehrheitsrecht auch das Recht auf grundsätzliche Verfassungsänderungen und damit einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Umbau gegeben. Ungarn und Polen sind auf einem ähnlichen Weg.
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Stephan
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Stephan »

HugoBettauer hat geschrieben:(15 Aug 2016, 21:44)

Hallo Stephan, das ist in meinen Augen ein Denkfehler, die Kapitale als Diktatur hinzustellen. Es gibt keine nennenswerte Opposition und auch keine eigenständige Durchsetzungsmacht der Kapitale gegen die Menschen. Die Menschen wollen das so, deshalb gibt es diese Ordnung.

Zur Demokratie aber, die ist in der Türkei klar gegeben.

Alle Erscheinungsformen des Kapitalismus, vom Faschismus über scheinbar religiös dominierte bis zu angeblichen Demokratien, werden durch einen übergreifenden Sachverhalt bestimmt. Es ist die Dominanz der Interessen der Ökonomie und ihrer parasitären privaten Kapitaleffizienz, über die Politik und alle anderen existenziellen Interessen der Gesellschaften und ihrer Menschen. Es ist die Diktatur der Ökonomie über diese und nichts anderes.

Die zentralen Institutionen zur deren Durchsetzung sind der Staat, die Legislativen, die sie dominierenden Parteien, Religionen und die von allen denen dominierten Medien. In dem Kontext gibt es selbstverständlich keine reale Demokratie, außer den pseudodemokatischen bis offen gewaltbestimmten Praktiken, die diese Diktatur stabilisieren sollen, es aber auf Dauer nicht können, da sie die dabei zwingend auftreten, grundsätzlichen Widersprüche nicht lösen können und wollen. Ihre Aufhebung würde den Untergang dieses Systems bedeuten und zugleich aber eine der Voraussetzungen für reale Demokratie sein.

Welch ein Unsinn zu behaupten, dass es reale Demokratie in der Art Diktatur geben könnte, angestrebt wird oder gibt.
Was es gibt sind lediglich verschiedene Erscheinungsformen dessen, die, je nach dem Bedarf der Ökonomie nach Steigerung ihrer parasitären Kapitaleffizienz wechseln und permanentes dümmliches Geschwätz über die Demokratie in der Diktatur, solange es der nützt. Nützt es nicht mehr, so werden faschistoide, also offene gewaltbestimmte Diktaturen nach innen und außen, etabliert. Nicht nur in der Türkei, sondern auch viele afrikanischen, lateinamerikanischen oder asiatische Staaten, in Iran, in Israel, Russland oder den USA wurden derartige Systeme etabliert oder entwickeln sich dahingehen. Diese Entwicklung ist inzwischen eine zivilisatorische Norm. Sie ist in ihrer Quantität das eigentliche existenzielle Problem dieser Zivilisation.
Stephan
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Re: Was ist eigentlich Demokratie?

Beitrag von Stephan »

Atheist hat geschrieben:(15 Aug 2016, 22:27)

Es gibt keine Weltinstitution, die für die Formulierung einer solchen übergreifenden Definition befugt wäre. Die Demokratieforschung hat jedoch Kriterien herausgearbeitet, an denen sich eine demokratische Gesellschaftsordnung erkennen lässt.
Ich kann leider nicht auf jeden Teilnehmer eingehen, bitte schau mal rein: Beitrag von Stephan » So 28. Aug 2016, 10:17.
HugoBettauer

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von HugoBettauer »

Stephan hat geschrieben:(28 Aug 2016, 10:17)

Alle Erscheinungsformen des Kapitalismus, vom Faschismus über scheinbar religiös dominierte bis zu angeblichen Demokratien, werden durch einen übergreifenden Sachverhalt bestimmt. Es ist die Dominanz der Interessen der Ökonomie und ihrer parasitären privaten Kapitaleffizienz, über die Politik und alle anderen existenziellen Interessen der Gesellschaften und ihrer Menschen. Es ist die Diktatur der Ökonomie über diese und nichts anderes.
Hallo Stephan,

wie ich schon ausführte, ist diese These fehlerhaft. Kapitale existieren als vergegenständlichte Kommandomacht nur im Kontext einer Übereinkunft in der Gesellschaft. Sollte eine Mehrheit von Menschen das tatsächlich nicht wollen, bräche es unmittelbar zusammen. In den Kapitalen selbst steckt keinerlei Durchsetzung. Es ist keine innere Eigenschaft von Geldbeträgen auf Konten, irgendwas zu erzwingen. Daher können diese nicht der Demokratie übergeordnet sein oder wie du darstellst unberechtigt zulasten dieser ("parasitär") fungieren.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Eine interessante Frage, ob der Staat auf dem Boden Kleinasiens namens Türkei eine Demokratie sei.

Es sei daran erinnert, dass die Kirche offen erklärt, dass sie keine demokratische Organisation sei, also verbreitet sie keine demokratischen Gedanken, sondern antidemokratische. Ihre christlichen Gläubigen verbreiten natürlich diese nicht-demokratischen Inhalte, das sollte uns klar sein.

Auf dieser Ebene haben wir uns den Islam anzuschauen.

Und Erdogan, der Präsident ohne Uni-Abschluss und damit ein illegaler Präsident kraft türkischem Recht, betreibt eine sehr starke Islamisierung, einhergehend mit dem Nepotismus, da viele seiner direkten und indirekten Verwandten bedeutende Posten innehaben.
Atheist

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Vardarovic hat geschrieben:(24 Oct 2016, 21:30)

Eine interessante Frage, ob der Staat auf dem Boden Kleinasiens namens Türkei eine Demokratie sei.

Es sei daran erinnert, dass die Kirche offen erklärt, dass sie keine demokratische Organisation sei, also verbreitet sie keine demokratischen Gedanken, sondern antidemokratische. Ihre christlichen Gläubigen verbreiten natürlich diese nicht-demokratischen Inhalte, das sollte uns klar sein.
Die Katholiken sind schon ein interessantes Völkchen...
Und Erdogan, der Präsident ohne Uni-Abschluss und damit ein illegaler Präsident kraft türkischem Recht
Das ist, wie ich finde, eine undemokratische Regel. "Effizienzfördernd" muss sie auch nicht zwingend sein, da es sowohl fähige Menschen ohne als auch gewiefte Betrüger mit gekauftem Hochschulabschluss gibt.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Atheist hat geschrieben:(25 Oct 2016, 18:58)

Das ist, wie ich finde, eine undemokratische Regel. "Effizienzfördernd" muss sie auch nicht zwingend sein, da es sowohl fähige Menschen ohne als auch gewiefte Betrüger mit gekauftem Hochschulabschluss gibt.
Vielleicht hatten die Väter (und Mütter?) der einstigen türkischen Gesetzgebung eine Art Prognose und wollten hierüber einen aufkommenden Erdoganismus verhindern.

Die Zeitungen berichten schon, dass Erdogan von einer Groß-Türkei träumt, die Städte Kirkuk und Mossul einbeziehend, weil es mal "osmanisch" war.

Nun, das mag sein, aber geht man weiter in die Geschichte zurück, so stellt man fest, dass die ethnischen Türken ... ins Altai-Gebirge gehörten, und die heutige Türkei Teil des byzantinischen Kaisers war.

--> Das wäre eine analoge Antwort auf den Müll, den Erdogan zurzeit von sich gibt.
Atheist

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Vardarovic hat geschrieben:(25 Oct 2016, 21:13)

Vielleicht hatten die Väter (und Mütter?) der einstigen türkischen Gesetzgebung eine Art Prognose und wollten hierüber einen aufkommenden Erdoganismus verhindern.

Die Zeitungen berichten schon, dass Erdogan von einer Groß-Türkei träumt, die Städte Kirkuk und Mossul einbeziehend, weil es mal "osmanisch" war.

Nun, das mag sein, aber geht man weiter in die Geschichte zurück, so stellt man fest, dass die ethnischen Türken ... ins Altai-Gebirge gehörten, und die heutige Türkei Teil des byzantinischen Kaisers war.

--> Das wäre eine analoge Antwort auf den Müll, den Erdogan zurzeit von sich gibt.
Ich teile deine Sicht auf die derzeitige Regierung Türkeis, halte die Urheber dieser Regel aber für nicht weise-voraussichtig, sondern, nun ja, sagen wir mal "klassenbewusst". Dass sich solche Einstellungen rächen können, bezeugt Erdogan samt der Mehrheit seiner Anhängerschaft.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Misterfritz »

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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Cat with a whip »

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Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Diktator Erdogan sollte wissen, was nach fest kommt: ab.
Er führt zurzeit einen Vierfrontenkrieg:

a) Krieg innerhalb der Türkei gegen die zivile Bevölkerung ohne Kurden
b) Krieg innerhalb der Türkei gegen Kurden (als Fortsetzung, dauert seit 1923 an)
c) Krieg gegen Gülen & Co.
d) Krieg ausserhalb der Türkei, dabei träumend, dass er auf einem fliegenden Pferd das Osmanat neu errichten werde.

Den Dauerkrieg gegen die EU und alle Künstler dieser Welt gar nicht berücksichtigt.
Grund genug, dass es innerhalb der Türkei zu einer Implosion kommen könnte.

...
Türkei enteignet Tausende Firmen und Institutionen
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach ... 37568.html

Erdogans Bilanz: 81.000 suspendiert, 35.000 festgenommen
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach ... 11072.html

Abwarten, einen Pernod geniessen, es kommt noch was aus der Richtung.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Das NATO-Land Türkei will Teil der EU werden.
Hier die Empfehlungstaten der jüngsten Zeit:
In der Türkei sind inzwischen mehr Journalisten inhaftiert als in China,
berichtet Reporter ohne Grenzen.
Seit dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli seien mindestens 99 Journalisten und Schriftsteller verhaftet worden
Zudem seien von den Behörden mehr als 100 Medien geschlossen worden.
Dadurch hätten 2.300 Journalisten ihre Arbeit verloren.
In der Türkei seien mehr als 130 Journalisten im Gefängnis,
sagte Dündar.
"Was gerade in der Türkei passiert, ist eine beispiellose Säuberungsaktion gegen die Medien und Journalisten",
sagte eine Sprecherin.
Quelle:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016 ... resolution

Die Zukunft der Türkei sieht gut aus:
Nach dem Putsch stehen alle Zeichen auf türkisch-islamische Synthese.
Der autoritären Gleichschaltung Erdogans beugt sich selbst das Parlament und wird demnächst seiner Entmachtung zustimmen.
Quelle:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... Gosse.html
Atheist

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Die türkischen Anti-Terror-Bemühungen haben zu einer Auslastung der vorhandenen Gefängnisse von bis zu 200 und mehr % geführt (zusätzlicher Platz wurde durch die vorzeitige Entlassung anderer Straftäter geschaffen). Nun soll sich in den nächsten 5 Jahren alles bessern: http://orf.at/m/stories/2358243/ Dann könnten noch mehr Gefährder von der Gesellschaft abgesondert werden, um den türkischen Staat zu schützen.

Das zeigt, dass yes, Erdogan can build Guantanamo - damit könnte auch die Türkei endlich zum voll akzeptierten NATO-Mitglied und nicht nur einen lästigen, aber strategisch wichtigen Partner aufsteigen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Atheist hat geschrieben:(28 Oct 2016, 16:25)

Die türkischen Anti-Terror-Bemühungen haben zu einer Auslastung der vorhandenen Gefängnisse von bis zu 200 und mehr % geführt (zusätzlicher Platz wurde durch die vorzeitige Entlassung anderer Straftäter geschaffen). Nun soll sich in den nächsten 5 Jahren alles bessern: http://orf.at/m/stories/2358243/ Dann könnten noch mehr Gefährder von der Gesellschaft abgesondert werden, um den türkischen Staat zu schützen.

Das zeigt, dass yes, Erdogan can build Guantanamo - damit könnte auch die Türkei endlich zum voll akzeptierten NATO-Mitglied und nicht nur einen lästigen, aber strategisch wichtigen Partner aufsteigen.
Mit sehr wenigen Worten sehr viel gesagt, das zeichnet deine Beiträge ja schon immer aus. Respekt. Tatsächlich muss ich, der ich zu den berühmt-berüchtigten Verteidigern der Türkei gehöre, zugeben, dass aktuell von einer türkischen Demokratie nicht mehr gesprochen werden kann. Die komplette Opposition im Gefängnis bedeutet Diktatur, ohne wenn und aber.
Dennoch interessant ist natürlich der ironische Hinweis auf die Heuchelei der Turkophoben, die laut schreiend mit dem Finger auf türkische Verhältnisse zeigen, beim Blick auf amerikanische Verhältnisse jedoch den Stetson über die Augen rutschen lassen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 16:50)

Mit sehr wenigen Worten sehr viel gesagt, das zeichnet deine Beiträge ja schon immer aus. Respekt. Tatsächlich muss ich, der ich zu den berühmt-berüchtigten Verteidigern der Türkei gehöre, zugeben, dass aktuell von einer türkischen Demokratie nicht mehr gesprochen werden kann. Die komplette Opposition im Gefängnis bedeutet Diktatur, ohne wenn und aber.
Dennoch interessant ist natürlich der ironische Hinweis auf die Heuchelei der Turkophoben, die laut schreiend mit dem Finger auf türkische Verhältnisse zeigen, beim Blick auf amerikanische Verhältnisse jedoch den Stetson über die Augen rutschen lassen.
Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 17:34)

Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Ausnahmezustand?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:03)

Ausnahmezustand?
Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 17:34)

Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Das ist nicht richtig. Erdogan hatte in seinen "Gründerjahren" eine ganz starke Phase und die Türkei aus dem Erbe des großen Ata in Richtung einer modernen Gesellschaft geführt. Das war eine sehr schwierige Aufgabe. Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram. Die moderne türkische Jugend war gerade im Begriff, diesen Makel überzukompensieren. Erdogan hatte aus der alten "splendid isolation" der Reste des niedergegangenen osmanischen Reichs sehr erfolgreiche kapitalistische Strukturen aufgebaut und dazu der türkischen Gesellschaft ungeahnte Freiheiten verschafft. Zudem hatte er faktisch eine vollständigere Trennung von Kirche und Staat erwirkt als wir das in Deutschland haben. Bis vor ca. 1-2 Jahren war die Türkei im Begriff, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, nach oben in die Haute-Volée der kapitalistischen Nationen. Das ist vorbei. Die Freiheiten sind weg, der Laizismus ist faktisch weg, nur der Kapitalismus ist noch da und auch die NATO-Partnerschaft. Wer weiß, wie lange...
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:06)

Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Nein, das ist wirklich falsch. Die Militärs hatte er im Gegenteil entmachtet. Militärputsche haben in der Türkei eine lange Testosteron-Historie. Die Türken freuen sich seit jeher über starke Führer und da gibt es immer wieder Aspiranten, die Kalif werden wollen anstelle des Kalifen, um es mal mit Isnogud zu sagen. Das musste Erdogan erstmal in den Griff bekommen. Gerade unter Erdogan war und ist die Türkei eben keine Militärdiktatur, sondern ist heute zu einer reinen Führer-Diktatur geworden. Die Macht ist personalisiert und an der Person Erdogan festgemacht. Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:06)

Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Man sollte aber nicht unterschlagen, dass es unter der Führung von Erdogan auch eine lange Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Wohlstandes und eine gewisse Trennung von Judikative/Exekutive/Legislative gab. Erdogan hat deshalb immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Ja, sogar in Deutschland verehren die meisten Türken ihren Erdogan. Irre, nicht wahr?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Ammianus »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:13)

...

Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram.

...
Der Niedergang des türkischen Imperiums setzte viel früher ein. Spätestens nach dem 2. Debakel vor Wien war es vorbei. Nach und nach drängten europäisch-christliche Mächte die Sultane auf dem Balkan zurück. Das Desaster wäre noch viel größer gewesen, hätten diese Mächte nicht untereinander ihre Rivalitäten ausgekämpft. So verbündete sich z.B. Britannien im Krimkrieg mit der Türkei gegen Russland. Ohne dies wäre Konstantinopel heute vielleicht Hauptstadt eines griechischen Staates. Trotzdem, die Griechen befreiten sich, die Bulgaren verdanken ihre Freiheit den Russen, weswegen sie sich, obwohl verbündet, nicht an Hitlers Überfall auf die Sowjetunion beteiligten.
Napoleon trug seinen Kampf gegen die Briten ganz locker auf nominell von den Sultanen beherrschten Gebiet in Ägypten aus. Ägypten war theoretisch eine osmanische Provinz, die dortigen Statthalter machten aber was sie wollten und vom Topkapi aus konnte man dabei nur zusehen.
Auch im Innern war es verheerend. Der Islam lastete wie Mehltau auf der Gesellschaft und konservierte Denk- und Verhaltensweisen, die Europa abstreifte. Hier begann Wissenschaft und Kultur immer mehr aufzublühen. Hatte im späten Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit die Türkei teilweisen einen technischen Vorsprung in der Herstellung und vor allem im Einsatz von Feuerwaffen – dies machte die Eroberung Konstantinopels erst möglich – so war es bald damit vorbei. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts holte sich der Sultan westliche Berater um sein völlig veraltetes Militärwesen zu modernisieren.
Und auch nach dem 1. Weltkrieg rettete der Westen im Prinzip den Türken den Arsch.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:13)

Das ist nicht richtig. Erdogan hatte in seinen "Gründerjahren" eine ganz starke Phase und die Türkei aus dem Erbe des großen Ata in Richtung einer modernen Gesellschaft geführt. Das war eine sehr schwierige Aufgabe. Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram. Die moderne türkische Jugend war gerade im Begriff, diesen Makel überzukompensieren. Erdogan hatte aus der alten "splendid isolation" der Reste des niedergegangenen osmanischen Reichs sehr erfolgreiche kapitalistische Strukturen aufgebaut und dazu der türkischen Gesellschaft ungeahnte Freiheiten verschafft. Zudem hatte er faktisch eine vollständigere Trennung von Kirche und Staat erwirkt als wir das in Deutschland haben. Bis vor ca. 1-2 Jahren war die Türkei im Begriff, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, nach oben in die Haute-Volée der kapitalistischen Nationen. Das ist vorbei. Die Freiheiten sind weg, der Laizismus ist faktisch weg, nur der Kapitalismus ist noch da und auch die NATO-Partnerschaft. Wer weiß, wie lange...
Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war, ist schlichtweg falsch. Es hat sich einfach nicht viel verändert, nur das sich die Machtverhältnisse unter den Eliten verschoben haben. Daher sollte man bei solcher Kritik an der Türkei immer historisches Maß halten, auch wenn man Erdogan noch so wenig mag. Die kemalistischen Eliten waren kein Stück weniger korrupt oder autoritär, nur waren sie obendrein leider noch unfähig. Daher rührt Erdogans Erfolg.
Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:18)

Nein, das ist wirklich falsch. Die Militärs hatte er im Gegenteil entmachtet. Militärputsche haben in der Türkei eine lange Testosteron-Historie. Die Türken freuen sich seit jeher über starke Führer und da gibt es immer wieder Aspiranten, die Kalif werden wollen anstelle des Kalifen, um es mal mit Isnogud zu sagen. Das musste Erdogan erstmal in den Griff bekommen. Gerade unter Erdogan war und ist die Türkei eben keine Militärdiktatur, sondern ist heute zu einer reinen Führer-Diktatur geworden. Die Macht ist personalisiert und an der Person Erdogan festgemacht. Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab.
Ich rede von der Zeit 1923 bis heute. Die frühe Erdogan-Zeit war nur eine Übergangsperiode zur neuen islamischen Türkei, die genauso straff und autoritär sein soll wie die vom Militär regierte, nur eben durch islamische Eliten.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:23)

Man sollte aber nicht unterschlagen, dass es unter der Führung von Erdogan auch eine lange Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Wohlstandes und eine gewisse Trennung von Judikative/Exekutive/Legislative gab. Erdogan hat deshalb immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Ja, sogar in Deutschland verehren die meisten Türken ihren Erdogan. Irre, nicht wahr?
Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Viele Türken hatten sehr starke nationale Minderwertigkeitskomplexe und da kommt jetzt so einer daher. Das ist für die natürlich wie Ostern und Weihnachten zusammen.
Zuletzt geändert von Wasteland am Fr 28. Okt 2016, 19:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:08)

Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war, ist schlichtweg falsch. Es hat sich einfach nicht viel verändert, nur das sich die Machtverhältnisse unter den Eliten verschoben haben. Daher sollte man bei solcher Kritik an der Türkei immer historisches Maß halten, auch wenn man Erdogan noch so wenig mag. Die kemalistischen Eliten waren kein Stück weniger korrupt oder autoritär, nur waren sie obendrein leider noch unfähig. Daher rührt Erdogans Erfolg.



Ich rede von der Zeit 1923 bis heute. Die frühe Erdogan-Zeit war nur eine Übergangsperiode zur neuen islamischen Türkei, die genauso straff und autoritär sein soll wie die vom Militär regierte, nur eben durch islamische Eliten.
Möglich. Du erwartest also so etwas ähnliches wie einen Taliban-Staat oder einen anderen "Gottestaat"? Ein solcher Staat würde keinen Bestand haben. Die wirtschaftliche Verzahnung der Türkei mit dem Westen (und nicht nur mit dem Westen) ist äußerst komplex, die wirtschaftlichen Interessen ausländischer Nationen in der Türkei sehr hoch. Die militärische Bedeutung der Türkei für die NATO, besonders für die Amerikaner ist ebenfalls sehr hoch. Man wird den Imamen Bomben aufs Haupt werfen, so wie man das immer tut als ultima ratio, wenn jemand aufsässig wird und diese Bomben werden dann wie immer alle Menschen in der Türkei treffen und diesen aufstrebenden Staat zurück ins Mittelalter treiben. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen, das hoffe ich wirklich sehr.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:18)

Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Ja, eben, das meine ich auch.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

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Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:08)

Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war,...
Mit "früher eine war" meine ich sehr kurzfristig die letzten Jahre bis 2015. Nicht 1923 etc. Vielleicht haben wir mit demBegriff "früher" andere Vorstellungen verbunden.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:18)

Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Viele Türken hatten sehr starke nationale Minderwertigkeitskomplexe und da kommt jetzt so einer daher. Das ist für die natürlich wie Ostern und Weihnachten zusammen.
Warum hat Erdogan diese erfolgreiche Linie aufgegeben? Ist er verrückt geworden und die Mehrheit der Türken erkennt das nicht?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:20)

Möglich. Du erwartest also so etwas ähnliches wie einen Taliban-Staat oder einen anderen "Gottestaat"? Ein solcher Staat würde keinen Bestand haben. Die wirtschaftliche Verzahnung der Türkei mit dem Westen (und nicht nur mit dem Westen) ist äußerst komplex, die wirtschaftlichen Interessen ausländischer Nationen in der Türkei sehr hoch. Die militärische Bedeutung der Türkei für die NATO, besonders für die Amerikaner ist ebenfalls sehr hoch. Man wird den Imamen Bomben aufs Haupt werfen, so wie man das immer tut als ultima ratio, wenn jemand aufsässig wird und diese Bomben werden dann wie immer alle Menschen in der Türkei treffen und diesen aufstrebenden Staat zurück ins Mittelalter treiben. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen, das hoffe ich wirklich sehr.
Nein, das erwarte ich nicht, entweder wir reden aneinander vorbei oder du interpretierst da etwas zuviel rein. Einen türkischen Gottesstaat wird es aus vielen verschiedenen Gründen nie geben.
Ist in der Türkei nicht machbar, das gäbe einen vernichtenden Bürgerkrieg.
Ich hängte mich nur daran auf, das immer gefragt wird ob die Türkei "noch" eine Türkei sei. Atatürk war auch kein Demokrat und alle seine Nachfolger auch nicht. Das meine ich. Es soll ja impliziert werden das Erdogan in der Türkei die Demokratie abgeschafft habe. Das ist aber Quatsch er macht so weiter wie vorher, nur unter anderen Vorzeichen. Auch das Militär hat massenhaft Journalisten eingesperrt.
Es ist schon eine leicht verzerrte Sichtweise zu sagen, jetzt wäre alles anders und viel schlimmer. Es ist eben die subjektive, europäisch-deutsche Sichtweise auf einen zutiefst verhassten islamisch-orientierten Herrscher, bei völliger Ausblendung der Sichtweise der anderen Seite.
Die davor waren aber eben keinesfalls liberaler, demokratischer o.ä.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:24)

Mit "früher eine war" meine ich sehr kurzfristig die letzten Jahre bis 2015. Nicht 1923 etc. Vielleicht haben wir mit demBegriff "früher" andere Vorstellungen verbunden.
Ja, das denke ich auch...Aneinander vorbei geredet. A weng. Um es mit deinem Slang zu sagen. :p
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:28)

Nein, das erwarte ich nicht, entweder wir reden aneinander vorbei oder du interpretierst da etwas zuviel rein. Einen türkischen Gottesstaat wird es aus vielen verschiedenen Gründen nie geben.
Ist in der Türkei nicht machbar, das gäbe einen vernichtenden Bürgerkrieg.
Ich hängte mich nur daran auf, das immer gefrgt wird ob die Türkei "noch" eine Türkei sei. Atatürk war auch kein Demokrat und alle seine Nachfolger auch nicht. Das meine ich. Es soll ja impliziert werden das Erdogan in der Türkei die Demokratie abgeschafft habe. Das ist aber Quatsch er macht so weiter wie vorher, nur unter anderen Vorzeichen. Auch das Militär hat massenhaft Journalisten eingesperrt.
Es ist schon eine leicht verzerrte Sichtweise zu sagen, jetzt wäre alles anders und viel schlimmer. Es ist eben die europäisch-deutsche Sichtweise auf einen zutiefst verhassten islamisch-orientierten Herrscher.
Die davor waren aber eben keinesfalls liberaler, demokratischer o.ä.
Ah, ok, ja, das sind wir dann schon auf einer Linie. Ich meine, Erdogan selbst hat die Türkei demokratisiert, was natürlich selbst auch wieder ein sehr relativer Begriff ist. Immerhin gab es demokratische Wahlen und eine halbwegs freie Presse und eben auch eine Opposition. Auch darf man nicht vergessen, dass im Hintergrund ständig irgendwelche Militärs rein gewohnheitsmäßig mit Putschgedanken gespielt haben. Scheinabr wurde ihm das jetzt alles zhu blöd, vielleicht auch zu gefährlich, also hat er einen weiten Schritt nach hinten gemacht. Ein großer Fehler in meinen Augen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:28)

Warum hat Erdogan diese erfolgreiche Linie aufgegeben? Ist er verrückt geworden und die Mehrheit der Türken erkennt das nicht?
Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:30)

Ja, das denke ich auch...Aneinander vorbei geredet. A weng. Um es mit deinem Slang zu sagen. :p
Ja mei, jetzt is ja ausgredt, koana valetzt, ois easy, um es auch mal mit meinem Slang zu sagen.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:34)

Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
Jep. Der Inbegriff des, äh, osmanischen Teufels, wenn man gewissen deutschen Kreisen Glauben schenkt.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:33)

Ah, ok, ja, das sind wir dann schon auf einer Linie. Ich meine, Erdogan selbst hat die Türkei demokratisiert, was natürlich selbst auch wieder ein sehr relativer Begriff ist. Immerhin gab es demokratische Wahlen und eine halbwegs freie Presse und eben auch eine Opposition. Auch darf man nicht vergessen, dass im Hintergrund ständig irgendwelche Militärs rein gewohnheitsmäßig mit Putschgedanken gespielt haben. Scheinabr wurde ihm das jetzt alles zhu blöd, vielleicht auch zu gefährlich, also hat er einen weiten Schritt nach hinten gemacht. Ein großer Fehler in meinen Augen.
Das das Militär entmachtet wurde war ein völlig richtiger und unabdingbarer Schritt für die Türkei.
In den 90er sagte einer der ranghöchsten Militärs: "Das Militär ist dazu da um den Staat vor dem Volk zu schützen."
War die Türkei damals eine Demokratie? Ganz sicher nicht, diese Pappnasen mussten weg.
Leider gibt es hier bei uns zu viele Menschen die den Türken jedes Recht absprechen sich selber zu bestimmen, wenn es ihren eigenen Vorstellungen wie jemand zu leben hat zuwiderläuft.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:36)

Jep. Der Inbegriff des, äh, osmanischen Teufels, wenn man gewissen deutschen Kreisen Glauben schenkt.
Ja, die. Das nervt ein wenig. Aber auch in der Türkei gibt es solche. Warum muss man immer kompromisslos in Lagern denken und kann nicht die Dinge einzeln betrachten?
Raff ick nich. (Um es in meinem Slang zu sagen)
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:39)

Ja, die. Das nervt ein wenig. Aber auch in der Türkei gibt es solche. Warum muss man immer kompromisslos in Lagern denken und kann nicht die Dinge einzeln betrachten?
Raff ick nich. (Um es in meinem Slang zu sagen)
ick jloobs manchmal ooch nich, um es mal in deinem Slang zu probieren. Schade eigentlich, aber man ist ja selbst auch nicht frei von Schubladen. Ich hab da z.B. so eine große braune, mit allerlei Runen und son Zeuchs. Das passt viel rein...
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:37)

Das das Militär entmachtet wurde war ein völlig richtiger und unabdingbarer Schritt für die Türkei.
In den 90er sagte einer der ranghöchsten Militärs: "Das Militär ist dazu da um den Staat vor dem Volk zu schützen."
War die Türkei damals eine Demokratie? Ganz sicher nicht, diese Pappnasen mussten weg.
Leider gibt es hier bei uns zu viele Menschen die den Türken jedes Recht absprechen sich selber zu bestimmen, wenn es ihren eigenen Vorstellungen wie jemand zu leben hat zuwiderläuft.
Allerdings. Es reicht ja nicht, den Türken in Deutschland vorzuschreiben wie man zu leben hat, nein, man muss ja auch noch den Türken vorschreiben wie sie in der Türkei zu leben haben. Das ist aber eine typische Foge krassen nationalen Denkens. Am deutschen Wesen sollte die Welt schon einmal genesen. Hat nicht geklappt. Also nochmal von vorne. Same player shoots again - da sei der Himmel davor.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:49)

Allerdings. Es reicht ja nicht, den Türken in Deutschland vorzuschreiben wie man zu leben hat, nein, man muss ja auch noch den Türken vorschreiben wie sie in der Türkei zu leben haben. Das ist aber eine typische Foge krassen nationalen Denkens. Am deutschen Wesen sollte die Welt schon einmal genesen. Hat nicht geklappt. Also nochmal von vorne. Same player shoots again - da sei der Himmel davor.
Ich kann auch verstehen warum Russen Putin wählen. Wenn man sich anschaut was so die Optionen sind und was da vorher regiert hat. Ist ähnlich wie in der Türkei.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:34)

Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
Es ist gar nicht mehr feststellbar, ob die Mehrheit der Türken in der Türkei noch hinter Erdogan steht, denn Erdogan hat die Türkei de Facto wieder zu einer Diktatur gemacht. Die Türken in Deutschland müssen die wirtschaftlichen Folgen der Erdogan-Fehler nicht ertragen und sind mit Sicherheit die treuesten Erdogan-Verehrer.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:05)

Es ist gar nicht mehr feststellbar, ob die Mehrheit der Türken in der Türkei noch hinter Erdogan steht, denn Erdogan hat die Türkei de Facto wieder zu einer Diktatur gemacht. Die Türken in Deutschland müssen die wirtschaftlichen Folgen der Erdogan-Fehler nicht ertragen und sind mit Sicherheit die treuesten Erdogan-Verehrer.
Es sind sicher 40-50% der Türken die hinter Erdogan stehen, 20-25% davon fanatisch wie eine Hooligan-Fankurve. (ist meine Schätzung, alles subjektiv) Der Rest wählt ihn wegen seiner Ergebnisse und weil die Opposition unbrauchbar ist.
Bei den Deutsch-Türken ist das noch ein bisschen anders. Von denen haben ihn glaube ich sogar noch mehr gewählt, irgendwas um die 60%.
Das ist einmal der Diaspora-Effekt, das Menschen die auswandern oft konservativer sind als die in der Heimat. Nostalgie und so.
Hinzu kommt, das viele Türken sich von den Deutschen nicht akzeptiert fühlen und das Gefühl haben man schaut auf sie herunter und macht sie verächtlich.
Da kommt so einer wie Erdogan natürlich gerade recht. Es gibt 1a integrierte Türken, die besser deutsch als türkisch sprechen, die Erdogan wählen, weil sie das Gefühl haben das die Deutschen sie hassen und sie nicht zu Deutschland gehören dürfen. Insgeheim bewundern viele Türken Deutschland. Es ist eine verschmähte Liebe. Da reagiert jeder gekränkt.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:27)

Es sind sicher 40-50% Der Türken die hinter Erdogan stehen, 20-25% davon fanatisch wie eine Hooligan-Fankurve. (ist meine Schätzung, alles subjektiv) Der Rest wählt ihn wegen seiner Ergebnisse und weil die Opposition unbrauchbar ist.
Bei den Deutsch-Türken ist das noch ein bisschen anders. Von denen haben ihn glaube ich sogar noch mehr gewählt, irgendwas um die 60%.
Das ist einmal der Diaspora-Effekt, das Menschen die auswandern oft konservativer sind als die in der Heimat. Nostalgie und so.
Hinzu kommt, das viele Türken sich von den Deutschen nicht akzeptiert fühlen und das Gefühl haben man schaut auf sie herunter und macht sie verächtlich.
Da kommt so einer wie Erdogan natürlich gerade recht. Es gibt 1a integrierte Türken, die besser deutsch als türkisch sprechen, die Erdogan wählen, weil sie das Gefühl haben das die Deutschen sie hassen und sie nicht zu Deutschland gehören dürfen. Insgeheim bewundern viele Türken Deutschland. Es ist eine verschmähte Liebe.
Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:04)

Ich kann auch verstehen warum Russen Putin wählen. Wenn man sich anschaut was so die Optionen sind und was da vorher regiert hat. Ist ähnlich wie in der Türkei.
Auch das ist ein seltenes, wahres Wort. Wir reden uns hier leicht (noch, das kann sich schnell ändern).
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:50)

Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Wie dumm ist das wieder...ts ... Und wenn? Und wenn er Deutsch-Türke wäre? Bist du Deutsch-Türke? Wegen Einblick, und so? Ich habe einige Türken in meinem direkten sozialen Umfeld. Freunde, Bekannte, Kollegen, Geschäftspartner. Und weiter?
Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf
Was ist das nur wieder für ein Satz? Wenn ein Türke stolz darauf ist, ein Türke zu sein ist das genau weswegen unangebracht?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 21:44)

Wie dumm ist das wieder...ts ... Und wenn? Und wenn er Deutsch-Türke wäre? Bist du Deutsch-Türke? Wegen Einblick, und so? Ich habe einige Türken in meinem direkten sozialen Umfeld. Freunde, Bekannte, Kollegen, Geschäftspartner. Und weiter?


Was ist das nur wieder für ein Satz? Wenn ein Türke stolz darauf ist, ein Türke zu sein ist das genau weswegen unangebracht?
Dumm ist lediglich Deine plumpe Unterstellung, ich würde es für unangebracht halten, wenn jemand stolz darauf ist, Türke zu sein.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 21:51)

Dumm ist lediglich Deine plumpe Unterstellung, ich würde es für unangebracht halten, wenn jemand stolz darauf ist, Türke zu sein.
Ach?

Dann ist das also eine versehentliche sprachliche Entgleisung:
Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf
mhm, gut. Das kommt vor.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:03)

Ach?

Dann ist das also eine versehentliche sprachliche Entgleisung:


mhm, gut. Das kommt vor.
Nein, keine sprachliche Entgleisung sondern ehrliche Schilderung persönlicher Erfahrung.
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:08)

Nein, keine sprachliche Entgleisung sondern ehrliche Schilderung persönlicher Erfahrung.
Wie dies? Also bist du Türke oder Deutsch-Türke oder Kurde oder wie soll ich das verstehen?
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Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:50)

Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Meine Frau ist Türkin. Und ich habe Türken in meinem Umfeld seit ich denken kann. Ich habe den Vorteil das sowohl Deutsche, als auch Türken zu mir vertraulich reden. Ausser die extremen Ränder, die hassen mich entweder für meine multikulturellen Verbindungen oder dafür das ich Deutscher bin.
Das Problem der der verschmähten Liebe zwischen Deutschen und Türken ist ein beiderseitiges. Wenn man wollte könnte man das ändern. Ist einfach die Frage was man sich entscheidet über den anderen zu denken.
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